Protocol of the Session on May 8, 2003

Nebenbei bemerkt: Sigmar Gabriel hat dem neuen Ministerpräsidenten Christian Wulff nach dessen Regierungserklärung eine konstruktive Zusammenarbeit angeboten und erklärt, die SPD-Fraktion wolle nicht Opposition „um jeden Preis“ betreiben. Daran könnten sich auch die Kollegen der SPD-Fraktion in diesem Hause orientieren und dem Gesetzentwurf zustimmen. Ihre Presseerklärung vom 28. März 2003 zu diesem Thema ging genau in die falsche Richtung.

Aber ich denke, zumal ich unter anderem die Stellungnahme des SPD-Kollegen Nils Schmid zu diesem Thema kenne, dass auch manch einer unserer SPD-Abgeordneten dem

Gesetzentwurf zustimmen wird, auch wenn sie es vielleicht nicht offen sagen können.

(Abg. Fischer SPD: Er sagt es aber immer offen!)

„Manch einer“ habe ich gesagt. Bei ihm begrüße ich das ja. Darum habe ich das auch gesagt.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Er will aber trotzdem sein Geld!)

Ja, sehen Sie, es gibt solche und solche Leute. Mein Sohn zum Beispiel fordert nichts zurück, weil er der Meinung ist, dass die Ausbildung, die er bekommen hat, ihr Geld wert ist.

(Zurufe der Abg. Schmid und Carla Bregenzer SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf zur Erhebung eines Verwaltungskostenbeitrags kommen wir den rechtstechnischen Anforderungen nach, welche der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat.

Es ist bedauerlich, dass die bisherige rechtliche Regelung über Rückmeldegebühren den verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht entsprach. Wir werden dies respektieren. Die Umsetzung der Rückzahlungen hat ja begonnen, auch wenn dies für die jetzige Haushaltslage sehr schmerzhaft ist. Aber vielleicht gibt es noch mehr Leute, die bereit sind, zu sagen, sie verzichteten darauf, weil sie der Meinung sind, dass sie für ihr Geld etwas bekommen haben.

Von der Universität Heidelberg wurde eine Internetseite erstellt, über die man diese Rückmeldegebühren zurückfordern kann. Das wird überall so gemacht. Man kann diese Rückzahlung damit unbürokratisch und schnell durchführen.

Es wurde aber nicht generell gesagt, dass diese verfassungsrechtliche Auslegung pauschal gelte, sondern es wurde ganz klar differenziert. Auch die Urteilsbegründung hat das so gesagt. Es geht eben darum – das muss man auch sagen –, dass die Rückmeldegebühr in die Kulturhoheit der Länder eingestellt ist. Das ist für uns wichtig und entspricht im Übrigen unserer Rechtsauffassung. Wir meinen, dass die Bundesregierung ihre verfassungsgemäße Kompetenz überschreitet, wenn sie hier in die Länderhoheit eingreift. Das war der Grund, warum wir die Klage erhoben haben.

Heute geht es uns darum, den Verwaltungskostenbeitrag in Höhe von 40 € pro Semester rechtlich einzuführen. Nach unserer Auffassung ist das keine unzumutbare Belastung für die Studierenden, denn 40 € pro Semester sind ohne weiteres als Beitrag zu einem Studium zu leisten.

Die Höhe des Beitrags wurde mittlerweile durch viele Erhebungen an einzelnen Hochschulen und Berufsakademien sorgfältig festgelegt. Der Betrag liegt damit auf keinen Fall in einer Höhe, in der er problematisch wäre – im Gegenteil. Dem sollte eigentlich kein langfristig denkender und finanzpolitisch verantwortlich handelnder Politiker widersprechen. Man musste ganz klar sagen, dass man die gut verdienenden Akademiker hier auch entsprechend beteiligen kann. Dies, meine Damen und Herren, ist auch eine Frage

der sozialen Gerechtigkeit. Aus diesem Grunde verstehe ich die SPD in keiner Weise, die immer wieder sagt, Studiengebühren seien sozial ungerecht. Studiengebühren kann man ohne weiteres sozial gerecht staffeln.

Gerade bei PISA wurde immer wieder angesprochen, warum man Kindergartengebühren verlangen kann, aber die Akademiker eben nicht beteiligt. Viele Nichtakademiker müssen Beiträge zahlen. Dabei denke ich gerade auch an den Meisterbereich, in dem man für den Besuch der Schulen immer wieder Gelder bezahlen muss. Das kann man ohne weiteres auch hier im Bereich der Studiengebühren tun.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Die Verwaltungskostenbeiträge sind, wie auch die Langzeitstudiengebühren, richtig. Sie sind genauso richtig, wie man hier vielleicht auch einmal – längerfristig gesehen – allgemeine Studiengebühren sozial verträglich gestaffelt einführen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die „taz“, die ja bestimmt nicht nach der rechten Seite blickt, hat am 21. August 2002 geschrieben: „Studiengebühren sind nicht unsozial.“ Man sollte diesen Artikel sehr gut lesen, denn er räumt auch mit dem Mythos auf, dass die Abschaffung von Studiengebühren mehr zur sozialen Gerechtigkeit beigetragen habe. Das Gegenteil war der Fall.

Es kann statistisch belegt werden, dass die Attraktivität der Landeshochschulen für Studienanfänger unter der Gebührenpflicht für Langzeitstudierende nicht gelitten hat, und auch die Zahl der ausländischen Studierenden ging bei uns nicht zurück, sondern sie hat ständig zugenommen.

Verwaltungskostenbeiträge – das wurde vorhin schon einmal hier erwähnt – sowie auch Rückmeldegebühren erheben auch Niedersachsen – sogar, wie auch schon erwähnt, bereits zu Zeiten einer SPD-Regierung – und auch Berlin.

Man braucht bloß einmal die „Stuttgarter Zeitung“ vom 30. April 2003 zu lesen und wird feststellen, welche Bundesländer weiterhin eine Kostenbeteiligung planen. Alle westdeutschen SPD-regierten Bundesländer sind darunter. Sie sehen also: Wir stehen hier nicht allein.

Dass namhafte Hochschulrektoren auch dieser Meinung sind, ist bekannt und wird auch überall nachzulesen sein. Das gilt sogar für die Grünen. Eine Überschrift in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 31. März 2003 lautete: „Grüne gehen auf Studiengebühr zu“. Also auch Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sitzen bei diesem Thema hier mit in unserem Boot.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Wer den Gesetzentwurf zur Einführung von Verwaltungskostengebühren heute ablehnt, der handelt eigentlich nicht zukunftsgewandt, sondern eher populistisch. Ich bitte Sie daher um eine breite Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bregenzer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen ist der vorläufige Höhepunkt einer unsäglichen Geschichte der Haushaltssanierung zulasten einer kleinen Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, nämlich der Studierenden. Heute, da ein neues Kapitel hinzugefügt werden soll, lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung dieser Geschichte der Beutelschneiderei.

Am 14. Oktober 1996 verkündete Wissenschaftsminister von Trotha den Kabinettsbeschluss, der vorsah, von Studierenden künftig 100 DM für die Einschreibung und die Rückmeldung zu kassieren. Jährlich rund 40 Millionen DM waren ein angeblich moderater Beitrag der Studierenden zur finanziellen Entlastung der Hochschulen. Die Hochschulen, die jetzt die Suppe auslöffeln müssen und Zigtausende von Rückforderungsanträgen bearbeiten, haben davon nach eigenen Aussagen keinen Pfennig gesehen.

Es hieß, bei dieser Gebühr seien das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip gewahrt, und das, obwohl der Landesrechnungshof, Herr Pfisterer, für die tatsächlichen Kosten der Einschreibung und der Rückmeldung maximal 4,26 DM und keineswegs 100 DM errechnet und veröffentlicht hatte.

Zwei Jahre später noch verteidigte der Minister seine Gebühren als angemessen und gerechtfertigt und als vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage erhoben und nötig.

Nach dem Sieg der Studierenden vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hielt die Landesregierung unberührt von der richterlichen Entscheidung an ihrer Einstellung fest, setzte aber wenigstens die Zahlung aus – zwar zähneknirschend, aber immerhin.

Im November 2002 argumentierte ein neuer Wissenschaftsminister – jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht – anders. Die Gebühr – so Herr Frankenberg – werde erhoben, da die Studierenden durch die Immatrikulation und die Rückmeldung in den Genuss einer Vielzahl von Vergünstigungen – Studienberatung, Prüfungen, Zeugnisse, Kindergeld, Studienförderung, verbilligte Eintritte etc. – kämen. Offensichtlich hatte das Ministerium kalte Füße bekommen.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese verkappte Studiengebühr gekippt. Herr Pfister hat ja erfrischend offen deutlich gemacht, dass es eigentlich darum geht, Studiengebühren zu erheben. Sie haben versucht, die Ohrfeige, die Sie vom Bundesverfassungsgericht kassiert haben, dadurch zu verschmerzen, dass Sie heftig auf die Bundesregierung eingeschlagen haben. Das macht aber die Schlappe vor dem Bundesverfassungsgericht nicht besser.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ich habe nur darum gebe- ten – –)

Wenn einem das Bundesgesetz, das 6. Hochschulrahmengesetz, nicht gefällt – Sie haben ja hier in Baden-Württemberg den Weg eingeschlagen, den man geht, wenn einem etwas nicht gefällt –, geht man den Weg vor das Verfassungsge

richt. Ich finde es besonders charmant, dass Sie drei Wochen, nachdem Sie vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert sind, beim Bundesverfassungsgericht einen erneuten Versuch machen. Sie können sich vorstellen, welche Wünsche der SPD-Fraktion Sie auf diesem Weg begleiten; ich nehme an, die Grünen werden sich unseren Wünschen anschließen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Bregenzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Pfister? – Bitte schön.

Frau Bregenzer, nur eine Frage: Ist Ihnen bekannt, dass sich die Vorsitzenden aller 16 sozialdemokratischen Fraktionen der Länder Ende März in Lübeck dem Geiste und zum Teil auch dem Buchstaben nach im Grunde für die Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes ausgesprochen haben, und teilen Sie meine Meinung, dass es gut wäre, wenn sich die SPD-Landtagsfraktion einem solchen Votum anschließen würde? Dann müsste nämlich die Landesregierung gar keine Klage mehr gegen das Hochschulrahmengesetz einleiten.

Sie wissen, dass es da um eine Neuordnung des Föderalismus ging. Darüber diskutieren wir noch ausgiebig und mit allen Konsequenzen. Ich denke, wenn es dann wirklich ans Eingemachte geht, wird es an vielen Stellen Punkte geben,

(Abg. Pfisterer CDU: Ausweichende Antwort!)

wo Sie mit Ihrer besonderen Begeisterung für die Eigenverantwortung wahrscheinlich wieder auf die Bremse treten, weil es darum geht, wer das finanziert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Pfisterer CDU: Ausweichende Antwort wieder!)

Ich habe auch noch kein einziges Bundesprogramm, das Geld von Berlin nach Stuttgart geschickt hat, gesehen, das Sie abgelehnt hätten. Baden-Württemberg hat noch keinen Pfennig abgelehnt mit der Begründung: Wir wollen keine Mischfinanzierung. Solange es Geld gibt, ist die Mischfinanzierung wunderbar. Da gibt es auch kein Problem mit dem Hochschulrahmengesetz und mit Hochschulrahmenprogrammen. Schwierig für Sie wird es nur, wenn es darum geht, vielleicht das eigene Handeln einschränken zu müssen.

Machen wir weiter mit der Geschichte der Beutelschneiderei. Das Bundesverfassungsgericht hat der Landesregierung ins Stammbuch geschrieben, dass eine Gebührenerhebung strengen Regeln unterliegen muss und eine Haushaltssanierung höchstens über eine Beteiligung an Verwaltungskosten möglich sei.

Nach diesem peinlichen und für die Landesregierung überraschenden Beschluss kam hektische Betriebsamkeit auf. Die Hochschulen mussten die Kosten für ihr Verwaltungshandeln erheben, und flugs verkündete der Minister, Studierende verursachten mindestens 120 € Verwaltungskosten pro Semester.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Hört, hört!)

Das, Herr Pfisterer, waren – davon gehen wir zumindest aus – seriös erhobene Zahlen; denn sie waren im Auftrag des Wissenschaftsministeriums von den Hochschulverwaltungen so erhoben worden.

Am 26. März kündigte der Minister an, die Landesregierung wolle rasch einen Gesetzentwurf einbringen – die Landesregierung! –, und zwar mit einem Verwaltungskostenbeitrag von 75 €. 120 € beträgt der Aufwand, 75 € will der Minister – so hat er angekündigt – von den Studierenden haben. Er erweckte den Eindruck, als handle es sich bei dieser Summe um eine seriöse Zahl, einen gerechneten Wert. Wieder war von Angemessenheit und von knapper Haushaltslage die Rede.

Auf den Gesetzentwurf der Landesregierung haben wir vergeblich gewartet. Stattdessen schneite uns am Dienstag letzter Woche ein Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen ins Haus, und innerhalb der nächsten vier Wochen soll dieser durchgepeitscht werden. Dieser Schachzug soll die sonst zwingend notwendige Anhörung der Betroffenen offensichtlich vermeiden.