Protocol of the Session on June 28, 2007

das sind sozusagen Ihre Kommentare zu dieser ganzen Diskussion –, flüchten Sie einfach – das ist das, was die CDU kennzeichnet und was natürlich Ausfluss ihrer Wirtschaftsfreundlichkeit ist – in irgendwelche Großprojekte wie Stutt gart 21.

(Oh-Rufe von der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Klimaschutzmaßnah- me!)

Es wird nicht gefragt: Wie organisiert man umweltfreundliche Mobilität in Baden-Württemberg? Was sind die hierfür notwendigen Instrumente? Was muss man machen, um bei knappen Mitteln das Maximale herauszuholen? Hier geht es vielmehr umgekehrt. Wie fatal dies ist, erleben wir jetzt. Da alle wissen, dass Sie sich total auf Stuttgart 21 versteift haben als Leuchtturm für Ihre Regierungszeit – so sehen Sie das ja offensichtlich –, damit dieses Projekt mit Ihrem Namen in Verbindung gebracht wird,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da gehört auch die Opposition dazu!)

können jetzt Tiefensee und Mehdorn Sie – Kollegin Vogt hat es schon gesagt – jederzeit am langen Seil herunterlassen – so tief, wie es tiefer gar nicht mehr geht.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Hans-Peter Wet- zel FDP/DVP: Eine Denke haben Sie!)

Und von wegen Haushaltskonsolidierung! Immer in solchen Zeiten, in denen, wie jetzt, die Steuerquellen sprudeln, werden die größten Fehler gemacht. Sie machen jetzt gigantische Zusagen, z. B. bei der Risikoversicherung für Stuttgart 21 mit 500 Millionen €. Die werden allerdings die Haushalte erst dann belasten, wenn Sie gar nicht mehr Ministerpräsident sind.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Wenn keine Koh- le mehr da ist!)

Wenn diese Risiken am Schluss der Bauphase eintreten, dann sind Sie gar nicht mehr Ministerpräsident. Das heißt, wieder werden Haushaltsrisiken in die Zukunft verschoben.

(Beifall bei den Grünen)

Bei den Pensionen ist es haargenau dasselbe: keine Strukturreformen, wie wir sie vorgeschlagen haben. Einerseits haben

wir vorgeschlagen, Lehrer nicht mehr als Beamte einzustellen – die Lehrer sind ja unsere teuersten Beamten –, sondern sie als Angestellte einzustellen. Damit würden Sie nicht nur das Pensionsproblem, das Sie neuerdings haben, vom Haushalt fernhalten,

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

sondern würden im Hinblick auf die Zukunft durch eine kommunalisierte Schule auch flexibel sein. Das ist genau die Vision, die wir haben. Statt jedoch auf dem Weg der Kommunalisierung, der Einbettung unserer Schulen in die Gemeinden weiterzugehen – jetzt gerade ist der Boden hierfür reif; die Bürgermeister kümmern sich zum ersten Mal nicht nur um den Zustand der Schulgebäude, sondern auch um das, was in ihnen geschieht –, statt diese Chance zu nutzen und mutig auf eine Kommunalisierung hinzuwirken – das geht natürlich nicht, wenn die Lehrer verbeamtet sind –, halten Sie an den Strukturen fest und geben lediglich immer wieder frisches Geld in ein altes System.

(Beifall bei den Grünen)

Ich sehe in Bezug auf die notwendige Entschärfung der Pensionslawine keine einzige wirklich strukturelle Maßnahme, die diese Lawine entschärfen würde.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Da geht es doch runter!)

Den Pensionsfonds haben Sie bislang immer abgelehnt, und selbst wenn Sie ihn nun einführen würden, gälte er erst für die Beamten, die jetzt neu eingestellt werden. Auch in dieser Frage sind Sie uns noch eine Antwort schuldig. Es kann also keine Rede davon sein, dass das eintritt, was Sie hier jetzt so hoch gepriesen haben. Dass Sie nun auf dem Weg der Nullnettoneuverschuldung sind, verdanken Sie dem Steuersegen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist doch klar! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Wo kommt es denn sonst her?)

Das liegt nicht an Ihren eigenen harten Einschnitten, die Sie etwa bei den Pensionen machten – im Gegenteil, wir hören ganz andere Signale. Wir hören, dass jetzt bei der Frage des Pensionsalters von Beamten erneut nachgegeben werden soll.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Überhaupt nicht! Halbwahrheiten wieder, typisch!)

Ich kann nur sehen, dass Sie ein Profiteur des reichen Geldsegens sind, den wir jetzt alle erleben. Das erinnert mich schon etwas an das Mädchen im Märchen der Gebrüder Grimm, das mit seinem Hemdchen dasteht und glücklich zum Himmel schaut, wie die Sterntaler in seine Schürze fallen.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abgeord- neten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Freuen Sie sich nicht, dass Menschen wieder Arbeit haben?)

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Kernaufgaben, um die es für das Land geht – Nachhaltigkeit, die nachhaltige Organisation der Wirtschaft und die Aufgabe, dort korrigierend

einzugreifen, die Herstellung von Gerechtigkeit und Chancengleichheit im Schulwesen und schließlich auch die Aufgabe, im Haushalt jetzt, da die Steuerquellen sprudeln, strukturelle Maßnahmen umzusetzen

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Auswendig gelernt!)

und diese nicht wieder zu verschieben und stattdessen lediglich frisches Geld in nicht reformierte Systeme zu stecken –, sehen wir überhaupt nicht als erfüllt an. Deswegen halte ich an meiner Behauptung fest: Dieses Land wird mit Ihnen und mit Ihrem harmlosen Koalitionspartner unter seinen Möglichkeiten regiert.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ihr wärt auch gern harmlos, wenn wir euch gewollt hät- ten! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das war die ein- zige Botschaft! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP/DVP – Unruhe)

Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Fraktionsvorsitzenden der SPD, Frau Abg. Vogt, das Wort.

(Unruhe)

Danke schön, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie können ja nicht leugnen, dass Ihnen in der Vergangenheit Fehler unterlaufen sind, die nicht unwesentlich waren. Sie haben das Thema Messe selbst angesprochen. Das fing bereits damals an – daran darf ich erinnern –, als man die Betreiber der Sinsheimer Messe mit Unterstützung der Landesregierung nach Stuttgart abgeworben hat.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ganz schrecklich! Messe! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist doch gar nicht wahr! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ein Schwachsinn! – Abg. Dr. Diet- rich Birk CDU: Da waren Sie noch gar nicht hier!)

Ob es das Thema „Badische Handschriften“ betrifft, bei dem die Landesregierung beinahe Besitztümer, die das Land selbst bereits in Eigentum hatte, für viel Geld gekauft hätte,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Wo denn?)

ob es die unsägliche Affäre um Ihre Rede zum Begräbnis von Hans Filbinger und das schlimme Lavieren hinterher war oder ob es die Uneinsichtigkeit war, die danach auch im Umgang mit dem Thema „Studienzentrum Weikersheim“ und dem dortigen Personal sowie mit der Frage Ihrer Mitgliedschaft zutage trat – das eben sind die Themen, um die es geht.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Wird das jetzt wieder auf- gekocht?)

Es geht nicht darum, Herr Ministerpräsident, dass wir etwa Ihren Terminkalender überprüfen wollten

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Nein? – Zu- ruf von der CDU: Das ist aber interessant!)

oder dass wir schauen wollten, wo Sie wann sind. Ich habe vorhin gesagt, dass es gut ist, wenn Sie möglichst viel bei Bürgerinnen und Bürgern sind. Aber was wir an einem erfolgreichen Wirtschaftsstandort erwarten dürfen, ist, dass Sie Ihre Arbeit sorgfältig tun und dass Sie die Regierungsarbeit bei wichtigen Themen professionell erledigen. Darum geht es auch in dieser Debatte. Es geht nicht darum, wie viel Sie arbeiten. Niemand hier im Haus wird Ihnen unterstellen, dass Sie wenig Arbeitsleistung brächten. Aber wir erwarten, dass Sie auch eine konzentrierte Arbeitsleistung bringen und dass Sie sich bei wichtigen Themen so vorbereiten und die Themen auch so umsetzen, dass unser Land gut dasteht und nicht blamiert wird.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das war das, was ich Ihnen vorhin auch zum Thema Länderfinanzausgleich nahelegen wollte.

(Abg. Hans Heinz CDU: Wenn Sie es vorhin schon gemacht hätten!)

Wir haben gemeinsam das Interesse, etwas durchzusetzen. Wenn man aber etwas durchsetzen will, dann reicht es nicht, medienwirksam Vorschläge in die Zeitung zu bringen. Wenn man finanziell etwas erreichen will, dann ist es doch das Mindeste, dass man den eigenen Finanzminister im Boot hat, der das Ganze dann mit unterstützen müsste,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Der ist im Boot! – Abg. Jörg Döpper CDU: Der sitzt sogar am Ruder!)

und dass man wenigstens einen oder zwei andere Ministerpräsidenten gewinnt, die zumindest Ja sagen oder sagen, sie gingen mit in die gleiche Richtung, und die nicht sofort am nächsten Tag hergehen und alles wieder ablehnen, was Sie einfach so aus dem Ärmel geschüttelt vorgeschlagen haben.

(Zurufe der Abg. Jörg Döpper CDU und Dr. Hans- Peter Wetzel FDP/DVP)

Es geht uns um sorgsame Vorbereitung und um professionelles Regierungshandeln anstelle von spontanen und nur aus Mediengründen erfundenen Aktionen und Luftblasen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Sie wissen, wie es geht! Deshalb sind Sie auch nicht mehr stellvertre- tende Bundesvorsitzende!)

Bei einem Thema, Herr Ministerpräsident, haben Sie vorhin selbst gesagt, Sie seien gar nicht ohne Plan, sondern Sie seien – es geht um das Thema „Stuttgart 21“ und die Neubaustrecke – linientreu.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Strecken- treu! – Abg. Jörg Döpper CDU: Bis zur nächsten Wei- che!)

Aber es geht hier nicht um Linientreue, sondern es geht um Wertorientierung.