Protocol of the Session on June 28, 2007

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sosehr es das Recht der Opposition ist, Ursache und Wirkung zu vertauschen, nämlich zu sagen: „Wir haben trotz dieser Regierung gute Erfolge und nutzen das nicht“,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sie vertau- schen Wirkung und Ursache!)

und obwohl Sie darauf hingewiesen haben, dass die SchröderErfolge jetzt erst von Merkel einkassiert werden, so muss man vielleicht doch einmal daran erinnern, dass nicht erst, seit Ministerpräsident Oettinger diese Regierung führt, sondern schon seit 1996 die beiden Fraktionen von CDU und FDP/DVP die Regierung stellen und stützen. Das heißt, wenn man einmal über zehn Jahre die Rahmenbedingungen gestaltet hat, dann ist es, glaube ich, ein bisschen schwierig, in der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, als hätte diese Politik überhaupt nichts mit dem Spitzenplatz Baden-Württembergs zu tun.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Zum Thema Schuldenabbau: Natürlich haben wir das Glück, dass wir jetzt eine gute wirtschaftliche Entwicklung, die nicht

völlig ohne politisches Zutun zustande kommt, nutzen können. Aber wir haben trotz der guten Steuereinnahmen 1,3 Milliarden € und 1,6 Milliarden € an Einsparungen im Doppelhaushalt durchgesetzt, und zwar strukturelle Einsparungen, die dauerhaft nachwirken. Erzählen Sie nicht immer Halbwahrheiten, wenn im Haushalt an den Zahlen ablesbar ist, dass wir schon, bevor wir mehr Steuereinnahmen hatten, diese Verschuldungsreduzierung beschlossen und teilweise unter Schmerzen durchgesetzt hatten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Lieber Herr Kretschmann, lieber harmlos als erfolglos. Ich will einmal das Wort „harmlos“ sezieren. Harm heißt Schmerz und los heißt ohne, also heißt harmlos schmerzlos. Da muss man einfach einmal Koalitionen anschauen. Ich würde der Bevölkerung wirklich gern manchen Schmerz durch andere Koalitionen ersparen. Ich nehme gerne zur Kenntnis, dass die Koalition aus CDU und FDP/DVP der Bevölkerung in BadenWürttemberg zumindest vergleichsweise wenig Schmerz zufügt. Daher nehme ich die Bewertung „harmlos“ gerne an.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ich wusste gar nicht, dass Sie ein solch exzellenter Lin- guist sind!)

Es wundert mich immer wieder, dass hier der Vorwurf „harmlos“ kommt und dass gefragt wird: Was habt ihr denn gemacht? Zum Thema Nullnettoneuverschuldung brauche ich jetzt, glaube ich, nicht zu sagen, wer dieses Thema immer wieder ganz in den Vordergrund gestellt hat,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Theurer im- mer zwischen den Haushaltsberatungen! – Gegenruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist ja nicht wahr! Das steht schon in der Koalitionsverein- barung!)

wer dazu beigetragen hat, dass jetzt auch in der Föderalismuskommission das Thema Verschuldungsverbot, z. B. Schweizer Schuldenbremse, zur Aufnahme in die Verfassungen vorgesehen wurde. Das ist doch ein liberaler Vorschlag, der schon lange auf dem Tisch liegt

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das habt ihr abgelehnt!)

und von dem auch nicht alle Kollegen von vornherein begeistert waren.

Beim Thema „Konnexität, Umgang mit den Kommunen“ gibt es doch Kollegen, die fragen: Binden wir uns da nicht zu sehr? Nein, wir haben die Mehrheit bekommen. Das geht nicht immer harm- und schmerzlos, aber der Erfolg gibt uns recht,

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

dass wir gerade auch bei den familienpolitischen Maßnahmen oder bei Schulentwicklungsmaßnahmen erreicht haben, dass immer stärker bewusst ist: Auch das sind Maßnahmen, die nur zusammen mit den Kommunen und nicht gegen die Kommunen durchgeführt werden können.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Thema „Erziehung, Bildung, Betreuung“ ist nicht erst beim Thema Studiengebühren, sondern schon am Beginn des Lebens wichtig. Da haben wir mehr getan. 4 Millionen € haben wir 2003 für die Kleinkindbetreuung ausgegeben; 16 Millionen € werden es im Jahr 2008 sein. Das ist eine Vervierfachung. Wodurch ist denn dieser Spielraum eröffnet worden? Dadurch, dass wir das Landeserziehungsgeld umgeschichtet haben.

Jetzt werden Sie, Frau Lösch, vielleicht zugeben,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das tut mir leid!)

dass das ein Thema war, bei dem die Liberalen immer gesagt haben: Wir brauchen mehr Betreuung, wir müssen ein Stück weit umschichten. Das ist uns gelungen. Dadurch bekommen wir Freiräume.

Das gilt übrigens auch für das nächste Thema: „Erziehungsfähigkeit stärken“. Da sind wir dabei, neue Modelle zu entwickeln. Sie haben ja recht, Herr Kretschmann, wenn Sie sagen: Bei uns wird Bildung vererbt. Nur der Unterton, mit dem Sie das sagen, gefällt mir nicht. Denn was meinen wir? Wir meinen, dass es Gott sei Dank noch Familien in diesem Land gibt, die die Erziehungsstärke haben, ihren Kindern gute Chancen beim Start ins Leben zu bieten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das ist nicht immer eigene Leistung, sondern das wird manchmal auch durch günstige Umstände ermöglicht. Umso mehr bekennen wir uns dazu, dass dies für immer größer werdende Bereiche unserer Familien nicht Realität ist. Wenn Sie ehrlich sind, werden Sie zugeben, dass die Bedeutung des Themas „Kindergarten als Bildungsstätte“ schon durch die Maßnahmen des Kultusministeriums in Bezug auf die Erzieherinnenausbildung und den Orientierungsplan – nicht zuletzt gemeinsam mit uns – aufgezeigt worden ist. Dass wir da manchmal noch nicht weit genug sind, gibt doch jeder zu. Aber wer immer wieder wie Sie versucht, so zu tun, als wäre der liberale Einfluss in dieser Regierung überhaupt nicht vorhanden, dem sage ich: Er ist Gott sei Dank vorhanden. Er bereitet der Bevölkerung keine Schmerzen, sondern Freuden.

Deswegen bleibe ich gern harmlos und erfolgreich und nicht erfolglos.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wolf- gang Drexler SPD: Du warst ja gar nicht angegrif- fen!)

Letzte Bemerkung: Ihre Argumentation, Herr Kollege Kretschmann – z. B. bei Themen wie Messe, wie Stuttgart 21, bei Diskussionen, die wir im Wahlkreis häufig geführt haben, die wir vor Schülerinnen und Schülern führen –, ist in meinen Augen prinzipienlos, weil Sie wirklich unanständigerweise nur darauf hinweisen: Unsere Zukunft sind unsere Kinder, unsere Zukunft sind die Investitionen in die Köpfe dieser jungen Menschen. Das heißt aber auch, wenn die Kinder dann gut ausgebildet sind und Arbeitsplätze haben wollen, ohne in andere Länder gehen zu müssen, dass wir den Rahmen dafür schaffen müssen, dass wir bei uns diese hochwertigen Arbeitsplätze anbieten können. Das ist doch die volle Wahrheit.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE: Intelligente Kinder brauchen keinen unterirdischen Bahnhof! – Gegenruf der Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

Warum prinzipienlos? Ich möchte es an einem Beispiel darlegen. Stuttgart 21 – Prinzip Flächenschonung, innerstädtische Flächen wiedergewinnen, recyceln – ist ein gigantisches Flächenrecyclingprogramm.

Zweites Prinzip: Schiene stärken.

(Glocke des Präsidenten)

Sie wissen, dass die Attraktivität der Schnellbahnstrecke Stuttgart–Paris schon jetzt höher ist als die des Flugverkehrs, den Sie auch reduzieren wollen. In der Zeitung wurde es dargestellt. Sie sind prinzipienlos, weil Sie nicht sagen, dass Sie, wenn Sie keine Tunnellösung und keine „Drehung des Bahnhofs“ wollen – dafür erhalten Sie bei ein paar Leuten Beifall, die die Sache nicht durchschauen –, auf den Zulaufstrecken bis Wendlingen Menschen in einem ungeheuren Umfang belasten würden. Sie müssen sagen, dass Sie auch da oberirdisch Zulaufstrecken durch dicht besiedelte Gebiete bauen müssten. Das halte ich nur für ein Prinzip, möglichst viele Proteststimmen zu gewinnen. Das Prinzip, grundsätzlich zu allen Projekten Nein zu sagen, ist Ihr Prinzip. Aber das bringt uns mit Sicherheit nicht weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Lehmann?

Die lasse ich gern zu.

Herr Kollege Noll, nehmen die Regierungsfraktionen eigentlich zur Kenntnis, dass beim Thema Stuttgart 21 Geldbeträge in Milliardenhöhe ausgegeben werden und dass auf dem flachen Land überhaupt nicht verstanden wird,

(Abg. Martin Rivoir SPD: Doch, das wird verstan- den!)

wenn in den Bahnhöfen nicht einmal Anzeigetafeln erneuert werden, aber hier in der Region Stuttgart das Ganze als das Baden-Württemberg-Projekt dargestellt wird und gleichzeitig Zugstreichungen vorgenommen werden?

Wir können es abkürzen. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie immer noch mit falschen Argumenten versuchen, die Bevölkerung zu verdummen, und behaupten, dass Mittel abgezogen würden, um Stuttgart 21 zu finanzieren. Auf solche prinzipienlosen und populistischen Argumentationen einzugehen habe ich jetzt weder Zeit noch Lust.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP)

Lassen Sie mich deswegen zum Fazit der Zwischenbilanz kommen: Es ist in der Tat schwierig, wenn man von einem

hohen Niveau aus immer noch besser werden will. Von Rang 4 auf Rang 1 zu kommen ist deutlich schwieriger als von Rang 16 auf Rang 12 oder 10.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Meinen Sie jetzt die Mi- nisterpräsidenten?)

Umso wertvoller ist es doch, dass wir sagen können: Wir sind nach elf Jahren CDU-FDP/DVP-Koalition immer noch dabei, unsere Positionen zu verbessern. Wir werden diesen Weg fortsetzen. Der wird in der Haushaltskonsolidierung nicht einfach werden. Wir lehnen uns nicht zurück. Das ist überhaupt keine Frage. Deswegen wollen wir durchsetzen, dass wir bei den Prinzipien, die wir genannt haben – Verschuldungsverbot und Schuldenabbau werden die nächsten Themen sein –, nicht locker lassen.

Ich darf jetzt ein Fazit ziehen. Vorhin hat der Herr Ministerpräsident gesagt: „Wir wollen im Länderfinanzausgleich nicht die Dummen sein, weil wir uns vorbildlich verhalten.“ Es gibt das Sprichwort: „Der Ehrliche ist der Dumme.“ Liebe Kollegin Vogt, lieber Kollege Kretschmann, wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zugeben: Die Sache ist heute dumm gelaufen. Sie sind die Dummen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Landesnichtraucherschutzgesetz (LNRSchG) – Drucksache 14/1359