Meine Damen und Herren, wir sind uns einig in der Verurteilung des irakischen Regimes. Saddam Hussein und seine Schergen gehen seit vielen Jahren buchstäblich über Leichen, um ihre Macht zu erhalten.
Sie haben Krieg gegen ihre Nachbarstaaten geführt und Massenvernichtungswaffen auch gegen Völkergruppen im Irak eingesetzt.
Das Ziel, den Irak zur Abrüstung zu zwingen, war und ist zweifellos richtig. Die diplomatischen Bemühungen waren auf dem richtigen Wege. Sie waren keineswegs am Ende; sie waren vielmehr erfolgversprechend. Der Druck der Völkergemeinschaft hat zusammen mit den Inspektoren der UN erste Abrüstungsschritte gebracht. Die Bedrohung durch den Irak war im letzten Jahrzehnt sicher niemals so gering wie vor dem Krieg. Deswegen war es zu diesem Zeitpunkt offenkundig nicht gerechtfertigt, diesen Krieg zu beginnen.
Die Entscheidung der Bush-Administration war nicht nur nicht gerechtfertigt, sondern sie kann eine der labilsten Regionen der Welt weiter destabilisieren und gefährdet das weltweite Bündnis gegen den Terrorismus. Ich befürchte deshalb, dass wir nicht nur viele Opfer werden beklagen müssen, sondern dass die Welt insgesamt einen hohen politischen Preis für diesen Krieg wird zahlen müssen. Die Spaltung Europas in dieser Frage, die Verwerfungen im transatlantischen Bündnis und die Schwächung des UN-Sicherheitsrats sind die schon jetzt sichtbaren Schäden dieses Krieges für die internationale Ordnung.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin deswegen der Bundesregierung äußerst dankbar für ihre entschiedene Haltung gegen diesen Krieg.
Und ich bin dankbar dafür, dass sie zusammen mit der Mehrheit der Staatengemeinschaft, den Völkern der Welt und der aktiven Bevölkerung in vielen Staaten versucht hat, zu verhindern, dass dieser Krieg kommt, und alles daranzusetzen, dass der Irak mit friedlichen Mitteln abgerüstet wird. Wenn auch diese Bemühungen jetzt nicht von Erfolg gekrönt waren, so ist damit immerhin verhindert worden, dass dieser Krieg als ein Krieg des Westens, als ein Krieg der Kulturen ausgelegt werden kann. Die politischen Bemühungen von Deutschland, Frankreich und anderen Ländern, die Appelle der großen Kirchen, auch der baden-württembergischen Bischöfe, die andauernden Proteste vieler Menschen und Völker dieser Welt gegen diesen Krieg zeigen auch den jungen Menschen in der arabischen Welt – das ist mir ganz besonders wichtig zu betonen –, dass es Alternativen zum Terror gibt und dass es Alternativen zur Lösung von Konflikten mit Gewalt gibt, die nicht hoch genug eingeschätzt werden können.
Wenn man bedenkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es überall insbesondere junge Menschen waren, die aktiv diese Demonstrationen organisiert und durchgeführt haben, dann habe ich wirklich kein Verständnis dafür, dass das Kultusministerium überhaupt in Erwägung zieht, gegen Schülerinnen und Schüler, die da für den Frieden demonstriert haben, Sanktionen zu verhängen.
Dem kann ich überhaupt kein Verständnis abgewinnen, denn schließlich heißt es in Artikel 16 unserer Landesverfassung, dass die Jugendlichen zur Friedensliebe zu erziehen sind. Wenn sie dann auch einmal in der Praxis zeigen, wofür ihre Herzen schlagen und wofür sie mit ihrem Verstand stehen, bei einer so wichtigen Frage Sanktionen in Erwägung zu ziehen, das kann ich nicht mehr nachvollziehen. Das muss ich wirklich scharf verurteilen.
Wir halten fest: Nur die Vereinten Nationen können auf Dauer Garant für eine stabile Weltfriedensordnung sein. Das internationale Völkerrecht darf nicht auf Dauer durch das Recht des Stärkeren außer Kraft gesetzt werden. Ich darf daran erinnern, dass wir uns damit mit den besten Traditionen Amerikas in Übereinstimmung wissen. Schließlich war es Präsident Woodrow Wilson, der große Präsident der Vereinigten Staaten von 1913 bis 1921, der den Gedanken des Völkerrechts überhaupt entfaltet und mit dem Völkerbund die Vorgängerorganisation der UNO gegründet hat, wofür er im Jahre 1919 den Friedensnobelpreis erhalten hat. Ich darf ihn zitieren:
Staaten müssen in Zukunft von demselben hohen Ehrenkodex beherrscht werden, den wir von Einzelpersonen verlangen,... und die Grundsätze des Völkerrechts müssen Vorrang haben vor den Sonderinteressen der einzelnen Völker. Und die Völker müssen sich auf bestimmte Weise zusammenschließen, um dafür zu
Im Verkehr der Nationen untereinander muss willkürliche Gewalt beseitigt werden. Wir müssen zu dem Denken einer modernen Welt vordringen, dessen Lebenselement der Frieden ist...
Die Bush-Administration hat mit ihrem Vorgehen dem Gedanken des Völkerrechts geschadet, weil sie von vornherein deutlich gemacht hat, dass sie sich dem Votum des Sicherheitsrats nur dann unterwerfen werde, wenn er in ihrem Sinn entscheide.
Jedem von uns ist doch klar, dass es Grundlage von Recht ist, dass wir uns, wenn wir uns an ihm beteiligen, ihm auch unterwerfen müssen. Und ich sage: Wer jetzt mit dem Ziel, den Nahen Osten zu demokratisieren, einen Krieg beginnt und gleichzeitig das Völkerrecht in einer so klaren Weise untergräbt, dass er sich dem Votum eines demokratischen Gremiums nur unterwirft, wenn er es selbst für richtig hält, der muss scheitern.
Noch ein Wort von meiner Seite zur viel diskutierten Frage der Überflugrechte und der AWACS-Einsätze: Klar ist, dass dieser Krieg, vorsichtig gesagt, in einem äußerst gespannten Verhältnis zum internationalen Völkerrecht steht.
Vielleicht könnte man zu dem juristischen Schluss kommen, dass deswegen Überflugrechte nicht gewährt werden dürften. Aber, meine Damen und Herren, dies würde den Graben zwischen uns und den USA noch weiter vertiefen. Es muss klar sein, dass wir Bündnisverpflichtungen haben, dass die Vereinigten Staaten wichtige Verbündete und Partner sind und bleiben.
Deswegen ist die Haltung der Bundesregierung, die Überflugrechte zu gewähren, richtig, zumal es ohnehin undenkbar wäre, sie etwa bei humanitären Flügen zu versagen.
Die AWACS-Besatzung in der Türkei ist nicht vom Krieg tangiert. Dafür haben die USA eigene Aufklärungsmaschinen, wie das ähnlich schon im Kosovo der Fall war. Auch hier kommt die Bundesregierung ihren Bündnisverpflichtungen ernsthaft und verantwortungsvoll nach. Ich fordere die Opposition in Berlin auf, in dieser Frage ihre parteitaktischen Manöver zu unterlassen und zu einer ernsthaften und verantwortungsvollen Haltung zurückzukehren.
Für mich war es ohnehin absolut nicht mehr nachvollziehbar – ich versuche, mich ja auch in das Denken und die Ar
gumentation meines politischen Gegners hineinzuversetzen –, dass die Union nach dem Brüsseler Kompromiss, bei dem militärische Aktionen als letztes Mittel nicht mehr ausgeschlossen wurden, nicht zu einer konstruktiven Haltung in der Außenpolitik zurückgekehrt ist. Das kann ich überhaupt nicht verstehen.
Frau Merkel hat in dieser Frage ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Das ist ganz eindeutig. Sie hätte nämlich nach dem Brüsseler Kompromiss – das war für sie ein weites Tor – darauf einschwenken und sagen können: „Dieser Krieg kann zu diesem Zeitpunkt nicht erklärt werden. Jetzt müssen die Bemühungen von Blix um eine friedliche Abrüstung unterstützt werden. Dann sieht man, ob das von Erfolg gekrönt ist, und dann kann man sich weitere Schritte überlegen.“
Dass die Union das nicht gemacht hat und darauf nicht eingeschwenkt ist, kann wirklich niemand nachvollziehen und verstehen. Damit sind Sie Ihrer außenpolitischen Verantwortung nicht gerecht geworden.
Wir können froh sein, dass in Berlin eine sozial-ökologische Koalition und keine schwarz-gelbe Koalition regiert.
Schon jetzt müssen wir Überlegungen darüber anstellen, was nach dem Krieg kommt und wie der Irak wieder aufgebaut werden wird. Wir werden uns darum bemühen müssen, die in der Europäischen Union entstandenen Risse zu überwinden und endlich und schnell zu einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zu kommen, die ihren Niederschlag in der zu gestaltenden europäischen Verfassung findet. Denn nur ein geeintes Europa kann ein gleichwertiger Verbündeter und Partner der USA sein und wirklichen Einfluss auf das Weltgeschehen ausüben.
Jetzt, mitten im Krieg, muss es vor allem um humanitäre Hilfen gehen. Es bahnt sich eine humanitäre Katastrophe für die irakische Bevölkerung an. Wir haben heute Morgen gehört, dass zum Beispiel die Trinkwasserversorgung in Basra zusammengebrochen ist. Deshalb muss dem UNHCR freier Zugang zu allen Kriegsgebieten ermöglicht werden, damit die Not gelindert werden kann.
Meine Damen und Herren, in diesen Tagen gilt unsere Trauer den toten Zivilisten und Soldaten, unser Mitgefühl den Angehörigen, unsere Sorge allen, die verletzt sind, die Angst um Leib und Leben haben und um Hab und Gut fürchten. Wir hoffen auf ein schnelles Ende des Krieges und müssen alles Mögliche tun, jetzt und beim Wiederaufbau zu helfen.
a) Zweite und Dritte Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushaltsplan von BadenWürttemberg für das Haushaltsjahr 2003 – Drucksache 13/1791
b) Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Haushaltsstrukturgesetz 2003 – Drucksache 13/1763