Protocol of the Session on November 9, 2006

In allen Punkten, die noch übrig geblieben sind, wird unsere Fraktion den Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses folgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich zunächst dem Dank, den der Kollege Herrmann und alle anderen Kollegen für den Wahlprüfungsausschuss schon formuliert haben, anschließen: an die Landeswahlleiterin, an die Mitarbeiter des Innenministeriums und vor allem an die vielen ehrenamtlichen Helfer in den Wahllokalen und auch an unseren Vorsitzenden dafür, dass wir das Ganze so zügig und ordentlich und, wie wir meinen, mit einem guten Ergebnis hinter uns bringen konnten.

Kollege Herrmann hat es bereits erläutert: Die gegen die Landtagswahl erhobenen Einsprüche entbehren jeglicher für das Wahlprüfungsverfahren relevanten Grundlage. Soweit sie zulässig waren, waren sie eindeutig unbegründet. Diese klare Aussage lässt sich so leicht treffen, weil im Wahlprüfungsverfahren die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Landtagswahlrechts nicht zur Überprüfung steht. Wir können Ihnen guten Gewissens empfehlen, alle Einsprüche zurückzuweisen, auch diejenigen, die sich mit dem Wahlrecht befassen. – So weit, so gut.

Zentrale Frage bei unseren Beratungen war aber gerade das Wahlrecht. Zu dem Einspruch Nr. 10 des Herrn B. und anderer haben wir ja eine öffentliche Sitzung durchgeführt. Die Rechtslage ist in Anbetracht der Entscheidungen des Staatsgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts bei Weitem nicht so eindeutig, wie dies vielen lieb wäre. Über allem schwebt nämlich der Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Stimmen. Übersetzt für Nichtjuristen heißt das ganz einfach Folgendes: Die Stimme jedes einzelnen Wählers soll das gleiche Gewicht haben. Für die Gesamtzusammensetzung des Landtags war dies bei der letzten Wahl insofern noch problematisch, als die kumulativen Effekte des Auszählungsverfahrens nach d’Hondt dieses Gewicht etwas verschoben haben. Der Landtag hat insoweit das Erforderliche getan und das Auszählungsverfahren für die Wahl 2011 geändert. Bleibt also zu hoffen, dass der Staatsgerichtshof dies anerkennt und im Falle einer Wahlanfechtung die Wahl nicht aufhebt.

Dieses Beispiel mag zeigen, dass wir umso sicherer sein können, dass wir unser Mandat im Falle einer Aufhebung

der Wahl nicht wieder verlieren, je verfassungsrechtlich einwandfreier unser Wahlrecht ist. Dazu muss man übrigens immer im Hinterkopf haben, dass es in einem der anderen Länder bereits einmal zu einer Wahlaufhebung gekommen ist. Wir sollten sichergehen, dass uns so etwas erspart bleibt.

Mal Hand aufs Herz: Die allermeisten von uns sitzen doch in diesem Hohen Hause unabhängig von der Ausgestaltung des Wahlrechts. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind einfach gut. Sie brauchen kein Doping durch Wahlrecht, um hier zu sitzen, durch ein Wahlrecht, bei dem man verfassungsrechtliche Zweifel haben kann.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Lassen Sie mich deshalb auf den zweiten von den Einspruchsführern vorgebrachten Punkt eingehen: die unterschiedliche Größe der Wahlkreise. Der verfassungsrechtliche Idealzustand sind exakt gleich große Wahlkreise. Dann nämlich haben alle Wählerstimmen das gleiche Gewicht. Jede Wählerin und jeder Wähler haben in jedem Wahlkreis den exakt gleichen Einfluss sowohl bei der Direktwahl ihres Wahlkreisabgeordneten als auch bei der Zweitauszählung.

Je weiter entfernt wir von diesem Idealzustand sind, umso größer ist eine Gefahr der Aufhebung der Wahl. Die maximale Abweichung ist juristisch umstritten. Der Staatsgerichtshof hat – wir haben es heute schon gehört – 1990 gesagt: Ein Drittel nach oben und nach unten ist zulässig. Im Bundesrecht sind es als Richtwert im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 15 % nach oben und unten; zulässig ist eine Abweichung um maximal 25 %.

Der Wahlkreis Tübingen ist nach dem Vortrag der Beschwerdeführer übrigens um 27 % zu groß gewesen, und dies könnte ja jenseits eines solchen Wertes liegen. Wird die Wahl deshalb vom Staatsgerichtshof aufgehoben? Ich hoffe nicht, denn ich fühle mich hier ganz wohl.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Darauf kommt es gerade nicht an!)

Aber, lieber Herr Kollege, müssen wir uns solche Zitterpartien wirklich antun?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Gerade darauf kommt es nicht an!)

Haben Sie einen großen Wahlkreis? – Müssen wir das Wahlrecht hart am Rande der Verfassungsmäßigkeit regeln? Wäre es nicht besser für die meisten von uns, wenn wir dem Idealzustand möglichst nahe kämen?

Lassen Sie uns die Konsequenzen eines einwandfreien Wahlrechts mit gleich großen Wahlkreisen einmal durchspielen. Für die rechte Seite des Hohen Hauses, auf der Sie ja alle direkt gewählt sind, wären die Konsequenzen überschaubar. Sie sind heute alle im Landtag, und Sie wären bei gleichem Ergebnis auch in Zukunft alle im Landtag.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Warum also Risiken eingehen?

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Wir hätten ein noch besseres Ergebnis! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das kommt darauf an, wie viele Wahlkreise wir machen!)

Mehr als 70 geht bei 70 Wahlkreisen nicht. Ich gebe zu, es könnte noch etwas besser werden.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Wir hatten schon ein- mal 71 Sitze, Herr Kollege! Auch das geht!)

Gut. Wir warten das einmal ab.

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

Wenn ich auf den Rest des Hohen Hauses schaue, also auf Kollegen wie mich, die ihr Mandat über die Zweitauszählung erhalten haben, ist die Größe der Wahlkreise schon deutlich relevanter. Hier liegt ja auch das eigentliche verfassungsrechtliche Risiko, das die Einspruchsführer – Kollege Stickelberger hat es gesagt – auf den Punkt bringen. Die Chancen der Bewerber und der Erfolgswert der Stimmen hängen deutlich von der Größe der Wahlkreise ab.

Wir machen es dem Staatsgerichtshof allemal leichter, wenn wir vor seiner Entscheidung, also vor der Entscheidung über die Frage, ob der Wahlkreis Tübingen zu groß war oder nicht, die Koalitionsvereinbarung – das scheint ja heute Konsens zu sein – umsetzen und sowohl die Größe der Wahlkreise angleichen – das haben alle Vorredner bisher als relativ zwingend in gewissem Umfang dargestellt – als auch auf ein prozentuales Verfahren bei der Zweitauszählung übergehen.

Wenn wir bei der Zweitauszählung auf ein prozentuales Verfahren übergehen, hat das den Vorteil, dass bei erneuten Verschiebungen der Wählerzahl das Risiko einer zu großen Abweichung mit Blick auf die Zukunft deutlich geringer wäre, sodass wir verfassungsrechtlich immer im grünen Bereich blieben und die Wahlkreise nicht gegebenenfalls bald wieder angleichen müssten. Es ist weder für uns noch für die Wähler angenehm, wenn die Wahlkreise alle fünf Jahre ein klein wenig verschoben werden müssen. Es wäre besser, jetzt das Ganze in einem großen Wurf zu machen. Ich habe die Ausführungen der Landeswahlleiterin so verstanden, dass ein Übergang auf eine prozentuale Auszählung einen positiven Effekt auf die Verfassungsmäßigkeit des Wahlrechts hätte.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Rust?

Bitte sehr.

Herr Kollege, Sie haben eben erwähnt, dass es keinen Sinn mache, alle fünf Jahre die Wahlkreise zu verändern. Können Sie mir dann die Sinnhaftigkeit der Koalitionsvereinbarung erklären, die zwingend erfordert, dass 2011 und 2016, also innerhalb von fünf Jahren, zweimal die Wahlkreise verändert werden?

Lieber Herr Kollege, Koalitionsvereinbarungen sind per se weise. Aber man kann ja auch – deswegen sind wir ja im Gespräch; deswegen haben wir im Wahlprüfungsausschuss schon beraten – ernsthaft überlegen, vielleicht bestimmte Schritte zusammenzulegen. Aber diese Beratungen werden wir noch führen. Es gibt für das angestrebte Ziel verschiedene Lösungen.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Mutig!)

Ich will auch ausdrücklich sagen, dass die Reduzierung der Wahlkreise verfassungsrechtlich vielleicht nicht zwingend geboten ist, sondern dass es eine rein politische Frage ist, ob wir diese Reduzierung durchführen, aber eine politische Frage, die wir so festgelegt haben.

(Abg. Ingo Rust SPD: Politisch aber nicht sinnvoll! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Da wackelt der Schwanz mit dem Hund!)

Lassen Sie mich noch zur künftigen Ausgestaltung des Wahlrechts Bilanz ziehen: Je schneller wir auf das, was heute hier Konsens zu sein scheint, nämlich eine Angleichung der Größe der Wahlkreise und sicherheitshalber auch die prozentuale Auszählung – damit wir nicht bald wieder durch unterschiedliche Wahlkreisgrößen überrascht werden – übergehen, umso sicherer ist es, dass wir in Zukunft noch wesentlich ruhiger schlafen können und davon ausgehen können, dass der Staatsgerichtshof mit Sicherheit auch zukünftig keine Wahl aufheben wird. Lassen Sie uns dem verfassungsrechtlichen Idealzustand gleich großer Wahlkreise möglichst schnell nahekommen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher zur Abstimmung über die Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses.

Ich lasse abstimmen über die Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zum Einspruch des Herrn R. W., Mannheim, vom 27. März 2006, Drucksache 14/448. Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Beschlussempfehlung ist einstimmig zugestimmt.

Ich lasse abstimmen über die Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zum Einspruch des Herrn J. H., Asunción, vom 27. März 2006, Drucksache 14/449. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Beschlussempfehlung ist einstimmig zugestimmt.

Ich lasse abstimmen über die Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zum Einspruch des Herrn H. R., Gomaringen, vom 26. März 2006, Drucksache 14/450. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Beschlussempfehlung ist einstimmig zugestimmt.

(Stellv. Präsidentin Christa Vossschulte)

Ich lasse abstimmen über die Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zum Einspruch des Herrn W. D., Esslingen,

(Zuruf von der SPD: Wolfgang Drexler!)

vom 10. April 2006, Drucksache 14/451. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Beschlussempfehlung ist einstimmig zugestimmt.

Ich lasse abstimmen über die Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zum Einspruch des Herrn H. Z., Heilbronn, vom 26. April 2006, Drucksache 14/453. Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Beschlussempfehlung ist einstimmig zugestimmt.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zum Einspruch des Herrn M. W., Geislingen, vom 17. Februar 2006 und 24. April 2006, Drucksache 14/454. In diesem Wahlprüfungsverfahren sind die beiden Abgeordneten Hans-Martin Haller und Günther-Martin Pauli Beteiligte im Sinne von § 6 Abs. 1 des Landeswahlprüfungsgesetzes.