Protocol of the Session on May 24, 2007

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Meine Damen und Herren, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und seine Garantie durch die Politik sollten über Reparaturen und Zusicherungen im Land hinausgehen. Es geht auch um einen Wechsel der Ziele: von geteilter zu integrierter Verantwortung, von nachlaufendem zu vorausschauendem Datenschutz, von pauschaler zu selektiver Datensammlung, von einer kontrollierenden zu einer beratenden Rolle unseres Landesbeauftragten und von einer akzeptierten Politik zu einer gewollten Politik. Dafür müsste es im Land und im Parlament eine Mehrheit geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich erteile das Wort Herrn Abg. Walter für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hofelich, da wir beide schon in der Schule den Unterschied zwischen Indikativ und Konjunktiv gelernt haben, sind Sie wahrscheinlich in der Tat nicht so hoffnungsfroh, wie Sie sich jetzt geäußert haben.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Das Schwäbische eben!)

Es hat uns natürlich nicht verwundert, Herr Kollege Föll, dass Sie unseren Antrag, den wir ja nicht zum ersten Mal stellen, auch heute wieder ablehnen wollen. Sie haben gesagt: „Dagegen gibt es verfassungsrechtliche Bedenken.“ Da stellt sich für mich natürlich die Frage: Wie kann es sein – Herr Kollege Hofelich hat es erwähnt –, dass acht von 16 Bundesländern genau diese Regelung getroffen haben? Wie kann es sein, dass ein Bundesland wie Niedersachsen, das zunächst die Entflechtung beschlossen und durchgeführt hatte – nachdem CDU und FDP an die Regierung gekommen waren –, diese dann aus praktikablen Gründen zurückgenommen hat? Das heißt, acht Bundesländer würden sich nicht verfassungskonform verhalten.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Alles Verfassungs- feinde!)

Das können Sie hier doch nicht ernsthaft erzählen. Der obers te Datenschützer, Herr Zimmermann, hat dieses Argument im Ausschuss so auseinandergenommen, dass alle, die es noch benutzt haben, wie Schulbuben nach einer Lektion des Rektors ausgesehen haben.

Deswegen, meine Damen und Herren: Kommen Sie endlich dazu, diesen Weg zu gehen. Schon heute – die RFID-Chips wurden angesprochen – gibt es Bereiche, in denen eine Vermengung besteht. Deswegen müssen wir dem Datenschutz oberste Priorität einräumen.

Die FDP/DVP-Fraktion fordert seit Jahren dasselbe wie wir. Leider bekommen wir von ihr nie Unterstützung, wenn schließlich abgestimmt wird.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Herr Kollege Kluck, ich habe der „Schwäbischen Zeitung“ entnommen, dass die Liberalen mehr Freiheit wünschen für die, die bereits gestorben sind. Ich finde, Sie sollten jetzt auch einmal den Lebenden mehr Liberalismus und mehr Freiheit zukommen lassen. Sie sollten sich bei Ihrem Liberalismus nicht auf die Toten beschränken.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Deswegen, Herr Kollege Kluck, erwarten wir, dass Sie endlich eine Initiative starten; denn diese ist überfällig.

Noch ein Argument des Herrn Innenministers gilt es hier zu erwähnen. Er sagte, die EU wünsche – völlig zu Recht –, dass die Datenschutzbehörden völlig unabhängig sind, auch was die Dienst- und Rechtsaufsicht anbelangt. Das ist genau das, was auch wir wollen. Der Innenminister macht daraus: Die Bundesregierung lehnt es ab, und alle 16 Bundesländer sind auch dagegen. Das heißt: Kein Bundesland will eigentlich eine Zusammenführung.

Das ist nur die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit heißt: Alle Bundesländer haben nur deshalb mit der Bundesregierung gestimmt, weil wir dieses Modell in Deutschland nicht haben. Aber immerhin gibt es in acht Bundesländern die Zusammenlegung. Das heißt, Herr Innenminister, Sie haben uns hier eigentlich aufs Glatteis führen wollen. Aber wenn man dem nachgeht, merkt man schnell, dass dem nicht so ist.

Die Terrorismusbekämpfung, meine Damen und Herren, ist heute das Zauberwort, um den Datenschutz einzuschränken. Kein Mensch möchte natürlich, dass es hier terroristische Anschläge gibt. Aber: Mittlerweile werden Daten miteinander vernetzt. Es werden Daten erhoben und zusammengeführt, wie wir es uns vor wenigen Jahren noch nicht einmal ansatzweise haben vorstellen können.

Polizei und Geheimdienste erhalten immer mehr Zugriffe auf Kommunikationsdaten, Sozialdaten, Meldedaten, BAföG-Daten, Kontenstammdaten usw. Wenn das so weitergeht, dann gibt es bald eine Vernetzung, eine Sammelwut, die nicht mehr kontrollierbar ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier tatsächlich nur noch um Terrorismusbekämpfung geht. Vielmehr geht es um das volle Wissen über die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande. Das kann nicht der Weg sein, den wir gehen wollen.

Meine Damen und Herren, gleichzeitig betonen alle: Wir wollen mehr Datenschutz, wir wollen die Arbeit des Datenschutzbeauftragten unterstützen. Aber hier reichen warme Worte nicht. Auch wir danken natürlich Herrn Zimmermann und seiner Behörde für die jedes Jahr sehr gut geleistete Arbeit. Aber wir leisten uns auch eine Behörde, die halb so groß ist wie die in Schleswig-Holstein. Das kann nun wirklich nicht wahr sein. Wenn es hier nur um eine geforderte Stelle mehr geht, dann wäre unsere Behörde auch mit dieser Stelle immer noch wesentlich kleiner als die Behörde in Schleswig-Holstein. Auch diese Stelle wird verweigert. Das halten wir nicht für richtig. Deswegen lautet mein Appell an die Regierung, Herr Innenminister: Sorgen Sie dafür, dass diese Behörde tatsächlich gut ausgerüstet ist, personell und auch sonst.

Außerdem reicht es nicht, Herr Minister, dem Herrn Datenschutzbeauftragten zu danken. Man muss auch versuchen, seinen Bedenken, die er hier vorträgt, beispielsweise den Bedenken hinsichtlich des neuen Polizeigesetzes, Rechnung zu tragen. Man kann sich nicht nur darüber freuen, diese Behörde zu haben, und sagen: Schön, dass ihr uns das alles berichtet habt, aber was ihr uns erzählt, interessiert uns gar nicht.

Wenn Sie den Datenschutz wirklich ernst nehmen – und der Datenschutz ist das demokratische Fundament einer Informationsgesellschaft –, dann geben Sie dem statt, was hier immer eingebracht wird. Sie müssen das ja nicht im Verhältnis 1 : 1 übernehmen. Aber in der Vergangenheit haben wir erlebt, dass alle Einwände, die vorgebracht wurden, von Ihnen zurückgewiesen wurden. So stellen wir uns Datenschutz in einer Demokratie, in Baden-Württemberg wirklich nicht vor.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kluck für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Walter, wenn Sie die Stellungnahme der Landesregierung zum Siebenundzwanzigsten Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz gelesen hätten,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Habe ich!)

dann hätten Sie festgestellt, dass eine ganze Menge der dort angesprochenen Probleme bereits durch die Landesregierung erledigt wurden.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Na ja!)

Es ist nicht so, dass dieser Bericht nicht auf fruchtbaren Boden fallen würde.

Wir Liberalen schließen uns dem Dank an den Datenschutzbeauftragten und seine engagierte Mannschaft an. Wir tun das natürlich besonders gern, weil er uns in seinem Siebenundzwanzigsten Tätigkeitsbericht wieder so richtig aus dem Herzen gesprochen hat.

(Lachen des Abg. Dr. Frank Mentrup SPD)

Sie kennen ja das Problem, das wir mit dem Sammeln und Vernetzen personenbezogener Daten haben. Ich möchte hier

noch einmal betonen, dass trotz der nicht zu leugnenden terroristischen Bedrohung Augenmaß und Fingerspitzengefühl erforderlich sind. Darauf werden wir achten.

Unser Grundsatz lautet, dass der Einzelne grundsätzlich selbst über Preisgabe und Verwendung personenbezogener Daten zu bestimmen haben sollte. Das ist ganz wichtig. Diese Auffassung, Herr Kollege Hofelich und Herr Kollege Walter, vertreten wir auch dann, wenn wir an einer Regierung beteiligt sind – und nicht nur in der Opposition. Das ist eben der Unterschied.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die SPD spart nicht mit kritischen Worten, wenn es um kleinere Verstöße baden-württembergischer Behörden geht. Aber sie schweigt, wenn die schwarz-rote Koalition in Berlin zum großen Schlag gegen die Bürgerrechte ausholt.

(Oh-Rufe von der SPD)

Auch die Kritik des Kollegen Walter ist völlig unglaubwürdig, denn solange seine Freundinnen und Freunde in Berlin mitregiert haben, haben sie doch diesen „Otto-Katalog“ des Innenministers Schiller – Schily –

(Heiterkeit – Abg. Ursula Haußmann SPD: Goethe und Schiller, genau!)

geradezu angebetet und überhaupt keinen Widerspruch dagegen vorgebracht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Gefahr aus Berlin ist noch nicht gebannt.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: „Gefahr aus Ber- lin“! – Unruhe)

Sie wissen ja, dass sich ein Großteil der aufgezeigten Probleme auf die nationale und auf die internationale Ebene bezieht; den Austausch von Fluggastdaten haben wir auch hier im Parlament schon angesprochen. Nach der letzten Konferenz der Datenschutzbeauftragten hat unser Landesbeauftragter Peter Zimmermann als Stichworte genannt

... die beabsichtigte Speicherung aller Telekommunikati onsverkehrsdaten auf Vorrat, die drohende Abschaffung der anonymen Kommunikation im Internet, die Pläne zur heimlichen Onlinedurchsuchung privater Computer..., die Speicherung sämtlicher Einkommensdaten abhängig Beschäftigter...

und festgestellt: Das alles geht nicht. Diese Auffassung teilen wir.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Der Staat sollte sich auch angesichts krimineller Bedrohungen möglichst darauf beschränken, Straftaten zu verfolgen und konkrete Gefahren abzuwehren. Wir halten es nicht für richtig, wenn die staatlichen Aktivitäten immer mehr ins abstrakte Vorfeld noch nicht einmal geplanter Straftaten vorverlagert werden.

Meine Damen und Herren, wir lassen nicht zu, dass 10 Millionen anständige Bürger dieses Landes unter Generalverdacht