Nicht einzusehen und auch nicht nachvollziehbar zu begründen ist die nach wie vor gänzlich fehlende Mitwirkungsmöglichkeit auf der Ebene der Landkreise. Es spricht nicht gerade für das Demokratieverständnis der Landesregierung – um es einmal zurückhaltend auszudrücken –, wenn sie in der Beantwortung der Großen Anfrage ausführt, es bestünden schon heute vielfältige Möglichkeiten der Beteiligung der Kreisbevölkerung, und dies damit begründet, dass der Landrat die Einwohner des Landkreises über allgemein bedeutsame Angelegenheiten unterrichtet und den Bürgern allgemein die Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden soll. Derartige Äußerungen sind nichts als Floskeln, die in der Realität so gut wie gar nicht umgesetzt werden. Also auch hier besteht nach unserer Auffassung Handlungsbedarf.
Wir sollten es uns gemeinsam zur Aufgabe machen, bei der von der Regierung und den Regierungsfraktionen schon wiederholt angekündigten großen Novelle der Gemeindeund der Landkreisordnung, die wir im September oder Oktober des Jahres 2004 wirklich von Ihnen erwarten, all die Themen zu diskutieren, die bisher auf die lange Bank geschoben worden sind: Positiv- und Negativkatalog, Quorum, Stärkung der kommunalen Mitwirkungsmöglichkeiten, Hinderungsgründe, Unterrichtung der Einwohner, Stärkung des kommunalen Ehrenamts und anderes. Ich bitte Sie, diesen Diskussionsprozess offen und umfassend anzugehen.
Dem neuen Innenminister sichere ich die konstruktive Mitarbeit unserer Fraktion ausdrücklich zu. Möge uns gemeinsam eine Neufassung der Gemeindeordnung gelingen, die
tatsächlich das hier im Plenum häufig und von allen Fraktionen bekundete Ziel erreicht, die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am kommunalen Geschehen zu aktivieren und die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten zu verbessern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei so viel Einigkeit und Willen zur Reform kann eigentlich gar nichts mehr schief gehen. Jetzt müssen wir uns nur noch einig werden, ob man nicht einmal prüfen sollte, ob in Bayern diese Bürgerbegehren und die Bürgerbeteiligung auf der Ebene der Landkreise überhaupt zustande kommen.
Wir sollten einmal nachfragen, was diese wunderbaren neuen Ideen, die ich für richtig halte, an Kosten verursachen.
Meine Damen und Herren, unser Gemeinwesen braucht aktive Bürger; das ist überhaupt keine Frage. Die Bürger wollen mehr Mitwirkungsrechte. Der Stellenwert der Bürgerbeteiligung ist heute anders zu sehen als gleich nach dem Krieg, als die Verfassungsväter und -mütter die Weimarer Zeit noch in Erinnerung hatten. Wir haben inzwischen eine gefestigte Demokratie und sollten diesem Umstand auch Rechnung tragen und unserer individuellen Gesellschaft mehr Rechte geben.
Mein Kollege Dr. Horst Glück hat dieses Thema hier – Herr Oelmayer sagte es bereits – in einigen Debatten mitgetragen
und hat ganz deutlich gesagt, dass wir selbstverständlich die von uns in der Regierungskoalition vereinbarten Möglichkeiten der unmittelbaren Bürgerbeteiligung in Städten und Gemeinden stärken wollen. Deshalb werden wir auch für die Gemeindeordnung – das wurde bereits gesagt – im Herbst neue Regelungen finden, was das Quorum, die Beteiligung und möglicherweise auch die Einspruchsfristen angeht.
Sie alle wissen, dass die Verwaltungsreform, die wir gerade verabschiedet haben, die Kräfte sehr stark in Anspruch genommen hat.
Meine Damen und Herren, wie Sie alle aus den vergangenen Diskussionen wissen, ist es nach der Sommerpause an der Zeit, das Thema der Bürgerbeteiligung anzugehen.
Ich denke, wir brauchen darüber gar keine Worte mehr zu verlieren. Es ist allgemein Konsens, dass der Positivkatalog abgeschafft werden soll. Ich möchte darüber hinaus sagen, Herr Oelmayer: Den Gemeinderäten war es auch zuvor schon möglich, in die Hauptsatzung wichtige Gemeindeangelegenheiten aufzunehmen. Ich nehme also an, dass das zum Beispiel in Freiburg gar nicht mehr notwendig ist, weil dort die Mitspracherechte bereits aufs Beste geregelt sind. Das muss man immer wieder sehen.
Was mich auch etwas erstaunt: Es gab kürzlich einen Antrag vonseiten der Grünen, wonach in den Negativkatalog zukünftig die zwangsweise Anschließung an Fernwärmenetze aufgenommen und von den Bürgern akzeptiert werden muss, ohne dass dagegen die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens besteht.
Ich muss schon sagen: Bei den Grünen hat man manchmal den Eindruck, dass immer dort, wo es gerade passt,
mehr Bürgerbeteiligung und Bürgerbegehren erwünscht sind. Bei dem genannten Beispiel oder bei der Europäischen Verfassung will man dann aber doch kein Bürgerbegehren.
Ich bin gespannt, wie der neue Regierungsentwurf in Berlin aussehen wird. Sicher gibt es wieder eine Fülle von Ausnahmeregelungen. Ich möchte Sie da schon um etwas Fairness bitten; denn sonst bekommt die Diskussion eine Schieflage.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. Wir werden im Herbst sehen, dass wir eine tragbare und für uns alle auch befriedigende Regelung zustande bekommen.
Denn die Gemeinden und die Gemeinderäte müssen nach wie vor in der Lage sein, ihre Arbeit ordnungsgemäß zu erledigen.
Ich möchte ganz kurz noch hinzufügen: Die Emotionalisierung bei Bürgerbegehren kann manchmal sehr ausgeprägt sein. Ich darf Ihnen versichern: Wir hatten bei uns im Dorf
einmal eine Auseinandersetzung, bei der es um einen älteren Baum ging. Die Streitigkeiten gingen dabei mitten durch die Familien.
Wir müssen wissen, dass bei direkten Bürgerbegehren und Bürgerbeteiligungen eine große politische Kultur von allen Beteiligten gefordert werden muss.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Oelmayer, leider gibt es nur ganz wenige Zusagen meines Amtsvorgängers, die ich einhalten könnte,
weil er nämlich die allermeisten bereits erfüllt hat. Aber dies ist jetzt eine Gelegenheit, in der Tat eine Zusage einzuhandeln – ich meine natürlich, einzuhalten.
Was diesen Gesetzentwurf, den Sie anmahnen, betrifft, gilt doch wirklich eines: Lieber gründlich und gut als schnell und schlecht.