Protocol of the Session on May 24, 2007

Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Mitteilung des Rechnungshofs vom 27. März 2007 – Beratende Äußerung zur Wirtschaftlichkeit des Projekts NSI in der Landesverwaltung – Drucksachen 14/1084, 14/1256

Berichterstatter: Abg. Manfred Groh

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Endlich einmal wieder Reden! – Vereinzelt Heiterkeit)

Hierzu rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/1304, mit auf.

Das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Groh von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Wirtschaftlichkeit des Projekts NSI, Neue Steuerungsinstrumente, liegt uns eine umfangreiche Beratende Äußerung des Rechnungshofs vor, in der eine Reihe von gravierenden Mängeln im Detail aufgezeigt werden und insoweit mehr oder weniger erhebliche Kritik geübt wird.

(Abg. Stephan Braun SPD: Mit Recht!)

Bei aller Kritik jedoch, die der Rechnungshof teilweise sehr deutlich formuliert hat und über die wir im Finanzausschuss am 10. Mai bereits sehr eingehend diskutiert haben, bleibt im Ergebnis ausdrücklich festzuhalten, dass der Rechnungshof zu keinem Zeitpunkt und an keiner Stelle seines Berichts die Einstellung des Projekts gefordert hat.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Ausreichend!)

Bei aller Kritik darf ich auch einmal darauf hinweisen, dass 75 % der laufenden Systembetriebskosten für das Haushaltsmanagementsystem und für die Anlagebuchhaltung benötigt werden – wir reden hier über 11 Millionen € – und die Fortführung gerade dieser Grundausstattung vom Rechnungshof klar und zweifelsfrei befürwortet wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich mit anderen Worten nochmals wiederholen: Der Rechnungshof fordert keine Beendigung von NSI, sondern schlägt vielmehr vor, das

Projekt in veränderter Form mit höherer Effizienz und Effektivität fortzusetzen, also NSI weiter zu verbessern, Mängel abzustellen und zu korrigieren, den Aufwand zu verringern, die Eigenverantwortung der Ressorts zu steigern, die Akzeptanz bei den Beschäftigten zu erhöhen und die Ausgestaltung zielgerichteter zu formulieren. Der Rechnungshof fordert deshalb, von ihm aufgezeigte Einsparungsmöglichkeiten unverzüglich zu realisieren, z. B. den Abbau externer Berater, die Reduzierung der CATS-Buchungen und die Refinanzierung der Inves titionskosten und der laufenden Aufwendungen.

Das Finanzministerium hat im Finanzausschuss zugesagt, auf der Grundlage der Beratenden Äußerung und der Beschlussempfehlungen die Ausgestaltung der Neuen Steuerungsinstrumente sofort anzugehen und dabei den Rechnungshof voll und ganz einzubinden. Mit dieser Zusage ist auch dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/1304, ausreichend Rechnung getragen. Wie ich im Finanzausschuss bereits dargelegt habe, deckt die Beschlussformulierung – ich zitiere – „das Projekt NSI unter Berücksichtigung der Vorschläge des Rechnungshofs neu auszurichten“ alle Kritikpunkte ab, sodass sie nicht mehr im Detail aufgeführt werden müssen. Wir werden also den Antrag, liebe Kollegen von der SPD, erneut ablehnen, weil er überflüssig und somit unnötig ist,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aus Ihrer Sicht!)

und wir werden die Prüfung sowie die Klärung der kritischen Positionen dem weiteren Verfahren zwischen dem Rechnungshof und dem Finanzministerium überlassen. – Ich trage immer unsere Sicht vor, Herr Kollege Schmiedel; das ist nun einmal logischerweise so.

Die Berichterstattung erfolgt zum 31. Dezember 2007. Das heißt, wir werden uns in Kürze erneut entweder mit einvernehmlichen Lösungen oder mit divergierenden Meinungen über die Weiterentwicklung zu befassen haben. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es wird nichts verloren gehen.

Das Finanzministerium hat zwischenzeitlich eine Kabinettsvorlage zur Aufarbeitung der Beratenden Äußerung erarbeitet. Wir können insoweit von einer engen Zusammenarbeit und von einer konstruktiven und die beiderseitigen Interessen berücksichtigenden Weiterentwicklung von NSI ausgehen.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Genau!)

Zum Schluss, meine Damen und Herren: Wer dem Staatshaushalt mehr Kennzahlen, mehr Leistungsquoten abverlangt, als die bisherige, nur auf den Verlauf und die Erfüllung der Aufgaben ausgerichtete Kameralistik hergeben kann, der muss für einen Leistungsvergleich in wirtschaftlicher, in betriebswirtschaftlicher Hinsicht auch die Umstellung auf Neue Steuerungsinstrumente unterstützen. Wer also wissen will – und das mit Recht! –, was ein Produkt, eine Leistung der Staatsverwaltung kostet, der muss die Einführung von Neuen Steuerungsinstrumenten akzeptieren.

Dass die Haushaltssteuerung mehr und mehr an der Wirtschaftlichkeit, am Erfolg orientiert sein muss, ist eine sich aus der Fortentwicklung gesellschaftlicher Prozesse logischerweise ergebende Notwendigkeit.

Richtig ist allerdings, dass bei einem Aufwand von rund 220 Millionen € der Bürger und Steuerzahler eine angemessene Leistung erwarten darf. Um dieses Ziel doch noch zu erreichen, müssen die kritisch-konstruktiven Vorschläge des Rechnungshofs dringend umgesetzt werden. Dafür benötigen wir aber auch Akzeptanz auf allen Ebenen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Schmid für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Denkschrift des Rechnungshofs zu den Neuen Steuerungsinstrumenten ist die Chronik eines fulminanten Scheiterns,

(Abg. Stephan Braun SPD: So ist es! – Oh-Rufe von der CDU)

eines Scheiterns, das im Übrigen absehbar war.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Ja! Wenn sie nur auf uns gehört hätten! – Gegenrufe von der CDU)

Eines ist auch für die SPD-Fraktion klar: Grundsätze betriebswirtschaftlichen Handelns, betriebswirtschaftliche Methoden können ihren Platz auch in der Landesverwaltung haben; sie müssen ihren Platz in der öffentlichen Verwaltung haben, weil es darum geht, mit den Geldern der Steuerzahler sorgsam umzugehen. Aber Fehler in der Konzeption, in der Vertragsgestaltung, bei der Einführung und jetzt auch beim Betrieb der Neuen Steuerungsinstrumente haben dazu geführt, dass das Land in summa fast eine halbe Milliarde € verloren hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ei, ei, ei! – Abg. Niko- laos Sakellariou SPD: Wahnsinn!)

Meine Damen und Herren, dies wäre vermeidbar gewesen. Der Rechnungshof hat sehr frühzeitig Vorschläge für eine gestufte Einführung gemacht. Die SPD-Fraktion hat bereits ganz zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode davor gewarnt, der gesamten Landesverwaltung eine einheitliche Zwangsjacke zu verpassen, und für maßgeschneiderte Lösungen plädiert. Stattdessen hat man eine Konzeption gewählt, die für die gesamte Landesverwaltung ohne Rücksicht auf spezifische Besonderheiten einen großen Aufwand erforderte. Man hat einen Vertrag unterschrieben, der das Land an T-Systems ausgeliefert hat, der keine Reaktionsmöglichkeiten aufgrund der Verwaltungsstrukturreform vorgesehen hat und der bis heute zu hohen Betriebskosten führt.

Die Einführungsphase von NSI schließlich war ein Desaster.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Reines Chaos!)

Die Schulungen haben die Leute eher verschreckt, als dass sie sie für das Gedankengut der Neuen Steuerungsinstrumente gewonnen hätten. Die Mitarbeitermotivation war am Boden, noch bevor NSI richtig eingeführt war.

Jene Elemente der Neuen Steuerungsinstrumente, die für die Mitarbeiter besonders bedeutsam sind, wurden von Anfang an

oder im weiteren Verlauf der Einführung in ihrer Bedeutung zurückgestuft. Z. B. ist die dezentrale Budgetverantwortung, wie sie von NSI vorgesehen war, noch hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben, die zuvor Pilotämtern eingeräumt worden waren. Die Balanced Scorecard, die dazu dient, gemeinsam mit Mitarbeitern einen Prozess der Selbstvergewisserung, der Zielvereinbarungen, des gemeinsamen Auftritts in der Verwaltung zu definieren, ist im Verlauf der Einführung zurückgestuft worden und findet nur in ganz wenigen Teilbereichen der Landesverwaltung Anwendung.

All dies hat dazu geführt, dass neben den Einführungskosten in dreistelliger Millionenhöhe unzählige Mitarbeiterstunden für unsinnige Datensammelwut verwendet worden sind. Und all dies kann auch mit dem vagen Versprechen auf eine Neuausrichtung nicht geheilt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Nikolaos Sa- kellariou SPD)

Sie greifen zwar mit dem Begriff „Neuausrichtung“ eine alte Forderung der SPD auf, setzen diese aber nicht in die Tat um. Deshalb plädieren wir mit unserem Änderungsantrag dafür, nachvollziehbare, präzise Konsequenzen aus dem Scheitern von NSI, wie es bislang gehandhabt worden ist, zu ziehen. Wir fordern Sie nicht nur auf, die aufwendige Datensammelei und die aufwendige Zeiterfassung deutlich zurückzufahren und das Verfahren auf andere Methoden pauschalierter Zeiterfassung umzustellen, sondern wir wollen vor allem die Elemente stärken, die die Mitarbeiter motivieren. Da geht es um die dezentrale Budgetverantwortung, die ausgeweitet werden muss.

Wir wollen auch für den Landeshaushalt retten, was zu retten ist, indem wir bereits im kommenden Nachtragshaushalt Controllerstellen in Abgang stellen und die laufenden Betriebskos ten maßgeblich reduzieren. Wenn Sie dies täten, wäre das ein klares Signal dafür, dass Sie begriffen haben, dass NSI auf dem Holzweg war, und dass Sie das Ruder herumreißen wollen. Leider sind Sie dazu aber nicht bereit. Damit führen Sie ein Projekt fort, das in dieser Form weder bei den Mitarbeitern noch für den Landeshaushalt Sinn macht.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! NSI in Baden-Württemberg ist ja zu so etwas wie einem negativen Markenzeichen geworden. Das ist durchaus bedauerlich für ein Land, das sich ja gern und auch zu Recht als innovativ betrachtet. Für die Organisation unserer Landesverwaltung und insbesondere für NSI, sozusagen das Kernstück der Verwaltungsmodernisierung, gilt dieses Etikett „Innovation“ jedenfalls nicht. NSI war bislang keine Visitenkarte für Baden-Württemberg.

Es ist eben schon angerissen worden: Wir haben inzwischen 220 Millionen € ausgegeben, zu denen noch laufende Kosten in Höhe von 30 Millionen € jährlich hinzukommen. Zu Recht fragen sich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, ob das nun alles endgültig in den Sand gesetzt ist oder ob und inwie

fern diese Investition zumindest in Teilen aktiviert werden kann.

Die Frage ist: Wie geht es jetzt weiter mit NSI, und welche Konsequenzen werden aus dem doch vernichtenden Bericht, der Beratenden Äußerung des Rechnungshofs, gezogen? Ich will für die Fraktion GRÜNE noch einmal betonen: Es ist überhaupt keine Frage, dass es zu betriebswirtschaftlichen Instrumenten in der öffentlichen Verwaltung keine Alternative gibt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das unternehmerische Denken gehört dort ebenso hinzu, wie das auch bei der privaten Wirtschaft gilt. In einer Welt, die sich immer schneller verändert, heißt das für die Verwaltung, dass die Gestaltung, das Verändern auch dort ermöglicht werden muss. Beim Staat geht es letztlich genauso zu wie in der Wirtschaft. Wir haben in diesem Bereich in der Tat einen enormen Nachholbedarf.