Protocol of the Session on July 25, 2007

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau!)

Das geschähe bei Ihrem Modell überhaupt nicht. Es würden zusätzliche Bevölkerungsbereiche betroffen. Für die Trassen würde erneut Land zersiedelt. Bei unserer Lösung zu Stutt gart 21, Baden-Württemberg 21 erfolgt genau diese Bündelung von Trassen, die wir haben wollen. Der Ministerpräsident hat auf diesen zusätzlichen Effekt hingewiesen. Ab Flughafen, wenn der Zug die Tunnel verlässt, verläuft die Trasse exakt entlang der Bundesautobahn. Wir werden einen Mehrwert haben, und wir werden einen zusätzlichen Schutz vor Inanspruchnahme von Flächen haben, vor der Zerschneidung von neuen Flächen, egal, ob es landwirtschaftlich genutzte Flächen oder Wohngebiete sind. Ich glaube, das ist ein zutiefst ökologisches Prinzip, das leider nicht das Grünen-Prinzip geworden ist.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Noch ein Thema, die Entzerrung. Sie hätten einfach Herrn Heimerl befragen sollen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ja! Exzellenter Fachmann! – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Wir haben mit dem schon geredet, da wusstet ihr noch nicht, wer das ist!)

Er denkt nämlich überhaupt nicht ideologisch, sondern einfach ökologisch und ökonomisch. Die Entzerrung von schnellen und langsamen Schienenverkehren ist genau durch diese neuen Trassen auf diesen 60 km möglich. Da sollten Sie den Leuten in Kirchheim auch einmal erklären, dass natürlich, wenn die Schnellbahntrasse anders verläuft als die S-BahnTrasse, die jetzt nach Kirchheim gebaut wird, die Chance für den S-Bahn-Bau durch diese Entzerrung an vielen Stellen besser wird. Das ist also keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE: Sie wissen doch, dass wir gar nicht gegen die Neubaustrecke sind!)

Lassen Sie mich zum Thema Finanzierung kommen. Sie haben gesagt: Der ehrliche Schwabe schmeißt kein Geld zum Fenster raus. Ihre Variante bedeutet Umweltunverträglichkeit, mehr Flächeninanspruchnahme, Lärmschutzprobleme. Überhaupt stellt sich die Frage, ob man so etwas gegen die Bevölkerung in unseren Wahlkreisen durchsetzen kann. Ich hoffe, dass sie gegen Ihre Vorschläge Sturm laufen würde. Leider sind sie ihr gar nicht so bekannt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Wofür geben wir Geld aus? Sie sagen: Grundsätzlich wollen auch wir die Magistrale. Aber die 60 km gehören zentral mit dem Europabahnhof zu dieser Magistrale. Es ist klar: Es geht um die Aufteilung der Kosten. Aber kein vernünftiger Mensch wird sagen können, das Projekt sei per se nicht richtig. Ich behaupte, lieber Herr Kretschmann: Ein Schwabe wird sagen: Bevor ich eine alte Trasse mit viel Geld zu modernisieren versuche, nehme ich gleich unwesentlich mehr Geld in die Hand und mache genau das, was ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist und übrigens auch im Interesse der Menschen ist, die dadurch weniger belastet werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenn von den 60 km – das muss man der Bevölkerung klipp und klar sagen – von Feuerbach bis Wendlingen – darum dreht es sich nämlich bei Stuttgart 21 – 36 km im Tunnel verlaufen, dann legen wir ein Stück weit den Menschen zuliebe die Strecke in den Tunnel. Dass das natürlich etwas teurer ist, als sie oberirdisch quer zu bauen, das versteht sich von selbst. Wir sind bereit, Herr Kretschmann, dieses Geld zum Schutz der Menschen in die Hand zu nehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich komme zur Anbindung von Messe und Flughafen. Wir wollen die Attraktivität der Schiene steigern, weil wir uns erhoffen – das müssten Sie, Kollege Kretschmann, als Abgeordneter aus dem Wahlkreis Nürtingen wissen –, dass die Attraktivität auch für die Pendler durch die Verkürzung der Fahrzeiten deutlich steigt. Es gibt nicht nur einen stolzen Abg. Drexler und eine Frau Abg. Vossschulte aus Esslingen, sondern es gibt auch einige stolze Abgeordnete wie Nils Schmid, Jörg Döpper und Ulrich Noll – Sie kann ich da leider nicht mit dazunehmen –,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Bravo, ihr drei!)

und diese stolzen Abgeordneten sehen, dass man von Nürtingen aus, von wo aus im Moment die Anbindung sehr schlecht ist, in Zukunft in 18 Minuten am Hauptbahnhof in Stuttgart sein kann. Da könnten Sie Ihrem Kollegen Palmer als Egoisten einmal einen Dämpfer geben. Der hat immer gesagt: „Ich brauche das nicht. Ich habe ein paar Sprinter, mit denen kom me ich von Tübingen auch schnell nach Stuttgart.“

(Zuruf von der CDU: Sprinter sind doch gedopt!)

Nur: Die Sprinter halten halt nicht in Nürtingen, Plochingen usw. Das ist eine schöne Verkehrspolitik, wenn man nur für Tübingen spricht und sagt: „Mir langt das.“ Wir wissen, dass die Verkehrsentwicklung insbesondere von Süden her in die Stadt Stuttgart und zu den Fildern extrem schwierig ist. Wir werden mit diesen zusätzlichen Schienensträngen selbstverständlich eine deutliche Verbesserung bekommen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz! Ein altes deut sches Sprichwort!)

Lieber Herr Kretschmann, wenn Sie kein Argument haben, dann kommen Sie mit irgendeinem blöden Spruch.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ein deutsches Sprichwort!)

Ich behaupte, die Bevölkerung wird schon noch sehen, wer dumm ist und aus welchem Holz Sie geschnitzt sind. Sie sehen es: An allen Stellen, wo es um die Menschen geht, sind Sie auch vor Ort immer diejenigen, die im Zweifelsfall sagen: Nein, Mobilität muss eher zurückgedrängt werden; der Menschenschutz ist uns egal. – Das ist nicht unsere Politik und schon gar nicht die Politik für das Land.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Lassen Sie mich zum Thema Finanzierung kommen. Es ist genauso eine unanständige Art, wenn Sie immer wieder argumentieren, wir könnten dieses Geld viel besser für Lehrer stellen ausgeben, obwohl Sie ganz genau wissen, dass z. B. GVFG- und Regionalisierungsmittel zweckgebunden vom Bund an uns gegeben werden und wir selbst dann, wenn wir wollten, dieses Geld nicht für Lehrerstellen verwenden können. Ich nehme es niemandem, der nicht vertieft in der Materie drin ist, übel, wenn er dies so sieht. Aber Sie argumentieren an dieser Stelle unanständig.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Zum nächsten Thema im Zusammenhang mit Finanzierung. Es ist in der Tat so: Man kann das Geld nur einmal ausgeben. Aber von den Regionalisierungsmitteln sind 600 Millionen € pro Jahr vertraglich fest gebunden. Da könnten wir und wollen wir auch nichts wegnehmen. Von den freien Regionalisierungsmitteln und den Mitteln nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz werden wir – zusätzlich zu der Rücklage, die wir schon gebildet haben – einen kleinen Teil über die Jahre brauchen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Für den Nahver- kehr!)

Auch da sollten Sie nicht immer die Gesamtsummen nennen, sondern die Summe, die pro Jahr für diesen Zweck aufgewendet wird.

Dass wir deswegen irgendein Projekt – sie sind alle genannt worden – zurückstellen müssten, ist schlicht gelogen. Deswegen sage ich gerade auch an diesem Punkt „Ausgleich der Kürzung der Regionalisierungsmittel“: Wir würden möglicherweise genau dem Vorschub leisten, was wir jetzt bei Stuttgart 21 beklagen, nämlich dass sich der Bund aus seinen Aufgaben verabschiedet, weil er weiß, wir würden die Finanzierungslücke ohnehin ausgleichen. Das war immer unsere Argumentation. Also die Kürzung der Regionalisierungsmittel durch den Bund hatte schon gleich gar nichts mit Stuttgart 21 zu tun.

(Abg. Georg Nelius SPD: Das ist doch unlogisch, was Sie da erzählen!)

Auch das versuchen Sie immer wieder anders darzustellen. Das ist falsch und bleibt falsch. Bestehende und beschlossene Projekte sind davon überhaupt nicht tangiert. Die GVFG-Mittel sind zweckgebunden und insbesondere für die Schieneninfrastruktur reserviert und könnten gar nicht anders eingesetzt werden. Lassen Sie mich trotzdem sagen: Für uns als –

wie Sie sagen – solide und ehrliche Schwaben ist es wichtig, wenn wir Zusätzliches leisten wollen oder müssen, Vorsorge für Risiken zu treffen.

Es ist schon angeklungen: Ich bin in der Tat der Meinung, dass wir uns in aller Ruhe und ganz seriös mit den beiden Themen Messe und Flughafen auseinandersetzen sollten. Sie werden gerade durch die Verwirklichung des Europabahnhofs auf den Fildern selbstverständlich im Wert deutlich steigen. Umso mehr legen wir Wert darauf, dass wir uns – das sagen wir nicht zum ersten Mal; der Kollege Theurer hat es mehrfach im Finanzausschuss angesprochen – wirklich einmal darüber Gedanken machen müssen, ob wir nicht bestehende, sich selbst finanzierende und selbst tragende Infrastruktureinrichtungen wie die Messe und den Flughafen, die wir mit Steuergeld gebaut haben und die gut laufen – der Flughafen läuft in seiner jetzigen Größe wunderbar –, verkaufen sollten – zumindest Anteile davon; das Land hält immerhin einen Anteil von 65 % am Flughafen –, und zwar möglichst strategisch orientiert, um die Rolle dieser Einrichtungen dauerhaft zu sichern und damit – sozusagen Vermögen gegen Vermögen – auch wieder Freiräume zu schaffen, damit wir nicht in die problematische Situation kommen, für möglicherweise notwendige zusätzliche Maßnahmen, um das Netz insgesamt pulsieren zu lassen, keine Freiräume mehr zu haben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich kündige an, dass wir diesem Gedanken sehr intensiv nachgehen wollen.

Lieber Herr Kretschmann, ich glaube, wir sind uns darin einig, dass der Flughafen in seiner derzeitigen Größe von den Möglichkeiten im Luftverkehr her ausreichend ist. Wir bekommen nun zusätzlich eine tolle Verbesserung im Schienenbereich. Im Straßenbereich muss noch eine Verbesserung bis hin zur B 27 kommen. Wenn wir diese drei Verbesserungen erreicht haben, dann haben wir, glaube ich, eine optimale Struktur, die aber an keiner Stelle eine weitere Ausweitung verträgt.

Ich bin guter Dinge, dass die Argumentation – jetzt kriegen wir dort auch einen europäischen Schienenanschluss – uns – da sind wir völlig beieinander – bei der Diskussion über die Rolle des Flughafens eher helfen als schaden wird. Von daher sehe ich dieser Diskussion sehr gelassen entgegen. Denn ich bin in der Tat der Meinung: Drei Großprojekte können sich in ihrer Größe auch gegenseitig ersticken.

In der „Wirtschaftswoche“ ist letztens ein neues Gutachten zu Flughäfen veröffentlicht worden, in dem die deutschen Flughäfen im europäischen Vergleich bewertet worden sind. Ein zentraler Satz darin lautete: „Nicht die Größe entscheidet über den Erfolg von Flughäfen.“

Ein zweiter wichtiger Punkt: Nach München ist demnach der Flughafen Stuttgart bei seiner derzeitigen Größe der wirtschaftlich erfolgreichste Flughafen,

(Beifall bei der FDP/DVP)

weil er klein und wendig und in der Lage ist, sich den Bedürfnissen anzupassen. Dieser Diskussion dürfen wir also völlig gelassen entgegensehen.

Ich darf abschließend noch einmal darauf hinweisen, dass wir in ökonomischer Hinsicht eine sinnvolle Investition tätigen – übrigens nicht nur für die nächsten zehn Jahre, innerhalb derer wir dies finanzieren, sondern für mindestens 100 Jahre und damit für die kommenden Generationen. Diese Investition wird uns nicht daran hindern, weiterhin in die Köpfe zu inves tieren und der Bildung selbstverständlich hohe Priorität beizumessen. Aber Sie machen den jungen Menschen, den Schülern in unseren Schulklassen immer wieder etwas vor, wenn Sie nicht ehrlich sagen: „Was nützt euch eine gute und teure Ausbildung, wenn hinterher vor Ort keine Arbeitsplätze da sind?“

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deswegen muss beides stattfinden. Wir wollen dies solide finanzieren, und wir wollen das, was wir ja bereits in dem gemeinsamen Entschließungsantrag formuliert haben, nun nicht mehr nur als bloße Willenserklärung, sondern als klares Ziel einer ganz großen Mehrheit in diesem Landtag formulieren und diesem Vorhaben selbstverständlich auch zustimmen.

Ich danke abschließend dem Ministerpräsidenten und selbstverständlich auch allen anderen Beteiligten. Wir hatten dem Ministerpräsidenten das Mandat für diese Verhandlungen erteilt. Wir wissen, dass das Ergebnis nicht zu einem kleinen Preis zu haben war. Aber die Frage „Jetzt oder nie?“ hat er zu Recht mit „Jetzt“ beantwortet. Wir stehen zu dieser Entscheidung und unterstützen die Regierung gemeinsam mit unserer Partnerfraktion und mit der Oppositionsfraktion der SPD – leider nicht auch mit den Grünen – bei der weiteren Fortführung des Projekts, das uns wirklich wieder in die Rolle zurückführt, das Herz Europas zu sein.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU sowie Abge- ordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Innenminister Rech.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Noll, es trifft in der Tat zu: Das Zeitfenster war schmal, und unser Ministerpräsident – ich war bei den Verhandlungen dabei – hat sich mit hoher Kompetenz, einem Höchstmaß an persönlichem Einsatz und mit Verhandlungsgeschick eingesetzt und hat – ausgestattet mit Ihrer Unterstützung und Ihrem Mandat – dieses Zeitfenster im entscheidenden Moment aufgestoßen und dieses Projekt zu einem großartigen Erfolg geführt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Herr Kollege Kretschmann, Sie wissen vielleicht – vielleicht wissen Sie es aber auch nicht –, dass ich Sie ansonsten schätze.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wie lange denn noch? Bei wie vielen Projekten macht er denn nun einmal mit, dass man ihn auch schätzen kann?)