Protocol of the Session on June 28, 2007

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Landesnichtraucherschutzgesetz (LNRSchG) – Drucksache 14/1359

Die Begründung des Gesetzentwurfs erfolgt durch die Regierung. Für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich Frau Ministerin Dr. Stolz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht heute um das Thema Tabakrauch. Dieses Thema kann man lustvoll oder weniger lustvoll betrachten. Wenn man in die Geschichte zurückblickt, erkennt man, dass durchaus auch positive Seiten des Tabakrauchs gesehen werden. Ein mittelalterliches Gedicht kommt zu der Schlussfolgerung: „Der pfeifige Tobak ist mehr wert als der Schabernack der Ärzte.“

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Das ist auch eine Möglichkeit, den Tabakrauch zu betrachten.

(Beifall der Abg. Nikolaos Sakellariou und Gustav- Adolf Haas SPD)

Aber ich muss Sie leider enttäuschen. Die heutige Realität, wie wir sie kennen, sieht etwas anders aus. Das Deutsche

Krebsforschungszentrum geht davon aus, dass der Tabakrauch die gefährlichste vermeidbare Innenraumverschmutzung ist. Ich möchte wiederholen: Er ist nicht nur die gefährlichste, sondern eben auch eine vermeidbare Innenraumverschmutzung.

Wir kümmern uns ja oft um abstrakte Gefahren und um unvermeidbare Dinge. Aber beim Tabakrauch geht es um eine ganz konkrete und sicher auch vermeidbare Gefährdung, die wir nicht verharmlosen sollten und auch nicht mit Ausreden bedenken sollten.

Tabakrauch enthält über 70 Substanzen, die krebserregend sind oder in diesem Verdacht stehen. In Deutschland sterben nach einer Studie des Krebsforschungszentrums jährlich über 260 Nichtraucher an passivrauchbedingtem Lungenkrebs und etwa 3 000 Nichtraucher an passivrauchbedingtem Herzinfarkt, Schlaganfall oder chronischen Lungenerkrankungen.

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass sich viele Menschen – der größte Teil unserer Gesellschaft – durch den Tabakrauch schlichtweg massiv belästigt fühlen.

Deswegen ist ein umfassender Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens notwendig und mehr als überfällig. Es geht mir nicht darum, die Raucher zu diskriminieren und sie vielleicht an ihrem Lustgewinn zu hindern. Es geht bei diesem Gesetz allein darum, die Nichtraucher zu schützen – um nicht mehr und nicht weniger.

Deshalb haben wir unabhängig von der Diskussion über die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern unsere Bemühungen um ein baden-württembergisches Nichtraucherschutzgesetz kontinuierlich vorangetrieben. Bereits im Herbst letzten Jahres haben wir Eckpunkte präsentiert. Sie wissen, dass wir seitdem eine schwierige und zum Teil auch kontroverse Diskussion führten.

Die Hoffnung vieler Raucher und Interessengruppen, dass die Länder dieses Thema nicht geregelt bekommen, hat sich erfreulicherweise nicht erfüllt.

(Anhaltende Unruhe)

Der Föderalismus hat hier eine ganz wichtige Bewährungsprobe bestanden. Es ist für mich sehr erfreulich, dass sich die Regierungskoalition auf ein konsequentes Rauchverbot verständigt hat.

(Beifall der Abg. Karl-Wilhelm Röhm und Wilfried Klenk CDU)

Das gilt insbesondere für Bereiche, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten. Deshalb enthält der Gesetzentwurf auch restriktive Regelungen für den Nichtraucherschutz an Schulen, Jugendhäusern und Kindertageseinrichtungen.

An dieser Stelle möchte ich auf ein besonders kontrovers diskutiertes Thema eingehen. In der Presse wurde von einem baden-württembergischen Sonderweg gesprochen. Das ist nur auf einen ersten, oberflächlichen Blick hin richtig. Falsch ist jedenfalls die immer wiederkehrende Behauptung, in BadenWürttemberg sei das Rauchen an Gymnasien und beruflichen Schulen erlaubt.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Das Gesetz geht von einem Rauchverbot an allen Schulen aus – sowohl im Schulgebäude als auch auf dem Schulgelände. Das ist der Grundsatz.

An Gymnasien und beruflichen Schulen besteht lediglich die Möglichkeit, durch einen alljährlich neu zu fassenden Beschluss der Schulgremien Raucherecken auf dem Schulgelände einzurichten.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Können Sie einmal be- gründen, weshalb!)

Wir haben diese Möglichkeit außerdem auf Schüler über 18 Jahre beschränkt. Das ist konsequent. Denn der Bund wird das Rauchen in der Öffentlichkeit künftig erst ab 18 Jahren erlauben.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Warum wollen Sie die Ausnahme?)

Ich habe die begründete Hoffnung, dass von dieser Möglichkeit – es ist nicht mehr als eine Möglichkeit – nur sehr wenige Gymnasien und berufliche Schulen Gebrauch machen werden.

(Abg. Ingo Rust SPD: Warum machen Sie es denn überhaupt?)

Das Gesetz verbietet das Rauchen außerdem in Behörden, Dienststellen und sonstigen Einrichtungen des Landes und der Kommunen. Das ist notwendig, um dem Anliegen des Nichtraucherschutzes Nachdruck zu verleihen, und das ist auch aus Gründen der Glaubwürdigkeit erforderlich.

Dasselbe gilt für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Für die Justizvollzugsanstalten wird das Justizministerium eine gesonderte Regelung treffen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut! – Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zeller?

Ja.

Bitte.

Vielen Dank, dass Sie mir gnädigerweise die Möglichkeit geben, eine Frage zu stellen.

Könnten Sie begründen, Frau Ministerin, weshalb Sie diese Ausnahme für die Schulen machen. Sie haben nur dargestellt, dass dies getan wird, aber Sie haben keine Begründung gegeben, weshalb Sie diese Ausnahme befürworten.

Es war der große Wunsch dieser Schularten, da dort auch erwachsene Schüler zur Schule gehen und weil man sicher sein kann, dass mit dieser Möglichkeit auch verantwortlich umgegangen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Norbert Zeller SPD: Nur weil es jemand wünscht! – Abg. Reinhold Gall SPD: Vorsicht! Herr Noll bringt jetzt auch noch Wünsche ein! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Schulkonferenz entscheidet, nicht wir! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Es ist ja kein Muss! – Unruhe)

Es ist kein Muss. Es ist eine Regelung der Schule, mit der sie sicher verantwortlich umgeht.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es! Genau!)

Die größte reale Veränderung bringt aber fraglos das Rauchverbot in der Gastronomie. Gaststätten werden grundsätzlich rauchfrei sein. Die einzige Ausnahme wird sein, dass in abgeschlossenen Nebenräumen geraucht werden darf.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: In geschlosse nen!)

Dies gilt jedoch nicht für Diskotheken. Dort gilt ein absolutes Rauchverbot. Entsprechend heftig wurde dieses Thema auch diskutiert. Die Verbände der Tabakindustrie, der Gastronomie sowie der Getränkewirtschaft haben sich klar gegen dieses Verbot positioniert. Aus Sicht der Landesregierung geht hier aber der Schutz der Nichtraucher vor.

(Beifall der Abg. Dieter Hillebrand und Karl Zimmer- mann CDU)

Die Entwicklungen nach der Einführung von Rauchverboten in anderen europäischen Ländern bestärken mich in der Hoffnung, dass durch das Rauchverbot in Gaststätten keine dauerhaften Umsatzeinbußen eintreten werden.

Das Gesetz sieht in begründeten Fällen Ausnahmen vom Rauchverbot vor. In verschiedenen Einrichtungen können Raucherzimmer eingerichtet werden. Z. B. sind mit Rücksicht auf die speziellen Therapieziele in Palliativstationen Ausnahmen auch in Krankenhäusern notwendig. Dasselbe gilt auch für Pflegeeinrichtungen, weil dort zum Teil der verfassungsrechtlich garantierte Schutzbereich der Wohnung gilt.

Über die Anzahl der Ausnahmen kann man sicher streiten. Der eine hätte gern mehr Ausnahmen, der andere weniger. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich der jetzige Kompromiss sehen lassen kann. Er ist ausgewogen und fair.

Um den Nichtraucherschutz auch in der Praxis durchzusetzen, sollen Verstöße gegen Rauchverbote als Ordnungswidrigkeit mit einer angemessenen Geldbuße geahndet werden. Das ist nötig, um dem Gesetz Respekt zu verschaffen.

Ich will noch kurz auf den Bund eingehen. Auch der Bund wird jetzt – ich sage: endlich – Regelungen zum Nichtraucherschutz erlassen. Er will das Rauchen in seinen eigenen Einrichtungen und im öffentlichen Personennahverkehr verbieten. Aber er bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Im Bereich des Arbeitsschutzes soll nichts geregelt werden. Hier besitzt der Bund die alleinige Zuständigkeit.

Lobenswert ist allerdings, dass nach dem Bundesgesetz künftig keine Tabakwaren mehr an Minderjährige abgegeben werden dürfen. Das ist ein Fortschritt.

Auch die EU unternimmt einen ersten Vorstoß zum Thema „Rauchverbot in öffentlichen Räumen“. Im Januar dieses Jahres hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ein