gehen, wie die Pränataldiagnostik zukünftig gestaltet werden soll und welche Beratungslösungen wir hier vorschlagen, die vor und nach einer Pränataldiagnostik verpflichtend sein sollen.
Wir möchten mit dieser Debatte hier im Land einen Beitrag dazu leisten, dass sich alle demokratischen Kräfte um mehr Lebensschutz in Deutschland bemühen. Ich glaube, dass wir einen deutlichen Nachbesserungsbedarf haben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ein solches Thema, das außerordentlich differenziert zu behandeln ist, weil es zahlreiche humanitäre, religiöse, moralische, ethische Aspekte berücksichtigen muss, wenn man es verantwortlich behandeln will, in das Redekorsett einer Aktuellen Debatte zu zwängen ist ein wahrhaft unangemessener Umgang mit diesem Thema,
(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP – Abg. Stefan Mappus CDU: Ihr hättet freie Redezeit beantragen können! Kein Problem! – Gegenruf des Abg. Rein- hold Gall SPD: Es geht nicht um die Redezeit! Um die Aktuelle Debatte geht es! – Gegenruf des Abg. Stefan Mappus CDU: Machen wir das im Parla- ment jetzt nicht mehr, oder wie?)
zumal Sie hier eine Stellvertreterdebatte führen. – Herr Kollege Mappus, wer im Bund die Beratungen abbricht und dann versucht, über die Länderparlamente die Debatte wieder anzustoßen, über den kann man sich bei einer solchen Vorgehensweise wirklich nur wundern.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zurufe der Abg. Stefan Mappus und Dr. Klaus Schüle CDU)
Worüber reden wir heute, meine sehr geehrten Damen und Herren? Wir hatten vor über zehn Jahren im Bund die Aufgabe – –
(Abg. Stefan Mappus CDU: Das Thema ist Ihnen unangenehm! – Gegenrufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Stefan Mappus CDU: Aber natürlich!)
Nein, ich stelle mich diesem Thema. Wenn Sie sich so aufblasen, dann fühlen Sie sich meistens sehr unwohl, Herr Mappus.
Also ganz sachlich: Worum geht es? 1995 galt es, zwei unterschiedliche Regelungen der beiden Teile Deutschlands zusammenzuführen, und dabei mussten die zusätzlichen Aspekte berücksichtigt werden, die uns das Bundesverfassungsgericht am 28. Mai 1993 mitgegeben hat.
Damals wurde eine Regelung vereinbart, und das Bundesverfassungsgericht hat uns auch eine Überprüfungs- und ge
gebenenfalls Nachbesserungsaufgabe mitgegeben, die für alle Regierungen gilt. Es ist somit überhaupt nichts Neues, dass die Auswirkungen dieser Gesetzeslage zu überprüfen und gegebenenfalls auch nachzubessern sind. Das hat im Übrigen bisher jede Bundesregierung so gehandhabt.
Man hat sich damals dazu entschlossen, dass Abbrüche grundsätzlich strafbar sind, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen straflos sind – das gilt für die Beratungsregelung innerhalb der ersten zwölf Wochen – und dass sie unter der medizinischen Indikation, bei der man damals ausdrücklich die embryopathische Indikation abgeschafft hat – diese Indikation gilt nicht mehr, Herr Kollege –, nicht rechtswidrig sind. Darüber hinaus gibt es nach wie vor die kriminologische Indikation.
Worüber reden wir, liebe Kolleginnen und Kollegen? Wir reden über einen konstant bleibenden Anteil von Schwangerschaftsabbrüchen unter der medizinischen Indikation, die auch seit den gestiegenen Möglichkeiten der pränataldiagnostischen Untersuchungen eben nicht, wie viele erwartet hatten – das können Sie auch im Bericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestags nachlesen –, angestiegen ist, sondern unverändert bei 2,5 bis 3 % liegt.
Auch zu dem Thema, das Sie, Herr Kollege Lasotta, heute anmahnen, gibt es Untersuchungen. Sie können z. B. in Veröffentlichungen unseres Statistischen Landesamtes, das sich sehr differenziert damit beschäftigt hat, nachlesen, dass der Anteil der sogenannten Spätabbrüche – auch das ist ein Thema, mit dem niemand leichtfertig umgehen kann, wenn man sieht, welche menschlich harten Schicksale hinter solchen Fällen stecken – konstant geblieben ist und sich mit Einführung der Möglichkeit pränataldiagnostischer Untersuchungen nicht verändert hat. Dieser Anteil liegt nach wie vor bei 0,1 %.
Es ist mitnichten so, dass irgendjemand in Deutschland sagen würde: Wir geben uns mit der bisherigen Situation zufrieden. Deshalb hat die frühere rot-grüne Bundesregierung Modellvorhaben und begleitende wissenschaftliche Untersuchungen auf den Weg gebracht, aus denen man insbesondere Erkenntnisse abgeleitet hat, wie man die Beratung bei der pränataldiagnostischen Untersuchung verbessern muss, und zwar vorher, während solcher Untersuchungen und auch hinterher, weil es sich bei diesen Modellvorhaben und in den Untersuchungen erwiesen hat, dass es notwendig ist, dass in solchen schwierigen Situationen nicht nur die Ärzte beraten, sondern auch eine psychosoziale Beratung stattfindet. Es geht ja in dieser Situation in aller Regel um gewünschte Kinder, und es stellt werdende Mütter, werdende Eltern vor unglaubliche Härten, eine solche Entscheidung treffen zu müssen.
Aber wir sind auch in dieser Situation überzeugt – das unterscheidet uns, Herr Dr. Lasotta –, dass wir auch in diesem Bereich auf viel zusätzliche Beratung und Unterstützung setzen müssen, aber nicht auf ein Mehr an Restriktionen. Denn es war doch auch die Erkenntnis des Weges, den wir vor zehn Jahren eingeschlagen haben, dass es mit allen Restriktionen der Welt nicht gelingt, werdendes Leben besser zu schützen, und dass werdendes Leben nur mit der schwangeren Frau und nicht gegen sie besser geschützt werden kann.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann dort anknüpfen, wo meine Kollegin Wonnay aufgehört hat. Das Thema Spätabtreibungen ist ein menschlich sehr sensibles und sehr schwieriges Thema, das man sehr differenziert diskutieren muss und das sehr viele Facetten hat. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man ein solches Thema zum Thema einer Aktuellen Debatte machen kann.
Dieses Thema kann man nicht in zweimal fünf Minuten abhandeln. Dieses Thema kann man auch nicht zuspitzen. Es eignet sich nicht zur parteipolitischen Profilierung; denn es gibt nicht auf der einen Seite die Lebensschützer und auf der anderen Seite die Frauen, die scheinbar leichtfertig abtreiben. Das stimmt so nicht. So einfach kann man es sich nicht machen.
Dieses Thema ist vielschichtiger und hat eine ganz große gesellschaftspolitische Dimension. Wenn Sie einen Dissens in der Großen Koalition haben, dann diskutieren Sie darüber auf Bundesebene und führen Sie hier keine Stellvertreterdebatte, Herr Kollege.
Wir alle wollen Schwangerschaftsabbrüche vermeiden. Da sind wir uns einig. Nicht einig sind wir uns über die daraus entstehenden Konsequenzen.
Schon jetzt ist dort eindeutig festgelegt, dass eine absehbare Behinderung allein kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch ist. In diesem Fall wäre ein Schwangerschaftsabbruch schon jetzt nach geltendem Recht strafbar. Aber wir müssen uns in der Tat Gedanken darüber machen, ob die bestehenden Regelungen ausreichen, um Spätabtreibungen zu verhindern.
Die CDU fordert eine gesetzlich vorgeschriebene Beratungspflicht inklusive einer dreitägigen Bedenkzeit für schwangere Frauen in der angesprochenen Konfliktnotlage. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, meiner Meinung nach würde dadurch das Ziel, Spätabtreibungen zu vermeiden, nicht erreicht. Denn das eigentliche Problem beginnt doch schon viel früher. Das Problem beginnt mit einem immer früher einsetzenden Angebot der Pränataldiagnostik. Wir müssen darüber diskutieren, inwieweit die Ausweitung der pränataldiagnostischen Maßnahmen mit der gezielten Suche nach Fehlbildungen oder chromosomalen Auffälligkeiten Frauen eher verunsichert als stärkt.
Deshalb brauchen wir keine Beratungspflicht für die Frauen. Vielmehr brauchen wir eine Beratungspflicht, eine Auf
klärungspflicht für Ärztinnen und Ärzte vor Beginn der Pränataldiagnostik, sodass Schwangere bereits vor dem Beginn einer Pränataldiagnostik über Ziele und Risiken aufgeklärt und informiert werden. Dabei müssen Frauen auch über ihr Recht auf Nichtwissen aufgeklärt werden.
Sicher gibt es nicht nur ärztliche Angebote, sondern auch gesellschaftliche Begehrlichkeiten nach dem perfekten und gesunden Kind. Aber es kann weder Aufgabe noch Ziel, noch Verantwortung von Ärzten sein, diesen Wünschen nachzukommen.
Studien belegen, dass über 70 % der vorgeburtlichen Untersuchungen in ihrer Zielrichtung bereits selektiven Charakter haben. Solange in den Richtlinien der Pränataldiagnostik der Abbruch gleichberechtigt neben einer Fortsetzung der Schwangerschaft steht, verstärkt sich der gesellschaftliche Druck auf Eltern enorm. Reaktionen wie „Heutzutage müsste es eigentlich kein Kind mit Downsyndrom mehr geben“ oder „Wenn Sie sich und Ihrem Kind viel Leid ersparen wollen, dann rate ich zu einem Abbruch“ oder der Kommentar eines Pränatalmediziners „Haben Sie sich einmal überlegt, was für ein Kostenfaktor Ihre Entscheidung für Ihre Krankenkasse bedeutet?“ zeigen doch ganz klar, dass wir uns da in einer Schieflage befinden.
Es entsteht ein Rechtfertigungsdruck für Paare, die sich für das Austragen eines möglicherweise kranken oder behinderten Kindes entscheiden, ein Rechtfertigungsdruck, der unweigerlich in die Nähe einer gesellschaftlichen Diskussion um lebenswertes bzw. lebensunwertes Leben führt.
Das System der Pränataldiagnostik lässt für alle Beteiligten kaum noch einen Entscheidungsspielraum zu. Wenn die Mutterschafts-Richtlinien und die ärztliche Richtlinie zur Pränataldiagnostik vorgeben, wie mit Schwangeren zu verfahren ist, dann kann hier auch nicht mehr von Selbstbestimmung der betroffenen Frau die Rede sein. Die Diagnostik ist zur Regel geworden, und wer sie verweigert, muss dies dokumentieren und unterschreiben. Damit liegt das Gefühl einer Regelverletzung schon nahe.
Deshalb würde eine Verpflichtung zur Beratung überhaupt keine großen Veränderungen bringen. Wir brauchen keine Änderung des § 218, sondern eine Änderung der Mutterschafts-Richtlinien, durch die eine Schwangerschaftsinformationsberatung vor Beginn der Pränataldiagnostik als gesetzliche Krankenleistung angeboten wird, und eine Änderung der ärztlichen Richtlinie zur Pränataldiagnostik, die die Herausnahme des vorauseilenden Angebots eines Schwangerschaftsabbruchs beinhaltet. Mit dieser Herausnahme des Angebots würde übrigens auch ein großer Teil der haftungsrechtlichen Folgen für Ärztinnen und Ärzte wegfallen.
Der Vorrang der Erfüllung ärztlicher Richtlinien sowie die Orientierung an Haftungsvorschriften und an ökonomisch lukrativen Screening-Programmen dürfen die medizinische Begleitung schwangerer Frauen nicht bestimmen. Im Mittelpunkt muss die individuelle Situation der schwangeren
Sehr verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Anfang ist es nur ein Gedanke: ein Kind. Wenn sich dann ein Paar ein Kind wünscht, wird aus diesem Gedanken ein lebendiges Wesen, ein kleiner Mensch, der das Leben von uns Eltern auf wunderbare Weise bereichert, der uns Freude und Momente des tiefsten Glücks schenkt. Nach meinem persönlichen Erleben ist es das Großartigste, was uns Menschen auf diesem Planeten passieren kann.
Aber es gibt auch die andere Situation: Eine Frau wird ungewollt schwanger. Sie kommt durch diese Schwangerschaft in eine bedrohliche Notlage: körperlich, sozial oder auch seelisch. Oder sie erfährt, dass das Kind, das sie erwartet, behindert sein wird, und sie entscheidet sich gegen dieses ungeborene Leben.
Bei der Vorbereitung dieser Rede hat sich mir dauernd ein Gedenke aufgedrängt, und ich möchte ihn ganz bewusst heute äußern. Ich musste an den Sündenfall denken, diese uralte und weise Parabel, die auch heute noch hochaktuell ist. Ich meine natürlich nicht die erotische Komponente dieser Geschichte, sondern den eigentlichen Kern: Eva wird von der Schlange verführt, Adam einen Apfel zu geben, einen Apfel vom Baum der Erkenntnis, der Erkenntnis, die nur Gott vorbehalten ist. Die Strafe ist fürchterlich: Die beiden müssen das Paradies verlassen.