Vorhin ist der mündige Patient angesprochen worden. Ein mündiger Patient und mehr Eigenverantwortung heißt aber doch nicht bloß, dass dieser mehr zuzahlen soll, sondern das heißt eben auch, dass man als gleichberechtigter Partner anerkennt,
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist auch richtig! – Ge- genruf des Abg. Schmiedel SPD: Na also! Was soll denn dann das Gemosere!)
dass dieser auf gleicher Augenhöhe ist und dass er auch Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten bekommt. Deshalb gibt es jetzt auch auf Bundesebene einen Patientenbeauftragten, wie er auf Landesebene als nicht notwendig betrachtet wird.
Das Zweite ist: Wir möchten Patientenquittungen einführen, die zu mehr Kostenbewusstsein und Transparenz führen. Das sind tatsächlich dann auch Aspekte einer demokratischen Teilhabe, damit die Qualität im Gesundheitswesen verbessert und die Eigenverantwortlichkeit der Menschen gefördert wird, Kollege.
Frau Lösch, wenn Sie Patientenquittungen einführen, stimmen Sie mir dann zu, dass es wenig Sinn macht, dass die Ärzte, wie nach derzeitigem Modell, erst ein Dreivierteljahr nach der Behandlung des Patienten überhaupt wissen, was sie verdienen? Wie soll da mit einer Patientenquittung überhaupt etwas funktionieren?
Ja, es ist so. – Wenn wir in Zukunft Patientenquittungen einführen – ich spreche ja von unseren Reformvorschlägen –, werden die auch anders aussehen. Das kann ich Ihnen versichern. Wichtig, und zwar neben Qualität und Beitragsstabilität, ist für uns eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis und auch das Prinzip der Generationengerechtigkeit. Das sind die Punkte, die wir als Grüne auch in die Reformkommission eingebracht haben. Ich begrüße den Auftrag,
den die Kommission zur Reform der Sozialversicherungssysteme gestern bekommen hat. Die Kommission soll Vorschläge für eine nachhaltige Finanzierung und für eine Weiterentwicklung der Sozialversicherungen mit dem zentralen Punkt der Senkung der Lohnnebenkosten, aber auch der Generationengerechtigkeit machen. Nur so kann verhindert werden, dass Politik immer wieder konjunkturbedingt zur Notoperation greifen oder Notprogramme beschließen muss.
Bis zum nächsten Herbst werden die ersten Ergebnisse dieser Kommission vorliegen, und ich freue mich darauf, dann mit Ihnen gemeinsam diese Ergebnisse zu diskutieren.
Noch eine Bemerkung: Notoperation ist nicht Science-Fiction, sondern Realität, und das ist auch kein Einfrieren,
sondern vom Prinzip her eine schnelle Reaktion, damit der Patient nicht stirbt, damit die Versorgung nicht schlechter wird. Andersherum wird ein Schuh daraus: Wir erhöhen jetzt die Beiträge, damit die Versorgung der Patienten nicht schlechter wird. Daher denke ich, dass es eine Notoperation ist, die wichtig ist, damit wir überhaupt in der Lage sind, unsere Reformen durchzuführen. Ich kann Ihnen versprechen: Diese Reformen werden wir nächstes Jahr im Herbst auf dem Tisch haben. Dann können wir sie diskutieren, und dann bin ich einmal gespannt.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Vier Jahre auf das Sterben des Patienten zu warten!)
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 3 abgeschlossen.
a) Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und Antwort der Landesregierung – Schulen in freier Trägerschaft – Drucksache 13/798
b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Berechnungsgrundlagen für die Änderung des Privatschulgesetzes – Drucksache 13/1188
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir Grünen haben die Große Anfrage im Landtag eingebracht, um endlich eine seriöse Bestandsaufnahme der Situation der Schulen in freier Trägerschaft in unserem Bundesland zu bekommen, und wir haben die Große Anfrage eingebracht, um von der Landesregierung bzw. von Ihnen, Frau Kultusministerin, verbindlich darüber Auskunft zu erhalten, ob Sie bereit sind, die Zuschüsse für die
Schulen in freier Trägerschaft endlich so weit anzuheben, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes erfüllt werden.
An verbaler Wertschätzung, meine Damen und Herren, für die Schulen in freier Trägerschaft fehlt es ja nun nicht. Das geht auch aus der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage hervor. Aber es fehlt an den notwendigen Konsequenzen, wenn es um eine transparente, faire und verlässliche Bezuschussung freier Schulen in diesem Land geht.
Für uns Grüne sind Schulen in freier Trägerschaft eine große Bereicherung unserer Bildungslandschaft, einer demokratischen, einer pluralen Gesellschaft. Sie ergänzen und erweitern unser Bildungsangebot. Sie haben eine Schrittmacherfunktion für das staatliche Bildungswesen.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass viele pädagogische Innovationen an unseren staatlichen Schulen aus den Schulen in freier Trägerschaft kommen. Beispiele dafür sind: jahrgangsübergreifende Klassen, der Marchtaler Plan, der Epochenunterricht, das frühe Fremdsprachenlernen oder auch pädagogisch gute Ganztagskonzepte. Das kommt aus den freien Schulen, das kommt aus der Kreativität der Menschen, die dort arbeiten und somit auch eine Bereicherung für unsere staatlichen Schulen sind.
Schließlich – in heutiger Zeit besonders wichtig – sind Schulen in freier Trägerschaft selbstverwaltete Schulen und damit Vorbilder für staatliche Schulen. Denn wir wissen: Wenn wir unsere staatlichen Schulen qualitativ weiterentwickeln wollen – und wir müssen das –, dann müssen Schulen selbstständiger werden, dann muss an den Schulen mehr Verantwortung übernommen werden. Auch insofern können wir uns an den Vorbildern der freien Schulen orientieren.
Wir Grünen fordern deshalb, dass die Vielfalt der pädagogischen Profile der Schulen in freier Trägerschaft nicht eingeschränkt werden darf. Zum Beispiel: An den Waldorfschulen muss auch künftig das Abitur nach 13 Jahren möglich sein.
Wir fordern weiter, dass bei der Novellierung des Privatschulgesetzes eine Experimentierklausel eingeführt wird, sodass zum Beispiel Projekte wie die interkulturelle Waldorfschule, die in Mannheim geplant ist – speziell zur Förderung von Migranten; und dabei kann ja keine Schulgebühr verlangt werden –, auch eine Chance haben, pädagogische Konzepte zu entwickeln, von denen dann auch staatliche Schulen profitieren können.
Meine Damen und Herren, für alle Schulen in freier Trägerschaft gilt aber – und deshalb will ich mich in meinen weiteren Ausführungen darauf konzentrieren –: Das Grundgesetz schreibt ausdrücklich vor, dass eine Sonderung der Schüler nach Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert werden darf. Das heißt ganz konkret: Der Zugang zu Schulen in frei
Die einzigen Einnahmequellen von Schulen in freier Trägerschaft – wenn man einmal von den Kirchen absieht – sind Elterngebühren und staatliche Zuschüsse. Deshalb, meine Damen und Herren, müssen die Zuschüsse bei allen Schulen in freier Trägerschaft so ausgestaltet sein, dass eine sozial verträgliche Gebühr absolut gewährleistet ist.
Diese Verpflichtung zur Ausgestaltung der Zuschüsse wird aber von Ihnen, Frau Ministerin – die Landesregierung trifft ja im Haushalt keine entsprechende Vorsorge –, und auch von den Regierungsfraktionen in eklatanter Weise verletzt. Durch die chronische Unterfinanzierung der Schulen in freier Trägerschaft sind diese mittlerweile in eine extrem schwierige Lage geraten. Sie sind auch gezwungen gewesen, die Gerichte anzurufen. Ich finde es schon ein Armutszeugnis, wenn Schulen gezwungen werden, zu Gericht zu gehen und sich dort auf Klage hin bestätigen zu lassen, dass sie Anspruch auf eine höhere Bezuschussung haben.
Das Verwaltungsgericht Mannheim hat 1997 festgelegt, dass die Elterngebühren maximal 100 € betragen dürfen. Deshalb müssten die Zuschüsse an die Schüler der freien Schulen mindestens 80 % des Deckungsgrades der Kosten eines Schülers an staatlichen Schulen betragen. Aber der tatsächliche Deckungsgrad liegt weit darunter. Er liegt zwischen 50 und 75 %.
Meine Damen und Herren, wir Grünen haben es begrüßt, dass vor den Landtagswahlen eine kleine Kommission der Regierungsfraktionen gebildet wurde, die erstmals versuchte, die Kosten eines Schülers an staatlichen Schulen zu ermitteln, um dann eine seriöse Berechnungsgrundlage ins Schulgesetz zu bringen und das Schulgesetz entsprechend zu novellieren. Leider aber hat sich bislang nichts getan.
Moment, ich komme gleich dazu. – Leider hat sich bislang in dieser Richtung überhaupt noch nichts getan. Das war auch der Ausgangspunkt für unsere Große Anfrage.
Vor allem ist es extrem enttäuschend und im Prinzip auch ein Vertrauensbruch, dass die Kultusministerin in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage ganz lapidar gesagt hat: Es besteht kein Handlungsbedarf für eine Novellierung des Schulgesetzes. Das, meine Damen und Herren, ist enttäuschend, und zu Recht sind die Schulen in freier Trägerschaft in diesem Land empört und fordern, dass hier endlich gehandelt statt nur verhandelt wird.