Protocol of the Session on March 26, 2003

Vielleicht gibt es eine Einigung, wenn dieser Krieg beendet ist. Auch wir hoffen, dass er schnell beendet wird, damit es möglichst wenige zivile Opfer gibt und möglichst wenige Angehörige der Streitkräfte zu Schaden kommen. Je länger der Krieg nämlich dauert, desto größer wird die Gefahr einer humanitären Katastrophe.

Wir sind der Auffassung und für uns steht ohne jeden Zweifel fest, dass nur die Vereinten Nationen der Garant für eine stabile Weltfriedensordnung nach dem Krieg sein können. Das internationale Völkerrecht – das müssen aber auch die Amerikaner akzeptieren – darf nicht durch das Recht des Stärkeren untergraben werden. Wir müssen den Vereinten Nationen und dem Sicherheitsrat wieder die zentrale Rolle bei der Wiederherstellung des Friedens im Irak geben. Das Ziel muss dann sein, den Irak, in welcher Form auch immer, in die Völkerfamilie zu integrieren. Die Europäer – Herr Oettinger, da sind wir vielleicht auch nicht unterschiedlicher Auffassung – müssen sich zu einer einheitlichen Außen- und Sicherheitspolitik durchringen. Die Europäer

dürfen nicht immer nur sagen, was sie nicht wollen, sondern sie müssen einheitlich sagen, was sie wollen, und das muss man auch in der Europäischen Union erarbeiten.

Was uns Sozialdemokraten große Schwierigkeiten macht, ist das Bild, das junge Deutsche jetzt von diesem Amerika bekommen. Wenn Sie mit jungen Menschen reden, dann erkennen Sie, dass sich das Bild von Amerika verändert. Es ist nicht mehr so, wie ich es nach dem Krieg erlebt habe: mit amerikanischer Butter am Überleben gehalten, mit amerikanischen Trucks zu den Pfadfindern gefahren. Ich hatte ein ganz anderes Verhältnis zu diesem Amerika.

(Abg. Alfred Haas CDU: Da sind Sie aber eine Ausnahme in der SPD! – Gegenruf des Abg. Fi- scher SPD: Quatsch!)

Die jungen Leute, die jetzt ein Amerika erleben, das sich nicht nach dem internationalen Völkerrecht richtet, sondern nach dem Recht des Stärkeren, die ein Amerika erleben, das absolut diesen Krieg führen will, die ein Amerika erleben, das wie die Engländer auch sogar – so Leid mir es tut – Beweise gefälscht hat, um nachzuweisen, was Saddam Hussein alles Schlimmes gemacht habe – –

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Das kann man ja hier wohl noch sagen; das können Sie doch nachlesen. – Ein solches Amerika erleben alle jungen Deutschen.

Sie können sehen, dass dies nicht nur Auswirkungen auf die Einstellung der jungen Deutschen gegenüber Amerika hat, sondern dass diese Entwicklung auch Auswirkungen auf die Sympathie gegenüber Amerika in der Bevölkerung insgesamt hat: Vor dem Krieg waren 61 % der Deutschen gegenüber den USA positiv eingestellt, jetzt sind es nur noch 25 %.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das passt Ihnen doch! – Gegenruf des Abg. Fischer SPD: Jetzt hör doch einmal auf!)

Herr Haas, dies ist ein dümmlicher Zwischenruf in einer ernsten Situation. Wenn ich darüber rede, dass mir das Sorgen mache, sagen Sie, es würde uns passen, dass die deutsche Bevölkerung keine Sympathie mehr gegenüber Amerika habe. Das zeigt Ihr ganzes Denken.

(Abg. Teßmer SPD: Das begreift der Haas nicht!)

Sie denken überhaupt nicht, sondern sind voller Aggression. Da sitzen Sie mit Ihrer Borniertheit und denken nicht einmal darüber nach, was die Amerikaner in Bezug auf das Verhältnis zweier Völker zueinander selber angerichtet haben. Darüber spreche ich gerade. Wir müssen alles dafür tun, dass diese Kluft nicht größer wird.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das kapiert der Haas nicht! – Zu- ruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Da wäre es schon ganz gut gewesen, wenn Sie alle mitgeklatscht hätten. Es ist eine große Aufgabe für alle Politiker, dazu beizutragen, dass die Kluft zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Volk nicht größer wird – unabhängig von den Regierungen. Das Verhältnis ist gerade dra

matisch beschädigt, aber nicht wegen der Regierungen der Deutschen oder der Europäer, sondern weil die Deutschen spüren, dass Amerika eine Veränderung seiner Politik vornimmt, dass die USA sich nicht mehr nach der UNO richten wollen. Die USA vollführen einen Paradigmenwechsel in ihrer Politik, und das wollen die Deutschen offensichtlich nicht. Auch die CDU sollte einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Deutschen das nicht wollen, Herr Oettinger.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir wären bereit gewesen, eine gemeinsame Resolution zu unterstützen. Wir bedauern, dass es in diesem Hause nicht zu einer gemeinsamen Resolution gekommen ist. Wir haben auch einen Resolutionsentwurf vorgelegt, der, würde ich sagen, sehr sanft formuliert war, weil wir der Meinung waren, in diesem Krieg wäre es wichtig gewesen, etwas gemeinschaftlich hinzubekommen. Die Unterschiede waren aber nicht zuzukleistern. Wir bedauern das.

Für meine Fraktion erkläre ich zum Schluss – in Übereinstimmung mit den evangelischen und katholischen Kirchen in Baden-Württemberg –, dass wir Sozialdemokraten uns mit denjenigen verbunden fühlen, die für den Frieden eintreten, und nicht auf der Seite derer stehen, die Krieg führen.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Tagen hat ein Krieg im Irak begonnen. Lassen Sie mich zunächst sagen: Unsere Gedanken sind beim irakischen Volk, einem Volk, das über Jahre und Jahrzehnte unter der Terrorherrschaft von Saddam Hussein leiden musste und das jetzt unter diesem Krieg erneut leiden muss – hoffentlich nicht zu lange.

(Beifall der Abg. Dr. Noll und Beate Fauser FDP/ DVP sowie des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Unsere Sorge gilt weiterhin den Soldatinnen und Soldaten, die sich im Einsatz befinden. Wir denken an sie, wir denken an ihre Familien. Dem Schutz und der Sicherheit der in diesen Krisenregionen stationierten deutschen Bundeswehrsoldaten gilt unsere Aufmerksamkeit.

Unsere Aufmerksamkeit gilt ausdrücklich auch den Menschen, die in Deutschland leben und die Ängste und Sorgen haben,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Ängste und Sorgen, die man ernst nehmen muss und die wir ernst nehmen wollen, Menschen, die auch um ihre Sicherheit besorgt sind.

Meine Damen und Herren, der irakische Diktator Saddam Hussein – da sollte man keinen Zweifel aufkommen lassen – ist die Ursache für die eingetretene Situation.

(Beifall der Abg. Blenke und Seimetz CDU)

Saddam Hussein ist nach Überzeugung der Freien Demokraten nicht Opfer, sondern Täter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Er hat gegen 17 Resolutionen der Vereinten Nationen verstoßen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Israel!)

Er hat das Völkerrecht mehrfach gebrochen. Er hat in der Vergangenheit Giftgas gegen seine eigenen Landsleute eingesetzt, und er hat über Jahre und Jahrzehnte hinweg sein Volk mit Terror überzogen. Hätte Saddam rechtzeitig eingelenkt, hätte dieser Krieg vermieden werden können. Auch das gehört zu dem, was heute gesagt werden muss, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir alle, auch die FDP/DVP, haben die Empfindungen des amerikanischen Volkes nach den Anschlägen vom 11. September geteilt. Wir haben verstanden, was unsere amerikanischen Freunde berührt hat. Aber – auch dies will ich ohne Umschweife sagen – ein militärischer Konflikt ohne Beschlussfassung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, ohne Ausschöpfung weiterer Möglichkeiten der Inspektion kann trotz der geschilderten Umstände nicht die Billigung der FDP/DVP finden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Es muss aber – da sind sich alle Redner aller Fraktionen einig, dafür bin ich dankbar – bei der transatlantischen Bindung bleiben. Sie ist für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik unverzichtbar.

(Abg. Dr. Christoph Palmer CDU: Sehr gut!)

Es muss auch bei der Freundschaft mit dem amerikanischen Volk bleiben. Auch das muss in dieser Situation gesagt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Dass jetzt eine gefährliche Situation eingetreten ist – und sie ist gefährlich –, liegt auch an den gescheiterten transatlantischen diplomatischen Bemühungen und an der Unfähigkeit der Europäer zu einer europäischen Politik.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn wir Konsequenzen aus der jetzt eingetretenen Lage zu ziehen haben, dann müssen unsere gemeinsamen Anstrengungen weiteren Fortschritten in der Europäischen Union, dem Aufbau einer eigenen europäischen Sicherheitsund Verteidigungskapazität gelten. Nie mehr darf eine solche Situation eintreten, ohne dass zuallererst, meine Damen und Herren, eine europäische Einigung versucht wird. Wir wollen deshalb gemeinsame Anstrengungen unternehmen und auch alle Anstrengungen, die andere unternehmen, unterstützen, die darauf abzielen, die Europäische Union zu einer stärkeren Initiative zu machen.

Die Vereinten Nationen, insbesondere der Sicherheitsrat dieser Weltgemeinschaft, sind und bleiben trotz allem, was jetzt eingetreten ist, der Ort für gemeinsame internationale Konfliktlösungen. Wer sonst als der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Dr. Christoph Palmer CDU und Marianne Wonnay SPD – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! In diesen Tagen zeigt der Krieg im Irak den Schrecken, den Kriege haben. Auch im Zeitalter lenkbarer Raketen und Bomben gibt es keinen sauberen Krieg. Auf beiden Seiten sind schon jetzt viele Tote und Verletzte zu beklagen. Alles deutet darauf hin, dass der Krieg länger dauern wird, als dessen Planer und Befürworter angenommen haben.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist richtig, ja!)

Meine Damen und Herren, wir sind uns einig in der Verurteilung des irakischen Regimes. Saddam Hussein und seine Schergen gehen seit vielen Jahren buchstäblich über Leichen, um ihre Macht zu erhalten.