Protocol of the Session on February 14, 2007

dass die SPD-Landtagsfraktion dem Haushalt in dieser Fassung nicht zustimmen kann.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Oh-Rufe von der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Metzger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Ausschussvorsitzende Rust hat gerade zu Recht das Thema „Umgang des Parlaments mit seinem Königsrecht“ angesprochen. Ich stelle fest: Wir haben in BadenWürttemberg ein Königsrecht des Parlaments, das sich im Ergebnis im Promillebereich bewegt. Wenn nur ein halbes Promille des gesamten Haushaltsvolumens verändert wird – trotz des gerade von Ihnen, Herr Rust, angeführten Vergleichs mit dem Bundeshaushalt –, dann ist das ein Armutszeugnis für dieses Parlament und vor allem auch ein Armutszeugnis für die Regierungsfraktionen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Keine Sorge, wir waren beteiligt! – Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Denn in der Tat können Sie sich – nach dem Motto „Mitgefangen, mitgehangen“ – nicht im Nachhinein absentieren und als Rächer der Entrechteten aufspielen, wenn Sie vorher behaupten, Sie seien mit einbezogen gewesen – wie es Ihre Haushaltssprecher bei der Pressekonferenz getan haben. Sie können sich jetzt nicht einfach aus dem Staub machen. So geht es nicht. – Das war für mich das erste Phänomen.

Das Zweite, rein prozedural: Eine Einbringung des Haushalts – dessen Verabschiedung das Königsrecht unseres Parlaments ist –, die so vonstatten geht, dass der Haushaltsentwurf in der Nacht zuvor den Abgeordneten zugestellt wird, dass dann der Finanzminister eine Eröffnungsrede hält und dieses Parlament hinterher eine Woche Pause hat

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

und der Minister erst eine Woche später wieder spricht, bevor dann die Regierungsfraktionen wieder zu Wort kommen, widerspricht jeglicher parlamentarischen Teilhabe.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das müssen wir auf jeden Fall im Zuge der Parlamentsreform ändern. Dann hat das Ganze eine andere Dynamik, und dann kann auch die Öffentlichkeit nicht mehr sagen, in diesem Landtag werde quasi ein Exekutivparlamentarismus betrieben. Dann ist dieser Landtag wieder ein Ort der parlamentarischen Debatte und Auseinandersetzungskultur. Dann gibt es auch so etwas wie Waffengleichheit zwischen der Regierung und der Opposition, und das, finde ich, stünde einem Land wie Baden-Württemberg, Herr Ministerpräsident, gut an.

Die weitere Erfahrung ist ein Phänomen dieser Haushaltsbera tungen, das ich als „Oettinger-Phänomen“ bezeichnen möchte. Es heißt: Sparen tut nicht weh. Denn eigentlich soll es ja ein Sparhaushalt sein, denn man hat das Ziel der Nullnettokreditaufnahme im Jahr 2011. Aber in diesem Land gibt es keine Personengruppen, die demonstrieren – so, wie es andernorts vor Landtagen der Fall ist, wenn konsolidiert wird. Nun kommt die Union und sagt, wie gerade Herr Kollege Scheffold: „Euer Problem als Opposition ist ja nur, dass der Regierungschef so klug verhandelt hat.“ Ich habe in meinem Leben die Erfahrung gemacht: Wenn man verhandelt und die Verhandlungspartner, denen man eigentlich etwas aus der Tasche ziehen möchte, ruhig sind, dann hat man womöglich ein schlechtes Geschäft gemacht.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Wir sparen nicht, damit es wehtut!)

Jetzt will ich nicht mit dem Schwert draufhauen, sondern eher wie ein Florettfechter agieren und anerkennen, wo die Verhandlungsergebnisse zwischen der Regierung und den betroffenen Gruppen ordentlich waren. Ich sage Ihnen: Die Vereinbarung mit den Kommunen geht auch nach unserer Auffassung als Grünen-Fraktion in Ordnung. Denn der Deal, den Sie dort gemacht haben, nämlich das Konnexitätsprinzip in die Verfassung aufzunehmen und dafür die Akzeptanz der kommunalen Seite für die Kürzungen im Finanzausgleich zu erreichen, der geht in Ordnung.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber da gibt es noch eine Bringschuld!)

Ich will mit dem Florett fechten.

Der zweite Punkt ist ein Thema, das wir, wie ich finde, auch bei der abschließenden Beratung dieses Haushalts in den Mittelpunkt rücken müssen. Die Achillesferse dieses Landeshaushalts ist die Versorgungslast, die wir für die Ruhegehaltsempfänger und ihre Angehörigen tragen.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist unbestritten!)

Mit dem Beitrag, den Sie dem Beamtenbund angeblich abgetrotzt haben, Herr Oettinger, haben Sie eine Placeboeinsparung hinbekommen.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Deshalb ist der Beamtenbund so ruhig. Wissen Sie, warum? Sie haben quasi die 123 Millionen € für Kürzungen der Sonderzahlungen für Pensionäre und aktive Beamte erkauft um den Preis, dass ab 2009 die Sonderzahlungen, auch wenn sie dann reduziert sind, auf Dauer in die Grundgehaltstabellen eingearbeitet sind und damit für alle Zeiten zum Kernbestand der Beamtenalimentation gehören. Sie haben damit in BadenWürttemberg Eingriffe in diese größte ausgabenexplosive Veranstaltung unterbunden. Wenn das ein kluges Geschäft ist, dann verstehe ich nicht, was finanzpolitische Verantwortung und Generationengerechtigkeit heißt.

Kollege Stich, der Vorsitzende des Beamtenbunds in BadenWürttemberg, wurde eingangs aus den eigenen Reihen angegriffen. Er hatte offensichtlich Vermittlungsprobleme, seinen Mitgliedern klarzumachen, dass sie hier auf lange Zeit ein gutes Geschäft gemacht haben. Aber ein gutes Geschäft für

den Landeshaushalt von Baden-Württemberg, Herr Ministerpräsident Oettinger, war diese Vereinbarung mitnichten.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Da klatscht niemand! – Heiterkeit – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Schön, dass Sie sich so klar zu einem Sonderopfer für Be- amte bekennen! Das finde ich schön, bezüglich Ver- lässlichkeit!)

Ich will Ihnen das ganz deutlich sagen. Das Statistische Landesamt schreibt in seinem Jahresbericht vom November 2006, ganz neu – das können Sie sich anschauen –: Etwa 3 000 Versorgungsempfänger kommen in den nächsten 10, 12, 15 Jahren jedes Jahr als zusätzliche Ausgabeposition auf den Landeshaushalt zu. Das sind Versorgungsempfänger, die ihre Anwartschaften natürlich erarbeitet haben.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Eben!)

Sie sind aber nicht mehr im aktiven Dienst und dürfen deshalb aus meiner Sicht, Herr Kollege Scheffold, natürlich auch nicht auf der Habenseite eines Bildungshaushalts auftauchen. Da sehen Sie doch die Krux des Landeshaushalts: Sie loben einen Aufwuchs von 5,6 % im Bereich Schule und Hochschule, und in Wirklichkeit ist die Hälfte dieses Aufwuchses nichts anderes als die Steigerung der Ausgaben für pensionierte Lehrerinnen und Lehrer und pensionierte Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer. Ich habe noch nie gehört, dass ein Bildungsaufwuchs oder eine Qualitätsoffensive des Landes dann spürbar wird, wenn die Ruhegehaltszahlungen für frühere Mitarbeiter steigen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sie sinken doch! Wir haben doch gekürzt! – Gegenruf des Abg. Wolf- gang Drexler SPD: Nein, das ist ein Denkfehler!)

Daran merken Sie doch, was für ein Problem das Ganze ist.

Lieber Kollege Noll, schauen Sie in den heute zu beschließenden Haushalt. Sie werden feststellen: Im Jahr 2008 steigen die Versorgungsausgaben um 140 Millionen € an. Sie sparen 123 Millionen € ein. Von Jahr zu Jahr geht diese Schere weiter auf. Das ist eine Milchbubenrechnung. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Wir werden den Finger wirklich in die Wunde legen. Darauf können Sie sich verlassen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das dürfen Sie gern machen! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Herr Noll, haben Sie gemerkt, er hat „Milchbu- benrechnung“ gesagt! – Gegenruf des Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Ja, ja! Das hat er von Frau Ber- roth gelernt!)

Der Zusammenhang zwischen Versorgungsausgaben und eingeschränkten Spielräumen der Landespolitik ist offenkundig.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Denn Sie verschieben hier Lasten auf den Zeitraum nach 2011. Herr Ministerpräsident Oettinger, es ist natürlich auch quasi ein Bubenstück, wenn man jetzt die gesamte Öffentlichkeit auf das Datum 2011 fixiert, aber die Lastenverschiebungen, die tatsächlich danach kommen, nicht in den Blick nimmt und sich vor allem auch nicht auf die Kernpolitikfelder unseres

Landes konzentriert, die für die Zukunftsfähigkeit BadenWürttembergs wichtig sind.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Die verschieben Sie mit Ihrem Bildungspakt!)

Wenn man für Bildung etwas tun will, lieber Kollege Noll – denken Sie an Ihre Parteitagsbeschlüsse –,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ja! Dann verschie- ben Sie die Lasten in die Zukunft!)

dann muss man Geld in die Hand nehmen. Gerade die skandinavischen Länder, die bei den PISA-Studien im interna tionalen Vergleich von den Bildungsergebnissen her spitze sind,

(Zuruf des Abg. Peter Schneider CDU)

haben in den Neunzigerjahren angefangen, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Bei allen Problemen einer Statistik wie der in der Bertelsmann-Studie, Herr Finanzminister, wonach Baden-Württemberg, bezogen auf den Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, unter dem Bundesdurchschnitt liegt – Sie relativieren dies mit dem Hinweis auf den Länderfinanzausgleich –, ist es doch tatsächlich so, dass wir zu wenig in die Köpfe investieren. Wir sind aber ein Industrie land. Wir sind stärker als andere Bundesländer vom Export abhängig. Wir stehen stärker im Wettbewerb mit anderen Wachstumsregionen dieser Welt, besonders im asiatischen Raum,

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

wo der Bildungshunger so kolossal ist. Der Wissenschaftsausschuss unseres Landtags konnte vor Kurzem feststellen, wie viel Geld in diesen aufstrebenden Volkswirtschaften in die Hand genommen wird.

Da müssen wir jetzt die einmalige Chance in unserem Land nutzen, dass die Parallelität zweier Ereignisse sowohl eine Konsolidierungsstrategie möglich macht als auch dazu beiträgt, dass mehr Geld für die Bildung mobilisiert werden kann. Das ist die Parallelität, dass zum einen in den nächsten zehn Jahren Lehrerinnen und Lehrer in großer Zahl in den Ruhestand gehen, also quasi Personalabbau beim Staat stattfinden kann, ohne dass das zu betriebsbedingten Kündigungen führt – bei Beamten würde das sowieso nicht laufen –, und zum anderen ausscheidendes Personal nicht ersetzt zu werden braucht, weil gleichzeitig die Schülerzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten zehn Jahren massiv zurückgehen.

Wenn man im Saldo den Personalabbau auf 8 000 Stellen konzentriert, über einen Zehnjahreshorizont einen Bildungspakt abschließt und jetzt sowie in den nächsten Jahren für eine Bildungsoffensive mehr Geld in die Hand nimmt, dann hat das nichts mit Schattenhaushalt zu tun, sondern ist das eine korrekte Abfinanzierung einer Innovations- und Qualitätsoffensive für unseren Standort.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Das wird nicht richtiger, je öfter Sie es wieder- holen!)

Herr Mappus, Herr Stratthaus, Herr Ministerpräsident, Sie werden noch in dieser Legislaturperiode auf diese Linie einschwenken. Sie zieren sich jetzt noch. Aber die Kraft des Faktischen ist einfach so, dass an diesem vernünftigen, rational rechenbaren Konzept kein Mensch vorbeikommt. Wir müssen jetzt in eine Bildungsoffensive investieren, in Ganztagsbetreuung – auch übrigens schon vor der Schule in Form eines bedarfsgerechten flächendeckenden Angebots der Kleinkindbetreuung – und in Hochschulplätze investieren. Gerade heute haben wir ja in der Presse über den Bildungspakt mit den Hochschulen, den Sie gestern vorgestellt haben, lesen können, dass die Vertragspartner hochschulseitig schon bezweifeln, dass der Aufwuchs an Studienplätzen, den Sie planen, überhaupt reicht und vor allem, dass er seriös finanziert ist.

Wenn Sie das alles zusammenbinden, dann – davon bin ich überzeugt – haben wir als Grünen-Fraktion eine nachhaltige, generationengerechte Finanzpolitik für unser Land, die Zukunftschancen eröffnet und Haushaltskonsolidierung möglich macht.

(Beifall bei den Grünen)

Schauen Sie sich an, welche Risiken im Etat auf einer anderen Baustelle liegen. Kann man sich für eine Nettonull wirklich schon auf die Schultern klopfen, wenn man hierfür das Tafelsilber verkauft?