Wenn ich mir angucke, was Sie da in Berlin so treiben, würde ich mich an Ihrer Stelle nicht so weit aus dem Fenster lehnen.
Ich danke dem Kollegen Sckerl, dass er heute hier Schluss gemacht hat mit der Verharmlosung der Terrorgefahr. Dazu neigte ja Ihre Gruppierung.
Sie haben heute noch einmal deutlich gemacht, dass die Terrorgefahr nicht verharmlost werden darf. Dafür danke ich Ihnen.
Ich danke noch einmal ganz besonders den Polizeibeamten und -beamtinnen und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Verfassungsschutzes, die diese großartige, hervorragende Leistung vollbracht haben – ohne Onlinedurchsuchung, ohne Einschränkung der Bürgerrechte, sondern im Einklang mit unserem Grundgesetz und unserer Landesverfassung. So stellen wir uns effektive, vernünftige und gute Sicherheitsarbeit vor.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Es ist angekommen – das entnehme ich den bisherigen Redebeiträgen –: Wir diskutieren nicht mehr abstrakt über dieses Thema, sondern wir diskutieren sehr konkret, weil die Gefahr nicht mehr abstrakt, sondern sehr konkret ist und weil uns die Realität eingeholt hat. Wir werden nachher und in den nächsten Monaten noch darüber zu sprechen haben, was wir tun müssen, damit uns die Realität nicht überholt.
Meine Damen und Herren, machen wir uns klar: Wir haben seit letztem Jahr schon zweimal Glück gehabt: das eine Mal bei den geplanten Kofferbombenattentaten in Dortmund und Koblenz am 31. Juli 2006, bei denen nur wegen eines kleinen handwerklichen Fehlers die Bomben nicht explodiert sind, und dieses Mal bei den aktuellen Festnahmen, weil unsere Sicherheitsbehörden umsichtig und höchst professionell gehandelt haben.
Der Kollege Blenke hat zu Recht davor gewarnt, jetzt schnell wieder zur Tagesordnung überzugehen nach dem Motto: „Es ist ja nichts passiert. Daran zeigt sich, dass wir bei der inneren Sicherheit gut aufgestellt sind, dass alle Instrumentarien vorhanden sind, die unsere Polizei und die übrigen Sicherheitsbehörden brauchen.“ Teilweise wurde und wird uns Panikmache unterstellt und behauptet, es werde ein Popanz aufgebaut, um Forderungen nach neuen Sicherheitsgesetzen durchzubringen.
Das ist nicht meine Sache. Es ist auch nicht Sache eines Innenministers, bei der Bevölkerung Angst zu verbreiten. Aber er muss auf die Realitäten hinweisen, und er muss Möglichkeiten aufzeigen, Gefahrenlagen wirksam begegnen zu können.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Hans Georg Junginger SPD: Das ist wohl richtig!)
Für das Lob, das unserer Polizei, dem Landesamt für Verfassungsschutz und dem Landeskriminalamt hier zuteil gewor
den ist, danke ich und werde es an unseren Landespolizeipräsidenten Hetger – der heute hier anwesend ist – und an all diejenigen weitergeben, die mittelbar oder unmittelbar an der Aufklärung dieser geplanten Anschläge beteiligt waren.
Ich will feststellen: Unsere Strategie hat sich bewährt. Aber falsch wäre es, die Bedrohung, der Deutschland und der damit, nach allem was wir wissen, auch Baden-Württemberg auf absehbare Zukunft hin ausgesetzt sein wird, jetzt kleinzureden.
Nach unserer Einschätzung wird die Bekämpfung des islamis tischen Terrorismus die größte Herausforderung der nächsten Jahre sein.
Lassen Sie mich noch einmal kurz zusammenfassen: Deutschland sieht sich derzeit mit einer qualitativ ganz klar erhöhten Bedrohung durch islamistischen Terrorismus konfrontiert. Ich fürchte auch, es wird für Terroristen, für terroristische Organisationen wie Al-Kaida mehr und mehr deutlich, dass wir an dieser Stelle – wir als Staat – höchst empfindlich sind und dass wir am stärksten getroffen würden, wenn wir – neben den Opfern, die wir bislang schon zu beklagen haben – in Zukunft weitere Opfer zu beklagen hätten. Dann würde auch die Stimmung in unserer Bevölkerung in Fragen der generellen Sicherheit – ich nenne die Afghanistaneinsätze – möglicherweise nachhaltig beeinflussbar sein. Gerade deswegen sind deutsche Einrichtungen im Ausland oder in Deutschland selbst – wir hier im Inland – aus der Sicht von Terroristen ein höchst lohnendes Ziel. Das müssen wir uns einfach vor Augen halten und darauf entsprechend reagieren.
Die Bedrohung hat sich deswegen konkretisiert und die Gefährdungslage hat sich erhöht, weil sich Gruppierungen und Strukturen zunehmend verselbstständigen. Es muss davon ausgegangen werden, dass Anschläge im Bundesgebiet oder gegen deutsche Interessen und Einrichtungen im Ausland jederzeit möglich sind und erfolgen können.
Terrorziele sind schwer einzugrenzen. Den Tätern geht es ja primär darum, möglichst viele Menschen zu töten und zu verletzen. Und die Bombe eines Attentäters explodiert immer zweimal: einmal am Tatort selbst, mit allen schrecklichen Folgen, und zum zweiten Mal auf Millionen von Bildschirmen und in Zeitungen, mit schrecklichen Bildern. Das ist die verunsichernde Wirkung der „zweiten Explosion“.
Zu keinem Zeitpunkt seit den Anschlägen in New York – ich betone: zu keinem Zeitpunkt – war die Gefahr eines Anschlags in Deutschland größer als heute, auch wenn durch den aktuellen Ermittlungserfolg und durch die Festnahmen die Gefahrenspitze – ich habe das einmal als „Etappensieg“ bezeichnet – jetzt gebrochen ist.
Wir in Baden-Württemberg können die Bedrohung meines Erachtens jedoch sehr gut einschätzen, weil wir im Verfahren gegen die im Mai festgenommenen drei Beteiligten – das wurde von Herrn Kollegen Blenke und auch von den anderen Kol
legen zu Recht gesagt – an vorderster Stelle beteiligt waren. In der Ermittlungsgruppe waren immerhin 130 der insgesamt 300 dort tätigen Beamten aus Baden-Württemberg. Über Monate hinweg und rund um die Uhr waren unsere Kräfte aus Baden-Württemberg an einem der Hauptverdächtigen „dran“ – um es einmal so auszudrücken. Dieser hat in Callshops rund um Stuttgart zahlreiche Gespräche mit der islamistischen Dschihad-Union in Pakistan geführt. Diese Gespräche haben ja nicht virtuell stattgefunden, sondern waren sehr real. Schon das mag Ihre Frage, Herr Sckerl, was die Existenz dieser islamistischen Dschihad-Union angeht, wenigstens zum Teil beantworten. Ich komme darauf aber noch einmal zurück.
Den weiteren Verlauf kennen Sie: Die Fässer waren in einem Dorf, in einer Gemeinde im Schwarzwald gebunkert, und unsere Beamten haben – das war der eigentlich entscheidende Moment – den Inhalt gegen eine ungefährliche Lösung ausgetauscht. Deswegen hatten wir die Gefährdung sozusagen im Griff – vorausgesetzt, das, was wir im Blick hatten, war tatsächlich die gesamte Anzahl der Fässer.
Aber die Bedrohung war so real, dass unsere Beamten bis an die Grenze der eigenen Belastbarkeit gegangen sind. Dies habe ich schon bei früheren Gelegenheiten gesagt. Dies wiederhole ich heute. Deswegen auch von meiner Seite Dank und höchsten Respekt und Anerkennung für die erbrachte Leis tung. Die Zahl der Überstunden, die dabei anfielen, war beträchtlich. Ich sage hier auch unumwunden: Parallele Gefahrenlagen dieser Art würden uns vermutlich über die Grenze dessen hinaus fordern, was wir tatsächlich leisten können. Das müssen wir uns vor Augen halten. Aber, Herr Kollege Junginger, es sind Szenarien denkbar, wo Sie auch mit 1 000 oder 2 000 zusätzlichen Personalstellen vor der gleichen Problematik stehen würden.
Ich bin dankbar dafür, dass wir die 68 000 Überstunden, die von baden-württembergischen Beamten geleistet wurden, sofort auch finanziell mit einem Betrag von über 1,2 Millionen € ausgleichen konnten. Das ist wichtig, auch für die Beamten und deren Motivation.
Es lohnt sich, Herr Kollege Junginger, auf die Experten der polizeilichen Praxis zu hören. Die sagen uns, dass es praktisch unmöglich ist, über lange Zeit hinweg hoch konspirative Zielpersonen ohne hohes Entdeckungsrisiko zu observieren und wichtige Informationen allein über die Observation von Personen zu erhalten – von der enormen personellen Belastung einmal ganz zu schweigen. Damit ist ein hohes Risiko verbunden.
Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass Terroristen modernste Technik benutzen. Sie kommunizieren, wie im vorliegenden Fall, über anonyme Callshops. Sie loggen sich in offene, also nicht geschützte Internetleitungen unbeteiligter Dritter ein, und sie tarnen ihre Kommunikation. Sie kryptieren. Deswegen müssen wir mit unseren Ermittlungsmethoden dringend nachziehen.
(Abg. Hans Georg Junginger SPD: Aber für die Fäl- le der Callshops haben Sie ja noch nichts, Herr Mi- nister! Für diese Fälle haben Sie keine Vorschläge!)
Die aktuellen Ereignisse zeigen ja, wie wichtig es war und ist, beim islamistischen Terrorismus einen Bekämpfungsschwerpunkt zu setzen. Dies tun wir. Wir haben nach den vereitelten bzw. fehlgeschlagenen Kofferbombenanschlägen unsere Maßnahmen in Baden-Württemberg nochmals intensiviert und die zentrale Ermittlungs- und Fahndungseinheit „Islamistischer Terrorismus“ gebildet und beim Landeskriminalamt eingerichtet. Diese zentrale Einheit soll frühzeitig gefährliche islamistische Strukturen aufdecken, um von vornherein, über den Erkenntnisgewinn, Anschläge zu verhindern. Und sie arbeitet gerade jetzt aktuell an sechs erkannten Brennpunkten im Land.
Zudem wurde bei der anlassunabhängigen Internetfahndung beim Landeskriminalamt die Zahl der Stellen von fünf auf zehn verdoppelt und zusätzlich ein Islamwissenschaftler eingestellt. Beim Landesamt für Verfassungsschutz wird derzeit ein Internetkompetenzzentrum aufgebaut. Das Amt bündelt dort seine islamwissenschaftlichen und technischen Kompetenzen zur Überwachung des Internets, und auch das Landes kriminalamt wird im Internetkompetenzzentrum mit einem Verbindungsmann vertreten sein, unter klarer Beachtung des Trennungsgebots, Herr Kollege Junginger.
Jetzt gibt es eine Reihe von Optimierungsvorschlägen, mit denen sich Baden-Württemberg schon sehr frühzeitig in die Diskussion um die Einrichtung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums des Bundes und der Länder eingebracht hat. Wir haben uns immer wieder dafür stark gemacht. Wir haben darauf gedrungen, von dort möglichst eindeutige Hinweise auf relevante Personen und Gefährdungssachverhalte zu bekommen, und wir haben bei der Antiterrordatei – das ist das Komplementärstück dazu – von Anfang an darauf gedrängt, einen Zugang nicht nur für das Landeskriminalamt zu erhalten. Es ging uns darum, auch regionale Dienststellen an Erkenntnissen über Brennpunkte der islamistischen Szene partizipieren zu lassen. Wir werden auch in Zukunft – das will ich abschließend sagen, weil mein Blick gerade auf den Kollegen aus Ulm fällt – –
Die Frage war, wie deutlich ich da werden soll, nicht wegen des Kollegen Oelmayer, sondern wegen des Islamischen Informationszentrums. Herr Oelmayer, ich will es gleich beantworten: Wir werten die Beweislage noch aus. Wir verfolgen das Verbotsverfahren weiterhin. Wenn die Beweislage es hergibt, werden und müssen wir zu einem Verbot kommen,
wenn dieser Verein uns nicht vorher durch Selbstauflösung zuvorkommt. Das kann er tun oder auch nicht. Davon unbeirrt werden wir dieses Verfahren weiterbetreiben.
Aber wir werden, Herr Kollege Oelmayer, auch den bewährten interkulturellen Dialog fortsetzen. Wir stellen die überwälti
gende Mehrheit friedliebender Muslime hier im Land keineswegs unter Generalverdacht. Unsere Aufmerksamkeit gilt der Minderheit radikaler Fanatiker, die den Islam schlichtweg missbrauchen, um ihre Taten zu rechtfertigen.
Was manche auch in anderen Bundesländern fordern, das machen wir hier in Baden-Württemberg schon lange: Die Polizei des Landes hat auf örtlicher Ebene über 200 kompetente Ansprechpartner benannt, um einen stetigen Austausch mit den Moscheevereinen zu gewährleisten. Das Landesamt für Verfassungsschutz beteiligt sich aktiv an der Islamkonferenz der Bundesregierung in Berlin.
Meine Damen und Herren, was bleibt zu tun? Ich denke, inzwischen ist jedem klar: Die Sicherheitsbehörden malen kein Schreckgespenst an die Wand. Der Terror ist konkret und real bei uns angekommen. In Baden-Württemberg schätzen wir das Potenzial auf rund 130 Personen, die wir als gefährliche Islamisten einschätzen. Um die müssen wir uns besonders kümmern. Darunter befindet sich eine gewisse Anzahl von Personen, bei denen wir davon ausgehen müssen, dass sie jederzeit bereit sind, auch schwerste Straftaten zu begehen.
Nach unserem jüngsten Ermittlungserfolg werden wir die Lage sorgfältig analysieren und die gebotenen Schlüsse ziehen. Es kommt darauf an, dass Polizei und Verfassungsschutz die dringend benötigten Instrumente an die Hand bekommen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Meine Damen und Herren, Churchill hat gesagt – ich zitiere ihn frei und sinngemäß –, wenn etwas passiert ist, dann nützt es dem dafür verantwortlichen Minister nichts, zu sagen, er habe alles ihm Mögliche getan, sondern die Bevölkerung wird ihn fragen, ob er das Notwendige getan hat.
Damit jedoch keine Missverständnisse entstehen, sage ich dazu: Onlinedurchsuchungen wird es in Baden-Württemberg, sosehr wir sie brauchen, nicht geben, solange es keine einwandfreie rechtliche Grundlage dafür gibt.
(Abg. Hans Georg Junginger SPD: Selbstverständ- lich! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Solange Sie mit der FDP/DVP regieren!)