Protocol of the Session on October 30, 2003

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung:

a) Wie beurteilt die Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit der geplanten Gemeindewirtschaftssteuer insbesondere im Hinblick darauf, dass in den Vorschriften zur Verteilung des Steueraufkommens in Artikel 106 des Grundgesetzes eine Gemeindewirtschaftssteuer gar nicht vorkommt?

b) Trifft es zu, dass das Gesetz zur Reform der Gewerbesteuer bei der Anrechenbarkeit der Gemeindewirtschaftssteuer auf die Einkommensteuer von einem Hebesatz von 350 % ausgeht mit der Folge, dass dies bei einem in der Praxis häufig vorkommenden höheren Hebesatz zu einer Steuererhöhung für die betroffenen Freiberufler führt?

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Das Wort zur Beantwortung der Anfrage erhält Herr Staatssekretär Rückert.

Ich darf die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt beantworten:

Zu Frage a: Aus Sicht der Landesregierung begegnet die geplante Gemeindewirtschaftssteuer keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sehr gut!)

Mit der Ersetzung des Realsteuerbegriffs durch die Begriffe „Grundsteuer“ und „Gewerbesteuer“ durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. Oktober 1997 hat der Grundgesetzgeber deutlich gemacht, dass er den Realsteuercharakter nicht länger als notwendiges Wesens- und Abgrenzungsmerkmal der Gewerbesteuer zu den übrigen in Artikel 106 des Grundgesetzes genannten Steuerarten ansieht. Zugleich sollten dem Gesetzgeber weitere Reformschritte zur Entwicklung neuer Formen der Gewerbesteuer offen gehalten werden. Damit wurde dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt.

Auch die geplante Einbeziehung der freien Berufe in die Gemeindewirtschaftssteuer erscheint verfassungsrechtlich vertretbar. Das Bundesverfassungsgericht versteht den Gewerbebegriff des Grundgesetzes – zum Beispiel in Arti

kel 74 Abs. 1 Nr. 11 des Grundgesetzes – „umfassend“. Zur Gewerbesteuerbefreiung für die so genannten freien Berufe hat das Bundesverfassungsgericht zudem auf die Gestaltungsfreiheit des Gewerbesteuergesetzgebers verwiesen.

Die geplante Gemeindewirtschaftssteuer dürfte also vom objektiven Regelungsgehalt des Gewerbesteuerbegriffs in Artikel 106 Abs. 6 gedeckt sein. Eine Änderung von Artikel 106 Abs. 6 des Grundgesetzes wegen des dort verwendeten Begriffs „Gewerbesteuer“ wäre zwar der Rechtsklarheit dienlich, erscheint aber nicht zwingend erforderlich.

Auf Frage b antworte ich wie folgt:

Zutreffend ist, dass die bei der Gemeindewirtschaftssteuer vorgesehene Anrechnung in Höhe des 3,8fachen Steuermessbetrags bis zu einem örtlichen Hebesatz von 400 % zu einer Vollanrechnung der Gemeindewirtschaftssteuer führt. Dieser „Grenzhebesatz“ ergibt sich deshalb, weil die Anrechnung auf den Solidaritätszuschlag von 5,5 % durchschlägt. Ausgehend von einem vorgesehenen Grenzhebesatz von 380 % ergibt sich unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags der genannte Hebesatz von 400 %.

Dass wir aber die Gemeindewirtschaftssteuer aus anderen Gründen ablehnen, ist bekannt. Die Wieder- und Neueinführung ertragsunabhängiger Elemente nach Jahren deren stufenweisen Abbaus ist keine zukunftweisende Fortentwicklung, sondern aus unserer Sicht ein Salto zurück in die Vergangenheit.

So führt auch die weitgehende Vollanrechnung der Gemeindewirtschaftssteuer auf die Einkommensteuer zu einem unnötigen doppelten Verwaltungsaufwand.

Zusätzlich birgt sie die konkrete Gefahr in sich, dass der Gewerbesteuerhebesatz, der in vielen Gemeinden bisher erfreulicherweise deutlich unter 380 % liegt, in solchen Gemeinden bis zu dem genannten Anrechnungshebesatz angehoben wird und damit de facto zu einer flächenhaften bundesweiten Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze in den Gemeinden führt.

So weit meine Antwort auf die Fragen.

Keine Zusatzfragen.

Dann rufe ich die Mündliche Anfrage unter Ziffer 6 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. M a r t i n R i v o i r S P D – S c h a d e n s r e g u l i e r u n g d e r F o l g e n f e h l e r h a f t e r B S E T e s t s a m U l m e r S c h l a c h t h o f

Herr Abg. Rivoir, Sie haben das Wort zur Verlesung Ihrer Mündlichen Anfrage.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung:

a) Wie gedenkt die Landesregierung bei der Regulierung des Schadens, der durch fehlerhafte BSE-Tests entstanden ist, die durch vom Land zertifizierte und kontrollierte Labors durchgeführt wurden, die Gleichbehandlung der jeweilig betroffenen, im Auftrag des Landes handelnden Kommunen sicherzustellen?

b) Wieso hat die Landesregierung bei einem den Ulmer Gegebenheiten gleich gelagerten Fall in Oberschwaben einem abschließenden Vergleich zur Regulierung des Schadens zugestimmt, eine solche außergerichtliche Regelung aber der Stadt Ulm bislang verweigert?

Das Wort zur Beantwortung der Anfrage erhält Herr Minister Stächele.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Ich will beide Teile der Anfrage gemeinsam beantworten.

Es hat in der Tat bei einem den Ulmer Gegebenheiten ähnlich gelagerten Fall in Oberschwaben einen abschließenden Vergleich zur Regulierung des Schadens gegeben. Aber in dem besagten Fall erfolgte die Beauftragung des betreffenden Labors durch das zuständige Landratsamt. Im Fall des Ulmer Schlachthofs kann eine Schadenersatzpflicht des Landes grundsätzlich nicht in Betracht kommen; hier erfolgte die Beauftragung des Labors durch die Stadt Ulm. Damit hat sich die Stadt Ulm eines Verwaltungshelfers bedient, der bei der Durchführung der BSE-Tests die besagten Fehler gemacht hat.

Nun zur Rechtslage: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung haftet in solchen Fällen für die Fehler diejenige Körperschaft, die dem Verwaltungshelfer, also dem Labor, die konkrete Aufgabe übertragen hat. Die Ansprüche richten sich an unterschiedliche Adressaten, nämlich in dem einen Fall an das Land und im anderen an die Stadt Ulm. Nach der Landkreisordnung ist das Landratsamt, wenn es als untere Verwaltungsbehörde tätig wird, im Gegensatz zum Bürgermeisteramt eines Stadtkreises, Landesbehörde.

An dieser grundsätzlichen Haftungszuordnung soll sich auch mit der Verwaltungsreform im Grunde nichts ändern. Die Stadtkreise erhalten pauschale Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich. Es bleibt der Stadt Ulm unbenommen, die Schadensregulierung entsprechend dem Vorgehen des Landes vorzunehmen. Also auch hier ist die Rechtssituation eindeutig.

Keine weiteren Fragen? – Damit ist diese Mündliche Anfrage beantwortet.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 7 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. B o r i s P a l m e r G R Ü N E – F l u g h a f e n L a h r

Herr Abg. Palmer, Sie haben das Wort zur Verlesung Ihrer Mündlichen Anfrage.

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung:

a) Wie bewertet die Landesregierung das Ergebnis der so genannten Lahrer Unternehmerumfrage zur Nutzung eines möglichen Passagierflughafens Lahr durch die Wirtschaft?

b) Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Ergebnis für die Genehmigung von Passagierflügen am Flughafen Lahr?

Das Wort zur Beantwortung dieser Anfrage erhält für die Landesregierung Herr Staatssekretär Mappus.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Herrn Abg. Palmer wie folgt:

Zu Frage a: Dem Ministerium für Umwelt und Verkehr liegen mittlerweile insgesamt 76 Antwortschreiben von Wirtschaftsunternehmen vor. Davon enthalten 34 Schreiben allgemeine Stellungnahmen, in denen ein Verkehrsflughafen Lahr grundsätzlich befürwortet wird. In den Schreiben werden jedoch keine Angaben zu Flugzielen und zur Zahl von Flügen gemacht, obwohl in der Umfrage ausdrücklich danach gefragt wurde. In 42 Schreiben sind Angaben zu Flugzielen und – zum größten Teil – zur Zahl von Flügen gemacht worden.

Die Genehmigung eines Verkehrsflughafens Lahr wird vor allem aus folgenden Gründen befürwortet: Förderung des Wirtschaftsstandorts, Stärkung der Region, strategische Wachstumsimpulse für den gesamten Wirtschaftsraum, Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, Vorteile für die heimische Tourismuswirtschaft, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen.

In den oben genannten 42 Schreiben wurden konkret 17 innerdeutsche und 80 außerdeutsche Destinationen genannt. Darüber hinaus wurden verschiedene Länder oder Regionen als Flugziele angegeben, zum Beispiel Frankreich, Italien, Naher Osten, Fernost, China, Asien.

Als gewünschte innerdeutsche Destinationen wurden genannt: Berlin, Bremen, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt, Friedrichshafen, Hamburg, Hannover, Köln/ Bonn,

(Lachen des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Leipzig, München, Münster/Osnabrück, Nürnberg, Rostock und Stuttgart.

Als gewünschte außerdeutsche Destinationen wurden zum Beispiel genannt: Amsterdam, Bilbao, Brüssel, Helsinki, Istanbul, London, Madrid, Mailand, Moskau, New York, Paris, Rio de Janeiro, Santiago de Chile, Warschau.

Eine zahlenmäßige Auswertung ist nicht ganz exakt möglich, weil die Angaben der Unternehmen zum Teil unscharf sind. Bei großzügiger Interpretation ergibt die zahlenmäßige Auswertung der Schreiben einen Bedarf von 3 200 innerdeutschen und 2 800 außerdeutschen Flügen. „Flüge“ heißt Ticketbestellungen, nicht Flugzeuge oder Flugbewegungen. Die Ticketbestellungen umfassen erfahrungsgemäß ca. 1,5 Personen. Weitere 600 Flüge konnten wegen unkonkreter Angaben nicht zugeordnet werden. Dabei muss jedoch Folgendes berücksichtigt werden:

Erstens: Ausgeprägte nationale oder internationale Schwerpunkte bei den Destinationen gibt es nicht.

Zweitens: Ein Geschäftsflug wird in der Regel von ein bis zwei Personen durchgeführt. Das Geschäftsreisendenaufkommen liegt nach den Angaben der Unternehmen damit bei rund 10 000 Personen pro Jahr.

(Staatssekretär Mappus)

Drittens: Gewünschte Flüge, zum Beispiel nach Fernost, werden von Lahr nicht angeboten werden können. Derartige Flüge finden nur von so genannten Hubs, zum Beispiel Frankfurt und München, aus statt. Lahr könnte insoweit lediglich eine Zubringerfunktion erfüllen.