Protocol of the Session on November 11, 2004

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Rüeck hat einige Kritik geübt,

(Abg. Rüeck CDU: Auf Missstände hingewiesen! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

wonach sich vieles verzögert hätte und es handwerkliche Fehler gegeben hätte. Ich möchte doch darauf hinweisen, dass sich in diesem langwierigen, schwierigen Verfahren, bis Hartz IV als Gesetz tatsächlich endlich umsetzungsreif war, auch die Union nicht immer mit Ruhm bekleckert hat. Wir freuen uns, dass Sie heute sagen, Sie stünden voll und ganz zu Hartz IV. Es gab einige andere führende Oppositionspolitiker, bei denen das wahrlich nicht so war.

Es ist wichtig, zu betonen, dass es ein Kompromiss des Vermittlungsausschusses ist. Das bedeutet auch, dass es von unserer Seite einige Zugeständnisse zum Beispiel in Bezug auf Zuverdienstmöglichkeiten, auf Freistellung von Altersvorsorge oder auch auf Zumutbarkeit gegeben hat. Das war nicht in unserem Sinn. Dennoch sind die Hartz-IVGesetze richtig und wichtig, und sie müssen zum 1. Januar umgesetzt werden. Deswegen muss dieses Ausführungsgesetz heute verabschiedet werden.

Hartz IV bedeutet, dass wir für diejenigen, die langzeitarbeitslos sind – länger als ein Jahr –, neue Perspektiven schaffen. In Baden-Württemberg gibt es derzeit 16 % mehr Langzeitarbeitslose als noch vor einem Jahr. Das sind über 105 000 Menschen. Es ist wichtig, dass sie eine reelle Chance erhalten, wieder in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden.

Jetzt haben Sie von großer Verunsicherung gesprochen. Das ist richtig. Es ist eine komplexe Reform. Aber leider hat die Landesregierung auch nicht dazu beigetragen, diese

Verunsicherung abzubauen, im Gegenteil. Der ehemalige Sozialminister Repnik hat vor einem Scheitern gewarnt, er hat ein Fiasko an die Wand gemalt, und – ein interessantes Detail –: Herr Repnik hat sich damals noch für einen fairen Ausgleich ohne finanzielle Risiken für die Kommunen ausgesprochen. Bei dem Kürzungspaket, das Sie jetzt den Kommunen zumuten – 558 Millionen € –, klingt es heute wahrlich wie Hohn und Spott, wenn man sich vor einem halben Jahr noch als Retter der Kommunen aufgespielt hat.

(Beifall bei den Grünen)

Für uns ist klar, dass die finanziellen Belastungen, die Sie den Kommunen aufbürden, nicht tragbar und nicht hinnehmbar sind. Wir fordern Sie deshalb auf, die Gespräche mit den kommunalen Landesverbänden fortzuführen und die Kürzungen, die jetzt im Raum stehen, noch einmal ernsthaft zu überdenken.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Es gibt mehr! Es gibt eine Nettoentlastung!)

Es kann nicht sein, dass sich das Land auf Kosten der Kommunen saniert.

Weil aber zu dem Ausgleich zwischen Kommunen und Land in diesem Gesetz nichts enthalten ist, sondern es nur um die Klärung der kommunalen Trägerschaft geht, können wir diesem Gesetz zustimmen. Aber bei den Haushaltsberatungen muss natürlich sichergestellt sein, dass diese Umwälzung der Lasten auf die Kommunen auf keinen Fall hinnehmbar ist.

Ein letzter Punkt: Frau Ministerin, Sie haben von dem Südwestmodell gesprochen, also davon, den Kommunen die Verantwortung für die Umsetzung von Hartz IV zu übertragen. Fakt ist, dass selbst die Möglichkeiten des Optierens

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist aber alles viel zu unsicher!)

in Baden-Württemberg nicht voll ausgeschöpft worden sind. Anscheinend ist es doch nicht so positiv angenommen worden, wie vonseiten der Landesregierung immer propagiert worden ist. Fakt ist, dass wir immer noch – zumindest laut Stand Anfang Oktober – 21 Kreise haben, in denen noch nicht klar geregelt ist, ob es eine Arbeitsgemeinschaft mit der Bundesagentur bzw. den regionalen Arbeitsagenturen geben wird. Hier ist nicht nur der Bund in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass es Hilfe aus einer Hand gibt, sondern auch das Land muss sich dafür einsetzen, dass zum 1. Januar tatsächlich auch die Voraussetzungen für Hartz IV im Sinne der Betroffenen geschaffen werden.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Sozialausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 8 erledigt.

(Stellv. Präsident Birzele)

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Errichtung des Landesinstituts für Schulentwicklung – Drucksache 13/3678

Für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung hat das Präsidium fünf Minuten Redezeit je Fraktion festgelegt.

Frau Ministerin Dr. Schavan, Sie erhalten das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Der Bildungsplan 2004 ist ein pädagogischer Meilenstein in der Entwicklung unserer Schulen. Die Verbindung von Bildungsstandards, Kerncurriculum und Schulcurriculum bietet neue Gestaltungsräume für die Schulen. Damit verbinden wir zugleich eine neue Steuerung unseres Bildungswesens. Wir wollen mehr erfahren über den Unterricht und über damit verbundene Ergebnisse und Standards. Das, worüber wir heute sprechen, ist Teil dieser Umsteuerung unseres Bildungswesens.

Zentrale Bestandteile sind die Umwandlung der Lehrerbildungsseminare zu didaktischen Zentren, die Errichtung der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung – ein wichtiger neuer Zusammenhang – an Schulen als rechtsfähige Anstalt sowie die mit diesem Gesetz erfolgende Weiterentwicklung des Landesinstituts für Erziehung und Unterricht zu einem selbstständigen Instrument der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung.

Das ist der neue Rahmen für eine nachhaltige Schul- und Unterrichtskultur, die einerseits von sehr viel mehr Selbstständigkeit der einzelnen Schule geprägt sein soll, andererseits von der Orientierung der Schulen an den Bildungsstandards. Dies wird von Unterstützungssystemen begleitet, die den Schulen, den Kollegien für Prozesse der Qualitätsentwicklung, für die Evaluation des Unterrichts und für die Behandlung der Frage, welche Konsequenzen aus Evaluationsberichten gezogen werden, zur Verfügung stehen.

Dieses Aufgabenbündel nimmt das Landesinstitut für Schulentwicklung – das ist die weiterentwickelte Form des alten LEU – als rechtlich selbstständige Einheit in der Organisationsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts wahr. Das ist wichtig im Hinblick auf die Unabhängigkeit von Evaluation.

Das Landesinstitut für Schulentwicklung berät und unterstützt die Schulen im Zusammenhang mit den eingeleiteten Qualitätsentwicklungsprozessen und ist für die notwendige Fremdevaluation zuständig. Es ist Berater, nicht Teil der Schulaufsicht. Als Einrichtung, die der Rechtsaufsicht unterliegt, wird es auf die erforderliche Akzeptanz der Schulen bauen können.

Diese Rechtsform erlaubt dem Landesinstitut zugleich, seine Aufgaben unabhängig und offen für externen Sachverstand, besonders aus den Hochschulen und Forschungseinrichtungen, wahrzunehmen. Die bildungspolitische Gesamtverantwortung des Staates für das Erziehungs- und Bildungswesen bleibt dennoch gewahrt.

Die gewünschte enge Verbindung zwischen dem Landesinstitut und unseren Hochschulen wird auch dadurch sichtbar, dass in dem Führungsteam des neuen Landesinstituts neben der geschäftsführenden Direktorin bzw. dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied Frau Bacher ein Hochschullehrer von der PH Ludwigsburg, Herr Professor Rath, tätig sein wird. Ich glaube, dass auch diese, über Personen hergestellte, unmittelbare Verbindung zu unseren Hochschulen wichtig ist. Das Institut soll an der Schnittstelle von Wissenschaft, Evaluationsergebnissen und didaktischen Innovationen arbeiten.

Die Aufgaben im Einzelnen, nur stichwortartig genannt: Hilfe und Unterstützung für Schulen bei den Prozessen der Schulentwicklung sowie Entwicklung von Projekten, die im Rahmen der empirischen Bildungsforschung für uns wichtig sind. Wir brauchen in Deutschland mehr Unterrichts- und Schulforschung. Auch hier wird das Institut eng mit den Hochschulen zusammenarbeiten.

Drittens: Bildungsplanarbeit, verbunden mit der Bereitstellung von Lehrmaterialien, Konkretisierung von Anforderungsniveaus, Präsentation gelungener Unterrichtsergebnisse.

Schließlich die vierte Aufgabe: Qualitätsentwicklung durch Erarbeitung von Evaluationskonzepten sowie Organisation, Durchführung und Auswertung der Fremdevaluation mittels fachlich geschulter Teams. Sie wissen, dass es dazu lange Gespräche gegeben hat. Mittlerweile sind die ersten Stellen für Evaluationsteams ausgeschrieben.

Das heißt, im Bereich der Qualitätsentwicklung wird das Landesinstitut als selbstständige Evaluationsagentur für das Bildungswesen in Baden-Württemberg arbeiten. Diese Agentur sorgt für eine systematische Rückmeldung über Stärken und Schwächen unserer Schulen. Natürlich wird das Institut auch mit dem von der Kultusministerkonferenz vor einiger Zeit eingerichteten Institut an der HumboldtUniversität in Berlin zusammenarbeiten.

Rechtliche Selbstständigkeit sichert dem Institut Flexibilität und Handlungsspielräume sowie Gestaltungsoffenheit, die es braucht, um seine Aufgaben überzeugend und optimal zu erfüllen.

Ich bitte Sie herzlich um Zustimmung zu dieser Weiterentwicklung, die in meinen Augen ein ganz zentraler Baustein der Umsteuerung unseres Bildungswesens sein wird.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Lazarus.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt Begriffe im öffentlichen Wortschatz, die explosionsartig Verbreitung finden, so das Wort Evaluation. Wenn man es sinngemäß übersetzen will, müsste man Evaluation als Aufgabenkritik, Erfolgs- oder Leistungskontrolle, Qualitätssicherung interpretieren.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Bewertung!)

Eine Definition habe ich gehört, die mir besonders gut gefällt: Erfolgskontrolle mit System. Eigentlich ist es ja auch wirklich das Normalste von der Welt: Wer etwas plant und dann auch durchführt,

(Abg. Fischer SPD: Verwaltungsreform!)

der prüft hinterher den Erfolg, die Wirksamkeit und versucht, aus den Schwachstellen zu lernen.

Auch Schule oder sogar gerade Schule braucht dieses Instrument der ständigen Überprüfung, deren Ergebnisse dann auch zur Basis für neue Entwicklungen und Bildungsplanarbeit werden. Deshalb ist es nur konsequent, dieses ganze Aufgabenpaket in einer Institution zu bündeln. Dazu braucht man keinen Anfang bei null. In Baden-Württemberg hat man bereits ein geeignetes Instrument, nämlich das Landesinstitut für Erziehung und Unterricht, das jetzt neu gestaltet bzw. umgestaltet wird.

Jede einzelne Schule wird in Zukunft noch stärker in der pädagogischen Erstverantwortung stehen und sich deshalb auch der Frage nach den Ergebnissen stärker stellen müssen. Dazu brauchen wir ein Steuerungs- und gleichzeitig Dienstleistungsinstrument. Von der Aufgabenstellung her steht also das neue Landesinstitut in der Balance zwischen Kultusverwaltung und den Schulen.

Die CDU-Fraktion meint, dass es dazu wichtig ist, eine möglichst unabhängige Institution zu haben, die eine selbstständige Position hat. Dies geschieht durch eine besondere Rechtsform. Das Landesinstitut für Schulentwicklung soll nämlich eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts im Gegensatz zum LEU sein, das eben unmittelbar der Kultusverwaltung untersteht.