Protocol of the Session on December 15, 2005

(Lachen bei der FDP/DVP – Abg. Capezzuto SPD: Oh! – Abg. Drexler SPD: Weil beide gelb sind! – Unruhe)

weil es nämlich in diesem Verfahren, Kollege Hofer und Frau Kollegin Berroth, die komplette Ministerriege der FDP/DVP weggeputzt hat. Das darf man ja nicht vergessen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das hat aber doch nichts mit Schmider zu tun! – Zurufe der Abg. Sakellariou SPD und Dr. Scheffold CDU)

Das werde ich nicht nur als Kollateralschaden bezeichnen. Das ist auch nicht nur ein Kollateralschaden.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Denn wenn sich die Justizministerin einer Anklage der Justiz gegenübersieht, dann ist das ein Schaden für die Justiz im Land insgesamt.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Aber das hat doch nichts mit Schmider zu tun!)

Da hätte ich mehr erwartet als nur den lapidaren Rücktritt und die bisherige Gegenwehr.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Für die FDP/DVP war das doch ein Totalschaden! – Gegenruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Insofern, denke ich, wäre das für die FDP/DVP dann vielleicht eher ein Totalschaden.

(Abg. Capezzuto SPD zu Abg. Boris Palmer GRÜ- NE: Boris, die haben eine schlechte Bananenernte gehabt!)

Lassen Sie mich aber noch zwei oder drei weitere Punkte benennen, die vielleicht noch nicht so präzise benannt worden sind. Für uns, die Grünen-Fraktion, war die zentrale Frage: Funktionieren die Finanzverwaltung und die Justiz, und funktioniert auch das polizeiliche Ermittlungswesen? Ich habe das für unsere Fraktion schon kundgetan. Wir haben keinerlei Kritik an den polizeilichen Ermittlungsarbeiten.

(Beifall des Abg. Sakellariou SPD)

Diese waren, soweit sie in diesem Verfahren eine Rolle gespielt haben, ordnungsgemäß, präzise, sachgemäß und effizient.

Wir haben aber eine Kritik. Darin sind wir uns hoffentlich einig. Wenn man den Abschlussbericht des Ausschusses – so ist er wohl richtig bezeichnet – mit 1 154 Seiten liest, dann muss man schon feststellen, dass weder die Justiz, Herr Justizminister, noch die Finanzverwaltung, Herr Finanzminister, sich dabei Orden verdient haben. In diesem Verfahren wird offenbar, dass es Abstimmungsdefizite, Abklärungsdefizite und auch Aufklärungsdefizite auch deswegen gegeben hat, weil in diesem Zusammenhang weder die Justiz noch die Finanzverwaltung – an dieser Stelle insbesondere die Oberfinanzdirektion – mit der Präzision gearbeitet haben, mit der sie hätten arbeiten müssen, um diesen Schaden in diesem Umfang zu verhindern.

Das kann man an zwei oder drei Beispielen noch einmal klar zu machen versuchen. Ich will das gar nicht lange ausdehnen. Es war so, dass insbesondere bei der Justiz und der Finanzverwaltung – besonders bei der OFD – ja schon viel früher alle Informationen zusammengelaufen sind, die notwendig waren, um den Betrugsskandal und das Schneeballsystem zu stoppen. Dass das nicht geschehen ist, hat der Untersuchungsausschuss wohl präzise aufgearbeitet. Er machte auch die Defizite beim Verwaltungshandling klar. Kollege Scheffold, Sie haben ja selbst Verbesserungsvorschläge gemacht. Diese gilt es jetzt umzusetzen; es genügt nicht, diese im Rahmen politischer Abschlussreden hier im Parlament einzufordern.

Es wird darum gehen, dass es bei ähnlich großen Betrugsverfahren Clearingstellen gibt, in denen die Informationen dann zusammenlaufen. Denn es kann nicht sein, dass das, was ein Betriebsprüfer ermittelt, in einem strafrechtlichen Verfahren dann nicht bei der Staatsanwaltschaft ankommt. Das ist ein klares Defizit. Wäre der Informationsaustausch in diesem Verfahren präzise und von Beginn an erfolgt, dann hätte es den Schaden, der entstanden ist, gar nicht geben können. Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Feststellung.

Ich stimme Ihnen auch in der Bewertung zu, Kollege Scheffold, dass die Staatsanwaltschaft nicht durch „schützende Hände“ oder wie auch immer Nachlässigkeiten begangen hat – das habe ich von Beginn an schon gesagt –, sondern ich glaube einfach, dass hier Nachlässigkeiten, auch persönliche Nachlässigkeiten, eine große Rolle gespielt haben. Das stärkt ja die Forderung, dass wir bei solchen Großver

fahren, wenn man entdeckt, dass es Schäden in Milliardenhöhe gibt, eine konsequente Anwendung des Vieraugenprinzips brauchen und die gesamte Kompetenz unserer Justiz und unserer Finanzverwaltung bündeln müssen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Da sind wir einig!)

Denn aus meiner praktischen Erfahrung ist mir klar, dass in der Justiz nicht jedes Wirtschaftsstrafverfahren optimal geführt werden kann, weil es dort ganz einfach manchmal nicht den erforderlichen Sachverstand zum Beispiel für Organschaftsverhältnisse steuerrechtlicher Art, die hier gestaltet worden sind, gibt, die sich dann letztendlich auch in strafrechtlicher Relevanz auswirken, nämlich in Betrug und ähnlichen Straftatbeständen. Diese Kompetenz war dort nicht vorhanden – das wird hier offenbar –, und deshalb gilt es, diese Kompetenz auch im politischen Raum einzufordern. Diese Forderung müssen wir auch umsetzen, um solche Missstände hier im Land in Zukunft zu verhindern.

Zum Schluss will ich für unsere Fraktion noch einmal dartun, dass sich die Ausschussarbeit selbstverständlich gelohnt hat und dass die Aufarbeitung des Falls schon gegenüber der Öffentlichkeit notwendig und erforderlich war, weil wir den Menschen im Land – und der Kollege Sakellariou hat ja Beispiele beschrieben, wie es im Bereich der Strafjustiz, aber auch in sonstigen strafrechtlichen Verfahren oder zivilrechtlichen Verfahren mitunter kleine Menschen erwischt – dartun müssen, dass wir als Parlament schon an konkreter und umfassender Aufklärung interessiert sind. Das ist zutiefst unsere Aufgabe. Diese Aufgabe haben wir erfüllt; alle Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses haben sich da, glaube ich, nach Kräften angestrengt, und insofern kann sich das Ausschussergebnis nicht nur wegen der Seitenzahl des Berichts und der Vielzahl der Sitzungen durchaus sehen lassen. Jetzt gilt es, die Konsequenzen zu ziehen, damit wir solche Fälle künftig hier im Land nicht mehr erleben müssen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Scheffold CDU: Völlig unstrittig!)

Das Wort erteile ich Herrn Finanzminister Stratthaus.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will fast mit den gleichen Worten anfangen, mit denen Herr Oelmayer geschlossen hat: Ich glaube, wir können sehr damit zufrieden sein, wie kompetent, sachgerecht und für alle zufrieden stellend dieser Untersuchungsausschuss dieses große und schwierige Problem aufgearbeitet hat.

Ich muss allerdings zum Sprecher der SPD sagen, dass ich etwas darüber enttäuscht war,

(Abg. Pauli CDU: Der war schwach!)

dass er gemeint hat, dieses ernste Thema hier etwas karnevalesk behandeln zu müssen. Dazu ist es in der Tat zu ernst.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Meine Damen und Herren, die Vorwürfe gegen die Politik sind ja abgeräumt, und deswegen möchte ich dazu nichts mehr sagen. Wir sollten uns alle freuen – wirklich alle, die hier in diesem Hause sitzen –, dass von diesen Vorwürfen nichts geblieben ist. Ich habe mir einige Zeit überlegt, ob ich überhaupt noch ans Rednerpult gehen soll, bin aber zu der Auffassung gekommen, dass es erforderlich ist. Denn es geht um unsere Beamten. Es geht um die Beamten bei der Steuerverwaltung, und es geht um die Beamten bei der Justiz. Ich bitte Sie, Menschen, die nicht hier im Saal sitzen, die in den Fall hineingeraten sind und deren Unschuld zu einem ganz großen Teil bereits bewiesen ist, nicht so zu behandeln, wie sie zum Teil auch noch in den Reden heute indirekt behandelt und verdächtigt worden sind. Das ist genau der Grund.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hofer FDP/ DVP)

Was ist eigentlich von den Vorwürfen und Anschuldigungen geblieben, die gegen die Steuerverwaltung erhoben worden sind? Ich möchte mich darauf konzentrieren, weil anschließend der Justizminister wohl über die Justizbehörden sprechen wird.

Zum einen war die Rede davon, baden-württembergische Finanzbeamte hätten ihre Kollegen aus Thüringen geradezu bekniet, von den geplanten Ermittlungsverfahren abzusehen.

Der allermassivste Vorwurf war, die ganze Karlsruher Finanzverwaltung habe das von den Herren Schmider und Kleiser installierte Betrugssystem frühzeitig erkannt und dessen Aufdeckung verhindert. Das ist ein massiver Vorwurf, und von diesem Vorwurf ist nichts geblieben.

Zwar – das gebe ich gerne zu – stellt der Untersuchungsausschuss im Abschlussbericht vor allem beim Informationsaustausch zwischen den Behörden Versäumnisse fest. So sei es den beteiligten Finanzämtern zum Beispiel nicht gelungen, rechtzeitig für eine umfassendere Information der Staatsanwaltschaft zu sorgen. Auch Fehlleistungen einzelner Beamter und Staatsanwälte konstatiert der Ausschuss in seinem Bericht. Aber gerade die zentralen Vorwürfe haben sich nicht bestätigt. Im möchte zwei im Einzelnen nennen:

Erstens: Nicht bestätigt hat sich der Vorwurf, Finanzbeamte aus Baden-Württemberg hätten thüringische Steuerfahnder gezielt von einzelnen Ermittlungsverfahren abgehalten. Die Befragungen der seinerzeit an den Ermittlungen beteiligten Beamten aus Thüringen ergaben dafür – so steht es im Bericht – keine Anhaltspunkte. Ich wollte hierzu noch weitere Ausführungen machen, aber meine Vorredner haben das schon angesprochen. Ich kann deswegen darauf verzichten.

Zum Zweiten: Auch von den Vorwürfen im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen der Selbstanzeige sowie der anonymen Anzeigen in den Jahren 1996 und 1997 ist wenig übrig geblieben. Zwar konstatiert der Untersuchungsausschuss im Abschlussbericht diverse Mängel. So rügt er die unzureichende Koordinierung der Ermittlungstätigkeit ebenso wie die mangelhafte Auswertung eingeholter Mitteilungen. Schließlich werden im Schlussbericht auch rechtliche Fehlbeurteilungen durch einzelne Beteiligte – Finanzbeamte wie Staatsanwälte – festgestellt.

(Minister Stratthaus)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle eines noch einmal verdeutlichen: Es geht hier um die Ermittlungstätigkeit in den Jahren 1996 und 1997. Es ist hier einige Male gesagt worden, man könne sich nicht vorstellen, dass die Beamten nicht gemerkt hätten, was da gespielt wird. Jetzt muss ich aber doch einmal zu einer anderen Sache kommen: Sie verlangen von unseren Beamten im gehobenen Dienst, dass sie viel klüger sind als die Chefs von großen Banken, von Ratingagenturen, von internationalen Finanzdienstleistern. Denn diese haben diese ganze Sache mit Milliardensummen finanziert.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Auch sie haben nichts gemerkt und haben ihr Geld und das ihrer Kunden aufs Spiel gesetzt. Offensichtlich war es nicht so einfach, etwas zu bemerken. Am interessantesten war doch eines – meine Damen und Herren, man vergisst so schnell –: Im Jahr 2000 – kurz bevor die ganze Sache aufgeflogen ist – wurde eine Anleihe von 1,5 Milliarden vorbereitet; und die ersten 500 Millionen waren schon platziert.

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

Man muss sich das einmal vorstellen. Die Ratingagenturen haben auch noch ein gutes Rating gegeben. Deutsche Großbanken, internationale Großbanken waren beteiligt. Diese alle haben nichts gemerkt! Von unseren Beamten in A 11, A 12 und A 13 wird verlangt, dass sie dies alles merken.

(Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Offensichtlich war es nicht so einfach, und die Banken haben noch ganz andere Möglichkeiten als unsere Beamten, in die Vorgänge einzudringen.

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht bestreiten, dass es aufgrund der unklaren Rollenverteilung zwischen Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung und Betriebsprüfung Reibungsverluste gegeben hat. Aus heutiger Sicht ist auch klar, dass die Betriebsprüfung nicht das taugliche Mittel zur Verifizierung der in der anonymen Anzeige enthaltenen Vorwürfe war und ist. Eine Betriebsprüfung ermittelt die Sachverhalte. Ihre Aufgabe ist die Ermittlung der Sachverhalte unter steuerlichen Gesichtspunkten, nicht unter strafrechtlichen Gesichtspunkten. Die Ermittlung außersteuerlicher Sachverhalte war und ist für Betriebsprüfer eine sachfremde Aufgabe.

Die vom Untersuchungsausschuss festgestellten rechtlichen Fehleinschätzungen und eine unzureichende Koordination der eingeschalteten Dienststellen mögen bei diesem überaus komplexen Sachverhalt FlowTex ein Übriges getan haben.

Noch einiges, meine Damen und Herren, zum strafrechtlichen Verhalten. Ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten einzelner Beamter vorlag, haben einzig und allein die Gerichte zu entscheiden. Ehe ich auf die Wertung der Oppositionsfraktionen in diesem Zusammenhang eingehe, zwei Dinge vorab.

Zum einen hat das Landgericht Karlsruhe nach einer umfangreichen Beweisaufnahme die Amtshaftungsklage der

FlowTex-Insolvenzverwalter gegen das Land in erster Instanz abgewiesen. Eine Beihilfe zum Betrug durch Finanzbeamte liege nicht vor, sagte das Gericht. Weiter könne auch keinem Beamten vorgeworfen werden, er habe das Betrugssystem – nun wörtlich – „sehenden Auges weiterlaufen lassen“. Die Beamten hätten das betrügerische System selbst nicht erkannt, so das Gericht; sie wurden von Schmider und Kleiser genauso getäuscht wie zum Beispiel die große internationale Finanzwelt.

Fakt ist weiter, dass von sieben strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die mit dem Fall FlowTex befassten Finanzbeamten fünf mangels Tatverdachts eingestellt worden sind. Von sieben Verfahren sind fünf sofort eingestellt worden. Anklage erhoben hat die Staatsanwaltschaft letztlich nur gegen einen Steuerfahnder und einen Betriebsprüfer. Die Anklage gegen den Steuerfahnder wurde aber vom Landgericht Karlsruhe schon nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat diese Entscheidung bestätigt. Die Entscheidung ist also rechtskräftig.