Protocol of the Session on April 25, 2007

Ich habe trotzdem mit Nein gestimmt – deswegen diese Erklärung –, weil mir diese Sache so wichtig ist, dass ich sie zusammen mit dem Kultusministerium und nicht gegen das Kultusministerium verfolgen will.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Unru- he – Zurufe von der SPD)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dem Antrag der Grünen nicht zugestimmt und werde auch dem Antrag der SPD nicht zustimmen, da Herr Kultusminister Rau mir und uns dargelegt hat, dass zum jetzigen – und ich betone: zum jetzigen – Zeitpunkt eine Revision seiner Entscheidung aus organisatori schen Gründen nicht umsetzbar sei, meine Damen und Her ren.

(Oh-Rufe von der SPD – Lebhafte Unruhe – Zuruf von der SPD: Lächerlich!)

Umso mehr setze ich und setzen wir darauf, dass in weiteren Verhandlungen zwischen den Regierungsfraktionen und dem

Kultusministerium – und diese Verhandlungen werden sofort beginnen – das Ziel ernsthaft weiterverfolgt wird

(Zuruf von der SPD)

damit wird direkt begonnen, Herr Kollege –, an den Gymnasien des ganzen Landes unabhängig von der Grundschul fremdsprache eine Wahlfreiheit bezüglich der Sprachenfolge im Rahmen aller seither gängigen Kombinationen zu gewährleisten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Unruhe – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Norbert Zeller: Frau Fauser soll auch eine Erklärung abgeben!)

Damit ist die Behandlung des Berichtsantrags der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/871 (ge- änderte Fassung), erledigt.

Wir kommen nun zu dem Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/1039. Abschnitt I ist ein Berichtsantrag, der erledigt ist. Über Abschnitt II müssen wir abstimmen. Wer stimmt Abschnitt II des Antrags Drucksache 14/1039 zu? – Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Abschnitt II dieses Antrags ist mehrheitlich abgelehnt.

Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, jetzt in die Mittagspause einzutreten. Ich unterbreche die Sitzung bis 14:15 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 12:50 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:16 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Baden-Württembergisches Tariftreuegesetz für öffentliche Dienstleistungs- und Bauaufträge (BW TariftG) – Drucksache 14/849

Beschlussempfehlung und Bericht des Wirtschaftsausschusses – Drucksache 14/1087

Berichterstatterin: Abg. Dr. Carmina Brenner

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Über viele Jahrzehnte hinweg war es in der Bundesrepublik Deutschland Konsens, dass über Dumpinglöhne, das heißt über unanständig niedrige Löhne, kein Wettbewerbsvorteil am Markt erzielt werden soll. Das war

richtig, und das ist auch heute noch richtig. Denn es entspricht einem Gebot der sozialen Marktwirtschaft, dass die Wirtschaft dem Menschen zu dienen hat – nicht umgekehrt. Das war und ist aber auch wirtschaftspolitisch richtig, weil es die Kräfte des Wettbewerbs auf Innovation, technischen Fortschritt, verbesserte Produkte und Kundenorientierung lenkt und nicht auf Senkung von Löhnen oder sozialen Standards.

Das Instrument, mit dem dies in der Bundesrepublik über Jahrzehnte hinweg sichergestellt wurde, waren die Flächentarife, die fast alle Bereiche der Wirtschaft umfasst haben. Dieses Fundament ist heute leider brüchig geworden. Deshalb stehen wir heute vor der Frage, ob wir zuschauen, wie dieses Fundament brüchiger wird und immer mehr Menschen in Arbeitsverhältnisse kommen, die sie, obwohl sie tagtäglich ihrer Arbeit nachgehen, in Armut zwingen, oder ob wir neue Instrumente finden, um einen gerechten Lohn für gute Arbeit sicherzustellen.

Auf Bundesebene diskutieren wir darüber unter dem Stichwort Mindestlohn. Für den Teil der Aufträge, für den wir originäre Verantwortung tragen – das heißt für die öffentlichen Aufträge –, schlagen wir mit dem Tariftreuegesetz eine Modernisierung der Vergabebedingungen für das Land BadenWürttemberg vor.

Wie stark der Handlungsbedarf heute ist, sieht man schon daran, dass sich einer der sogenannten Wirtschaftsweisen nicht „entblödet“ hat, öffentlich vorzuschlagen, dass jemand, der zu einem Stundenlohn von 3 € keine Arbeit findet, eben für einen Stundenlohn von 2 € arbeiten muss. Das heißt, wenn man dieses Geschehen dem Markt überlässt, führt das zu einer Spirale nach unten, die im Grunde keinen Boden kennt. Deshalb müssen wir den Boden zwingend einsetzen, wenn wir es mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft ernst meinen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Meine Damen und Herren, wir haben bei keinem anderen Projekt so viel Zustimmung und Unterstützung aus der Handwerksorganisation, den Innungen, einzelnen Betrieben, Handwerkskammern und Kreishandwerkerschaften erfahren. Denn die heimischen Betriebe des Handwerks und des Mittelstands spüren als Bewerber um öffentliche Aufträge unmittelbar den Druck der Konkurrenz mit Billigarbeitskräften. Die Unternehmer des heimischen Handwerks und des Mittelstands sind diejenigen, die ihren Arbeitnehmern tagtäglich begegnen, nicht nur bei der Arbeit, sondern auch abends im Verein und sonntags in der Kirche. Die behandeln ihre Arbeitnehmer anständig. Aber sie werden nicht dafür belohnt. Vielmehr gehen die Aufträge reihenweise an die Unternehmen, die mit vagabundierenden Belegschaften zu unerträglich niedrigen Löhnen unterwegs sind. Es darf doch nicht wahr sein, dass diejenigen, die unanständig sind, belohnt werden und diejenigen, die anständige Löhne zahlen, bestraft werden! Das darf doch nicht sein!

(Beifall bei der SPD und der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Deswegen schauen das Handwerk und der Mittelstand heute auch nach Stuttgart. Sie haben ja auch Briefe bekommen. Ich

kann Ihnen eines garantieren: Sie können heute bei Ihrem Abstimmungsverhalten, wie Sie es leider im Ausschuss gezeigt haben, bleiben und unseren Gesetzentwurf ablehnen. Allein das Thema bleibt. Wir lassen nicht locker. Das Thema wird uns auf örtlicher Ebene und auf der politischen Ebene im Land andauernd beschäftigen. Denn wir meinen es ernst mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, die es unter den veränderten Bedingungen der Globalisierung zwingend zu erneuern gilt. Wir halten nichts von einem Europa, das nur den reinen Marktprinzipien unterworfen ist. Der Markt kennt keine sozialen Bedürfnisse.

Deshalb liegt es an uns, die Regeln sicherzustellen, dass das Marktgeschehen so stattfindet, dass es die Anständigen belohnt, dass es die Fleißigen belohnt, dass es gerechten Lohn für gute Arbeit gibt. Sie haben heute die Chance, ein solches Prinzip in Baden-Württemberg einzuziehen.

Bereits acht Bundesländer haben Tariftreueregelungen. Ges tern hat das Kabinett in Rheinland-Pfalz die Eckpunkte für ein rheinland-pfälzisches Tariftreuegesetz beschlossen. Wir hätten die Chance, als Baden-Württemberg das zehnte Bundesland mit einem Tariftreuegesetz zu sein und damit den Weg weiter einzuleiten, dass in ganz Deutschland die Regeln der sozialen Marktwirtschaft auch in Zukunft gelten und Arbeitnehmer vom Lohn für ihre Arbeit auch wirklich leben können. Deshalb bitten wir Sie herzlich, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Löffler das Wort.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Guter Mann! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das wird eine gute Re- de!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir feiern 50 Jahre Römische Verträge. Der Herr Präsident hatte für die Mittagspause eingeladen. Zu den Feierlichkeiten brachte auch die SPD ein Geschenk mit: ein Gesetz aus der Mottenkiste des Protektionismus.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Norbert Zeller: Das sagen Sie einmal in Ihrem Wahlkreis!)

Dabei hat doch die Europäische Kommission in ihrem Schreiben vom 14. Dezember 2004 an die rot-grüne Bundesregierung warnend den Zeigefinger gehoben. Die Tariftreuegesetze der Länder, ist darin zu lesen, verstoßen gegen die Dienstleis tungsfreiheit und verletzen Artikel 49 des EG-Vertrages.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Hört, hört!)

Der Grund liegt auf der Hand: Arbeitgeber in anderen Mitgliedsstaaten können nicht erkennen oder nur schwer ermitteln, welche einschlägigen Lohntarife am Ort der Leistungserbringung gelten. Ein Vorlagebeschluss liegt beim EuGH. Warten wir die Entscheidung ab! Es gibt keinen Grund zur Eile.

Die Kommission hat nur den Weg für das Entsendegesetz frei gemacht. Soziale Aspekte wie etwa Frauenquote oder Ausbildungsquote lehnt das europäische Vergaberecht ab.

Auch für unbestimmte Tariftreueregelungen ist die Tür zu. Wir haben dies in diesem Haus in der Mittelstandsenquete durchdekliniert. Daran halten wir uns.

Die tragenden Säulen des Vergaberechts sind der Leistungswettbewerb und die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit. Auch daran halten wir uns, und darin unterscheiden wir uns von Ihnen.

Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt haben die Konsequenzen gezogen und ihre Tariftreuegesetze in den Reißwolf gesteckt.

(Zuruf von der SPD: Und Bayern?)

Die SPD versucht, diesen Müll aus dem Gelben Sack zu recyceln und ihn zusätzlich um die Komponente Dienstleistung zu erweitern. Bagatellgrenzen kennt der Entwurf der SPD nicht. Vom ersten Euro an soll das Tariftreuegesetz gelten. Kein bestehendes Landesgesetz geht so weit – eine schallende Ohrfeige für die Europäische Kommission. So feiert die SPD die Römischen Verträge!

(Abg. Reinhold Gall SPD: Es geht um unsere Arbeit- nehmer bei diesem Tagesordnungspunkt! – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Wer hat Ihnen denn das aufge- schrieben? Setzen, Sechs!)

Ein Beispiel für eine Realsatire: Kollege Dr. Prewo, Oberbürgermeister in Nagold, kann künftig seinen Dienstwagen nicht mehr einfach morgens in die Waschstraße fahren; denn die Tankstelle muss zunächst gewährleisten, dass sie ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlt.