Protocol of the Session on July 28, 2004

Was diesen Gesetzentwurf, den Sie anmahnen, betrifft, gilt doch wirklich eines: Lieber gründlich und gut als schnell und schlecht.

(Abg. Capezzuto SPD: Das ist ein Wort!)

Deswegen kann ich Ihnen sagen: Wir werden die Zusage meines Amtsvorgängers einhalten und jetzt im Herbst, im September oder Oktober, nach gründlicher Vorbereitung – es gibt einige Fragen, die wir noch miteinander besprechen müssen – den Gesetzentwurf vorlegen.

Herr Kollege Heinz hat schon Recht, wenn er von „alten Kamellen“ spricht. Ich gebe ja zu, dass der neue Innenminister in der Tat eine Schwäche für alte Damen

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Junginger SPD: Da wird ja der nächste Rücktritt fällig! – Heiterkeit)

und alte Kamellen oder alte Anträge hat – oder, charmanter ausgedrückt, für ältere Damen und alte Kamellen.

(Heiterkeit – Unruhe)

Beide haben in der Regel Stil und ihren eigenen Charme; aber beide bedürfen der sorgfältigen Behandlung, nämlich einer Behandlung mit Samthandschuhen und nicht mit Eisenkrallen.

(Abg. Capezzuto SPD: Oswald lässt grüßen!)

Meine Damen und Herren Kollegen

(Unruhe)

ja, ernsthaft –, die Verfassung und auch die Gemeindeordnung dürfen nicht zur Beute des Zeitgeistes werden.

(Beifall bei der CDU – Abg. Blenke CDU: Sehr gut! Sehr kluge Worte!)

Ich bitte Sie herzlich darum, einen Moment darüber nachzudenken, was unser Land eigentlich in den letzten 50 Jahren zu dem gemacht hat, was es ist. Es war – das ist meine tiefe Überzeugung – vor allem die kommunale Selbstverwaltung, die in unserer Landesverfassung verankert ist und die einen hohen Stellenwert hat, die unser Land zu dieser Spitzenposition geführt hat. Es war die kommunale Selbstverwaltung mit starken Gemeinderäten und starken Bürgermeistern.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das dürfen wir nicht aushebeln, und deswegen müssen wir sensibel

(Abg. Capezzuto SPD: Sie reden ja schon wie der amtierende Ministerpräsident! – Glocke des Präsi- denten)

und – ich sage es noch einmal – mit Samthandschuhen und nicht mit der Eisenkralle an dieses Thema herangehen und dürfen es nicht dem Zeitgeist opfern.

Herr Minister Rech – –

(Glocke des Präsidenten – Abg. Fleischer CDU: Der Junge wächst!)

Herr Innenminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stickelberger?

Ab 18 Uhr gestatte ich nahezu alles, Herr Kollege Stickelberger.

Herr Innenminister, glauben Sie, dass die seit Jahren bestehenden Regelungen in Bayern, die Herr Oelmayer zitiert hat, im Hinblick auf Bürgerbegehren und Bürgerentscheide eine Beute des Zeitgeistes sind?

(Abg. Scheuermann CDU: Ja! – Abg. Fleischer CDU: Wir sind auch kommunalfreundlicher als die Bayern, finanziell gesehen!)

Ich habe uns – nicht die Bayern, sondern uns – davor gewarnt, hier dem Zeitgeist bei Änderungen von Verfassungen zu sehr nachzurennen. Das war ein Appell an uns.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Bayerischer Zeitgeist!)

(Minister Rech)

Was Ihren Vergleich mit Bayern anbelangt, will ich einmal auf Folgendes hinweisen:

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Weißwurst und Bürger- beteiligung, das ist gut!)

Bayern, meine Damen und Herren Kollegen, hat die Bürgerbeteiligung erst 1995 eingeführt, 40 Jahre nach BadenWürttemberg. Deswegen ist es nur logisch, dass die Einführung der Bürgerbeteiligung dort zunächst eine große Zahl von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden ausgelöst hat. Zwischenzeitlich ist aber – dies darf ich hinzufügen – die Anzahl der Bürgerbegehren in Bayern nach einem ersten Boom in den ersten drei Jahren deutlich gesunken.

Wenn man die Zahlen für Baden-Württemberg in den einzelnen Jahren betrachtet – danach hatten Sie in Ihrer Großen Anfrage auch gefragt –, dann kann man feststellen, dass wir immer wieder abwechselnd Phasen gehabt haben, in denen viele Begehren eingereicht wurden, und Zeiträume, in denen die Anzahl der Begehren deutlich zurückgegangen ist.

Meine Damen und Herren Kollegen, wenn Sie schon auf Bayern verweisen, dann will ich das noch einmal verstärken und sagen, dass die Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene in Baden-Württemberg die längste Tradition hat. Wir waren nämlich das erste Bundesland, das – bereits im Jahr 1955 – die Bürgerentscheide auf Gemeindeebene eingeführt hat.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Innenminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage – –

Gern. Wer?

(Heiterkeit – Abg. Blenke CDU: Winkler war der Name!)

Herr Abg. Winkler.

Herr Minister, noch zum Thema Zeitgeist. Das, was wir im Moment als Bürgerbegehren diskutieren, ist schon längst und verstärkt in der Schweiz Teil der Demokratie, und das seit 500 Jahren. Würden Sie das als Zeitgeist bezeichnen?

(Heiterkeit – Abg. Capezzuto SPD: Das ist ein Nachkomme von Wilhelm Tell! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Der Rütlischwur! – Abg. Flei- scher CDU: Da sind ja wohl Unterschiede!)

Ja, ich habe eben überlegt: Der Vergleich drängt sich auf. – Herr Kollege Winkler, was die Schweizer machen, ist etwas ganz anderes. Was wir hier in Form der Änderung unserer Gemeindeordnung einzuführen gedenken, halte ich für gut und richtig. Ich habe uns nur davor gewarnt, das Kind mit dem Bade auszuschütten, dem Zeitgeist zu frönen und dabei eventuell nicht zu bemerken, dass wir unsere kommunale Selbstverwaltung aushöhlen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Fleischer CDU: So ist es!)

Nur das will ich eigentlich sagen. Außerdem haben wir eine repräsentative Demokratie. Das ist halt nun einmal etwas anderes.

(Abg. Fleischer CDU: Aus gutem Grund! – Zuruf des Abg. Blenke CDU)

Das ist schon eine entscheidende Weichenstellung.

Meine Damen und Herren, kurz und prägnant noch einmal: Baden-Württemberg hat hier Vorbildcharakter für die anderen Bundesländer gehabt. Wir haben in Baden-Württemberg die Bürgerbeteiligung schon 40 Jahre vor Bayern eingeführt. Zwischenzeitlich haben wir – zugegeben – Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung. Es erscheint uns sinnvoll – das sage ich ausdrücklich –, auch unsere Regelungen in Baden-Württemberg weiterzuentwickeln. Das ist der Grund, warum die Regierungsfraktionen in ihrer Koalitionsvereinbarung für diese laufende Legislaturperiode – für diese, Herr Kollege Oelmayer – festgelegt haben, dass die Möglichkeiten der unmittelbaren Bürgerbeteiligung verstärkt werden sollen. Das ist der Grundsatz.

Jetzt haben wir sowohl in der Gemeindeordnung als auch in der Landkreisordnung und im Kommunalwahlgesetz an mehreren Stellen Änderungsbedarf. Wir wollen ein Gesamtpaket zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vorlegen, das dann auch die für die Ausdehnung der Bürgerbeteiligung notwendige Änderung des § 21 der Gemeindeordnung beinhaltet.

Jetzt kommt der Satz, den Sie hören wollen, Herr Oelmayer.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Ja, jetzt kommt er! – Abg. Capezzuto SPD: Wir auch!)

Deshalb mache ich Ihnen die Freude: Wir haben zugesagt – ich bekräftige dies –, den entsprechenden Gesetzentwurf noch in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. Zu dieser Zusage stehen wir. Wir werden den Gesetzentwurf nach der Sommerpause vorlegen.

(Abg. Blenke CDU: Sehr gut!)

Haben Sie also bitte Verständnis dafür. Ich glaube, Sie wollen jetzt auch keine Einzelheiten mehr hören.