Protocol of the Session on May 8, 2003

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und der Hochschulgesetze – Drucksache 13/2030

Das Präsidium hat freie Redezeit festgelegt.

Ich wollte jetzt das Wort Herrn Abg. Pfisterer erteilen. Er ist aber noch nicht anwesend. Ich erteile deshalb Herrn Abg. Pfister das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nicht der Abg. Pfisterer, sondern der Abg. Pfister eröffnet also die Debatte zu dem gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU und FDP/DVP, der die Änderung und Zukunft der so genannten Landeshochschulgebühren betrifft. Es ist natürlich so: Immer dann, wenn einer Regierung durch die Rechtsprechung attestiert wird, dass sie ein Gesetz auf den Weg gebracht hat, das verfassungs- oder rechtswidrig ist, ist das eine peinliche Angelegenheit.

(Beifall des Abg. Knapp SPD)

Die Opposition pflegt dann immer von einer „schallenden Ohrfeige“ zu sprechen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Zu Recht!)

Das muss man zur Kenntnis nehmen. Das ist nun einmal so.

Ich möchte Ihnen sagen, Frau Kollegin Bregenzer: Als ich dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März gehört habe, war meine erste Konsequenz, meine erste Reaktion die, zu meinen: Eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt da, mit diesem ganzen Grust von Rückmeldegebühren, von Langzeitstudiengebühren und was sich da alles noch herumtummelt, endgültig aufzuhören und sich dazu zu bekennen, dass diese ganze Gebührenlösung, die wir in der Vergangenheit hatten, eigentlich nur die zweit- oder drittbeste Lösung war und nicht geeignet war, den Hochschulen wirklich auf die Beine zu helfen – auch finanziell auf die Beine zu helfen –, also zu sagen: „Weg damit, das sind alles nur Hilfskrücken“, und zu einer sauberen, ehrlichen Lösung zu kommen, selbstverständlich anstelle dieser Hilfskrücken und nicht obendrauf. Es ist eben die Frage, ob wir uns jetzt in dieser Situation nicht zur Einführung von allgemeinen Studiengebühren bekennen sollten, meine Damen und Herren.

Ich biete Ihnen jetzt an dieser Stelle noch an – ich bin da mit dem Koalitionspartner und mit dem Herrn Minister einig –: Wenn Sie sich bereit erklären, Ihr Hochschulrahmengesetz zurückzunehmen, das uns die Einführung von Hochschulgebühren verbietet, wenn Sie das zurücknehmen und bereit sind, mit uns sozialverträgliche Studiengebühren einzuführen, dann bin ich von meiner Seite aus bereit, den Gesetzentwurf sofort zurückzuziehen. Dazu werden Sie natürlich nicht in der Lage sein. Trotzdem will ich noch einmal sagen: Es wäre der ehrlichere, der saubere Weg. Sie könnten mit den ganzen Hilfskrücken aufhören.

Vielleicht noch einmal, damit das verstanden wird: Wenn ich von allgemeinen Hochschulgebühren spreche, dann spreche ich nicht davon, dass in der Zukunft die jungen Leute die Kosten für ihre Hochschulausbildung selbst tragen sollen, sondern ich spreche von einer Größenordnung von maximal 10 bis 15 % der anfallenden Kosten – nicht insgesamt, sondern maximal 10 bis 15 %. Ich spreche bei Hochschulgebühren auch ganz bewusst von nachlaufenden Hochschulgebühren. Sie kennen dieses Modell: Das sind Gebühren, die vom Studierenden eben nicht während seiner Studienzeit bezahlt werden müssen, sondern erst dann, wenn er erstens sein Studium hinter sich hat,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Wenn er einen Ar- beitsplatz hat!)

zweitens einen entsprechenden Arbeitsplatz hat und drittens ein entsprechendes Einkommen hat. Der Vorteil eines solchen Modells wäre, dass hiermit jegliche Gefahr eines sozialen Numerus clausus vermieden werden könnte. Denn dies ist klar: Bildung ist Bürgerrecht. Und auch in Zukunft muss es so sein, dass junge Leute studieren können, und zwar völlig unabhängig davon, wie dick der Geldbeutel des Vaters oder der Mutter ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Carla Bregenzer SPD: Hehre Worte!)

Sie können heute oder konnten gestern in einer baden-württembergischen Zeitung lesen – das will ich Ihnen nicht vorenthalten: in der „Südwest Presse“ –, wie zum Thema Studiengebühren, Sozialverträglichkeit, soziale Gerechtigkeit von Studiengebühren Folgendes formuliert wird. „Südwest Presse“ vom 7. Mai – ich zitiere –:

Ob als nachlaufende Gebühr, als Darlehen also, oder direkte Gebühr, sie wird kommen. Nicht nur in BadenWürttemberg. Und einiges spricht dafür, dass am Ende gerade jene davon profitieren, deretwegen die allerdings stetig kleiner werdende Schar der Kritiker die bestehende Gebührenfreiheit als unumstößlich hochhält: die sozial Schwächeren.

Meine Damen und Herren, dass ausgerechnet Sozialdemokraten aus sozialen Gründen gegen die Studiengebühren sind, das habe ich eigentlich noch nie verstanden. Aber, wie gesagt, wir sind jetzt in einer Situation, in der wir nicht über allgemeine Studiengebühren reden – aus den bekannten Gründen –, sondern in der aufgrund dieses Urteils schlicht und einfach festzustellen ist: Wir haben eine außerordentlich schwierige Finanzlage. Wir sind durch dieses Urteil in eine schiere Finanznot hineingeraten. Es wird uns überhaupt nichts anderes übrig bleiben, um aus dieser Finanznot herauszukommen.

Das ist der Grund, weshalb wir in diesem Gesetzentwurf nicht von Gebühren sprechen, sondern von einem Verwaltungskostenbeitrag sprechen, der dem Grunde nach auch vom Bundesverfassungsgericht ermöglicht worden ist: aus schierer Finanznot.

Der Verwaltungskostenbeitrag wird jetzt also 40 € je Semester ausmachen. Aber selbst dann, wenn wir diese 40 € einführen, werden wir in unserem Haushalt eine Lücke von 10 bis 11 Millionen € haben, völlig abgesehen von den Rückzahlungen, die wir auch noch bewerkstelligen müssen. Wenn wir diesen Beitrag aber nicht einführen würden, wie Sie das ja fordern, dann würde das bedeuten, dass das Loch im Haushalt nicht 10 bis 11 Millionen € betrüge, sondern eine Größenordnung von an die 25 Millionen € hätte und damit mindestens doppelt so groß wäre.

Meine Damen und Herren, wenn Sie ein Finanzloch in der Größenordnung von 20 bis 25 Millionen € hätten, dann würde dies bedeuten, dass ganz automatisch bei der derzeitigen Haushaltslage dieses Loch, dieses Defizit, den Hochschulen zum Beispiel in Form von globalen Minderausgaben aufs Auge gedrückt würde. Es bliebe überhaupt kein anderer Weg – jedenfalls derzeit –, und das möchte ich nicht. Ich möchte nicht, dass die Finanzsituation an den Hochschulen verschlechtert wird. Deshalb bleibt uns in die

ser Situation kein anderer Weg übrig, als eben diesen Verwaltungskostenbeitrag zu erheben.

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch einmal klar: Es bestätigt, dass die Einführung der Rückmeldegebühr grundsätzlich zulässig war: dem Grunde nach, nicht der Höhe nach. Was übrigens die bisherige Gebühr in der Größenordnung von 100 DM angeht: Das war natürlich keine Zahl, die aus dem hohlen Bauch heraus gekommen wäre, sondern diese Zahl hat sich zum Beispiel an Niedersachsen orientiert, das ja diese Gebühr schon vor uns eingeführt hatte und eine Gebühr in der Größenordnung von 100 DM veranschlagt hatte.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Sie hatten sich an etwas ganz anderem orientiert! – Zuruf: Wer hat da regiert?)

Wer da im Jahr 1997 regiert hat, das wissen Sie. Das brauche ich Ihnen jetzt nicht zu sagen. Aber das ist auch nicht der Punkt. Wir haben uns mit diesen 100 DM jedenfalls an Niedersachsen orientiert.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Ach was! Mär- chenstunde!)

Wir haben uns übrigens auch durch den Landesrechnungshof abgesichert, der von sich aus gesagt hat, der damalige Betrag von 100 DM wäre ein angemessener Betrag für eine solche Gebühr.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Also noch einmal: Unter dem Strich steht: Dem Grunde nach ist eine solche Gebühr – wir nennen sie jetzt Verwaltungskostenbeitrag – richtig und auch erhebbar – das sagt das Bundesverfassungsgericht –, aber nicht der Höhe nach. Das hängt eben damit zusammen, dass diese bisherige Gebühr nicht punktuell auf den reinen Akt der Immatrikulation oder auch der Rückmeldung begrenzt werden darf.

Deshalb stellen wir in diesem Gesetz klar: Wir werden von den Studierenden einen Verwaltungskostenbeitrag erheben, und zwar einen Beitrag zu den Kosten für allgemeine Verwaltungsdienstleistungen, die unsere Hochschulen und Berufsakademien im Zusammenhang mit Immatrikulation und Rückmeldung, Beurlaubung und Exmatrikulation sowie für weitere Dienstleistungen erbringen, die grundsätzlich von jedem Studierenden in Anspruch genommen werden können, also für ihn auch vorgehalten werden.

Andere Bereiche, zum Beispiel der Bereich der Lehre oder auch etwa der Bereich einer fachspezifischen Studienberatung, dürfen für diesen Verwaltungskostenbeitrag ausdrücklich nicht erfasst werden. Wir haben bei der Berechnung dieser 40 € – das wird Ihnen der Herr Minister sicherlich noch im Einzelnen erläutern – wirklich sehr, sehr knapp kalkuliert, ganz bewusst knapp kalkuliert und nur das in die Berechnung einbezogen, was rechtlich absolut wasserdicht ist. Denn wir sind natürlich daran interessiert, jetzt einen Betrag in das Gesetz hineinzuschreiben, der mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Übereinstimmung steht. Insofern haben wir auch die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils erfüllt.

Wie gesagt, meine Damen und Herren: Das ist alles eine sehr zähe, umständliche und vielleicht auch unbefriedigende Situation, und diese ganze Neuordnung befriedigt mich nicht sehr. Mich befriedigt aber sehr, dass die Zahl derjenigen, die eine ehrliche, wirksame und unumgängliche Lösung wollen, nämlich die Einführung einer allgemeinen Studiengebühr, von Tag zu Tag steigt. Der Chor derjenigen, die diese Studiengebühr wollen, wächst an. Das jüngste Mitglied dieses Chores ist übrigens der neue Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Es gibt übrigens auch prominente Sozialdemokraten, die längst erklärt haben, dass sie für Studiengebühren sind. Die Grünenfraktion hat – sowohl die Fraktion hier in Stuttgart als auch die in Berlin – von dieser Stelle aus immer wieder zumindest Sympathie mit dem Modell der nachlaufenden Studiengebühren artikuliert.

Ich will Ihnen aber sagen, was mich an dieser ganzen Diskussion am meisten ärgert. Mich ärgert an dieser Diskussion, dass sie ein Beispiel dafür ist, dass der Bildungsföderalismus, wie er ursprünglich einmal angedacht worden ist, eigentlich ins Gegenteil verkehrt worden ist. Ich verlange von keiner einzigen Hochschule, von keiner Universität und von keinem einzigen Bundesland, dass es von sich aus allgemeine Studiengebühren einführt. Das sollen die Länder und sollen die Hochschulen selbst entscheiden. Aber ich verlange, dass sich der Bund endlich zurückhält mit seiner Gängelei gegenüber den Ländern,

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

dass der Bund es endlich unterlässt, die Länder zu gängeln, und dass er es den Ländern überlässt, ob sie Hochschulgebühren einführen wollen oder nicht.

Deshalb, meine Damen und Herren: Wenn diese Debatte einen Sinn haben soll, sollte man nicht darüber mäkeln, dass das alles nicht sehr optimal gelaufen ist, sondern der Sinn dieser Debatte kann eigentlich nur darin bestehen, dass wir eine ersatzlose Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes fordern.

Wenn ich von einer „ersatzlosen Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes“ spreche, meine ich: Dann müssen Sie alle damit einverstanden sein; denn das entspricht dem Geist von Lübeck, wo sich auch prominente Sozialdemokraten aus allen Ländern, wo sich prominente Vorsitzende aller Fraktionen in beredten Worten für einen neuen Bildungsföderalismus ausgesprochen haben, wo sie sich dafür ausgesprochen haben, dass Mischkompetenzen und Mischfinanzierungen abgebaut werden.

Deshalb noch einmal, meine Damen und Herren: Ich begrüße den Beschluss der Landesregierung sehr, der darauf abzielt, beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen dieses Hochschulrahmengesetz einzureichen. Es muss unser gemeinsames Ziel sein – um solche Dinge, über die wir im Augenblick sprechen, zu vermeiden –, dass der Bildungsföderalismus wieder gestärkt wird und dass die Länder die Politik machen können, die ihnen vernünftig erscheint.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfisterer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinen heutigen Redebeitrag zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und der Hochschulgesetze möchte ich mit einem Zitat beginnen, das für Sie sicherlich von Interesse ist. Dies gilt besonders für die Kollegen der SPD-Fraktion. Ich darf zitieren:

Die Studierenden haben durch das Vorhalten eines Studierendenverwaltungs- und Betreuungssystems, bestehend aus Immatrikulations-, Prüfungs- und Praktikantenämtern einschließlich staatlicher Prüfungsämter, Studienberatung..., Akademischer Auslandsämter usw. einen Vorteil, der es rechtfertigt, sie in Zeiten knapper öffentlicher Ressourcen an den Verwaltungskosten dieser Infrastruktur zu beteiligen.

Das ist ein schwieriger Satz, aber er wurde so geschrieben.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Von wem? – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Ich komme darauf zurück. – Ich zitiere weiter:

Da die genannten Einrichtungen dem Lehrbetrieb nicht unmittelbar zuzuordnen sind, ist der Verwaltungskostenbeitrag keine Studiengebühr, die als Gegenleistung für den Besuch von Lehrveranstaltungen erhoben würde.

Diesen Aussagen stimme ich uneingeschränkt zu, meine sehr geehrten Damen und Herren. Insbesondere in Zeiten knapper Kassen, aber auch grundsätzlich ist es Studierenden – wie anderen Bürgern auch – zuzumuten, sich an Kosten für staatliche Dienstleistungen zum Teil zu beteiligen.

Um auf die soeben zitierten Ausführungen zurückzukommen: Diese Aussagen stammen keinesfalls von einem CDUPolitiker, wie Sie vielleicht vermuten. Diese Aussagen stammen aus einem Gesetzentwurf, den Herr Sigmar Gabriel damals als Fraktionsvorsitzender der SPD im Niedersächsischen Landtag – das ist er heute wieder – unterschrieben hat.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Kein Wunder ist der in die Opposition gekommen!)

Ich darf daher davon ausgehen, dass auch die baden-württembergische SPD-Landtagsfraktion ihrem niedersächsischen Kollegen zustimmt und somit unseren Gesetzentwurf begrüßt und unterstützt.

Nebenbei bemerkt: Sigmar Gabriel hat dem neuen Ministerpräsidenten Christian Wulff nach dessen Regierungserklärung eine konstruktive Zusammenarbeit angeboten und erklärt, die SPD-Fraktion wolle nicht Opposition „um jeden Preis“ betreiben. Daran könnten sich auch die Kollegen der SPD-Fraktion in diesem Hause orientieren und dem Gesetzentwurf zustimmen. Ihre Presseerklärung vom 28. März 2003 zu diesem Thema ging genau in die falsche Richtung.