Sehen Sie sich einmal die erneuerbaren Energien im Strombereich an: Es gibt 16 000 Windenergieanlagen in Deutschland – bei uns gerade einmal 250, weil Sie diese Entwicklung systematisch behindert haben. Der Anteil des Stroms aus Solaranlagen und aus der Windkraft beträgt in BadenWürttemberg 0,3 %. In ganz Deutschland macht allein die Windkraft fast 6 % aus. Was soll dann das Theater, das Sie hier aufführen? Sie investieren gerade einmal in die Große Wasserkraft, und nicht einmal die haben Sie im Bundestag unterstützt. Sie wurde von der rot-grünen Bundesregierung durchgesetzt. Herr Müller, Sie wissen das doch. Sie haben doch in Ihrer Bundestagsfraktion noch dafür geworben, dass zugestimmt wird. Es ist nicht gemacht worden.
(Abg. Schmiedel SPD: Genau! Arbeiten! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Nein, nicht setzen! Aufste- hen, etwas tun!)
und setzen Sie um, was in dem Gutachten steht, und zwar schnell. Herr Müller, es genügt nicht, nur zu sagen: „Mit uns können Sie erneuerbare Energien unterstützen, Energie einsparen und Energieeffizienz erreichen.“ Sie machen es nicht! Wenn Sie es wenigstens tun würden, könnte man noch sagen, das sei ehrlich. Aber Sie tun es nicht, und wir liegen meilenweit hinter den Zielen zurück.
Eine Frage will ich auch noch beantworten. In unserem baden-württembergischen Umweltplan steht, dass wir jetzt nur noch 70 Millionen Tonnen CO2 emittieren dürfen. Wir emittieren 79 Millionen Tonnen, 9 Millionen zu viel, obwohl wir 55 % Atomstrom haben. Sie erreichen nicht einmal mit der Kernkraft die Klimaenergieziele, die Sie beschlossen haben. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will die allgemein bekannten Positionen zum Thema Kernkraftnutzung und zum Sinn oder Unsinn eines Ausstiegs aus der Kernkraft nicht beleuchten. Sie sind allen bekannt. Ein deutscher Exportschlager ist der Ausstieg allerdings nicht; das ist richtig.
Ich setze auch als bekannt voraus, dass in der Zwischenzeit über alle Parteien hinweg grundsätzliche Übereinstimmung besteht, dass die erneuerbaren Energien zu forcieren sind
und dass diese nicht nur die Nutzung fossiler Energieträger, sondern auch die Atomkraftnutzung ablösen werden. Da besteht doch Übereinstimmung.
Ich möchte mich konkret zu dem äußern, was die EnBW zu beantragen beabsichtigt, nämlich die Verlängerung der Laufzeit von Neckarwestheim I. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie, die Grünen, das ablehnen. Ich sage das nicht von oben herab: Nachdem Sie nicht mehr Regierungsverantwortung in Berlin tragen, ist das nicht mehr so wichtig. Wichtig ist die Stellungnahme der SPD. Auch Sie lehnen das ab. Ich kenne zudem die Haltung der SPD auf Bundesebene. Dort wird gesagt: Die Schlachten sind geschlagen; daran wird nicht mehr gerüttelt. Ich kenne auch den Koalitionsvertrag. Da hat man die unterschiedlichen Positionen zur Kenntnis genommen. Im Übrigen bleibt es beim Gesetz und beim Vertrag. Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten; das ist überhaupt keine Frage. Es geht also mit Sicherheit nicht um den Ausstieg aus dem Ausstieg, und das ist auch nicht das Problem.
Das Problem, das ich als eine rot-grüne Erblast bezeichne, ist im Grunde genommen nicht der Ausstieg, sondern das Problem ist, dass Sie keine exakte, zeitlich messbare, belastbare Nachfolgeregelung getroffen haben.
(Abg. Drexler SPD: Doch! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Wie soll denn das im liberalisierten Strom- markt funktionieren? – Abg. Boris Palmer GRÜ- NE: Sie sind doch sonst für den Markt!)
Wir brauchen deshalb ein Gesamtkonzept, wie es jetzt auch durch die Bundeskanzlerin angedeutet worden ist. Ich erwarte nicht, dass sich auf dem Energiegipfel, der in Berlin Anfang April, kurz nach den Landtagswahlen, stattfinden soll, große Änderungen ergeben. Das ist noch zu früh. Aber ich erwarte schon, dass längerfristig die europäische Entwicklung bei diesem Thema, was Preisentwicklung, Versorgungssicherheit und auch die Entscheidungen der anderen europäischen Staaten anbelangt, auch die Sozialdemokraten in Berlin mehr und mehr zum Nachdenken führen wird. Da bin ich sicher.
Sie sind ja schon von drei sozialdemokratischen Abgeordneten aus dem EU-Parlament angegangen worden, die gesagt haben: Bitte, liebe Genossen in Berlin, überdenkt das! Die sehen das aus europäischer Sicht.
Wir werden dazu natürlich Brücken bauen müssen. Die Brückenfunktion ist ganz eindeutig, dass wir sagen: Nehmt die Gewinnerträge nicht zur weiteren Gewinnmaximierung, sondern nehmt diese Milliardenbeträge, wie Sie gesagt haben, und setzt sie ein für Energieeffizienz und für den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien.
Sie wissen doch: Selbst in sozialdemokratischen Kreisen – das können Sie im Internet nachlesen – spricht man bereits von einer strategischen Allianz zwischen verlängerter Atomkraftnutzung und Ausbau der erneuerbaren Energien. Vahrenholt sagt, es wäre Unsinn, jetzt zunächst wieder in Gas und Kohle einzusteigen, um dann auf erneuerbare Energien umzusteigen, und fordert: Macht das in einem Schritt!
Man spricht auch weiter von dieser Brückenfunktion und von einer „Koalition auf Zeit“. Ich gehe jede Wette ein: Das wird Gegenstand des Energiegipfels sein.
Es werden keine großen Würfe zu erwarten sein – das kann man bei einer großen Koalition auch gar nicht erwarten –, aber es werden meines Erachtens weitere Schritte erfolgen. Die Frage, ob man Restlaufzeiten von jüngeren Kernkraftwerken auf ältere überträgt,
ist keine Frage des Koalitionsvertrags. Diese Übertragung ist ja heute schon möglich. Obrigheim ist Pate dafür; da hat man das schon gemacht. Man wird über diese Frage mit Sicherheit nachdenken.
Ich möchte in dieser ersten Runde sagen: Ich glaube nicht, dass die Bundeskanzlerin, die eine Laufzeitverlängerung ja vor der Wahl für absolut notwendig erklärt hat und dies übrigens auch nach ihrem Amtsantritt noch einmal bestätigt hat, sich darauf beschränken wird, gewissermaßen „bella figura“ zu machen, um im Übrigen sozialdemokratische und rot-grüne Politik 1 : 1 fortzusetzen. Das wird sie nicht tun.
Ich darf abschließend sagen: Der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer hat heute Morgen in meiner Kreiszeitung, die ich morgens immer lese, gesagt, die Bundeskanzlerin übernehme immer mehr sozialdemokratische Verhaltensweisen. Dadurch werde sie über ihre Partei hinaus beliebter, und diese Beliebtheit schütze sie gewissermaßen in der eigenen Partei.
Ich sage Ihnen: Sie täuschen sich in dieser Bundeskanzlerin. Sie wird in diesem Punkt Handlungskompetenz zeigen. Ich glaube, das wird nicht einmal so schwer sein, nachdem sich die sozialdemokratischen Fronten dort sowieso aufweichen. Deshalb unterstützen wir diesen Antrag.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Es löst sich gar nichts auf! Erzählen Sie keine Mär- chen!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ist klar, dass wir, Herr Kollege Kretschmann, in der Energiepolitik im Augenblick mit einer rot-grünen Erblast zu kämpfen haben.
Das kann ich Ihnen leicht beweisen. Das sehen Sie schon dann, wenn Sie in der Koalitionsvereinbarung lesen, was dort zu diesem Thema gesagt wird, und nach einer Beantwortung der Frage suchen, wie es nach dem Ausstieg aus der Kernenergie eigentlich weitergehen soll. Da bekommen Sie keine Antwort. Sie sehen es auch daran, dass jetzt erst ein Energiegipfel geplant ist, jetzt erst ein nationaler Energierat in die Welt gesetzt werden soll. Das ist ja zunächst einmal alles verschoben worden. Es ist bislang nicht beantwortet worden, und das alles soll ja nun erst im Laufe des Jahres 2006 stattfinden. Ich will das jetzt gar nicht kritisieren, sondern ich stelle nur fest, dass es eine rot-grüne Erblast gibt, die darin besteht, dass auf der einen Seite ein Ausstieg beschlossen worden ist, ohne auf der anderen Seite im Detail zu sagen oder wenigstens von der Richtung her anzuzeigen, wie die Kompensation aussehen soll.
Der zweite Punkt ist: Wer immer über Energiepolitik redet – deshalb ist es wichtig, darauf noch einmal hinzuweisen –, der muss in Zeiträumen von 30 bis 40 Jahren denken.
(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wir haben einen li- beralisierten Markt! Tun Sie einmal etwas für den fairen Netzzugang!)
Er muss sich auch darüber im Klaren sein, wie er die entscheidenden Ziele der Energiepolitik erreichen will. Daran wird man nicht vorbeikommen.
Jetzt will ich Ihnen sagen: Ich glaube, dass die wichtigen Ziele der Energiepolitik, die ja bekannt sind, also Versorgungssicherheit, die Frage der Umweltfreundlichkeit, der Wirtschaftlichkeit usw. usf., auch in der Zukunft nur durch einen Energiemix erreicht werden können.
Eben. Zwischen dem Energiemix von heute und dem in der Zukunft wird es Unterschiede geben. So wird es zum Beispiel im bisherigen Energiemix Anteile geben, die eher eine rückläufige Tendenz haben. Dazu zähle ich die Kernenergie. Ich glaube, dass im Zeitraum von 20, 30 oder 40 Jahren der Anteil der Kernenergie zurückgehen wird. Ich glaube zum Beispiel, dass auch der Anteil von Kohle und Gas eigentlich zurückgehen müsste,
und zwar schon aus ökologischen Gründen. Ob das so sein wird, hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Dann wird es andere Bereiche geben, deren Anteil in diesem Energiemix zunehmen muss. Dazu gehören zum Beispiel die alternativen, die regenerativen Energien. Es wird nicht so sein – Herr Kollege Kretschmann, da müssen Sie sich verguckt haben, wenn Sie das behaupten –, dass wir allein mit der Zunahme von regenerativen Energien bis zum Jahr 2009 die vier Kernkraftwerke in Baden-Württemberg ersetzen können. Entschuldigung, das ist ein absoluter Blödsinn, was Sie da erzählen. Das kann überhaupt nicht sein.
(Zuruf des Abg. Schmid SPD – Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist eine Information des Bundesum- weltministeriums!)