Protocol of the Session on July 25, 2007

Sie, Herr Rau, haben stur an der Fremdsprachenregelung für die Rheinschiene festgehalten. Letztendlich haben die Eltern und die Gerichte Sie eines Besseren belehrt.

Unbelehrbar sind Sie auch in anderen Bildungsbereichen. Sie ignorieren z. B. das Votum von über 100 Schulleitern über eine andere Schulart, über eine bessere Bildung, und täglich kommen neue Unterstützer dazu. Sie ignorieren auch den hohen Unterrichtsausfall. Der Landeselternbeirat hat auf dieses Desaster immer wieder hingewiesen. So hat er am 10. Juli dieses Jahres geschrieben:

Der Pflichtunterricht kann an manchen Schulen kaum mehr erfüllt werden.

Trotzdem haben Sie hier im Hause 521 Stellen gesperrt; 349 Stellen fallen durch die höheren Stundenverpflichtungen der Referendare weg. Aber noch im Herbst 2006 haben Sie darauf hingewiesen, dass die Landesregierung alle frei werdenden Stellen wieder besetzen wolle. Damit, meine Damen und Herren, hat der Kultusminister, hat der Ministerpräsident und haben Sie ein Wahlversprechen gebrochen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Dem Unterrichtsbereich werden laufend Ressourcen entzogen, z. B. durch den Jugendbegleiter und durch die Evaluatoren. Die Folge ist: Ab dem neuen Schuljahr wird sich die Unterrichtsversorgung an unseren Schulen weiter dramatisch verschlechtern. Die Klassen werden übrigens immer größer.

Ich bekomme zahlreiche Briefe von Schulleitern, Eltern und der Schulverwaltung, die alle ein Beleg dafür sind, dass sich die Unterrichtsversorgung im Land verschlechtert. Selbst der sogenannte Pflichtunterricht kann nicht mehr erfüllt werden.

Gelder für Vertretungen – beispielsweise für Krankheitsvertretungen oder für Mutterschutzvertretungen – sind entweder gekürzt worden oder gar nicht mehr vorhanden.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Ei, ei, ei!)

Ein Amtsleiter hat in einem Brief an seine Schulen Folgendes geschrieben – ich zitiere –:

Sie kennen sicher die Geschichte: Eine Stimme aus dem Nichts sprach zu mir: „Es hätte schlimmer kommen können.“ Und es kam schlimmer.

Wenn das kein vernichtendes Urteil ist, meine Damen und Herren! Ihre eigenen Leute kommen zu diesem Ergebnis.

Übrigens fehlen allein im Berufsschulbereich 1 120 Lehrerstellen. Der Schulleiter der Karl-Arnold-Schule in Biberach schreibt in einem Rundschreiben an seine Kolleginnen und Kollegen sowie an die Eltern:

1. Lehrerversorgung der Karl-Arnold-Schule gemäß ge

setzlich vorgeschriebener Lehrpläne: Es fehlen 16 Lehrer für zum Teil sehr spezifische Lehraufträge.

Er findet niemanden, er hat niemanden; es gibt keine Lehrkräfte, die hier nach einer entsprechenden Personalplanung zur Verfügung stehen. Ich sage Ihnen, Herr Rau, und mit Ihnen auch dem Ministerpräsidenten: Sie werden Ihrer bildungspolitischen Aufgabe nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD)

Die Schulleiterinnen und Schulleiter ringen um Lehrkräfte. Wir haben junge, gute, hochmotivierte, ausgebildete Lehrkräfte, die zur Verfügung stehen. Was aber machen Sie? Statt sie einzustellen, werden sie zu Hartz-IV-Empfängern gemacht. Selbst mit einer Note von 1,0 werden Lehrer arbeitslos. Sie sind die Opfer Ihrer verfehlten Personalpolitik.

(Beifall bei der SPD)

„Pech“, könnte man sagen, wenn man zynisch sein wollte. Hätten sie sich nämlich im Jahre 2006 vor der Landtagswahl beworben, wären 80 % in den Schuldienst übernommen worden.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Aber eingestellt wor- den wären sie vor der Landtagswahl? Das ist doch lä- cherlich!)

Jetzt sind es im Grund- und Hauptschulbereich gerade einmal 13 %, im Realschulbereich 26 % und im Sonderschulbereich 25 %. Noch vor nicht allzu langer Zeit haben Sie, Herr Rau, dafür geworben, dass sich diese jungen Leute für das Lehramt entscheiden sollten. Diese jungen Leute glaubten Ihnen. Sie begannen, das Lehramt zu studieren, vor allem für den Hauptschulbereich, und bekommen jetzt die Quittung. Sie stehen vor dem Nichts. Das nenne ich wirklich zynisch.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Meine Damen und Herren, wer auf dem Rücken der Kinder und der Lehrkräfte eine solche unverantwortliche Bildungspolitik treibt, wer junge Menschen so betrügt, wer 5 000 hoch

motivierten Lehrerinnen und Lehrern keine Chance gibt und sie in die Arbeitslosigkeit schickt, obwohl sie an unseren Schulen dringend gebraucht werden, wer nur noch schlecht verwaltet statt gestaltet, ist für die Zukunftsgestaltung unseres Landes nicht geeignet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Schebesta das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der letzte Schultag in den Schulen in Baden-Württemberg. Jeder, der das Verfahren kennt, weiß auch, dass die Einstellungsverfahren noch laufen, dass die Zuweisungen an die Schulen noch nicht endgültig abgeschlossen sind und dass die Situation, die sich dann im neuen Schuljahr tatsächlich einstellt,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Noch schlechter wird!)

erst bewertet werden kann, wenn das neue Schuljahr begonnen hat. Da Sie die Debatte unbedingt heute führen müssen, sind Sie sich anscheinend nicht so sicher, dass Sie im neuen Schuljahr tatsächlich auch einen Beleg dafür finden, dass alles das stimmt, was Sie befürchten.

(Zurufe von der SPD und den Grünen, u. a. Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sollen wir warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist?)

Zu Beginn dieser Debatte sollte man sich noch einmal daran erinnern, was außer einer Situationsbeschreibung des heutigen Zustands in den letzten Jahren auch noch alles an politischen Diskussionen stattgefunden hat und welche Entscheidungen getroffen worden sind.

Sie sagen: Letztes Jahr war deshalb ein guter Einstellungszeitpunkt, weil ja im Jahr 2006 die Landtagswahlen gewesen sind. In den Jahren von 2001 bis 2006 haben wir insgesamt 5 500 Lehrerstellen neu geschaffen. In den Jahren von 2000 bis 2006 sind über 30 000 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt worden. Wenn Sie heute auch über die vergangenen Jahre sprechen, dann müssen Sie das auch erwähnen und ausdrücken. Ich behaupte, dass es in diesen Jahren kein anderes Land gab, das für Lehrerstellen in dieser Zahl und für die Unterrichtsversorgung so gesorgt hat wie Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Marian- ne Wonnay SPD: Das tröstet die Lehramtsanwärter nicht, die jetzt auf der Straße stehen!)

Das stimmt. Zu einer ehrlichen Diskussion gehört aber auch,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sie sagen es doch!)

hier nicht zu behaupten, dass alles besser wäre, wenn Sie das Heft in der Hand hätten. Sie würden nämlich nicht dafür gesorgt haben – das haben Sie auch in allen anderen Bundesländern nicht gemacht –, in diesem Umfang Lehrerstellen zu schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zurufe von der SPD)

Das Zweite ist: Man muss sich doch auch einmal daran zurückerinnern, worüber wir vor eineinhalb Jahren beim Thema Lehrereinstellungen diskutiert haben. Sie können Aussagen unserer Politiker heranziehen, aber ich kann auch Aussagen Ihrer Politiker aufseiten der Opposition heranziehen und Aussagen des damaligen Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Drexler, erwähnen. Vor eineinhalb Jahren hat er in einem Zeitungsinterview noch gesagt, dass ein Drittel der Lehrerstellen, die aufgrund zurückgehender Schülerzahlen nicht mehr benötigt würden, für Einsparungen im Haushalt verwendet werden sollten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Keine Kritik am Präsi- denten!)

Das war die politische Diskussion vor eineinhalb Jahren.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Dann müssen Sie auch den Zeitraum nennen, bis wann das gedacht war!)

Wir haben für die Entscheidung gesorgt, dass alle Ressourcen, die aufgrund zurückgehender Schülerzahlen gewonnen werden, für bildungspolitische Maßnahmen eingesetzt werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Schebesta, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zeller?

Dann ist meine Redezeit zu Ende. Wenn ich Zeit aus der zweiten Runde in Anspruch nehmen darf.

Selbstverständlich. Ich darf aber darauf hinweisen, dass die Person des Präsidenten in Aktuelle Debatten nicht einbezogen werden sollte. In diesem Fall verzeihe ich Ihnen aber.

(Heiterkeit)

Herr Abg. Zeller hat das Wort.

Herr Schebesta, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass unser damaliger Fraktionsvorsitzender Wolfgang Drexler für die SPD-Fraktion erklärt hat, dass in der jetzt laufenden Legislaturperiode keine Kürzungen bei den Lehrerstellen vorgenommen werden dürfen?