Protocol of the Session on November 13, 2002

Vor allem ist es extrem enttäuschend und im Prinzip auch ein Vertrauensbruch, dass die Kultusministerin in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage ganz lapidar gesagt hat: Es besteht kein Handlungsbedarf für eine Novellierung des Schulgesetzes. Das, meine Damen und Herren, ist enttäuschend, und zu Recht sind die Schulen in freier Trägerschaft in diesem Land empört und fordern, dass hier endlich gehandelt statt nur verhandelt wird.

(Beifall bei den Grünen)

Inzwischen hat Herr Pfister – Herr Oettinger fehlt leider bei dieser Debatte; ich begrüße es, dass Herr Pfister da ist und sich jetzt auch in diese Debatte einbringt – für die FDP/ DVP-Fraktion einen Vorschlag gemacht, nachdem wir Druck ausgeübt hatten mit unserer Großen Anfrage und mit unseren öffentlichen Forderungen. Ich begrüße seinen Vorschlag, in dieser Legislaturperiode in zwei Stufen die Zuschüsse auf 80 % anzuheben und das Schulgesetz zu novellieren. Ich bin sehr gespannt, wie sich die andere Regierungspartei, die CDU, dazu verhält. Ich bin gespannt auf die Ausführungen der Kultusministerin.

Wir Grünen sind der Meinung, dass die Schulen in freier Trägerschaft nicht als Einsparpotenzial der Landesregierung im Kultushaushalt benutzt werden dürfen, sondern Anspruch darauf haben, fair und gerecht behandelt zu werden. Sie haben als Bestandteil der öffentlichen Schulen Anspruch auf Fürsorge des Landes. Deshalb bitte ich Sie, nicht länger zu verhandeln, sondern jetzt endlich zu handeln.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rudolf.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Mit Trost lässt sich keine Schule organisieren.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist wahr!)

Die Geschichte ist sogar noch ein bisschen länger, als Frau Rastätter sie gerade dargestellt hat.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Unendlich!)

Seit der großen Koalition 1992 bis 1996 hier im Landtag

(Abg. Pfister FDP/DVP: Noch viel länger!)

vielleicht sogar noch länger, das können Sie dann ausführen, Herr Pfister – gibt es das Versprechen, dass die Privatschulen und die Schulen in freier Trägerschaft im Land Baden-Württemberg besser gestellt werden, als es im Moment der Fall ist. Seit diesem Zeitpunkt – ich werde das gleich noch genauer ausführen – hat sich die Situation der privaten Schulen, zumindest der allgemein bildenden, nicht stabilisiert, sondern im Lauf der Jahre durch die Art, wie die Schulen bei uns bezuschusst werden, sogar noch verschlechtert.

Nach dem Grundgesetz und nach dem Privatschulgesetz des Landes Baden-Württemberg hat das Land – sowohl die Regierung als auch das Parlament – eben nicht nur eine Verpflichtung gegenüber den Kindern und Jugendlichen, die in staatlichen Schulen unterrichtet werden, sondern genauso eine Fürsorgepflicht für die Kinder, die Schulen in freier Trägerschaft besuchen, und auch für die Jugendlichen und jungen Menschen, die in beruflichen Schulen und Berufsschulen ausgebildet werden, die ja zum Teil nur in freier Trägerschaft angeboten werden.

Versprechungen machen keine Schule, und mit Versprechungen kann man Jugendliche auch nicht unterrichten. Es gibt einen eigentlich sehr zynischen Witz: Allen steht das Wasser bis zum Hals, nur Heiner ist kleiner. Ich denke, das kann man sehr gut auf die Schulsituation in Baden-Württemberg übertragen: Den öffentlichen Schulen steht das Wasser bis zum Hals.

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Hauk CDU: Das müssen Sie jetzt mal belegen!)

Wir haben immer wieder Diskussionen über die Unterrichtsversorgung. Das kann man in zehn Minuten nicht unterbringen.

(Abg. Hauk CDU: Das wird schwer fallen!)

Ganz bestimmt nicht. Das kann man sehr gut belegen. Die privaten Schulen und die Schulen in freier Trägerschaft sind kleiner, und deshalb stehen sie inzwischen in vielen Bereichen mit dem Rücken an der Wand.

Jetzt gab es diese interfraktionelle Kommission, wie sie genannt wurde, aus einem Mitglied der CDU-Fraktion, das ich gerade nicht sehe – das ist Frau Lazarus;

(Abg. Hauk CDU: Sie ist etwas kleiner, aber sie ist besser!)

Entschuldigung, ich hatte Sie übersehen –, und Frau Berroth. Hinzugezogen wurden das Finanzministerium und das Kultusministerium. Ich habe die Information – und deswegen habe ich für die SPD-Fraktion den Antrag gestellt –, dass zumindest für den allgemein bildenden Teil Ergebnisse vorliegen, wie die Kosten für die Schülerinnen und Schüler berechnet werden.

Wir könnten jetzt eigentlich den zweiten Schritt angehen und eine Novellierung des Privatschulgesetzes und der Finanzierung einleiten. Die FDP/DVP-Fraktion sagt schon immer: „Wir machen mit.“ Aber auch hier hat der Kleinere eben nicht das letzte Wort.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sehen Sie, so ist es!)

Wenn man die Verlautbarungen von Herrn Oettinger und von Frau Schavan in der „Pforzheimer Zeitung“ nachliest, so stößt man auf eine hübsche Aufgabenteilung. Herr Oettinger wünscht sich mehr private Schulen in Baden-Württemberg. Dazu sage ich nur: Er will wahrscheinlich nur sparen. Private Schulen sind im Moment wesentlich billiger als die öffentlichen Schulen, und deshalb wünscht er sich mehr private Schulen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Günstiger, nicht billiger! – Gegenruf des Abg. Fischer SPD: Ja, für den Staat!)

In diesem Fall stimme ich Ihnen zu.

Auf der anderen Seite antwortet Frau Schavan auf die Große Anfrage der Grünen: „Wir haben überhaupt keinen Handlungsbedarf. Die Versprechungen in den letzten beiden Legislaturperioden interessieren mich nicht.“

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Demgegenüber heißt es in der Stellungnahme zu unserem Antrag: „Vielleicht kann man ja noch einmal politisch darüber diskutieren, wenn die Arbeitsgruppe ihre Tätigkeit beendet hat.“ So geht es nicht! Sie können eine Aufgabenteilung vornehmen, wenn Sie darum ringen, Herrn Teufel seinen Stuhl abzujagen. Aber eine Gruppe von Schulen in freier Trägerschaft dazu zu benutzen, beide Teile abzudecken – – Die Spitze der CDU-Fraktion sagt: „Wir machen es“, und von anderer Seite wird gesagt: „Wir machen es nicht.“ So kann man mit Leuten, die verantwortlich ihre Arbeit machen und an den Schulen tagtäglich unterrichten,

nicht umgehen. Ich bin gespannt, welche Antwort Sie heute finden, und ich hoffe, dass wir heute Abend einen Schritt weiter sind.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das Wort erhält Frau Abg. Lazarus.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vor genau fünf Jahren hat Bundespräsident Roman Herzog in einer viel beachteten Rede gefordert – ich zitiere –, keine „Angst vor der Freiheit“ im Bildungswesen zu haben. Diese Freiheit bezieht sich auf Organisationsformen von Schule, aber auch auf Inhalte, Lehrmethoden und Erziehungsziele. Diese Freiheit gilt für öffentliche und für freie Schulen, wobei letztere oft der Vorreiter sind, da sie ihren durch die Verfassung garantierten Freiraum maximal nutzen.

Nach Artikel 7 des Grundgesetzes sind Schulen in freier Trägerschaft zu genehmigen, wenn sie in ihrer Qualität – dazu gehören Lehrerausbildung, Lernziele und Einrichtung – nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach Besitzverhältnissen vermieden wird. Sie müssen „Ersatz“ für bereits bestehende öffentliche Schulen sein. Die Existenz von Ersatzschulen muss durch den Staat gesichert werden.

Soweit die rechtliche Situation. Damit besteht die durchaus berechtigte Frage: Was kostet ein „staatlicher“ Schüler je nach Schulart, und welchen Teil davon braucht eine freie Schule, um ohne Sonderung durch zu hohe Gebühren ihre grundgesetzlich verbrieften Aufgaben erfüllen zu können? Das Bundesverfassungsgericht sieht 80 % als angemessen an. Das ist die Vorgabe. Doch strittig ist immer wieder die Frage: 80 % wovon, und was sind die 100 %?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist der Punkt!)

Die Berechnungsmodelle dafür machen sich in fast allen Bundesländern an Personalkosten fest. Die freien Schulen in Baden-Württemberg haben diese Basis und das Berechnungsmodell seit Jahren in Zweifel gezogen und zumindest auch hinterfragt.

Die eben schon oft zitierte Arbeitsgruppe der beiden Regierungsfraktionen CDU und FDP/DVP hat seit drei Jahren zusammen mit Vertretern der freien Schulen den Versuch unternommen, ein anderes Modell zu entwerfen, das vor allem Transparenz bringt, und zwar sowohl für die Schulträger als auch für die Eltern. Entstanden ist Schritt für Schritt ein so genanntes Bruttokostenmodell. Die Kosten eines Schülers an einer öffentlichen Schule sind in den Ansätzen des Landeshaushalts enthalten: Kosten für Lehrergehälter, Schulverwaltung, Fortbildung und anderes sind daraus zu entnehmen. Dazu kommen noch die Sachkosten, die den Kommunen zum großen Teil vom Staat ersetzt werden.

Trotz einiger notwendiger Pauschalierungen hat es bisher, zumindest für die allgemein bildenden Schulen, in dieser Arbeitsgruppe ein einvernehmliches Ergebnis gegeben. Die Zahlen liegen prozentual etwas unterhalb der im Bericht der Landesregierung genannten Zahlen nach dem bisherigen

Kostenmodell, was natürlich im Hinblick auf die angestrebten 80 % von nicht unerheblicher finanzieller Auswirkung sein dürfte.

Im Augenblick ist die Arbeitsgruppe mit den Berufsschulen befasst und dabei, die Kosten eines Schülers an beruflichen Schulen zu ermitteln. Das ist wegen der Vielfalt der Schulen etwas kompliziert, und wieder sind Pauschalierungen dringend notwendig geworden. Noch gibt es keine exakten Prozentzahlen dazu, aber eines ist sicher: Gerade die beruflichen Schulen erhalten weit unter 80 % und liegen eher im Bereich von 60 %. Deren existenzielle Sorgen sind also wirklich glaubhaft. Deshalb steht in der Koalitionsvereinbarung vom Juni 2001 auch:

Die Privatschulförderung wird im Rahmen des Erforderlichen und Finanzierbaren weiterentwickelt. In die Überlegungen sollen die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeitsgruppe der Landtagsfraktionen von CDU und FDP/DVP, insbesondere zu den Berechnungsgrundlagen, einbezogen werden.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das haben wir reinge- schrieben! Ganz bewusst!)

Ich habe das zitiert, sehr geehrte Damen und Herren, und die CDU-Fraktion hat keinen Grund, von dieser Aussage in der Koalitionsvereinbarung abzuweichen, im Gegenteil.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Die Berechnungsgrundlagen, also das Bruttokostenmodell, sollen in die Privatschulförderung einbezogen werden. Das ist, zugestanden, ein sehr arbeitsaufwendiges Verfahren, da die Erhebungen jährlich völlig neu durchgeführt werden müssen. Aber es ist eben auch ein transparentes Verfahren. Die Zahlen sind für jeden nachvollziehbar und verständlich.

Aus Sicht der CDU-Fraktion hätte dieses Verfahren seinen Platz im Rahmen der Novellierung von § 18 des Privatschulgesetzes, doch es braucht noch eine Menge juristischen Sachverstand, um diese Novellierung dann auch umzusetzen und in Worte zu fassen, denn niemand kann wollen, dass ein Gesetz auf rechtlich wackligen Beinen steht.

Die Koalitionsvereinbarung hat aber ganz klar auch einen finanziellen Aspekt,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ganz eindeutig!)