Drogenmissbrauch kann nicht akzeptiert werden, und das staatliche Zulassen eines reinen Verharrens in der Drogenabhängigkeit ist zu Recht nicht konsensfähig. Deshalb kann jede Maßnahme in der Suchthilfe, auch die diamorphingestützte Substitution, weiterhin nur innerhalb einer eindeutigen Abstinenzorientierung zulässig sein.
Suchtpolitik ist eine gesamtpolitische Aufgabe; auch die Suchtpolitik braucht Mehrheiten. Die Landesregierung respektiert Mehrheiten. Ich bin als Politikerin selbstverständlich bereit, Mehrheiten zu akzeptieren, auch wenn ich bei dem einen oder anderen Punkt persönlich durchaus anderer Meinung bin. Ich möchte eines ganz klar sagen: Eine kontroverse Diskussion der Frage, ob wir in der Substitutionsbehandlung ein weiteres Medikament zulassen oder nicht, bedeutet nicht, dass wir in Baden-Württemberg einen Dissens in der Drogenpolitik hätten. Wir diskutieren über einen bezüglich der betroffenen Personen sehr kleinen, isolierten Baustein im Gesamtkontext der Suchthilfe. Über diesen Gesamtkontext, also über die Suchtpolitik mit ihren bereits dargestellten vier Säulen, haben wir nach wie vor Einvernehmen.
Ich sehe es als meine Aufgabe und Verantwortung an, auch in Einzelfragen wie der der diamorphingestützten Substitution eine Diskussion in Gang zu halten, in der zwischen Fakten und Emotionen differenziert wird. Denn Wegschauen ist keine Lösung.
Wir müssen uns gemeinsam der Aufgabe stellen, die Suchthilfe auch und gerade für Schwerstkranke weiterzuentwickeln. Dieser Aufgabe wird sich die Landesregierung stellen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Rede der Sozialministerin gehört, die ganz ausdrücklich betont hat, dass es sich hier um ein zusätzliches Hilfsangebot für suchtkranke Menschen handelt. Wenn von Ihrer Seite – ich will das einfach noch einmal sagen; meine Vorredner aus den anderen Fraktionen haben das ja auch noch einmal dargelegt – immer das Kostenargument kommt, dann überlegen Sie doch einfach einmal, wie hoch die Folgekosten sind.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP, auf ein Doku- ment zeigend: Ich habe es hier! – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Das Argument hat niemand ge- bracht!)
Wir erleben gerade bei den Schwerstdrogenabhängigen eine Verelendung. Wir erleben Aidserkrankungen, wir erleben Hepatitis-C-Erkrankungen. Rechnen Sie doch einfach nur einmal aus, was ein Tag auf der Intensivstation und die Therapie dort kostet. Beziehen Sie auch Beschaffungskriminalität und Prostitution mit ein. Hören Sie doch auf Ihre Kommunalpolitiker in der CDU, die hier eine ganz klare Vorgabe für diesen Weg, für dieses zusätzliche Angebot der Diamorphintherapie machen.
Experten haben geschätzt, dass in Baden-Württemberg ein Personenkreis von gerade einmal 250 Suchtabhängigen für diesen Weg geeignet wäre. Das ist eine ganz kleine Zahl. Es ist auch in den Beiträgen meiner Vorredner deutlich geworden, dass wir mit Methadon nicht alle erreichen können. Der Vorteil der Diamorphintherapie ist: Wenn ich bei dieser Therapie dreimal am Tag den Probanden in der Ambulanz habe, wird geprüft: Hat er illegale Drogen genommen? Hat er Alkohol getrunken? Das ist ein hervorragendes Angebot einer psychosozialen Betreuung, über das SGB XII abgesichert.
Der große Vorteil ist, dass wir hier die Menschen erreichen und auch wirklich ganz konkrete Hilfepläne erstellen können, individuell zugeschnitten auf die einzelnen Betroffenen.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ha no, ha no! Das ist ja blöder Unsinn! – Gegenruf der Abg. Christine Rudolf SPD: Vor allem Sie, Herr Röhm! Getroffene Hunde bellen!)
Gehen Sie einen Schritt auf diese schwerstkranken Menschen zu. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Bundespolitiker diesen Weg und auch die Änderung des Betäubungsmittelge
setzes nicht blockieren, damit wir hier für einen ganz kleinen, beschränkten Kreis von schwerstkranken Menschen ein Angebot als Überlebenshilfe schaffen können. Da appelliere ich eindringlich an Sie.
Vielleicht hilft auch der Hinweis: Die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU will ja den Weg mit der zuständigen Sozialministerin gehen. Ich zitiere Herrn Renner, den Vorsitzenden:
Die Ergebnisse des Karlsruher Modells zeigten, dass mit einer streng kontrollierten Heroinabgabe der Teufelskreis aus Abhängigkeit und Verelendung durchbrochen wird und die damit verbundenen Entwicklungen wie Beschaffungskriminalität und Prostitution eingedämmt werden.
Die Kommunalpolitiker in der CDU sind also schon einen wesentlichen Schritt weiter gegangen als Sie. Sprechen Sie mit den Karlsruhern, sprechen Sie mit den Gemeinderäten vor Ort, sprechen Sie mit dem CDU-Oberbürgermeister. Gehen Sie diesen Weg. Wir wollen diesen schwerstkranken Menschen eine Überlebensperspektive und eine Lebenshilfe geben.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die praktizierte Suchtpolitik des Landes Baden-Württemberg mit ihren vier Säulen hat sich bewährt: erstens die Suchtprävention, zweitens die Suchthilfe, drittens die Repression und viertens die Überlebenshilfe.
(Abg. Christine Rudolf SPD: Schlecht, eine ge- schriebene Rede in einer Aktuellen Debatte zu ha- ben!)
Bei ihrer Expertenanhörung am 21. Oktober 2006 hat sich die CDU-Fraktion ebenso wie die Experten ausdrücklich für die Prävention ausgesprochen. Der Präventionspakt mit den Krankenkassen, den die Ministerin vorhin schon erwähnt hat, ist ein guter Weg, um die Suchtprävention weiter zu verbessern. Bei den kommenden Haushaltsberatungen wird sich die CDU-Fraktion dafür einsetzen, dass es bei der Prävention weniger Kürzungen gibt.
Es besteht Konsens darin, dass die Drogenabhängigkeit eine lebensgefährliche Erkrankung darstellt. Die Substitution zur Sicherung des Überlebens von Drogenabhängigen hat sich bewährt. Jedoch muss es unser aller Aufgabe sein, die Suchthilfe für Schwerstabhängige weiterzuentwickeln.
Unabhängig von den fachlichen und den landespolitischen Erwägungen wird Baden-Württemberg die bundesgesetzlichen Regelungen aktiv mit Frau Dr. Stolz begleiten.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt bin ich einmal gespannt, was „aktive Begleitung“ bedeu- tet!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Schlusssatz von Herrn Teufel habe ich jetzt sehr aufmerksam gehört: dass die CDU-Fraktion gemeinsam mit der Ministerin die Suchthilfe für Schwerstabhängige aktiv begleiten wird. Das ist eine interessante Aussage. Aber man darf das nicht nur sagen, sondern man muss es auch umsetzen. Ich habe eine konkrete Aussage darüber vermisst, was das für das weitere Vorgehen heißt. Da kann ich viel hineininterpretieren. Ich kann Wohlwollendes hineininterpretieren,
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Tun Sie das! – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Im Zweifel nichts Wohlwollendes!)
Ich möchte grundsätzlich noch einmal sagen: Die Frau Ministerin hat ja das Suchtkonzept von Baden-Württemberg dargelegt. Sie haben gemerkt, dass alle Fraktionen das Suchtkonzept von Baden-Württemberg mit den vier Säulen – jetzt haben wir es von allen Rednern gehört – Prävention, Repression, Suchtkrankenhilfe und Überlebenshilfe mittragen. Im Bereich der Substitution muss nachgebessert werden; da sind wir uns einig. Einig sind wir uns doch auch, dass die Methadonsubstitution irgendwo einmal ein Ende hat.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Da sind wir nicht einig! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Und auch nicht für alle geeignet ist!)
Große Teile hier im Saal sind sich darin einig, dass die Methadonsubstitution ihre Grenzen hat und dass die Heroin
studie aufgezeigt hat, dass eine diamorphingestützte Behandlung notwendig ist. Kollege Noll, wir können diese Begrifflichkeit „diamorphingestützte Behandlung“ oder „diamorphingestützte Substitution“ in Zukunft gern verwenden.
Wenn es der Sache dient, sind wir da, denke ich, einer Meinung. Aber wir müssen uns der Aufgabe stellen. Es hat keinen Sinn, wegzuschauen. Es hat auch keinen Sinn, das auszusitzen.