Protocol of the Session on November 9, 2006

Wenn es der Sache dient, sind wir da, denke ich, einer Meinung. Aber wir müssen uns der Aufgabe stellen. Es hat keinen Sinn, wegzuschauen. Es hat auch keinen Sinn, das auszusitzen.

Sie wissen, dass auch andere Organisationen die heroingestützte Therapie unterstützen. Ich möchte hierzu gerne den Städtetag nennen. Der Städtetag plädiert für Überlebenshilfen für diejenigen, die im tiefsten Elend leben. Das hätte für die Städte positive Effekte, indem die Beschaffungskriminalität und die Prostitution zurückgehen.

Außerdem möchte ich noch gerne aus der Stellungnahme der Landesstelle für Suchtfragen zitieren:

… dass es in der Sucht- und Drogenhilfe nicht um ideologische und moralische Konzepte gehen darf, sondern dass wir Drogenabhängige in ihrem Leiden und in ihrem Suchtalltag zunächst oft erst wieder geduldig für eine neue Hoffnung auf gesundes Leben und auf persönliche Entwicklung gewinnen müssen.

Ich appelliere an Sie: Geben Sie den Schwerstabhängigen eine Chance! Haben Sie Geduld mit ihnen! Legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen ab! Wir wollen eine sachliche Diskussion, in der die Fachergebnisse zur Kenntnis genommen werden. Ich fordere Sie auf, die Vorurteile, die es gibt, zu entkräften, anstatt sie zu bestätigen. Ideologie darf nicht über Vernunft und Fakten siegen. Wir sind gerne bereit, eine sachliche Diskussion mit Ihnen zu führen, um die diamorphingestützte Behandlung gemeinsam mit Ihnen auf den Weg zu bekommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Endlich!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Sozialministerin sehr dankbar, dass sie in der Sache noch einmal ganz, ganz klar aufgeklärt hat. Ihr Satz „Wir dürfen nicht wegschauen“ hat mir besonders gut gefallen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Dieser Meinung bin ich auch.

Ich will jetzt einmal versuchen, einige konkrete Konsequenzen für das künftige Vorgehen aufzuzeigen.

Als Erstes gehe ich davon aus, dass auch in der CDU nicht das imperative Mandat gilt, also dass Parteitagsbeschlüsse einen nicht in allen Fällen binden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grü- nen)

Zweitens ist klar, dass in die Modellversuche – das sagt ja der Titel „Modellversuch“ – keine neuen Personen aufgenommen werden können; das haben wir auch nicht gefordert.

Fakt 3: Die bisher am Modellversuch teilnehmenden Personen werden weiter behandelt werden; diese Zusage haben wir.

Jetzt kommt der entscheidende Fakt: Die Experten empfehlen uns, die diamorphingestützte Substitutionstherapie künftig als Regelversorgung für wenige Schwerstabhängige in die ärztliche Versorgung und in die Verschreibungsfähigkeit aufzunehmen. Dazu muss tatsächlich auf Bundesebene etwas geändert werden, nämlich die Betäubungsmittelverordnung und die BUB-Richtlinien.

Aber, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Das passiert ja nicht im luftleeren Raum. Auf Bundesebene gibt es ja ähnliche unterschiedliche politische Gewichtungen.

Frau Ministerin Stolz, ich denke, ich kann mich auf das verlassen, was der Kollege Teufel gesagt hat, nämlich dass Sie, Frau Ministerin, diesen Prozess im Sinne einer Ergänzung der bisher vorhandenen Therapiemöglichkeiten für wenige, für ein schmales Spektrum, aktiv begleiten. Unsere Unterstützung haben Sie bei dieser aktiven Begleitung, dass wir den Weg freimachen für eine erweiterte Therapiemöglichkeit, über die zugegebenermaßen wenigen Menschen, dafür aber solchen, die sich in wirklich existenzieller Not befinden, geholfen werden kann.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Frau Ministerin hat auch noch einmal klargemacht, in welcher Relation – wenn wir uns die Zahl der betroffenen Menschen und die Behandlungskosten anschauen – dieser ganz kleine Teil, über den wir uns hier die Köpfe heißreden, im Vergleich zur allgemeinen Suchtproblematik – Alkohol, Nikotin usw. – steht. Da drängt sich schon der Verdacht auf, man würde zulasten dieser Schwerstabhängigen ein Stück weit tatsächlich ideologische Grabenkriege führen. Dafür ist aber, finde ich, die Zeit inzwischen vorbei.

Nächster Fakt: Kollege Klenk hat richtig zitiert, dass wir in der Koalitionsvereinbarung verabredet haben, die Aufnahme dieser zusätzlichen Therapiemöglichkeiten zu prüfen. Ich wünsche mir an dieser Stelle, dass die Prüfung so ausgeht wie beim Konnexitätsprinzip, wo wir anfangs auch einmal auseinander waren; denn da haben wir auch „prüfen“ hineingeschrieben, und – bums! – ein halbes Jahr später haben wir positiv geprüft.

(Heiterkeit des Abg. Klaus Herrmann CDU)

So wünsche ich mir auch für diesen Prüfauftrag, dass er zu gegebener Zeit zu einem positiven Ergebnis führt, was in der Tat keinen Beschluss am heutigen Tag notwendig macht, sondern auf Bundesebene unsere baden-württembergische Unterstützung für die Änderung der Richtlinien bedeutet, damit diese von keinem Experten und auch hier in der Debatte von niemandem wirklich bestrittenen zusätzlichen Therapiemaßnahmen allen der wenigen Betroffenen zugute kommen können und nicht nur denen, die bisher an

Modellversuchen teilgenommen haben. Das ist doch, glaube ich, das ganz Entscheidende.

Ich kann mich gut erinnern – das liegt zehn Jahre zurück; das ist ein langer Prüfungszeitraum –, dass leider auch hier im Landtag keine Mehrheit dafür zu gewinnen war, sich als Land dazu zu bekennen und diese Modelle zu fahren. Erfreulicherweise hat die Stadt Karlsruhe trotzdem mitgemacht.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Gott sei Dank! – Beifall der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Jetzt kann man sagen: Wer schon nicht bereit war, überhaupt Modelle zuzulassen, der ist genau wie Sie geneigt, zu sagen: „Wir probieren gar nichts, denn wir wissen schon, was wir nicht wollen.“ So kann es also nicht laufen.

Noch einmal: Es ist, glaube ich, alles so weit wissenschaftlich absolut abgesegnet. Jetzt geht es darum, dass wir als Baden-Württemberger und Sie als Ministerin – und da haben Sie meine und unsere Unterstützung –, wenn politische Entscheidungen auf Bundesebene anstehen, die Bewegung aktiv und positiv begleiten, damit das, von dem alle Experten – Mediziner, Städtetag usw. – sagen: „Ja, das ist ein wirklicher Fortschritt“, umgesetzt werden kann.

Zu Karlsruhe übrigens noch ein Hinweis: Es ist doch sensationell, dass die sagen: „Bei uns ist die offene Drogenszene allein aufgrund dieses Modells völlig verschwunden.“ Auch aus dieser Sicht – und das ist ja nun eher eine politische als eine wissenschaftliche Bewertung – sind wir uns, denke ich, eigentlich einig.

Deswegen darf ich mit einem Zitat unseren geschätzten ehemaligen Kollegen Robert Ruder schließen, der in der Presse wie folgt zitiert wird: Langfristig sei er allerdings optimistisch, dass sich das durchsetzt, was in seinen Augen auch für christliche Demokraten Humanität bedeutet. Diesen Optimismus teile ich und hoffe, dass wir in diesem Sinne zu vernünftigen weiteren Entscheidungen kommen werden.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP, der SPD und den Grü- nen)

Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 3 ist damit beendet.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Ich berufe den Landtag auf 14:00 Uhr zur Nachmittagssitzung wieder ein.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sehr gut!)

(Unterbrechung der Sitzung: 13:04 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:00 Uhr)

Ich eröffne die Nachmittagssitzung des baden-württembergischen Landtags.

(Stellv. Präsident Wolfgang Drexler)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Fragestunde – Drucksache 14/496

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 1 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. D r. F r i e d r i c h B u l l i n g e r F D P / D V P – Ü b e r l i e f e r u n g d e r M i l c h q u o t e 2 0 0 5 / 2 0 0 6

Herr Abg. Dr. Bullinger, Sie haben das Wort zur Verlesung Ihrer Mündlichen Anfrage.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zu den regionalen Produkten zählt auch Milch; ich habe aber bei der Präsentation unten im Erdgeschoss keine Milch vorgefunden. Das als Vorbemerkung.

Ich frage die Landesregierung:

a) Wie hoch waren im abgelaufenen Milchwirtschaftsjahr von April 2005 bis März 2006 jeweils die Überlieferungen der Milchquote in der EU, in Italien, Polen, Deutschland und vor allem auch in Baden-Württemberg, und mit welchen Konsequenzen haben unsere Milchbauern zu rechnen?

b) Mit welchen Rückforderungsbeträgen und mit welchen Rückforderungsmodalitäten müssen gegebenenfalls die deutschen und die baden-württembergischen Milcherzeuger rechnen?

Das Wort zur Beantwortung der Anfrage hat Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch für die Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Kollege Dr. Bullinger, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Namens der Landesregierung beantworte ich Ihre beiden Fragen.

Zur ersten Frage hinsichtlich der Überlieferung der Milchquoten in der EU, speziell in den Ländern Italien, Polen, Deutschland und Baden-Württemberg, möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen: