Protocol of the Session on November 9, 2006

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann.

Lassen Sie mich zwei Ergänzungen machen, denn auch der beste Masterplan kann durch flankierende Maßnahmen vielleicht sogar noch besser werden. Ich nenne zwei Beispiele.

Wir brauchen ein flexibleres Beschäftigungsrecht für die Hochschulen. Weder das klassische Beamtenrecht noch das althergebrachte System der Angestellten wird der Lage an den Hochschulen gerecht. Beide sind viel zu inflexibel und viel zu sehr an einer lebenslangen Beschäftigung orientiert, um den Anforderungen eines modernen Wissenschaftsbetriebs Rechnung tragen zu können.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Gute Wissenschaftler sind neugierig. Deshalb wechseln sie im Laufe ihres Lebens überdurchschnittlich oft. Wir sollten das fördern, ist doch der Austausch zwischen den Universitäten, Hochschulen und Berufsakademien und zwischen Wirtschaft und Wissenschaft genau das, was wir noch mehr brauchen.

Das bestehende Beamtenrecht macht es uns unmöglich, erfahrene Kräfte aus der Wirtschaft zu gewinnen. Umgekehrt wird kaum ein Professor mit viel Erfahrung in die Wirtschaft wechseln, weil er doch bei der Altersversorgung unglaubliche Nachteile hinnehmen müsste. Hier müssen wir die Chance nutzen, die uns die Föderalismusreform bietet. Wir müssen ein ganz neues Dienstverhältnis für die Hochschulen entwickeln.

Speziell zur Absicherung des Masterplans „Hochschule 2012“ möchte ich Ihnen heute zwei Anregungen unterbreiten. Es geht darum, die Kapazitäten im Bereich der Lehre vorrangig auszubauen. Wir brauchen dies rasch und in einem stufenweisen Ausbau, der der tatsächlichen Zunahme der Anzahl der Studierenden folgt. Das heißt übrigens nicht zuletzt auch, dass es möglich sein muss, diesen Ausbau wieder zurückzubauen.

Ich möchte das Stichwort unseres Wissenschaftsministers von einer reformierten Personalstruktur, welche zwischen Lehr- und Forschungsaufgaben differenziert, aufgreifen. Wir haben inzwischen die rechtliche Möglichkeit, Lehrprofessuren zu schaffen. Professorinnen und Professoren wird dadurch eine überwiegende Tätigkeit in der Lehre übertragen und die Forschung zurückgestellt. Wir sollten diese Chance nutzen.

Ein weiterer Beitrag kann nach unserer Überzeugung sein, Professorinnen und Professoren dazu zu ermuntern – manche haben sich dies schon länger gewünscht –, auch über das 65. Lebensjahr hinaus tätig zu sein. Diese Möglichkeit gibt es inzwischen. Wenn wir in diesen Fällen die betreffende Stelle neu besetzen, haben wir auch einen finanziellen Vorteil; denn das Land muss nur die Differenz zwischen dem aktiven Gehalt und dem Ruhegehalt zahlen.

Sie sehen, es gibt beim Hochschuldienstrecht noch viel zu tun. Wir sollten dies rasch tun.

Zweites Beispiel: Wir müssen den privaten Hochschulen die notwendigen Spielräume für einen raschen Ausbau schaffen. Stand heute gibt es bereits 20 private Hochschulen in unserem Land, die einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung des wissenschaftlichen und akademischen Nachwuchses leisten. Sie leisten diesen Beitrag zu ganz anderen Konditionen als staatliche Hochschulen. In Zeiten knapper Kassen ist dies ein ganz wichtiger Punkt.

Außerdem, einmal Hand aufs Herz: Nachdem wir uns schon bei Bachelor und Master am angelsächsischen Raum orientieren, sollten sich auch die Zögerer unter uns eingestehen, dass Harvard und Yale, Oxford und Cambridge, allesamt private Hochschulen, einen besseren Ruf haben als z. B. die staatliche University of Mississippi in Southaven.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Reinhold Gall SPD: Können Sie das noch einmal wiederholen für das Protokoll?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die heutige Stunde nutzen, ideologische Scheuklappen über Bord zu werfen. Lassen Sie uns das Interesse der Studienanfänger an einem Arbeitsplatz in den Mittelpunkt stellen. Lassen Sie uns gemeinsam über alle Parteigrenzen hinweg BadenWürttemberg in eine erfolgreiche Zukunft führen unter der Führung unserer Landesregierung.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Statement! Hervorragend! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ausgezeichnet!)

Das Wort erteile ich Herrn Wissenschaftsminister Professor Dr. Frankenberg.

(Zuruf von der SPD: Jetzt wird es konkret! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt wird es temperament- voll!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde gern konstruktive Anregungen der Opposition aufgreifen,

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Welche?)

so sie denn vorliegen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Nun zu einigen gestellten Fragen, die allerdings in meiner Rede schon beantwortet worden sind.

(Zuruf von der SPD: Nicht wirklich!)

Aber ich will es gern noch einmal verdeutlichen.

(Zuruf von der SPD: Aber bitte konkret! – Abg. Reinhold Gall SPD: Da war noch dichter Nebel! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist zynisch!)

Von Nebel ist hier nichts zu sehen. Der ist draußen.

Wir haben im nächsten Doppelhaushalt 20 bzw. 40 Millionen € eingestellt. Dies sind echte zusätzliche Mittel, weil es ansonsten einen Solidarpakt gibt. Auch die Finanzierung der Exzellenzinitiative ist zusätzlich. Es sind die entsprechenden Mittel von 9 Millionen € und 26 Millionen € für die kommenden Jahre zur Gegenfinanzierung des 25-%-Anteils der Exzellenzinitiative in den Haushalt eingestellt. Diese Mittel gehen nicht etwa von den 150 Millionen € ab.

Damit sieht man die Gesamtaufwendungen, die die Landesregierung beiträgt: erstens einen Solidarpakt für alle Hoch

schulen. Zweitens werden die Tarifsteigerungen berücksichtigt. Drittens gibt es 20 bzw. 40 Millionen € im nächsten Doppelhaushalt für zusätzliche Studienplätze. Dies wächst dann in der Spitze auf 150 Millionen € an. Viertens gibt es die zusätzlichen Mittel für die Exzellenzinitiative. Ich möchte einmal wissen, wie der Haushalt aussähe, wenn die SPD die Regierung stellen würde.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Lieber nicht! – Abg. Dr. Christoph Palmer CDU: Das ist extrem unrealistisch! Das wird weitere 50 Jahre nicht der Fall sein! – Abg. Werner Pfisterer CDU: Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen! – Zu- ruf: Die würden überall doppelt verdienen! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Und was ist mit dem „Hoch- schulpakt 2020“? – Unruhe)

Dazu komme ich noch.

Ich habe auch ausgeführt, dass unsere Mittel etwa 50 % der benötigten Mittel ausmachen, vorausgesetzt, die gegenwärtige Studierquote hält an.

Das Zweite ist: Ich habe ausgeführt, dass die übrigen 50 % von den Hochschulen, aus weiteren Zuwendungen und aus dem Hochschulpakt kommen. Logischerweise heißt dies dann, dass diese Mittel zur Deckung der anderen 50 % dienen. Das habe ich in meiner Rede allerdings auch schon gesagt. Aber ich sage es gern noch einmal, falls dies nicht so richtig verstanden werden konnte.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Car- la Bregenzer SPD: Das ist nicht der Punkt!)

Die privaten Hochschulen sind in das Programm einbezogen. Wir sehen in den privaten Hochschulen einen wichtigen Beitrag zur Hochschullandschaft des Landes, denn sie leisten ja schon eine Grundfinanzierung. Wir leisten dann eine zusätzliche Finanzierung für zusätzliche Studienplätze.

Was die Frage nach neuen Standorten betrifft, haben wir immer klargemacht, dass neue Standorte dann infrage kommen, wenn die zusätzlichen Infrastrukturkosten, die sich aus der Neuheit des Standorts ergeben – also die Kosten, die über den Kosten liegen, die normalerweise an einem vorhandenen Standort für zusätzliche Studienplätze entstünden –, anderweitig bereitgestellt werden. Dann sind wir bereit, über neue Standorte zu diskutieren.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das heißt, das ist dann aber rein rhetorisch!)

Das ist vielleicht ganz gut rhetorisch, aber nicht rein rhetorisch.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und Abgeord- neten der FDP/DVP – Abg. Werner Pfisterer CDU: Das ist Geisteswissenschaft!)

Denn wir haben durchaus Angebote von Raumschaften, die diese zusätzlichen Kosten tragen wollen. Wir haben das Beispiel Biberach,

(Abg. Peter Schneider CDU: Sehr gut!)

wo Stadt, Landkreis und ein Unternehmen den zusätzlichen Ausbau des Studiengangs Pharmazeutische Biotechnologie

(Minister Dr. Peter Frankenberg)

zu über 50 % finanzieren, und zwar über die nächsten zwölf Jahre garantiert. Das heißt, das ist keine reine Rhetorik.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: An der be- stehenden Fachhochschule!)

Neben der bestehenden Fachhochschule.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist doch kein neu- er Standort! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ja gar kein neuer Standort! – Gegenrufe von der CDU: Doch!)

Das ist ziemlich weit vom vorhandenen Standort entfernt und in einem völlig neuen Gebäude untergebracht. Ob er nun 5 km oder 15 km entfernt ist, macht für die Kosten keinen großen Unterschied.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Wir wollen wissen, ob wirklich neue Standorte von Ihnen ins Auge gefasst sind! Echte neue Standorte! – Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich habe die Kriterien für neue Standorte genannt. Im Ausbauprogramm für die nächsten beiden Jahre sind keine neuen Standorte vorgesehen, weil neue Standorte eine viel längere Vorlaufzeit brauchen. Ich habe auch die Finanzierungsvoraussetzungen genannt. Daraus können Sie schließen, dass wir, wenn eine Raumschaft in der Lage ist, dies zu erbringen, in den Dialog über zusätzliche Standorte eintreten werden. Es ist immer nur von Außenstellen die Rede. Bei keinem Antrag ist von einem völlig neuen Standort die Rede.