Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Vergangenheit ist es oft passiert, dass unsere Beiträge, unsere konstruktive Kritik an der Hochschulpolitik der Landesregierung von der Mehrheit dieses Hauses als Zukunftsverweigerung, als Miesepetrigkeit abgetan wurden. Deshalb sage ich Ihnen heute vor allem anderen: Unter den Umständen, die Herr Frankenberg und seine Vorgänger unseren Hochschulen seit Jahren auferlegen, leis ten diese das Bestmögliche. Sie sind wegen dieser Leistung national und oft auch über die deutschen und europäischen Grenzen hinaus anerkannt. Ich danke also allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, allen Studierenden an unseren Hochschulen für ihre Arbeit, ihre Kreativität und ihren Fleiß.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Günther-Martin Pauli CDU – Abg. Carla Bregenzer SPD: Da könnte die CDU ruhig auch klatschen! – Gegenruf von der SPD: Einer hat geklatscht! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Wir nehmen es gefällig zur Kenntnis! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir schaffen die Rah- menbedingungen!)
Die Frage, die sich aufdrängt, lautet aber, meine Kolleginnen und Kollegen: Wo könnten unsere Hochschulen stehen, wenn sie optimale Bedingungen hätten? Wo könnten sie stehen, wenn ihre Finanzierung sicher, verlässlich und ausreichend wäre?
Wo könnten sie stehen, wenn sie wirkliche Freiheiten hätten und nicht fortwährend von Entscheidungen des Ministeriums abhängig wären? Wo könnten sie stehen, wenn unsere Professorinnen und Professoren nicht permanent in Auswahlverfahren eingebunden wären, deren tatsächlicher Vorteil immer zweifelhafter wird?
Erstens: die Einführung der Studiengebühren. Studiengebüh ren werden von uns im Hinblick auf das Ziel, möglichst viele junge Menschen möglichst hoch qualifiziert auszubilden, nach wie vor als unsozial und kontraproduktiv abgelehnt.
(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir geben den Universitäten damit aber Frei- heit!)
Unsere Vorbehalte gegenüber diesen Studiengebühren sind mehr als berechtigt, da entgegen den Versprechungen des Ministers keinerlei Stipendiatenwesen aufgebaut wurde und sich
Meine Damen und Herren, es scheint so, als ob die Abiturientinnen und Abiturienten lieber nicht oder woanders studieren, als sich zu verschulden. Im vorliegenden Doppelhaushalt könnte die drastische Reduzierung des Ansatzes für die BAföG-Zahlungen ein Indiz dafür sein, dass die Regierung damit rechnet, dass weniger junge Menschen mit BAföG-Berechtigung, also Kinder aus weniger wohlhabenden Familien, studieren wollen – ein klarer Beweis für die unsozialen Auswirkungen der Studiengebühren.
Hinzu kommt dann noch die unsägliche Debatte über die Verwendung dieser Gebühren. Im Gesetz steht, dass dieses Geld unmittelbar den Studierenden und der Verbesserung ihrer Studienbedingungen zugute kommen muss. Dies war das zentrale Argument bei der politischen Durchsetzung der Studiengebühren. Deshalb wurde der Wissenschaftsminister damals auch nicht müde, die strikte Zweckbindung zu betonen, und auch die Rektoren äußerten sich immer wieder so, dass sie zwar prinzipiell mehr oder weniger gegen diese Gebühren seien, aber wegen der Möglichkeit, eventuell etwas mehr Geld für ihren Studienbetrieb zu bekommen, dann doch zustimmen würden.
Am Ende – so war die Spekulation aller Beteiligten – werden Mittel und Wege gefunden werden, diese regelmäßig fließenden Geldmittel anders zu verwenden. Deswegen – so ist unser Eindruck – sitzen jetzt Dutzende von Verwaltungsbeamten in den Hochschulen und im Ministerium und überlegen sich Wege, um die Studiengebühren über kurz oder lang für alle möglichen Zwecke, z. B. zur Grundfinanzierung, einzusetzen. Das Motto lautet: Papier ist geduldig. Auch die Gewährleistung einer angemessenen Raumtemperatur im Hörsaal ist eine Verbesserung der Studienbedingungen. Über kurz oder lang wird die Bausanierung aus Studiengebühren erfolgen, weil die Studienbedingungen verbessert werden, wenn die Eimer zum Wasserauffangen entfernt werden können, weil das Dach endlich repariert werden konnte.
Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Die Zweckbindung dieser Gebühren ist aus unserer Sicht vorgeschoben. Diese Studiengebühren werden früher oder später in den ganz normalen Haushalt einfließen.
Ich will aus aktuellem Anlass auch noch einen Satz zur Datenerhebung sagen. Herr Minister, wir erwarten anschließend von Ihnen eine Erklärung zu diesem Vorgang. Wir fordern Sie nachdrücklich auf, diese Datensammelei einzustellen und rückabzuwickeln. Das erinnert fast ein wenig an die Siebzigerjahre, als man versucht hat, die Daten aller möglichen Leute zu erfassen und diese Leute dann entsprechend zu stigmatisieren.
Ich will auch noch einen Satz dazu sagen. Es sind ja immer zwei mit dabei. Im Endeffekt sind ja auch die Hochschulen und die Rektoren mit dabei. Wir erwarten von den Hochschulrektoren in diesem Zusammenhang auch mehr Mut gegenüber dem „Fürstenthron“.
Sie sollten auf eine rechtliche Prüfung solcher Angelegenheiten nicht verzichten und auch einmal klar Nein sagen, auch wenn der Minister dann murrt.
Nun ein zweites Thema, meine Damen und Herren: das Thema „Hochschule 2012“. Es ist richtig – das wurde auch gesagt –, dass die Landesregierung das Problem der steigenden Studierendenzahlen
Übrigens habe ich den von Ihnen angesprochenen Artikel auch gelesen. Aber unser Thema muss ja nicht sein, einfach auf irgendwelche Entwicklungen zu reagieren und abzuwarten, was kommt. Unser Ziel muss vielmehr sein, möglichst viele und gut qualifizierte Leute an die Universitäten zu bekommen.
Deswegen ist dieser Ansatz „Hochschule 2012“ grundsätzlich sicher richtig. Aber die Art und Weise, wie das im Konkreten umgesetzt wird, halte ich für nicht akzeptabel.
Lassen Sie mich das Szenario noch einmal beschreiben: Der Wissenschaftsminister geht gemeinsam mit den IHKs im Land hin und her,
veranstaltet Regionalkonferenzen zur Erhebung der diversen Wünsche, sortiert sie anschließend im Hinterzimmer des Ministeriums und legt dann im Oktober des vergangenen Jahres einen Entwurf vor, der keinerlei rechtliche Verbindlichkeit hat, sondern vom Staatssekretär im Wissenschaftsausschuss als ein „atmendes Programm“ bezeichnet wurde.
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr schöner Begriff! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das kann man gar nicht oft genug wiederholen!)
Was soll das wohl heißen? Alles verändert sich immer. Wer nachfragt, bekommt den Hinweis: „Alles fließt.“ Niemand bekommt konkrete Informationen.
Nichts ist konkret. Das Einzige – so haben wir den Eindruck –, was konkret ist, ist der Wille des Ministeriums, seine Vorstellungen durchzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Programm „Hochschule 2012“ wird auf absehbare Zeit der massivste Eingriff in die baden-württembergische Hochschullandschaft sein. Dreistellige Millionenbeträge werden hiermit verteilt. Hier wird entschieden, welche Fächer ausgebaut werden und auf welche künftig verzichtet werden muss. Es gibt Anträge auf Errichtung neuer Hochschulstandorte, neue private Hochschulen sind im Entstehen, Schwerpunkte verschieben sich usw. Die Mitwirkung des Landtags – von uns allen; wir haben ja vorhin über unsere Rolle als Parlament debattiert – hat sich bislang darauf beschränkt, auf zwei Konferenzen die Schnittchen des Ministers und einen Sack voll freundlicher Reden zu konsumieren.
Ich appelliere heute ausdrücklich an Sie, die Mehrheitsfraktionen: Nehmen auch Sie als Parlamentarier Ihre Aufgabe der begleitenden Kontrolle wahr!
Sorgen Sie mit uns dafür, dass über die Neugestaltung unserer Hochschullandschaft im Parlament und nicht im Hinterzimmer des Ministeriums entschieden wird!
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau, Herr Tappe- ser! – Gegenruf des Abg. Klaus Tappeser CDU: Kei- ne Sorge! Deshalb gibt es einen Haushalt, Herr Kol- lege!)
Hier gilt – ich habe es vorhin schon einmal gesagt –: Wir können uns sämtliche Parlamentsreformen sparen, wenn wir hier mehrheitlich nur noch das abnicken, was die Exekutive schon längst entschieden hat.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: Genau! Ist der gut, der Herr Rivoir! Brillant! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Stehender Beifall!)
Meine Damen und Herren, das Gleiche gilt auch für den Solidarpakt II. Hier werden weitreichende, bis in die nächste Legislaturperiode gültige Randbedingungen für unsere Hochschullandschaft beschlossen. Aber wer beschließt den Pakt? Nicht das Parlament, sondern Ministerium und Hochschulen. Ein Antrag, dass sich das Parlament mit diesem Solidarpakt II beschäftigen soll, wird von den Mehrheitsfraktionen abgelehnt, und das bei einer Aufgabe, bei der der Landtag im föderalen System tatsächlich noch etwas zu sagen hätte. Meine