Diese Aufgabe haben die Kommunen im Übrigen nicht erst seit diesen Debatten erkannt, sondern sie versuchen schon immer, Betreuungsplätze real vor Ort anzubieten und Angebote bedarfsgerecht auszuweiten. Dafür gibt es viele positive Beispiele. Deswegen lohnt es sich, gemeinsam mit den Kommunen darüber zu reden,
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Reden reicht nicht! Ihr müsst die Kommunen auch finanziell unterstüt- zen!)
wie wir in unserem Land in dieser Hinsicht wirklich auf einen Spitzenplatz in der Tabelle der kinderfreundlichsten Län
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch die heutige Debatte über die Betreuungsangebote für Kleinkinder zeigt die gesamtgesellschaftliche Dimension dieses Themas. Die bedarfsgerechte Versorgungsstruktur für eine außerhäusliche Betreuung von Kleinkindern hat ja vielfältige Auswirkungen. Sie ist nicht nur wichtig für Kinder und Eltern, sondern hat auch Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Entwicklung unseres Gemeinwesens. Umso wichtiger ist es natürlich, dass diese Debatte sachlich und konstruktiv geführt wird. Ich denke, die Eltern und die Kinder haben darauf auch einen Anspruch.
Über die Ziele sind wir uns ja einig: Wir brauchen mehr Betreuungsplätze für Kleinkinder. Wir müssen diesen Ausbau schnell, zielgerichtet und vor allem bedarfsgerecht voranbringen, und wir müssen natürlich für eine verlässliche Finanzierung sorgen. Ein zügiger Ausbau der Kleinkindbetreuung ist wichtig, weil wir die Grundsätze der Wahlfreiheit und auch der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit alle verfolgen und überhaupt nicht infrage stellen. Wahlfreiheit heißt auch, dass man wählen kann zwischen der Kinderbetreuung in der Familie und außerhalb der familiären Umgebung.
Es ist ganz klar: Das Recht und die Pflicht zur Erziehung liegen bei den Eltern und werden den Eltern auch nicht genommen.
Es ist aber auch Pflicht und Recht der Eltern, zu entscheiden, ob sie bei ihrer Erziehungsaufgabe außerhäusliche Erziehungs angebote in Anspruch nehmen wollen oder müssen. Das ist ein Stück Wahlfreiheit
(Abg. Norbert Zeller SPD: Da müssen die Angebote aber auch da sein! – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)
Wir in der Politik müssen die Realität der jungen Familien natürlich zur Kenntnis nehmen und dann auch die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört eben der Ausbau der Kleinkindbetreuung.
Wir alle – Landesregierung und Kommunen – haben beim bisherigen Ausbau die gesetzlichen Vorgaben des Tagesbetreuungsausbaugesetzes zugrunde gelegt. Ich bin etwas irritiert über den Ausdruck „Mogelpackung“. Mich irritiert schon, dass die SPD so wenig Vertrauen in ihre eigenen Gesetzesinitiativen hat.
(Beifall der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP – Abg. Ute Vogt SPD: Sie tun so, als würden Sie mehr tun als alle anderen!)
Wenn ich mich recht erinnere, war das Tagesbetreuungsausbaugesetz ein rot-grünes Projekt, das am 1. Januar 2005 in die Tat umgesetzt wurde. Mich irritiert, wenn das als „Mogelpackung“ angesehen wird.
Dieses Gesetz bildet die gesetzliche Grundlage. Im Tagesbetreuungsausbaugesetz ist vorgesehen, dass bis zum 1. Oktober 2010 rund 230 000 zusätzliche Betreuungsplätze für Kleinkinder zu schaffen sind. Das entspricht einer Betreuungsquote von etwa 20 %.
Wir haben in den vergangenen Jahren beim Ausbau des Angebots in enger Abstimmung mit den Kommunen erhebliche Fortschritte gemacht; das ist schon angesprochen worden. Die Zahl der Krippenplätze – das ist mittlerweile Allgemeingut – hat sich zwischen 2003 und 2006 mehr als verdreifacht. Wir liegen derzeit mit einem Versorgungsgrad von 9 % über dem Durchschnitt der alten Bundesländer. Das Statistische Landesamt hat diese Zahlen erst vor wenigen Tagen untermauert. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. In verschiedenen Städten des Landes liegt der Versorgungsgrad schon heute über 20 %.
Ich gehe wirklich davon aus, dass die Kommunen angesichts der Herausforderung des demografischen Wandels und im Wettbewerb um junge Familien diesem Thema auch die nötige Priorität schenken werden. Denn Kommunen, die diese Aufgabe nicht sehen, die im Wettbewerb um junge Familien nicht bestehen wollen, werden die Entwicklung verschlafen. Ich gehe davon aus, dass die baden-württembergischen Kommunen diese Entwicklung nicht verschlafen werden, sondern diesen Wettbewerb aufnehmen wollen.
Wir wissen, dass unser derzeitiger Ausbaustand nur eine Teil etappe auf dem Weg zu einem bedarfsdeckenden Angebot ist. Wir gehen davon aus, dass das derzeitige Angebot bis Ende 2010 auf etwa 50 000 Plätze zu verdoppeln ist.
Ein Bedarf in dieser Größenordnung entspricht auch einer Bedarfserhebung bei den Kommunen, die Anfang des vergangenen Jahres durchgeführt wurde. Diese Bedarfsschätzung liegt auch innerhalb des Korridors der Zahlen aufgrund einer Untersuchung des Statistischen Landesamts, die ebenfalls im vergangenen Jahr durchgeführt wurde. Auch die neuesten Prognosen zur Geburtenentwicklung in Baden-Württemberg ändern an diesen Zahlen nichts Grundlegendes.
Trotz dieser Zahlen bin ich allerdings auch davon überzeugt, dass der Bedarf an zusätzlichen Betreuungsplätzen für die Kinder unter drei Jahren noch ansteigen wird. Die von der Bundesfamilienministerin angestoßene Diskussion um einen weiteren Ausbau der Betreuungsangebote kann ich daher im Grundsatz begrüßen.
Wir brauchen weitere Plätze, und wir brauchen die dafür erforderlichen Mittel. Allerdings brauchen wir dazu keinen Aktionismus. Wir sollten weiterhin zielgerichtet vorangehen.
Dazu gehören – das halte ich für unerlässlich – unbedingt folgende Schritte: Wir müssen und wir werden die Zahl der zusätzlich erforderlichen Plätze entsprechend dem vor Ort tatsächlich vorhandenen Betreuungsbedarf ermitteln. Dieses Verfahren war schon bisher Richtschnur für das Handeln des Landes und der Kommunen. Wir müssen dafür natürlich auch die Finanzierungsgrundlage sichern.
Ich habe den Eindruck, dass die Notwendigkeit einer eingehenden Bedarfsermittlung derzeit mit dem Hinweis auf die Bedarfsquote von mindestens 35 % infrage gestellt wird. Davor möchte ich nachdrücklich warnen. Denn ohne die Ermittlung des Bedarfs ist auch ein seriöser Ausbau nicht möglich. Pauschale, für die ganze Republik oder für das gesamte Land geltende Betreuungsquoten bringen uns nicht weiter.
Denn jeder weiß, dass wir in Großstädten und Ballungsräumen sicher ein anderes Platzangebot gerade an Krippen zur Verfügung stellen müssen als in Regionen im Land, in denen der tatsächliche Bedarf sicher geringer ist.
Wir brauchen eine mit den Kommunen abgestimmte, gründliche und nachvollziehbare Ermittlung des tatsächlich vorhandenen Bedarfs. Ich begrüße es daher, dass auch vonseiten des Bundes die Notwendigkeit gesehen wird, zunächst einmal die Grundlagen bezüglich der tatsächlichen Bedarfssituation in Ländern und Kommunen auszutauschen.
Der Bund hat die Länder für den 2. April zu einem Gespräch hierüber gebeten. Dabei werden neben dem aktuellen Ausbaustand auch die Einschätzung des künftigen Bedarfs und Fragen der Finanzierung zu erörtern sein. Wir werden uns bei diesem Gespräch einbringen, wobei auch diese Bedarfsermittlung keine „Mogelpackung“ ist. Vielmehr – das entspricht einer klaren gesetzlichen Grundlage; diese Bedarfsermittlung wird von den Kommunen auch jährlich eingefordert – müssen die Kommunen den Ausbaustand jährlich feststellen und den Bedarf festlegen, sodass auch wir vonseiten des Landes entsprechend dem Bedarf und den Meldungen unseren Beitrag in Höhe von 10 % leisten werden. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Die erforderlichen Mittel hierfür werden auch bereitgestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vorhin ist gesagt worden, das Land Baden-Württemberg solle sich modern und weltoffen zeigen. Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass dies auch künftig der Fall sein wird; da bin ich zuversichtlich. Die Tatsache, dass aus der ganzen Bundesrepublik junge Familien nach Baden-Württemberg ziehen, weil sie hier für ihre Kinder gute Perspektiven sehen,
sollte uns eigentlich auch zu der Überzeugung führen, dass wir die Aufgabe des Ausbaus der Kleinkindbetreuung in der Weise, wie wir das Ganze auf den Weg bringen, schultern und diesem Bedürfnis entsprechen. Wenn es für die Bewältigung dieses Kraftakts schließlich auf irgendeine Art und Weise auch vom Bund her mehr Geld gibt – über die Mehrwertsteuer –,
werden wir auch nicht Nein sagen. Wir stehen zu unserem Beitrag in Höhe von 10 %. Wir stehen auch zu den Erfolgen, die wir mit diesen Finanzmitteln bisher erreicht haben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich muss schon sagen, lieber Kollege Klenk: Eine solche Rede, wie Sie sie heute gehalten haben
das habe ich mir so vorgestellt –, hätte ich mir, nachdem wir uns in der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ anderthalb Jahre lang mit den Herausforderungen für das Land und mit den Anforderungen an eine zukunftsgerichtete Familienpolitik, in der der Ausbau der Kinderbetreuung für alle Altersstufen eine entscheidende Rolle spielt, beschäftigt haben, überhaupt nicht vorstellen können. Damit kommen wir in der Diskussion nicht weiter.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU – Abg. Dr. Hans- Peter Wetzel FDP/DVP: Keine Fantasie!)
Worüber reden wir im Moment? Wir reden darüber, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir nach den Impulsen in der Familienpolitik, die wir vor allem auch durch die rot-grüne Bundesregierung erfahren haben – – Ich sage das noch einmal allen selbst ernannten Gralshütern des Kindergelds: Es war die rot-grüne Bundesregierung, die, nachdem die Regierung Kohl vom Bundesverfassungsgericht die Rote Karte bekommen hat,
und die dann, nachdem sie finanzielle Transferleistungen erhöht und steuerliche Erleichterungen gewährt hat, wodurch das Volumen um 50 % aufgestockt wurde, betont hat: Wir brauchen in einer modernen, zukunftsgerichteten Familienpolitik mehrere Instrumente.
Wir wissen alle, dass vieles gleichzeitig vorhanden sein muss: ein kinderfreundliches Klima, familienfreundliche Arbeitsbedingungen,