Protocol of the Session on March 26, 2003

Ohne das Eingreifen der USA im letzten Golfkrieg hätte Saddam Hussein schon längst Nuklearwaffen. Ohne die

Amerikaner hätte sich Srebenica auf dem Balkan mehrfach wiederholt. Ohne die USA wären die Konzentrationslager bei uns noch heute in Betrieb. Paul Spiegel hat sicherlich Recht: Auschwitz ist durch Soldaten befreit worden und nicht durch Friedensbekenntnisse.

Frieden nicht um jeden Preis, Frieden als Ziel. Wir bauen darauf, dass dieser Krieg den Frieden danach stärkt, Menschenwürde herstellt und damit zwischen den demokratischen Staaten im neuen Jahrhundert eine längere Friedenszeit möglich ist, als sie ohne diesen Krieg möglich wäre.

Dieser Krieg dient erstens der Bestrafung eines Diktators, der ein Verbrecher ist und bestraft gehört.

(Abg. Drexler SPD: Das steht nicht in der UNO- Resolution!)

Er dient zweitens der Prävention und Vorbeugung. Dieser Krieg zum jetzigen Zeitpunkt vermeidet mehr Terror und mehr Kriegsgefahr danach.

(Abg. Capezzuto SPD: Ach was! – Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Der Krieg dient möglicherweise der Abschreckung: Weltweit müssen Diktatoren wissen, dass sie Menschenrechte achten sollen und dass Aufrüstung und Stärkung von Terror mit der friedliebenden Weltgemeinschaft nicht zu machen sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben einen Krieg, der unnötig ist, der nicht gerechtfertigt ist, der falsch ist und der völlig überflüssig ist, Herr Oettinger.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Es hätte eine friedliche Alternative gegeben. In der letzten Sitzung des Weltsicherheitsrats hat Hans Blix noch einmal deutlich gemacht, wie viel Zeit er braucht und mit welchen Schritten er möglicherweise noch das finden kann, was er finden soll.

Bisher hat er ja noch nichts gefunden. Ich möchte auch noch einmal sagen, dass von 1991 bis 1998 im Irak nachweislich mehr Massenvernichtungswaffen abgerüstet worden sind, als während des ersten Golfkriegs vernichtet wurden. Das muss man sich einmal vorstellen. Das heißt: Die Waffeninspektoren der UNO waren bis 1998 recht erfolgreich, und sie wären auch jetzt erfolgreicher gewesen.

Sie haben gerade die Weltgemeinschaft erwähnt. Die Weltgemeinschaft wollte keinen Krieg und will keinen Krieg.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Der Irak stand bis zum Beginn des Krieges unter massiver internationaler Kontrolle. Es gab kein Land, das so stark kontrolliert wurde. Jeder Quadratmeter im Irak ist kontrol

liert worden, von oben von den Amerikanern mit Flugzeugen und im Land selbst von der UNO. Nach Ansicht von Hans Blix war die Bedrohung noch nie so gering wie jetzt und der Irak noch nie so schwach wie jetzt. Diese drei genannten Feststellungen hat Hans Blix getroffen.

(Abg. Wieser CDU: Das zeigt sich in den letzten Tagen!)

Was zeigt sich denn in den letzten Tagen? In den letzten Tagen zeigt sich, dass die irakischen Soldaten mit normalen Waffen gegen eine gewaltige Übermacht kämpfen, die mit einer technisierten Kriegsführung alles kaputtmachen kann, was sie will. Das zeigt der Krieg und nicht, dass hier mit Massenvernichtungswaffen gekämpft wird.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Die Destabilisierung der Region beginnt schon. Man hätte ja auch einmal darüber nachdenken können, was passiert. Schauen Sie, was gerade in Jordanien, in Ägypten passiert.

Im Übrigen sollte man einmal darüber nachdenken, dass die Amerikaner in den letzten Monaten ihre Politik verändert haben. Letztes Jahr galt: Es muss abgerüstet werden, die Massenvernichtungswaffen müssen weg; das war die erste Forderung. Im Frühjahr hieß es dann: Saddam Hussein muss weg. Und bei Kriegsbeginn hieß es: Wir bringen jetzt die Demokratie. Das sind drei Paradigmenwechsel.

Im Übrigen sage ich nur: Wer Demokratie bringen wollte, der hätte das dort bei den Ländern, die unter amerikanischem Einfluss stehen, schon längst machen können. In Jordanien, in Saudi-Arabien, in Ägypten,

(Zuruf von der SPD: Kuwait!)

selbst in Kuwait, das im ersten Irak-Krieg befreit wurde, gibt es keine demokratische Regierung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wir sind uns einig mit Millionen von Menschen, mit der Mehrheit des deutschen Volkes, mit der Mehrheit der europäischen Regierungen, mit der Mehrheit des Weltsicherheitsrats: Dieser Krieg wäre nicht notwendig gewesen. Die übergroße Mehrheit der Menschen in Deutschland bringt ihr Nichteinverständnis mit dem Krieg nicht nur in Umfragen zum Ausdruck, sondern auch durch Demonstrationen.

Weil es Demonstrationen gibt, weil es eine falsche Entscheidung gab, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass gerade viele junge Menschen auf die Straße gehen, Schülerinnen und Schüler. Frau Kultusministerin, ich bitte Sie, das unentschuldigte Fehlen in den Schulen nicht mit Sanktionen zu belegen. Wir sollten die Jugendlichen, deren fehlendes Engagement wir sonst so oft in der Öffentlichkeit beklagen, nicht bestrafen, wenn sie in der Frage „Krieg oder Frieden“ Mut und Zivilcourage beweisen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Die klare Aussage der Bundesregierung war: Deutschland beteiligt sich nicht an diesem Krieg. Diese klare Aussage

gilt auch nach wie vor. Diese Festlegung der Bundesregierung drückt natürlich einen Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien auf der einen Seite und Deutschland, Frankreich und Russland auf der anderen Seite aus.

Nun machen auch uns Sozialdemokraten die wichtigen transatlantischen Beziehungen zu Amerika Sorge; gar keine Frage, Herr Oettinger. Nur: Wenn es um Krieg oder Frieden geht, darf man nicht im blinden Gehorsam einem befreundeten Land folgen, wenn es in eine fatale Sackgasse läuft.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Übrigens: So einfach, wie Sie es gezeigt haben, ist es halt nicht. Bis 1990 wurde Saddam Hussein von den Amerikanern massiv unterstützt. Alle Kriege, die er vorher geführt hat, außer dem Kuwait-Krieg wurden von den Amerikanern massiv mit unterstützt, mit Waffen, mit all dem, was eingesetzt worden ist. Das muss man in diesem Landtag zur Wahrheit auch sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin stolz darauf, dass wir bei dieser Meinung geblieben sind: Wir machen nicht mit. Ich glaube, das ist auch ein Ergebnis unserer deutschen Geschichte. Das war eines erwachsenen und sich seiner eigenen Geschichte bewussten Landes durchaus würdig. Ich finde auch, dass der UN-Sicherheitsrat sich würdig erwiesen hat, Herr Oettinger. Denn wir wissen ja alle, dass die nichtständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats massiv unter Druck standen, vor allem durch die Vereinigten Staaten, für einen Krieg zu stimmen. Sie haben alle diesem Druck widerstanden. Ich finde, es gehörte für diese Länder, die sich in sehr großer Abhängigkeit zu Amerika befinden, viel Mut dazu, zu sagen: Zu diesem Krieg sagen wir Nein. Deswegen begrüßen wir auch das Votum des UN-Sicherheitsrats, keine Resolution, die automatisch einen Krieg nach sich gezogen hätte, zu verabschieden. Das war richtig, und das war auch ein Erwachsenwerden der UNO gegenüber der einzigen bisher noch verbliebenen Weltmacht.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Im Übrigen, Herr Oettinger: Wir glauben, dass es jetzt ein ganz anderes Ergebnis geben wird, nicht das, was Sie meinen, dass Schwellenländer jetzt sagen: Wir rüsten ab; das ist ein Zeichen, dass man nicht aufrüsten darf. Ich glaube, es wird gerade anders sein; ich glaube, dass sich Schwellenländer wie Iran und andere gerade jetzt sehr schnell eine Atomwaffe besorgen werden, weil sie sehen, dass derjenige, der wie Nordkorea Atomwaffen hat, trotz all der schlimmen Sachen, die er macht, in Ruhe gelassen wird, während die anderen möglicherweise angegangen werden. Das wird der „Erfolg“ dieser Aktion im Irak sein!

Betroffen macht mich im Übrigen Ihre Haltung: Sie haben heute wiederum herumgeeiert. Sie haben nicht gesagt, ob die CDU jetzt für den Krieg ist

(Abg. Alfred Haas CDU: Nein!)

oder nicht. Das ist aber die Frage, die sich natürlich auch die baden-württembergische Bevölkerung stellt. Mich hat es betroffen gemacht, dass Frau Merkel gesagt hat, die Union – sie sagt aber, sie spreche nur für die CDU – trage das 48-Stunden-Ultimatum der Vereinigten Staaten mit, und auf Nachfrage hat sie angefügt, auch mit allen beinhalteten Konsequenzen. Das heißt für mich: Frau Merkel und die Union sind für den Krieg. Etwas anderes kann ich aus dieser Erklärung nicht ablesen. Wenn Sie aber den Krieg für richtig halten, einen Krieg ohne UN-Mandat, dann können Sie das im Landtag von Baden-Württemberg auch sagen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben sich zwar bis zum Beginn des Krieges laufend geäußert, und zwar in der Weise, dass Sie die Bundesregierung aufgefordert haben, endlich ein klares Bekenntnis zur Unterstützung der USA abzugeben. Aber seit Beginn des Krieges sind Sie schweigsam. Sie sagen nichts mehr. Sie sagen in der Landespressekonferenz, Sie wollten dazu nichts sagen, Sie hätten nicht die richtigen Informationen.

Sie müssten heute der baden-württembergischen Bevölkerung schon sagen, ob der Ministerpräsident des Landes wie Frau Merkel für dieses Ultimatum und damit für die Folgen, für den Krieg ist oder wie der saarländische Ministerpräsident, der jetzt mit seiner Landes-CDU erklärt hat, er sei dagegen, einen Krieg zu führen, der von der UN nicht legitimiert ist, gegen dieses Ultimatum. Das ist heute die Frage. Dazu haben Sie nichts gesagt. Dazu muss nach meiner Meinung auch der Ministerpräsident etwas sagen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Die Frage „Krieg oder Frieden“ ist eine so wichtige Frage, dass man sich da nicht durchlavieren kann – in vielen anderen Bereichen geht das, aber nicht in der Frage „Krieg oder Frieden“ –,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

weder die CDU Baden-Württemberg noch der Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht gibt es eine Einigung, wenn dieser Krieg beendet ist. Auch wir hoffen, dass er schnell beendet wird, damit es möglichst wenige zivile Opfer gibt und möglichst wenige Angehörige der Streitkräfte zu Schaden kommen. Je länger der Krieg nämlich dauert, desto größer wird die Gefahr einer humanitären Katastrophe.