Protocol of the Session on July 18, 2002

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

serven noch nachhaltiger als bislang zu heben. Und es ist drittens, zuletzt auch in dem Beitrag von Frau Bauer, eine Reihe von Beispielen und Erfahrungen aus den letzten Jahren genannt worden.

Ich werde deshalb auch nicht wiederholen, was sowohl das Wissenschaftsministerium als auch das Kultusministerium sowie das Sozialministerium in der Stellungnahme zu dem Antrag beschrieben haben. Das konnten Sie nachlesen.

Ich will mich auf die Feststellung konzentrieren, dass wir im gesamten Bereich der Schule jetzt eine Reihe von Jahren mit Modellversuchen hinter uns haben. Ich stimme all denen zu, die sagen, es gehe jetzt nicht nur wieder um neue Modelle, sondern darum, die Erfahrungen von Modellen in die Fläche zu bringen.

Die wichtigste Erkenntnis bei diesen Modellen, die sich auf Unterricht beziehen, auf Interessen und damit verbundene Wahlen bei Schülerinnen, besagt, wir sollten nicht vorrangig nur die eine oder andere Fördermaßnahme versuchen, sondern Unterrichtskultur, Lernkultur muss sich verändern, sodass der unterschiedliche Zugang von Jungen und Mädchen vor allem in der Sekundarstufe I stärker berücksichtigt wird. Deshalb sind in meinen Augen die Veränderungen in den Bildungsplänen die entscheidenden Schritte. Es geht um eine stärkere Verankerung der Naturwissenschaften in der Grundschule, Stichwort Fachbereich Natur und Kultur. Das ist eine prägende Phase. Hier setzt sich nicht selten schon die Vorstellung fest, dass sich Begabung vor allem an sprachlicher Begabung festmacht, weshalb übrigens bis heute nicht selten im Gymnasium den Eltern besonders begabter Jungen und Mädchen gesagt wird, bei besonderer Begabung komme am ehesten der sprachliche Zug infrage und nicht der naturwissenschaftliche. Das ist der zweite wichtige Punkt.

Deutschland unterscheidet sich von manchem anderen europäischen Land auch dadurch, dass es bei uns noch immer manchen schwer fällt, Technik und Naturwissenschaft als Teil der Kultur zu sehen und Kultur und alles, was damit verbunden ist, nicht woanders einzuordnen. Deshalb wollen wir, in der Grundschule beginnend, durchgängig ein Konzept für Naturwissenschaften und Technik, das einen stärker anwendungsorientierten Unterricht bedeutet. Die Beispiele sind genannt worden. Die Naturphänomene und das naturwissenschaftliche Praktikum sind Beispiele dafür.

Wir wollen zweitens eine stärkere Zusammenarbeit der Naturwissenschaften. Denn auch hier gilt: Generell wählen in Deutschland überhaupt nur 10 % der Schülerinnen und Schüler im Gymnasium einen Leistungskurs in Naturwissenschaften. Die Mehrheit der Jungen wählt Physik, und in der Biologie sitzen mehrheitlich junge Frauen. Das ist ganz deutlich geschlechtsspezifisch aufgeteilt. Hier soll aber in der Sekundarstufe I ein stärkeres Zusammenwirken der Naturwissenschaften erreicht werden, zum Beispiel im Fach „Naturwissenschaft und Technik“, sodass dann auch für späteres Wählen von Neigungs- und Profilfächern möglicherweise Verschiebungen möglich sind. Also vom inhaltlichen Ansatz, von den Methoden her soll ein stärkeres Gewicht auf die Anwendung, auf das Verstehen gelegt werden. Physikunterricht soll nicht nur an der Tafel, sondern auch mit einem praktischem Anteil stattfinden.

In der Realschule wird es nicht mehr zu der Unterscheidung von „Mensch und Umwelt“ und „Natur und Technik“ als Alternativen kommen, sondern in einer bestimmten Klassenstufe werden diese Fächer gemeinsam unterrichtet, sodass alle diese Fächer nicht nur als Wahlfach haben, sondern auch hier eine Verstärkung der naturwissenschaftlichen Grundbildung erfolgt.

Der letzte Punkt: Im schulischen Bereich sind mit der Einführung der Kontingentstundentafel auch andere Gruppenbildungen möglich, und damit wird dies auch an den Schulen, die die Einrichtung geschlechtsspezifischer Gruppen für sinnvoll halten, möglich sein. Ich halte es durchaus auch in diesem und jenem Fall für einen möglichen Weg, zu sagen: Hier wollen wir eventuell auch jahrgangsübergreifend darauf Rücksicht nehmen.

Frau Berroth hat den Mädchentechniktag genannt. Er ist ein Beispiel für eine Reihe von Initiativen im Bereich der Berufserkundung. Ich denke, der nächste Schritt nach der stärkeren naturwissenschaftlichen und technischen Grundbildung in den Schulen ist dann die Frage der Berufswahl. Da gibt es noch eine große Kluft zwischen dem, was wir gesellschaftlich wollen, und dem, was Eltern Mädchen raten. Eltern sind mit ihren Ratschlägen am nachhaltigsten im Hinblick auf die konkrete Berufswahl, sodass solche Initiativen, wie genannt, wichtig sind.

Ich gehe kurz auf den Hochschulbereich ein. Ich glaube, wir sollten schon feststellen, dass Baden-Württemberg zum Beispiel eine Vorreiterrolle übernimmt, indem es bei der leistungsbezogenen Mittelvergabe im Hochschulbereich ein Element genau im Bereich der Frauenförderung sieht. Das ist ein wichtiger Punkt.

Zweitens will ich darauf hinweisen, dass jetzt für die Frauenförderprogramme im Bereich des Wissenschaftsministeriums jährlich 3,9 Millionen € zur Verfügung stehen und damit eine Menge konkreter Förderprogramme realisiert werden können.

Allerdings muss man als kritischen Punkt schon auch die Frage nennen, wie sich die Juniorprofessur auswirken wird, wenn die Habilitation wirklich wegfallen sollte. Sie wird die Situation für die Frauen erschweren, weil mit der Juniorprofessur eine Lehrverpflichtung verbunden ist. Das heißt, die Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses passiert über die Verbindung von Stelle, damit verbundenem Deputat und wissenschaftlicher Leistung, während die Habilitation nicht an eine Lehrverpflichtung gebunden ist. Es ist auch durchaus noch immer im Gespräch, wie weit man hier nicht doch mehr Varianten ermöglichen soll, als es jetzt der Fall ist.

Kurzum: Wir haben die Phase der Modelle beendet. Wir gehen im schulischen Bereich auch nicht mehr über den Weg gleichsam einzelner Frauenfördermaßnahmen oder Mädchenfördermaßnahmen, sondern wir werden in der nächsten Phase, die jetzt mit den Bildungsstandards und den neuen Profilen auch im beruflichen Gymnasium begonnen wurde, das Wissen, das wir in Modellen erworben haben, in die Fläche bringen. Nachdem die Schulen ja künftig auch technisch vernetzt sein werden, sollten wir dann auch ein bisschen mehr Buch darüber führen, wie

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

sich das auswirkt, wie das Wahlverhalten bei den Neigungs- und Profilfächern ist, wie das Wahlverhalten im Bereich der beruflichen Gymnasien ist, sodass wir in einigen Jahren noch einmal resümieren können, wie weit sich eine veränderte Unterrichtskultur auch auf tatsächliches Wahlverhalten der Frauen auswirkt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Schmidt-Kühner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin eine MINT-Frau. Ich bin nämlich Mathematikerin mit einem Aufbaustudium Informatik und arbeite in einem Ingenieurbüro. Wer kann aus eigener Betroffenheit besser beurteilen, wie die Situation für Ingenieurinnen und Frauen aus dem MINT-Bereich ausschaut, als ich? Ich will auch gar nicht alles wiederholen. Aber Frau Schavan, wenn wir heute sagen, die Frage der naturwissenschaftlichen Ausbildung an den Schulen sei nur die Voraussetzung dafür, dass Mädchen auch stärker Interesse daran bekommen, ihr Berufsfeld in Ingenieurwissenschaften und Technik zu suchen, dann müssen wir natürlich auch weiter diskutieren, was an den Hochschulen beim Eingang konkret getan werden muss, damit die Schwellenängste, die junge Frauen beim Übergang auf die Hochschule haben, insbesondere bei Ingenieurwissenschaften, Maschinenbau und Elektrotechnik, überwunden werden. Dazu haben wir bis jetzt noch nichts gehört. Da ist auch nichts vorhanden.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin der Meinung, dass wir uns gemeinsam hinsetzen und überlegen sollten, wie wir es für uns und die jungen Frauen erreichen können, dass diese Schwellenängste überwunden werden.

Dazu gehören etliche Maßnahmen, die auch im Bereich der Hochschulen zu suchen sind: was die Ausgestaltung der Studiengänge betrifft, was die Frauensommeruniversitäten betrifft, was Mentorinnenprogramme betrifft und ähnliche Dinge mehr. Es gibt ja Vorschläge von der Bund-LänderKommission in dieser Richtung, die wir für Baden-Württemberg auch realisieren müssen.

Ich halte es auch für notwendig, wenn hier in diesem Lande über die Frage von Werbung für die IT-Branche oder auch für den Ingenieurberuf diskutiert wird, dass man dann sehr gezielt und sehr genau auch die jungen Mädchen anspricht, in dieser Richtung aktiv zu werden.

Ich will die Diskussion am heutigen Nachmittag nicht unnötig ausdehnen. Ich schlage vor, die beiden vorliegenden Anträge an die Ausschüsse zu überweisen, und zwar sowohl an den Schulausschuss wie an den Wissenschaftsausschuss, sodass wir uns dort noch einmal ausführlich mit der jeweiligen Situation auseinander setzen können und noch einmal ausführlicher darüber diskutieren können. Dann kann ja herauskommen, dass man unter Umständen an dieser Stelle auch ein gutes Programm findet.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung. Sie haben gehört, dass beantragt wird, den Antrag Drucksache 13/182 und den Antrag Drucksache 13/1185 an den Wissenschaftsausschuss und federführend an den Schulausschuss zu überweisen. Sie stimmen der Überweisung zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Anspruch und Wirklichkeit Agrarwende der rot-grünen Bundesregierung Drucksache 13/362

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Umbau der Landwirtschaft in Baden-Württemberg zu mehr Verbraucherschutz, Tierschutz und Regionalisierung der Lebensmittelvermarktung Drucksache 13/543

c) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Förderung regionaler Absatzmärkte für die baden-württembergische Landwirtschaft; hier: Gemeinschaftspflege Drucksache 13/606

Wem darf ich für die CDU-Fraktion das Wort erteilen? Herr Abg. Traub, Sie erhalten das Wort.

Einen Moment noch, Herr Traub. Hierzu sind noch zwei zusätzliche Anträge aufzurufen, nämlich der Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/1196, sowie der Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/1197.

Bitte schön, Herr Traub.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich möchte in aller Kürze auf die zuvor vom Herrn Präsidenten aufgerufenen Initiativen eingehen und zusammenfassend feststellen: Die rot-grüne Bundesregierung in Berlin hat seit 1998 die Rahmenbedingungen im Agrarbereich entscheidend beeinflusst

(Abg. Walter GRÜNE: Positiv!)

das kommt, ja und damit die Landwirtschaft auf den verschiedenen Ebenen enorm belastet, Wettbewerbsverzerrungen herbeigeführt und damit den Bauern insbesondere den Bäuerinnen und Bauern in Baden-Württemberg Höchststrafen auferlegt.

Dabei sind zwei Bereiche rot-grüner Sündenfälle zu unterscheiden: zum einen die Belastung unserer Bauern durch Haushaltskürzungen oder wirtschaftliche Zusatzlasten und zum anderen die Wettbewerbsverschlechterungen, mit denen unsere Landwirte gegenüber ihren europäischen Konkurrenten durch deutsche Alleingänge, durch Produktionsvorschriften belastet werden.

Lassen Sie mich zunächst kurz auf den ersten Punkt eingehen: Haushaltskürzungen, wirtschaftliche Zusatzbelastungen.

Die Belastungen in der Landwirtschaft insgesamt resultieren aus den Beschlüssen zur Agenda 2000. Beim Berliner Gipfel im Frühjahr 1999 hat der Bundeskanzler leichtfertig gegen die deutschen Bauern, gegen die Familien entschieden. Im Verlauf der Verhandlungen zur Agenda wurden von Rot-Grün weder wesentliche Anliegen der deutschen Landwirtschaft durchgesetzt, noch wurde die deutsche Nettozahlerposition verbessert.

Mit der Umsetzung der Agenda sind jährliche Einkommensverluste von über 100 Millionen € verbunden. Trotz BSE, anderer Krisen und vielem mehr hat Berlin insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, durch das Haushaltssanierungsgesetz und mit der Anwendung verschärfter Standards bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht die Wettbewerbskraft der deutschen Landwirtschaft zusätzlich geschwächt. Ich will nur noch einmal in Erinnerung rufen: Die Steuerentlastung durch die Absenkung der Vorsteuerpauschale belastete die baden-württembergischen Bauern von 1999 bis 2001 mit ca. 66 Millionen €.

Entlastungsgesetze gab es auch; ich will das fairerweise sagen. Allerdings stellten diese lediglich wieder die Rechtslage her, die vor 1998 bestanden hatte. Von Weiterentwicklung in der Agrarpolitik also keine Spur.

Die Einführung der Ökosteuer 1999 bürdete weitere Lasten von 24 Millionen € in der Endstufe auf. Die Last der Ökosteuer auf Mineralöl betrug 1999 bis 2000 rund 28 Millionen €, von denen ein erheblicher Teil auf die Gartenbaubetriebe entfällt.

Nun zu einem weiteren dicken Hund; ich muss das einfach so formulieren.

Bei der Mineralölsteuer wurde durch das Agrardieselgesetz ab 2001 ein einheitlicher Steuersatz festgeschrieben. Das Ergebnis: 28 Millionen € Mehrbelastung. Im Gegenzug wurde die Gasölverbilligung abgeschafft Einmalbelastung im Jahr 2000 16 Millionen €.

Lassen Sie mich nun, wie vorhin gesagt, zum zweiten Bereich der rot-grünen Sündenfälle im Landwirtschaftsbereich kommen, den Wettbewerbsverschlechterungen für unsere Landwirte gegenüber den europäischen Konkurrenten durch deutsche Alleingänge.

Von den Bauern wird einiges noch schlimmer empfunden das ist ein ganz wichtiger Punkt als die zusätzliche Steuerbelastung. Das ist die sinnlose Aufblähung der Bürokratie. Ich darf Ihnen das, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, kurz am Beispiel des Gasölantrags für unseren Hof daheim erklären.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Nein, Herr Kollege Kretschmann. Jetzt müssen Sie gut zuhören.

Seit 20 Jahren war für eine Agrardieselverbilligung lediglich ein einziges Blatt Papier mit Rückseite auszufüllen.