Meine Damen und Herren, wir lassen nicht zu, dass 10 Millionen anständige Bürger dieses Landes unter Generalverdacht
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Glauben Sie das echt, was Sie da jetzt sagen? – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)
Aber natürlich, Herr Kollege Zimmermann. Im Übrigen handeln wir Liberalen nicht nach dem Grundsatz des Glaubens, sondern bei uns zählen Wissen, Vernunft und Einschalten des Hirns.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen – Oh-Rufe von Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen – Zurufe)
Ein Teil der auf Landesebene geäußerten Bedenken ist ausgeräumt. Ich denke an diesen Gesprächsleitfaden, aus dem die von uns ja von Anfang an kritisierten Klöpse mittlerweile entfernt sind.
Ich habe es schon im Ständigen Ausschuss gesagt: Etwas erstaunt sind wir über die prophetische Begabung des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Bezug auf das Polizeigesetz.
Auf Seite 68 der Koalitionsvereinbarung wird ausdrücklich gesagt, dass das Polizeigesetz unter Beachtung datenschutzrechtlicher Belange novelliert wird. Eine Seite weiter steht, dass Videoüberwachung auch weiterhin nur an Kriminalitätsschwerpunkten möglich sein wird. Dazu stehen wir. Die CDU wird bestimmt nicht gegen die Koalitionsvereinbarung verstoßen.
(Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Das glauben wir! – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Ausgeschlossen! – Abg. Ursula Haußmann SPD: So wie auch die FDP immer linientreu ist!)
Angesichts der aktuellen Debatte über den besonderen Einsatz von Polizeihunden möchte ich die Hoffnung aussprechen, dass man dem Landesbeauftragten für den Datenschutz nicht auch noch zumutet, dass er sich diese Schnüffelproben unter die Nase halten muss. Wir gehen einmal davon aus, dass wir hier im Land auch diesbezüglich sehr zurückhaltend vorgehen werden.
Wir haben auch große Sorge – da teilen wir die Meinung des Landesbeauftragten –, was die elektronische Gesundheitskarte angeht. Dieses Projekt muss sehr sorgfältig geprüft werden.
Seit Reinhold Maier gehört es zur guten Tradition dieses Landes, dass wir vernünftige Vorschläge akzeptieren und dass diese in die Tat umgesetzt werden. Wir werden heute den Antrag der Grünen trotzdem ablehnen müssen, Herr Kollege Wal
ter, denn wir wollen nicht nach Djangomanier aus der Hüfte schießen. Wenn Sie den Antrag vor seiner Einbringung wenigstens einmal mit den anderen Fraktionen besprochen hätten!
Aber wir werden, Herr Kollege Walter, mit unserem Koalitionspartner beraten. Wir sind sicher, dass wir zu einer vernünftigen Lösung kommen werden, die sehr viel besser ist als alle Lösungen, die Sie vorschlagen.
Aber gern, Frau Präsidentin. – Wir sind nach wie vor für diese Zusammenführung. Es müssen noch Bedenken ausgeräumt werden. Daran arbeiten wir.
Wir stehen grundsätzlich zu dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ich habe hier schon mehrfach gesagt – und dabei bleibt es –: Man verteidigt die Freiheit nicht, indem man sie einschränkt oder gar abschafft.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Zunächst einmal zu Ihnen, Herr Kollege Kluck: Ihrem feurigen Plädoyer kann ich mich anschließen, wenn es darum geht, dass wir in der Tat jeden Tag gefordert sind, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu halten. Deswegen streiten wir, deswegen argumentieren wir und tauschen uns aus.
Ihre Sorge wegen der polizeilichen Schnüffelhunde kann ich Ihnen nehmen. Natürlich haben wir Polizeihunde, die – wenn es ums Schnüffeln geht – vor allem zur Auffindung von Sprengstoff und Drogen eingesetzt werden. Da kenne ich kein besseres Ermittlungsverfahren. Wenn es aber um Menschen geht, dann seien Sie versichert: Unsere Polizeihunde haben einen so exzellent geschulten Blick, dass sie zwischen gut und böse unterscheiden können. Die müssen nicht schnüffeln.
Aber lassen Sie mich, meine Damen und Herren, an erster Stelle – auch im Namen der Landesregierung – dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, Herrn Zimmermann, und
seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre engagierte und kompetente Arbeit danken, die sich in dem vorliegenden Siebenundzwanzigsten Tätigkeitsbericht widerspiegelt.
Ich habe es schon im Ausschuss gesagt und wiederhole es hier – Herr Kollege Walter hat dieses Thema, glaube ich, angesprochen –: Was die Personalausstattung anbelangt, sitzen wir mit dem Landesbeauftragten in einem Boot. Auch unser Referat hat eine denkbar knappe Ausstattung an Personalressourcen. Umso beachtlicher ist, was da geleistet wird – sowohl beim Landesbeauftragten als auch in unserem Referat. Beachtlich ist auch, dass über die originäre Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten hinaus – was Beanstandungen anbelangt – auch noch sehr viel Beratungstätigkeit geleistet wird, was bei der Würdigung des Gesamtumfangs der Tätigkeit des Landesbeauftragten häufig vergessen wird.
Meine Damen und Herren, der Tätigkeitsbericht bestätigt erneut, dass die öffentliche Verwaltung mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger alles in allem sensibel umgeht. Natürlich – das möchte ich nicht verschweigen – gibt es nach wie vor auch einzelne Datenschutzverstöße in der Verwaltung. Das ist bei einer kommunalen und einer staatlichen Verwaltung dieser Größenordnung jedoch nicht außergewöhnlich. Dort, wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler.
Insgesamt kann ich jedoch feststellen, dass der Landesbeauftragte weder spektakuläre Missbräuche noch gar Skandale festgestellt hat. Die Anzahl der von ihm ausgesprochenen materiellen und formellen Beanstandungen bewegt sich weiter auf niedrigem Niveau und beschränkt sich im Wesentlichen auf Einzelfälle.
Herr Kollege Kluck, selbst im Sicherheitsbereich gibt es, was die Anwendung der Datenschutzvorschriften anbelangt, ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen dem Landesbeauftragten und der Landesregierung. Dort, wo der Landesbeauftragte Mängel festgestellt hat – etwa bei der Ausschreibung zur verdeckten Registrierung nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen, bei der Arbeitsdatei „Politisch motivierte Kriminalität“ oder bei der Einmeldung in die DNAAnalyse-Datei beim Bundeskriminalamt –, wurden die Datenbestände inzwischen überprüft und die erforderlichen Datenlöschungen auch durchgeführt. Soweit erforderlich, wurden auch Anweisungen erlassen, die dabei behilflich sein sollen, in Zukunft Verstöße zu vermeiden. Herr Kollege Walter, damit ist auch Ihrem Anliegen Rechnung getragen. Wir ziehen durchaus die notwendigen Folgerungen und handeln entsprechend.
Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Landesbeauftragten und der Landesregierung gibt es allerdings. Die gibt es bei der Beurteilung der Frage, welche Rechtsvorschriften im Sicherheitsbereich zur Bekämpfung des Terrorismus tatsächlich erforderlich sind.
Die Landesregierung hat sowohl das Gemeinsame-DateienGesetz – auch Antiterrordatei genannt – als auch das Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vorbehaltlos unterstützt. Von Aktionismus der Sicherheitspolitiker kann hier also wirklich nicht die Rede sein.
Bundes- und Landesregierung haben die Pflicht, die Bevölkerung vor Terroranschlägen zu schützen. Dafür sind ein besserer Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern und die Verlängerung der Geltungsdauer des Terrorismusbekämpfungsgesetzes Voraussetzung. Bei beiden Gesetzen hat man jedoch erhebliche Anstrengungen unternommen, Sicherheitsbelange und Persönlichkeitsschutz Betroffener zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Man kann sich immer darüber streiten, meine Damen und Herren, ob wir dieses Ziel erreicht haben oder ob wir ihm zumindest sehr nahegekommen sind.
Die Landesregierung teilt auch nicht die Auffassung des Landesbeauftragten, die Videoüberwachung – um dieses Stichwort aufzugreifen – sei ungeeignet, terroristische Anschläge zu verhindern. Es ist klar: Bei einem Selbstmordattentäter wird man dies so sagen können.
Wie man aber seit den Anschlägen bzw. den Anschlagsversuchen in London, Koblenz und Dortmund weiß, ist die Videoüberwachung eben sehr wohl geeignet, verdächtige Personen bzw. Attentäter zu identifizieren. Wenn dies gelingt, ist dies ein Beitrag dazu, künftige Anschläge zu verhindern. Denn diejenigen, die man identifiziert und festnimmt, begehen – selbst jedenfalls – keine weiteren Anschläge. Das Innenministerium prüft derzeit – Herr Kollege Kluck, das ist meine Zusage, und bei ihr bleibt es – die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, die Videoüberwachung einzusetzen – aber nur aufgrund klarer rechtlicher Vorgaben.
Wir wissen – damit bin ich bei einem zweiten Stichwort, das ich aufgreifen möchte, dem Videoatlas –, dass mehr als 95 % aller Videoanlagen und -kameras nicht von der Polizei, sondern von anderen öffentlichen und von nicht öffentlichen Stellen vor allem im Verkehrs- und im Versorgungsbereich eingesetzt werden. Deshalb hat das Innenministerium einen Video atlas zusammengetragen. Darin sind alle Stellen erfasst, die bereits heute Videoaufzeichnungen machen.
Da diese Stellen aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen diese Aufzeichnungen bereits nach kurzer Zeit löschen, muss die Polizei, wenn beispielsweise ein Anschlag geschehen ist, sofort und gezielt auf die Betreiber zugehen können, damit sie die Daten rechtzeitig vor ihrer Löschung für Ermittlungszwecke nutzen kann. Jetzt prüfen wir in rechtlicher Hinsicht, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Polizei Videoüberwachungsanlagen anderer öffentlicher und nicht öffentlicher Stellen zeitweise mit nutzen darf, um sich im Fall einer konkreten Gefahr rasch einen Lageüberblick verschaffen zu können.
Dass dabei sowohl für die Polizei als auch für die anderen öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen geltende Datenschutzvorschriften beachtet werden müssen, ist eine pure Selbstverständlichkeit. Es ist auch die Pflicht des Innenminis ters, dies sicherzustellen.
Wir prüfen weiter, ob die Regelungen im Polizeigesetz zur Videoüberwachung angesichts der realen Anschlagsgefahr ausreichen. Die Abstimmung innerhalb der Landesregierung – ich sage es noch einmal – ist derzeit im Gang. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz wird rechtzeitig in den weiteren Diskussionsprozess einbezogen werden.
Lassen Sie mich noch einen letzten Scheinwerfer auf ein Ereignis im letzten Jahr, die Fußballweltmeisterschaft, richten. Dass sie friedlich verlaufen ist, war nicht zuletzt ein Verdienst der Sicherheitsbehörden
Auch den Belangen des Datenschutzes wurde dabei Rechnung getragen. Die Auffassung des Landesbeauftragten, es seien zu viele Personen in die Zuverlässigkeitsüberprüfung durch Polizei und Verfassungsschutz einbezogen worden, teile ich nicht. Man muss einfach sehen: Der Maßstab für die Beurteilung kann nur die Gefährdungslage vor der Weltmeisterschaft, aber nicht eine Betrachtung im Nachhinein sein. Es ist klar: Wenn alles gut gegangen ist, kann man im Nachhinein leicht sagen, so umfangreich hätten die Überprüfungen nicht sein müssen. Das können Sie aber vor einem solchen Ereignis mit all seinen Unwägbarkeiten nicht gefahrlos sagen. Denn wenn dann etwas passieren würde, wäre der Vorwurf berechtigt: „Ihr habt nicht alles getan.“ Zulässig war es auch, meine Damen und Herren, die Zuverlässigkeitsüberprüfung auf der Grundlage von informierten Einwilligungen der Betroffenen durchzuführen.