Protocol of the Session on February 14, 2007

Meine Damen und Herren, der Schuldenabbau muss in der Tat Priorität haben. Da stimmen wir Ihnen, Herr Ministerpräsident, und Ihnen, Herr Finanzminister, ausdrücklich zu. Richtig ist aber auch, wie es unsere Fraktionsvorsitzende Vogt gesagt hat, dass Schuldenabbau nicht das Ziel, sondern der Weg ist. Er ist der Weg zu mehr Gestaltungsspielraum im Haushalt und zu verantwortungsvollem Umgang mit den Steuergeldern.

Stellen Sie sich einmal vor, was wir mit 2 Milliarden €, die wir jetzt nur für Zinszahlungen ausgeben, machen könnten. Ich sage Ihnen: Wir würden uns hier nicht über Studiengebühren, über einen gebührenfreien Kindergarten oder über ehrenamtliche Jugendbegleiter unterhalten. Wir würden uns nicht über die Schulsozialarbeit unterhalten und auch nicht über die Frage, wie viel wir bei Beamten, bei Lehrerinnen und Lehrern des Landes sparen müssen. Wenn wir diese 2 Milliarden € zur Verfügung hätten, würden wir uns über diese Themen gar nicht unterhalten müssen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, gerade als jüngster Abgeordneter in diesem Haus bin ich der festen Überzeugung, dass jede Generation mit den Mitteln haushalten muss, die ihr zur Verfügung stehen, und nicht die Lasten auf zukünftige Generationen verschieben darf.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die Mehrheit in diesem Haus der Meinung ist, dass die vorgesehenen Ausgaben in Höhe von insgesamt 32 Milliarden € wichtig und unverzichtbar seien und bei den Ausgaben nicht weiter gespart werden könne, man aber nur 31 Milliarden € zur Verfügung hat, dann muss man sich eben Gedanken machen, woher die zur Deckung der Ausgaben noch fehlende Milliarde genommen werden soll, und darf sie nicht einfach durch Aufnahme von Schulden gewinnen.

Wir müssen uns auch über die Einnahmeseite und unter Umständen auch über das Thema Steuern unterhalten. Schulden, meine Damen und Herren, sind nur die Steuererhöhungen von morgen. Deswegen brauchen wir uns aus meiner Sicht über das Thema „Schulden contra Steuererhöhungen“ nicht zu unterhalten.

Da wir als Land aber nur in einem einzigen kleinen Punkt die Möglichkeit haben, selbst an der Einnahmeseite etwas zu drehen, wenn es um Steuern geht, plädiert die SPD-Landtags

fraktion nachdrücklich für eine eigene Steuerhoheit der Länder. Ich möchte Ihnen, Herr Ministerpräsident, für die zweite Stufe der Föderalismusreform in diesem Punkt unsere Unterstützung zusagen. Die Länder dürfen nicht nur eigene Ausgabekompetenzen, sondern sie müssen auch eigene Einnahmekompetenzen haben.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wenn wir es tatsächlich schaffen, 2011 keine neuen Schulden zu machen – das ist schon ein ehrgeiziges Ziel –, und wenn wir es außerdem noch schaffen, tatsächlich Schulden zu tilgen – sagen wir einmal, wir schaffen es, pro Jahr im Durchschnitt 500 Millionen € an Schulden zu tilgen; auch das ist schon ein ehrgeiziges Ziel; das ist eine halbe Milliarde –,

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

dann heißt das, dass wir im Jahr 2107 keine Schulden mehr haben. 2107 wären wir schuldenfrei. Das heißt, es werden noch drei Generationen am Abbau der Schulden arbeiten, die wir in zwei Generationen der Nachkriegszeit aufgebaut haben. Meine Damen und Herren, das ist ein Unding, vor allem im Hinblick darauf, was wir den jungen Menschen damit als Paket mit auf den Weg geben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Fraktionsvorsitzende der CDU, Mappus, hat in der ersten Lesung erwähnt, dass wir bei der expliziten Verschuldung einen großartigen dritten Platz im Bundesvergleich einnähmen. Er hat aber gleich danach die Werte der beiden anderen Länder, die vor uns liegen, nämlich Sachsen und Bayern, relativiert,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Mit Ergänzungszu- weisungen!)

weil dort andere Rahmenbedingungen bestehen. Sachsen, haben Sie gesagt, bekomme sehr viele Zuschüsse.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es!)

Bayern, haben Sie gesagt, habe die Kommunen gegeißelt.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Ja, stimmt ja auch!)

Ich komme gleich darauf. – Damit hat er suggeriert, dass Baden-Württemberg eigentlich auf Platz 1 stehen müsste. Und, Herr Mappus, Sie haben damit recht.

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das war jetzt völlig überraschend!)

Wenn ich die Zahlen der anderen relativiere, ist das Gefährliche, dass es durchaus passieren könnte, dass die eigenen Zahlen auch relativiert werden. Das hat tatsächlich jemand gemacht. In der zweiten Lesung ist schon angeklungen, dass es neben den expliziten Schulden, also der Verschuldung, die tatsächlich im Haushalt steht, auch die sogenannten impliziten Schulden gibt, die sich in Form von Pensionslasten in Zukunft auf den Landeshaushalt auswirken.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist bei allen so! Das ist bei Bayern und Sachsen auch so!)

Warten Sie noch ein bisschen ab.

(Heiterkeit bei der SPD)

Es gibt eine Studie des Instituts für Finanzwissenschaft an der Universität Freiburg – eine unserer besten Hochschulen im Land –, die die Pensionslasten der einzelnen Bundesländer einmal in Barwerte umgerechnet, auf die kommenden Jahre hochgerechnet und zu den expliziten Schulden addiert hat. Das Bild, das sich daraus ergibt, ist ein ganz anderes als das, das bisher stets gezeichnet wird, und widerspricht der Sichtweise von Baden-Württemberg als angeblichem Musterknaben bei der Verschuldung. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Hamburg neben seiner expliziten Pro-Kopf-Verschuldung von rund 12 000 € nochmals 40 000 €, also das Vierfache, an impliziter Verschuldung hat, sodass die wahre Pro-Kopf-Verschuldung von Hamburg – Hamburg kommt damit auf den letzten Platz – bei über 50 000 € liegt. Gefolgt wird Hamburg von Bremen mit einer wahren Pro-Kopf-Verschuldung von 48 000 € und – wen wundert’s – Berlin mit einer wahren Pro-Kopf-Verschuldung von 46 000 €. Das waren die Bundesländer auf den letzten drei Plätzen. Auf dem viertletzten Platz in diesem Ranking steht überraschend BadenWürttemberg mit einer impliziten und expliziten Verschuldung von insgesamt 29 000 € pro Kopf.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ungeheuerlich!)

Das ist fast das Zehnfache unserer eigentlichen expliziten Verschuldung. Das heißt, unter den Flächenländern – wenn man also einmal die Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg herausnimmt – ist Baden-Württemberg bei der realen Verschuldung auf dem letzten Platz, meine Damen und Herren. Da sind wir mitnichten ein Musterknabe.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: Warum müssen Sie ei- gentlich immer alles schlechtrechnen? Ihr größter Ehrgeiz ist, möglichst schlechtzurechnen! Sagen- haft!)

Herr Mappus, das habe nicht ich schlechtgerechnet. Das haben Kapazitäten aus den besten Hochschulen Baden-Würt tembergs gerechnet.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Unsere Hochschulen! Spitze! – Gegenruf des Abg. Stefan Mappus CDU: Immerhin das habt ihr jetzt begriffen!)

Meine Damen und Herren, das Volumen, das durch die Haushaltsberatungen im Finanzausschuss und im Plenum umverteilt wird, ist im Vergleich zum Gesamtvolumen des Haushalts in der Tat eher bescheiden. Dies wurde ja bereits in der Öffentlichkeit diskutiert. Auch das Haushaltskonzept meiner Fraktion umfasst „nur“ ein Umverteilungsvolumen von 312 Millionen €; das sind 0,5 % des Haushaltsvolumens. Nun versuchen einige, einen Vergleich mit dem Bundeshaushalt zu ziehen und die Beratungen zum Bundeshaushalt mit den Beratungen im Finanzausschuss des Landtags zu vergleichen.

(Zuruf von der CDU: Metzger!)

Zunächst klingt dieser Vergleich durchaus plausibel, in Wahrheit ist er aber unsinnig. Ein Vergleich ist schon deswegen unzulässig, weil der Bundeshaushalt fristgerecht eingebracht wird, das heißt, die November-Steuerschätzung noch nicht im Entwurf berücksichtigt wird. Hingegen wird in Baden-Würt temberg die Steuerschätzung noch vom Finanzministerium in den Etatentwurf eingearbeitet.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Das heißt, ein beträchtlicher Anteil dessen, was der Haushaltsausschuss des Bundestags einarbeitet, sind Aktualisierungen der Steuerdaten.

Der zweite Grund, warum ein solcher Vergleich unzulässig ist, ist, dass der Bundeshaushalt einen anderen Charakter hat. Der Bundeshaushalt ist im Wesentlichen ein Programm- und Transferhaushalt. Der Landeshaushalt ist ein Verwaltungshaushalt, der sich im Wesentlichen auf Personalausgaben und gebundene Ausgaben bezieht.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das wirklich kurzfristig bewegbare Volumen im Landeshaushalt beläuft sich auf um die 5 %. Das heißt, eine wahre Relation lässt sich nur für das tatsächlich bewegbare Volumen anstellen.

Ein weiterer Grund für die verhältnismäßig geringe Änderung bei den Haushaltsberatungen im Landtag ist natürlich auch, dass die Landesregierung und die Regierungsfraktionen bei der Aufstellung des Haushalts bereits eng zusammenarbeiten. Das mag uns als Opposition nicht freuen. Ich gebe aber gern zu, dass wir es vermutlich genauso machen würden, wenn wir an der Regierung wären.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Klatschen Sie gern, Frau Kollegin. – Was dann aber nicht sein kann, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass man zuerst Wert darauf legt, den Entwurf mitgestaltet zu haben – selbstverständlich auch inklusive aller Kürzungen im Entwurf der Regierung –, und sich dann nachher, wenn das Spielgeld verteilt wird, als Retter der Enterbten und Beschützer von Witwen und Waisen zu präsentieren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, entweder waren Sie am Entwurf nicht beteiligt. Dann wäre es natürlich beschämend,

(Abg. Oswald Metzger GRÜNE: Mitgefangen, mit- gehangen!)

dass das Volumen der Mittel so gering ist, die durch das Parlament umverteilt wurden. Oder Sie haben den Entwurf maßgeblich mitgestaltet. Dann können Sie aber im Nachhinein nicht als Beschützer der Kürzungsempfänger gegenüber der bösen Landesregierung auftreten. Entweder sind Sie Robin Hood, oder Sie sind der Sheriff von Nottingham. Beides gleichzeitig geht nicht.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und den Grü- nen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird Sie nicht wundern,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Genau!)

dass die SPD-Landtagsfraktion dem Haushalt in dieser Fassung nicht zustimmen kann.