Protocol of the Session on November 26, 2003

Nachdem die Regierung – ich sage es noch einmal – draußen Wasser predigt und selber Wein trinkt, muss das hier diskutiert werden. Im Übrigen, Herr Ministerpräsident – weil Sie vorhin so gelacht haben –, gibt es noch andere Beispiele, die uns im Landtag aufregen. Zur Bewältigung der BSE-Krise haben Sie einen Staatsrat angestellt, der sich in der Zwischenzeit gar nicht mehr um dieses Thema kümmert,

(Zuruf von der SPD: Gibt es den überhaupt noch?)

sondern im Grunde genommen mitsamt seinem Apparat Tipps „gesund und vital“ verkauft. Der ist völlig unnötig. Das ist auch eine Position, die irgendwann einmal wegen eines Events geschaffen wurde.

Für die Verwaltungsreform – wobei das gar keine Reform ist – stellen Sie einen ehemaligen Landrat ein. Der kostet uns auch zusätzlich 18 000 € im Jahr. Völlig unnötig! Wir haben doch hoch qualifizierte Beamte. Allerdings widersprechen die Ihnen vielleicht ab und zu einmal, damit die Verwaltungsreform nicht so unsinnig abläuft, wie sie abläuft.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Aber die nehmen Sie nicht. 18 000 €! Im Übrigen finde ich es schon interessant, dass dieser Herr Volle sagt, im Grunde genommen erhalte er eine kleine Entschädigung, die nicht der Rede wert sei. Entlassen Sie einmal den Herrn Volle! Der soll einmal aufs Arbeitsamt gehen und mit Arbeitslosen darüber reden, was die von 18 000 € pro Jahr als Nebenverdienst halten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das dritte Beispiel: Ich habe gehört, Herr Ministerpräsident – das wird noch unter dem Deckel gehalten –, dass die Besoldung der Landräte ab B 7 – ich habe gehört: B-7-Deckel –

(Abg. Oettinger CDU: Bundesrecht!)

gehoben werden soll, wenn die neuen Aufgaben auf die Landkreise zukommen. Man will bloß nicht darüber reden.

(Zuruf von der SPD: Oh ja!)

Wenn das auch stimmt, dann nehmen die natürlich alles auf. Und deswegen sagen wir heute – das hat schon etwas mit dem zu tun, was Frau Dederer angesprochen hat –,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Da kann man die Frakti- onsvorsitzenden mit einbeziehen!)

Herr Döring: Wir sehen, dass in diesem Landtag ständig Koalitionskompromisse zulasten des Steuerzahlers gemacht werden. Inhaltlich setzt sich die CDU durch, und die FDP/ DVP bekommt dann einen Posten. So war das bei der letzten Koalitionsverhandlung, bei der Vizepräsidentin, die wir auch völlig unnötigerweise mitschleppen und bezahlen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das war auch so eine Geschichte, der Sie zugestimmt haben. Sie machen ständig Kompromisse zulasten des Steuerzahlers.

Ich gehe davon aus, dass die Justizreform folgendermaßen ablaufen wird: Die Frau Ministerin kriegt einen Teil ihrer Justizreform, die CDU darf gegen die Privatisierung der Notariate sein, und Minister Döring bekommt den Ministerialdirektor, den er will, und nicht den, den man in Berlin einsparen könnte.

Das ist wieder ein typischer Kompromiss der Koalition zulasten des Steuerzahlers. So läuft es doch, genau so machen Sie das.

(Abg. Hauk CDU: Denk einmal an Unger-Soyka!)

Herr Kollege Hauk, von Ihnen als CDU-Vertreter hätte ich zumindest erwartet, dass Sie hier gesagt hätten: „Das, was die SPD vorschlägt, ist eigentlich vernünftig.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das kann nicht sein!)

Aber wir können dem Vorschlag wegen unseres Koalitionspartners nicht folgen.“ Das wäre ehrlich gewesen, und das ist auch die Situation, die wir antreffen. Leider sind Sie nicht in der Lage, bei Sparbeschlüssen über Ihr Koalitionsdenken hinauszugehen. Deswegen wird Ihre Messlatte „Gerechtigkeit“ von den Bürgerinnen und Bürgern in BadenWürttemberg auch nicht als solche anerkannt.

Ihnen, Herr Kollege Döring, will ich noch sagen: Ich habe einmal gelesen, dass ein Mensch, der fortgesetzten Demütigungen ausgesetzt ist, sich zu einer problematischen Persönlichkeit entwickelt.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und Abgeord- neten der Grünen – Minister Dr. Repnik: Ganz schwacher Abgang!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 13/2641. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 9. September 2003 – Bericht über die Europapolitik der Landesregierung im Jahre 2002/2003 – Drucksachen 13/2400, 13/2523

Berichterstatterin: Abg. Birgit Kipfer

Das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Reinhart.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Zunächst – auch unter dem Aspekt der heutigen Presseveröffentlichungen – eine Vorbemerkung zu dem Hinweis des Kollegen Drexler auf die Haushaltsdisziplin. Wir sprechen über den Europabericht der Landesregierung und über das Thema Europa. Die heutigen Schlagzeilen lauten: „Europa gespalten“, „Niederlage für Europa“, „Eurosünder gehen straffrei aus“. Diese Spaltung und diese Niederlage für Europa hat einen Namen, und der lautet Hans Eichel, Herr Kollege Drexler.

(Beifall bei der CDU)

Ich zitiere wörtlich aus der „Stuttgarter Zeitung“ von heute:

Mit dieser Entscheidung haben die EU-Finanzminister den Eurostabilitätspakt in die größte Krise seiner Geschichte gestürzt.

Das können wir überall nachlesen. Ich darf mich dazu einem Kommentar anschließen, der mit „Kumpanei der Übeltäter“ überschrieben ist – ebenfalls aus der heutigen Ausgabe der „Stuttgarter Zeitung“ –:

Wenn man den Bock zum Gärtner macht, braucht man sich nicht darüber zu wundern, dass er das Gemüse zertrampelt.

Anders ausgedrückt: Wenn die Sünder und potenzielle Sünder über sich selbst zu Gericht sitzen, darf man sich nicht über das wundern, was dabei herauskommt.

Ich meine, nach der gestrigen Entscheidung hätte es RotGrün gerade unter dem Aspekt der Haushaltsdisziplin gut angestanden, sich auf Disziplin zu besinnen und uns nicht mit solchen Debatten hier im Landtag zu überschütten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Zu einem zweiten Thema, Herr Kollege Kretschmann. Frau Kollegin Gräßle wird nachher zu Ihrem Antrag auf Einrichtung eines Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten Stellung nehmen. Aber eines will ich Ihnen vorab sagen: Sie wollen, dass informelle Strukturen und Beteiligungsrechte besser aktiv wahrgenommen werden. Diese Rechte haben Sie doch!

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Sehr richtig!)

Es liegt doch an Ihnen selbst! Ich frage mich: Warum nehmen Sie sie denn nicht wahr? Sie können doch nicht sagen, dass dazu weitere Molochausschüsse nötig seien. Vielmehr können Sie in den bestehenden Ausschüssen schon jetzt alle Rechte wahrnehmen. Ich kann Sie nur dazu ermuntern.

(Beifall bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: Sehr richtig!)

Meine Damen, meine Herren, die Europäische Union steht sicherlich vor den größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Wir werden zeitgleich eine große Erweiterung und Vertiefung der Union erleben. Sie wird derzeit vorbereitet und im Mai kommenden Jahres vollendet. Außerdem werden zehn mittel- und osteuropäische Staaten, die MOEStaaten, bereits 2004 der EU beitreten. Ich denke, dass dies für das Land Baden-Württemberg gut ist; wir sind schließlich das Exportland Nummer 1 in Deutschland. Das ist auch eine Chance, neue Absatzmärkte zu erschließen, und damit birgt es auch Wachstumschancen für die Bundesrepublik und für unser Land Baden-Württemberg in sich.

Ich will einen zweiten Themenkomplex ansprechen. Das ist die Tatsache, dass Ministerpräsident Teufel an zentraler Stelle an der Weiterentwicklung der EU mitgewirkt hat. Als Vertreter des deutschen Bundesrats im Europäischen Konvent hat er sich gerade besonders für die Interessen der Länder und Kommunen eingesetzt. Damit kommt Europa näher zu den Bürgern. Vor allen Dingen war er der Ver

fechter des Grundsatzes der Subsidiarität, den er mit starkem Gewicht vertreten hat.

Meine Damen und Herren, deshalb war auch der EU-Verfassungskonvent der Schwerpunkt der Arbeit der Landesregierung im Bereich der Europapolitik; im Bericht der Landesregierung kommt das deutlich zum Ausdruck. Die Arbeit am Verfassungsentwurf der EU, gerade im Zeitraum von Herbst 2002 bis Herbst 2003, für den dieser Europabericht erstellt wurde, war eines der wichtigen Themen. Und der im Verfassungskonvent erarbeitete Entwurf trägt die klare Handschrift der deutschen Länder. Ich nenne die klaren Kompetenzabgrenzungen und den konsequent eingearbeiteten Gedanken der Subsidiarität mit dem Vorrang der jeweils untersten Entscheidungsebene. Ein Frühwarnsystem bei Verstößen gegen diesen Grundsatz durch europäische Institutionen und ein Klagerecht der Länder über den Bundesrat stützen damit ihre künftige Rolle in dem wachsenden Europa.

Auch das kommunale Selbstverwaltungsrecht ist erstmals in einem europäischen Verfassungsvertrag verankert. Damit ist für die Länder, aber auch für die Kommunen einiges erreicht worden, und man hat damit auch den Gedanken der Subsidiarität, wonach Entscheidungen nach Möglichkeit vor Ort und nahe bei den Menschen getroffen werden, verankert.

Wir haben in der Debatte auch mit Europaminister Dr. Palmer diese Fragen erörtert. Dies war in vielen Staaten ja nicht selbstverständlich, denn viele Staaten sind zentralistisch aufgebaut. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Minister Dr. Palmer und seinen Mitarbeitern Dank und Anerkennung für diesen Europabericht aussprechen.