Protocol of the Session on February 8, 2007

Meine Damen und Herren, das Gleiche gilt auch für den Solidarpakt II. Hier werden weitreichende, bis in die nächste Legislaturperiode gültige Randbedingungen für unsere Hochschullandschaft beschlossen. Aber wer beschließt den Pakt? Nicht das Parlament, sondern Ministerium und Hochschulen. Ein Antrag, dass sich das Parlament mit diesem Solidarpakt II beschäftigen soll, wird von den Mehrheitsfraktionen abgelehnt, und das bei einer Aufgabe, bei der der Landtag im föderalen System tatsächlich noch etwas zu sagen hätte. Meine

Damen und Herren, eine größere Selbstkastration eines Parlaments kann man sich eigentlich nicht vorstellen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Grundsätzlich ist anzumerken, meine Damen und Herren, dass das Instrument eines Solidarpakts sicher richtig und vernünftig ist. Die Frage ist nur, wie man den Pakt schließt und ob man die Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe stattfinden lässt oder ob es sich um ein Diktat der Regierung handelt. Ich bin mir bewusst, dass die Rektoren der Hochschulen und die Direktoren der Berufsakademien diesen zweiten Solidarpakt einhellig begrüßen, weil sie glauben, damit vor diesen Folterwerkzeugen, die ihnen der Wissenschaftsminister gemeinsam mit dem Finanzminister vorgezeigt hat, geschützt zu sein.

Diese „Freude“ der Universitätsrektoren kennen wir aber, und zwar vom Solidarpakt I. Dieser hat die Universitäten 1 500 Stellen gekostet und ihnen dafür angeblich den Verzicht auf weitere Kürzungen garantieren sollen. Dieser erste Solidarpakt hat aber nicht verhindert, dass die Universitäten trotzdem zu weiteren Kürzungen herangezogen worden sind. Das Zauberwort in diesem Zusammenhang heißt globale Minderausgabe. Sie kennen es. Der Pakt ist mit diesem Thema völlig ausgehebelt worden. Die Rektoren mussten zu allem Überfluss auch noch gute Miene zum bösen Spiel machen und kamen ihren Hochschulen gegenüber in Erklärungsnot.

Ich will aus unserer Sicht vier Kritikpunkte am Solidarpakt II nennen. Erstens: Die Energiekosten bleiben außen vor. Zweitens: Die Regierung kann den Pakt einseitig kündigen. Drittens: Die Bausanierung wird den Hochschulen erstmals mit auferlegt. Und viertens – siehe Solidarpakt I –: Das Instrument der globalen Minderausgabe kann nach wie vor eingesetzt werden.

Ich greife den Punkt der Bausanierung heraus. Wir kennen die gigantischen Summen, um die es hier geht. Jetzt sollen die Hochschulen auch hier noch zur Ader gelassen werden, und dies in einer Situation, in der keine Hochschule weiß, wo sie die Eigenmittel für das Programm „Hochschule 2012“ hernehmen soll.

Wie so oft haben Sie, Herr Minister, ein großes Problem und keinen Plan, wie Abhilfe geschaffen werden kann. Eine Vereinbarung zwischen Hochschulen und Regierung, die über einen so langen Zeitraum geht, muss auf diese zentrale Frage eine schlüssige und verbindliche Antwort geben.

(Beifall bei der SPD)

Ich könnte weitere Punkte aufzählen. Ich könnte darüber reden, dass die Hochschulhaushalte seit Jahren nur noch auf Sicht gefahren werden, weil die Variablen immer zahlreicher und unsicherer werden. Ich könnte über den Berichts-, Antrags- und Evaluationsaufwand reden, mit dem unsere Professorinnen und Professoren belegt sind und der ihnen immer mehr Freiheit nimmt und immer weniger Möglichkeiten lässt, ihrer eigentlichen Tätigkeit nachzugehen.

Auch die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstruktur wäre zu erwähnen. Sie soll kostenneutral erfolgen. In Wahrheit geht das einfach nicht. Überall werden den Hochschulen neue Verpflichtungen aufgedrückt.

Diese Aufzählung kann genügen. Sie zeigt, dass unsere Hochschullandschaft kein pastellfarbenes Teletubby-Land ist und nicht diesem Bild entspricht, das von der Regierung gern gemalt wird.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Wir haben an unseren Hochschulen jede Menge Probleme, die es nicht vertragen, dass die Mehrheitsfraktionen alles abnicken, was aus den Ministerien kommt, und alle anderen Diskussionsbeiträge als störend abwehren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Unglaublich! – Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Meine Damen und Herren, wir bieten bei einer zukunftsgerichteten, auf Diskussionen und Beschlüssen im Parlament basierenden Hochschulpolitik ausdrücklich unsere Unterstützung an. Es wäre hilfreich für die Hochschulen, kein Schaden für die Regierung und letztendlich ein Gewinn für das Parlament, wenn Sie auf dieses Angebot eingehen würden.

Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, die Sie in einer weiteren Runde bitte auch meiner Kollegin Helen Heberer schenken sollten.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Klasse! Martin, Martin!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Hochschulen im Land stecken mitten in einem tief greifenden Veränderungsprozess, und sie stehen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Sie stellen zurzeit sämtliche Studiengänge auf Bachelor und Master um. Sie führen die leistungsorientierte Besoldung für Professoren ein. Sie beteiligen sich am Exzellenzwettbewerb, also an der Profilierung ihrer Forschungsschwerpunkte und -stärken. Wenn sie dabei erfolgreich sind, dann bedeutet das ja nicht nur mehr Geld vom Bund, sondern das heißt nach dem Auslaufen der Anschubfinanzierung in fünf Jahren, dass sie ihre Forschungsleuchttürme aus eigener Kraft am Laufen halten müssen, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, wenn der Andrang von neuen Studierenden an den Hochschulen am stärks ten sein wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Herausforderung ist groß. Aber die größte von allen ist der Mangel an Studienplätzen. Die zentrale Frage ist, ob es gelingt, der wachsenden Zahl von Abiturienten Zugang zu Studienplätzen zu verschaffen. Unsere Aufgabe hier und heute ist, zu schauen, dass wir die Hochschulen bei dieser Aufgabe nicht alleine lassen. Denn es muss unser gemeinsames Interesse sein, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler von heute dann auch morgen gut studieren können. Das ist keine Zukunftsmusik, kein Zukunftsthema, sondern es geht um unsere Fünft-, Sechst- und Siebtklässler von heute, die, wenn G 8 und G 9 – die doppelten Abiturjahrgänge – zusammenkommen, gemeinsam an die Hochschule kommen.

Es geht also um die Schüler von heute und um ihre Chancen. Und es geht um die Abiturienten von heute. Denn wir stellen

seit Jahren fest, dass es schon jetzt schwieriger geworden ist, einen Studienplatz zu finden. Seit drei Jahren werden kontinuierlich weniger Studienanfängerinnen und -anfänger an unseren Hochschulen zugelassen, obwohl gleichzeitig seit Beginn dieses Jahrhunderts die Zahl der Studienberechtigten kontinuierlich wächst.

Diese Zahlen und diese Entwicklungen, lieber Kollege Tappeser, sind wirklich alarmierend. Die Studierquote geht zurück, und das liegt nicht daran, dass die jungen Menschen nicht studieren wollen, sondern weil über lokale NCs die Zugänge versperrt werden und die Leute inzwischen ins Ausland abwandern. Lesen Sie einmal, was in Österreich und Belgien los ist, in Ländern, in die deutsche Studienanfänger hingehen.

Dies trifft auch auf Baden-Württemberg zu. Wir haben die Zahl der Studienanfängerplätze inzwischen im Umfang der Studierendenzahl einer großen baden-württembergischen Universität zurückgebaut. Anders ausgedrückt: Wir haben mit dem Rückbau der letzten drei Jahre so viel zurückgenommen, wie der komplette Ausbauplan für die nächsten zwei Jahre umfasst: Es sind nämlich 4 000 Anfängerplätze weniger.

Das ist das eigentliche Thema bei diesen Haushaltsberatungen zum Einzelplan 14. Die Frage ist: Was tut das Land, um diese Herausforderungen zu bewältigen, und sind die Weichen wirklich richtig gestellt, um das notwendige Wachstum zu bewerkstelligen? Unsere Antwort ist ein klares Nein.

Die Handschrift, die den Wissenschaftshaushalt prägt, ist nämlich nicht die Handschrift des Masterplans 2012, sondern es ist die Handschrift des Finanzministers, die er in seiner Haushaltsrede mit dem Titel „Kurs halten!“ überschrieben hat. Leitlinie ist also nicht „Aufwuchs“ im Hochschulbereich, sondern die Linie ist: „Weiter so!“

Ich will dabei ausdrücklich betonen: Das, was im vergangenen Jahr als Werbekampagne im ganzen Land unter dem Label „Hochschule 2012“ stattgefunden hat, verdient Anerkennung und Respekt. Baden-Württemberg hat die Thematik in der Tat früher und besser begriffen und zur Diskussion gestellt. Aber die Kongresse, die Veranstaltungen und die bunten Broschüren – das war letztes Jahr. Die Feierstunden sind vorbei, ebenso wie ja auch der Wahlkampf. Die nüchterne Analyse der Haushaltsfakten heute zeigt, Minister Frankenberg: Vielleicht hätten Sie besser die Tour de Ländle sein lassen und dafür die Tour durch die Ministerien gemacht. Denn Sie haben Ihre eigenen Kollegen im Kabinett nicht von diesem Ausbauplan überzeugt. Das, was an Haushaltsplanung hier vorliegt, heißt im Klartext: Die Landesregierung ist nicht bereit, den notwendigen Kurswechsel für die Hochschulen im Haushalt abzubilden.

(Beifall bei den Grünen)

Die Aufgabe, den notwendigen Aufwuchs zu finanzieren, bleibt de facto an den Hochschulen hängen. Hierzu sollen die Einnahmen aus Studiengebühren verwendet werden und das erhoffte frische Geld, das – dreimal dürfen Sie raten, woher es kommt – der Bund zur Verfügung stellt. So schnell ändern sich die Zeiten. Aber das ist ja ein anderes Thema.

Nun zum Solidarpakt: Der Solidarpakt ist ein Instrument, das den notwendigen Aufwuchs nicht absichert. Im Gegenteil: Der Solidarpakt II friert die Mittel für die nächsten acht Jahre auf dem Niveau von 2006 ein – minus 4 % zusätzlicher Sparauflage. Das ist der Solidarpakt II. Kommen Sie mir jetzt also nicht mit den Argumenten, es gäbe nun 20 Millionen € zusätzlich und im Jahr 2008 40 Millionen € zusätzlich. Wenn man diesen Aufwuchs zu den Einsparungen der letzten Jahre in Relation setzt – allein im Jahr 2004 sind den Hochschulen 140 Millionen € gekürzt worden, und diese Einsparauflage ist fortgeschrieben worden; wir sind jetzt bei einer Einsparauflage von knapp 200 Millionen € für die Hochschulen –, sieht man, was die versprochenen 150 Millionen € bis zum Jahr 2012 wirklich bedeuten. Sie sind ein Klacks im Vergleich zu dem, was wir tatsächlich leisten müssten.

Hinzugekommen sind – das kann ich jetzt nur kurz anreißen – weitere zusätzliche Belastungen für die Hochschulen und auch für den gesamten Einzelplan 14. Die enormen Heizkos ten sind schon erwähnt worden. Das Hochschuldidaktische Zentrum – eine gute Einrichtung – wird künftig von den Hochschulen zu finanzieren sein. Die Umlage für den Studienfonds wird künftig von den Hochschulen zu finanzieren sein, und zwar nicht aus Einnahmen aus Studiengebühren. Die Kosten für die Fusion der Studentenwerke Tübingen und Hohenheim und die fast übersehene Grunderwerbsteuer in Höhe von etwa 1 Million €, die dabei anfällt, sind zusätzlich im Einzelplan 14 zu finanzieren. Die erwähnte Finanzspritze für die private Hochschule SIMT bedeutet zusätzliche Kosten von 1,5 Millionen €. Hinzukommen zusätzliche Kosten für die Forschungseinrichtungen, weil man bundesweit zugesagt hat, hierfür mehr Geld in die Hand zu nehmen, und die Kofinanzierung der Exzellenzinitiative.

All diese zusätzlichen Belastungen bilden sich bislang im Haushalt nicht wirklich ab. Man fragt sich, woher Sie das Geld nehmen, um das zu finanzieren, gar nicht zu reden vom Sanierungsstau im Hochschulbaubereich. Da sind 3 Milliarden € aufgelaufen, wie der Landesrechnungshof festgestellt hat. Es gibt kein Konzept, wie Sie diesen Sanierungsstau abbauen wollen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Lage in Ihrem Haushalt, Herr Minister, ist de facto so angespannt, dass Sie für die nächsten Jahre weder die leistungsorientierte Mittelvergabe noch die zweite Säule Ihrer Neuen Steuerungsinstrumente für die Hochschulen, die Zielvorgaben, realisieren können. De facto ist dafür kein Geld mehr vorhanden. Das waren die Bestandteile Ihrer neuen Finanzierungs- und Steuerungslogik im neuen Hochschulgesetz. Das ist alles außer Kraft gesetzt, weil es an Geld fehlt.

Herr Minister Frankenberg, Sie kommen mir vor wie ein Skatspieler,

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Können Sie Skat spielen?)

der beim Spielen überreizt hat und während des Spiels feststellt: Ich habe mehr Luschen in der Hand als Trümpfe. Wenn das Spiel verloren geht, zahlen aber dummerweise nicht Sie die Spielschulden, sondern die Hochschulen.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Aber nur, wenn überreizt war!)

Das können wir gleich noch einmal vertiefen.

Noch ein kurzes Wort zu den Studiengebühren. Sie wissen, wir sind nicht gegen jede Form von Eigenbeteiligung; das waren wir nie. Wir haben aber immer konkrete und gute Gründe vorgebracht, warum wir gegen dieses Studiengebührenmodell der Landesregierung sind. Es gibt wirklich gute Einwände, die zeigen, dass nachzubessern und nachzusteuern ist, um dieses Gebührenmodell sozial verträglicher zu machen.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Das ist sozial verträg- lich, Frau Kollegin!)

Ich fordere Sie auf, Herr Minister: Stellen Sie sich der Kritik, und bessern Sie bei den Kreditbedingungen nach. 7,2 % Zinsen für den Studienkredit, das liegt über allem, was je diskutiert wurde.

(Abg. Johannes Stober SPD: Deshalb nimmt auch niemand den Kredit auf!)

Wir haben es bei den letzten Haushaltsberatungen angesprochen, und Sie haben uns versprochen, dass es nicht mehr als 6 % werden. Der Kollege Pfisterer hat damals eine Wette mit mir gemacht. Ich werde nachher den Wettgewinn bei ihm einstreichen.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Skat spielen und wetten!)

7,2 % Zinsen haben wir heute, und die Grenze nach oben ist offen. Da muss nachgebessert werden.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: Um was ging es denn?)

Das behalten wir für uns.

Der Wissenschaftsausschuss war auf einer Reise in Indien und hat dort erfahren, dass in Indien die schon bestehende hohe Zahl der Studienplätze innerhalb von drei Jahren nochmals verdoppelt wird. Dort hat man die Zeichen der Zeit erkannt, und ich meine, wir sollten uns nicht lumpen lassen. Wir sollten das Thema Hochschulausbau beherzt angehen, die entsprechenden Mittel in die Hand nehmen und auch innovative Impulse in dieser Ausbauphase setzen.

Die Devise für den Hochschulbereich darf nicht lauten „Kurs halten!“, sondern die Devise muss heißen: „die Kurve kriegen“, damit wir international nicht demnächst abgehängt werden.