Das heißt, Sie könnten ja jetzt bei Neueinstellungen oder Beförderungen die Arbeitszeit auf bis zu 42 Stunden pro Woche erhöhen. Doch das würde zum einen den Konfrontationskurs, der jetzt gerade in vollem Gange ist und der sich in der Presse täglich weiter hochschaukelt, weiter verschärfen; zum anderen würde es nicht zu einer Haushaltsentlastung führen. Insofern denken wir, dass es wichtig ist, das zurückzustellen, und dass das das Signal an die Arbeitnehmervertretungen sein sollte. Von oberster Priorität muss zu
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte auf einige Fragen, die jetzt aufgeworfen worden sind, Antworten geben, aber doch zunächst einmal den Zusammenhang so darstellen, wie wir ihn sehen.
Es sind drei Fragen, die hier mehrfach gestellt worden sind. Erstens: Warum haben wir diesen Austrittsbeschluss gefasst? Zweitens: Wie werden wir uns jetzt verhalten, nachdem sich inzwischen vieles geändert hat? Drittens – das hat direkt zwar nichts, indirekt jedoch sehr viel damit zu tun –: Wie werden wir es mit der Möglichkeit halten, weitere Arbeitszeitverlängerungen in Baden-Württemberg einzuführen?
Zunächst einmal: Warum haben wir den Austrittsbeschluss gefasst? Sie können sich alle erinnern, dass vor etwa 14 Monaten für den öffentlichen Dienst ein Tarifabschluss zustande kam, der nach Ansicht aller, die etwas von Wirtschaft verstehen, zu hoch war. Die meisten haben das damals auch schon so gesehen. Dieser Tarifabschluss wurde schließlich dennoch relativ schnell akzeptiert, weil, um es einmal ganz deutlich zu sagen, in Hessen und in Niedersachsen Wahlen stattfanden und weil vor allem die großen Kommunen Angst vor einem Streik hatten.
Deshalb muss man zweierlei auseinander halten: Wir hatten damals noch eine Verhandlungsgemeinschaft. Sie lag noch eine Stufe über der TdL. Die TdL ist ja die Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Es gab eine solche Gemeinschaft der Kommunen, und es gab den Bund.
Zunächst haben die drei Seiten gemeinsam verhandelt, und der Bund hatte praktisch immer die Verhandlungsführerschaft. Der Bund hat die ganze Sache immer sehr politisch gesehen. Das hatte verschiedene Gründe. Ein Grund liegt darin, dass ihn die Abschlüsse nicht sehr treffen. Vorhin hat Herr Abg. Herrmann gesagt, der Bund verdiene bei der ganzen Sache sogar noch Geld. Durch das höhere Lohnsteueraufkommen aufgrund von Lohnerhöhungen und Gehaltserhöhungen nimmt der Bund mehr ein, als er für die Lohn- und Gehaltserhöhungen seiner relativ wenigen Bediensteten ausgeben muss.
Die Kommunen sind extrem streikanfällig. Ihnen muss man nur sagen, dass die Müllabfuhr streikt. Dann geben sie sofort klein bei.
Wir waren deswegen der Meinung: Wir müssen als Erstes aus dieser Verhandlungsgemeinschaft ausscheiden. In der Tat wurde die Verhandlungsgemeinschaft inzwischen aufgelöst. Der Bund wird nicht mehr zusammen mit den Kommunen und den Ländern verhandeln. Vielmehr werden die Länder allein verhandeln.
Inzwischen wurden zwei weitere Beschlüsse gefasst. Im letzten Jahr – ich glaube, es war im April – wurden die so
genannten Zuwendungstarifverträge gekündigt. Die Zuwendungstarifverträge umfassen das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld. Das kann nun auch – zumindest bei Neugestaltungen – von den einzelnen Ländern bestimmt werden. Vor wenigen Tagen wurde der so genannte Arbeitszeittarifvertrag einstimmig gekündigt. Der Kündigung haben alle Länder zugestimmt, auch die SPD-regierten Länder. Inzwischen hat sich also sehr viel bewegt. Es ist überhaupt keine Frage, dass unser Verhalten und auch unser Beschluss im Kabinett, aus der Tarifgemeinschaft auszutreten, diese Bewegung zu einem großen Teil mit initiiert haben.
Jetzt ist mehrfach gesagt worden, es gebe eine Kommission und es komme Bewegung in die Neugestaltung der Tarifverträge. Es gibt nicht eine Kommission, sondern es gibt inzwischen neun Kommissionen. Bewegung gibt es leider relativ wenig.
Ich möchte ganz eindeutig sagen: Wir glauben, dass wir den Beschluss gegenwärtig nicht vollziehen sollten. Das ist zunächst lediglich ein Beschluss des Kabinetts. Das bedeutet im Verhältnis zu der Situation, die zuvor bestand, dass das Finanzministerium den Beschluss jederzeit vollziehen könnte – in der Praxis, nach Rücksprache mit dem Staatsministerium; das ist selbstverständlich. Aber wir bräuchten keinen Kabinettsbeschluss mehr. Das ist die gegenwärtige Situation.
Aber nachdem wir gemerkt haben, dass alle Länder – auch die B-Länder – in die gleiche Richtung argumentieren und arbeiten, sehen wir gegenwärtig – ich muss es immer wieder sagen – eigentlich keinen Grund, diesen Beschluss zu vollziehen.
Wie werden wir nun mit der Kündigung der Arbeitszeittarifverträge umgehen? Zunächst einmal werden wir versuchen zu verhandeln. Der Entgeltvertrag ist ja für eine bestimmte Zeit abgeschlossen worden. Erst wenn er ausläuft, kann gekündigt und neu verhandelt werden. Dagegen bestand für die Arbeitszeittarifverträge und die Zuwendungstarifverträge kein fester Zeitpunkt, zu dem sie auslaufen. Wenn nun ein solcher Vertrag gekündigt wird, gilt er nicht mehr. Aber solange kein neuer Vertrag abgeschlossen wird, gilt der alte für die Bediensteten, die schon zuvor darunter fielen, weiter, es sei denn, es änderte sich irgendetwas Entscheidendes an ihrer vertraglichen Einstufung.
Um es ganz klar zu sagen: Wir wollen natürlich mit den Gewerkschaften neu verhandeln. Unser Ziel ist es, im Prinzip auf eine Wochenarbeitszeit von 41 Stunden zu kommen. Wir werden in Verträgen, die neu abgeschlossen werden, diese Arbeitszeit vereinbaren. Diejenigen, die zum Beispiel in eine andere BAT-Gruppe kommen, können dann auch einen Vertrag mit einer längeren Arbeitszeit erhalten.
Jetzt werden Sie sagen: Wenn man nicht in der Lage wäre – ich will es einmal so ausdrücken –, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen, könnten viele Jahre lang – in der Tat, theoretisch 40 Jahre lang – zwei unterschiedliche Arbeitszeiten nebeneinander gelten. Aber ich bin überzeugt: So wird es nicht kommen. Denn allein durch die Neueinstellungen
und durch Veränderungen in den Verträgen im Zuge von Höhergruppierungen werden in ungefähr fünf Jahren 70 % der Verträge eine Wochenarbeitszeit von 41 Stunden beinhalten. Dennoch glauben wir, dass auf die Dauer kein vertragsfreier Zustand herrschen sollte. Wir bemühen uns – auch zusammen mit den anderen Ländern – um einen neuen Vertrag mit den Gewerkschaften.
Nun zu der Frage, warum wir das gemacht haben. Lassen Sie mich als Letztes erläutern, warum wir glauben, dass die Arbeitszeit auch für die Tarifangestellten und die Arbeiter verlängert werden sollte. Ich nenne hierfür drei Gründe: erstens Gleichbehandlung mit den Beamten, zweitens Haushaltsfragen und drittens grundsätzliche volkswirtschaftliche Fragen, die mit einer längeren Arbeitszeit zusammenhängen.
Zunächst zu dem Thema „Gleichbehandlung mit den Beamten“. Die Beamten werden in der Presse bzw. in den Medien oft schlecht dargestellt. In Wirklichkeit – das muss man einmal sagen – wurden die Beamten in den letzten Jahren von uns in vielerlei Hinsicht besonders beansprucht: Wir haben ihre Arbeitszeit verlängert, wir haben ihnen das Urlaubsgeld gestrichen, wir haben ihnen das Weihnachtsgeld reduziert. Das haben übrigens nicht nur wir getan, sondern alle anderen Länder auch.
Zwei Länder, Bremen und Brandenburg, haben hierzu noch keinen Beschluss gefasst. Aber ich habe gehört, dass sie dabei sind, einen solchen Beschluss zu fassen.
Alle anderen Länder haben einen solchen Beschluss verabschiedet, wobei die meisten sogar weiter gegangen sind als wir, wenn ich das einmal feststellen darf.
Wir meinen nun, es sei schlecht, wenn Beamte und Angestellte, die die gleiche Arbeit leisten, die zum Teil nebeneinander sitzen, verschieden lange Arbeitszeiten haben.
(Abg. Dr. Birk CDU: Sie ist Beamtin! – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Ich wollte nur Zustimmung si- gnalisieren!)
Das zweite Argument sind Haushaltsfragen. Natürlich müssen wir auf mittlere Sicht Kosten sparen, auch Personalkos
ten sparen. Wir haben gestern eine Enquetekommission „Demografischer Wandel“ eingesetzt. Auch diese Kommission wird zu dem Ergebnis gelangen, dass wir in spätestens fünf Jahren Probleme haben werden, qualifizierten Nachwuchs zu bekommen. Deswegen müssen wir mit weniger Menschen die gleiche Leistung erbringen wie bisher. Auch aus diesem Grund erscheint mir die Verlängerung der Arbeitszeit auch aus Haushaltsgründen vernünftig.
Ich höre da manchmal seltsame Aussagen. Heute habe ich die Überschrift „Sicherheitspolitik nach Kassenlage“ gelesen. Auch hört man: „Lehrereinstellung nach Kassenlage“. Ja natürlich nach Kassenlage! Was sollen wir denn machen, wenn wir kein Geld haben?
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Schneider CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)
Als letztes Argument noch die Mehrarbeit. Ich muss Ihnen offen sagen – das ist vorhin schon angesprochen worden –: Das ist eine ganz schwierige Aufgabe, weil natürlich derjenige, der in den letzten 20 Jahren seine Erfahrungen gesammelt hat, der Meinung sein muss: Man schafft dadurch mehr Arbeitsplätze, dass der Einzelne weniger arbeitet, dass die Menschen möglichst früh in Altersteilzeit gehen, möglichst spät anfangen zu arbeiten und möglichst nur 35 Stunden in der Woche arbeiten. Diese Vorstellung ist ebenso einleuchtend wie grottenfalsch. Wenn Sie in Zusammenhängen denken – ich versuche, es in wenigen Sätzen zu begründen –, müssen Sie zugeben: Wir werden dann mehr Arbeit schaffen, wenn wir länger arbeiten.
Ich weiß, dass das nicht so leicht zu verstehen ist. Auch der Arbeitsmarkt ist ein Markt, der von Angebot und Nachfrage abhängt.