Fakt ist weiter, dass von sieben strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die mit dem Fall FlowTex befassten Finanzbeamten fünf mangels Tatverdachts eingestellt worden sind. Von sieben Verfahren sind fünf sofort eingestellt worden. Anklage erhoben hat die Staatsanwaltschaft letztlich nur gegen einen Steuerfahnder und einen Betriebsprüfer. Die Anklage gegen den Steuerfahnder wurde aber vom Landgericht Karlsruhe schon nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat diese Entscheidung bestätigt. Die Entscheidung ist also rechtskräftig.
Übrig geblieben ist in der Tat noch ein einziges Strafverfahren gegen einen Betriebsprüfer. Die Entscheidung über eine vermeintliche Strafbarkeit des Verhaltens des Finanzbeamten wird die zuständige Strafkammer aufgrund der Beweisergebnisse einer strafprozessualen Hauptverhandlung treffen. Die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für eine Entscheidung über die Strafbarkeitsfrage sollte akzeptiert und respektiert werden. Die Oppositionsfraktionen geben im Rahmen ihrer Bewertung zunächst auch vor, dies zu respektieren. In ihrem Bericht steht, es könne und solle keine – wörtlich – „vorweggenommene Beweiswürdigung“ erfolgen. Allerdings wird dieser Ansatz später mehrfach relativiert. Um nur eines von vielen Beispielen zu nennen: Im Bericht steht, nach Auffassung von SPD und Grünen müsse – ich zitiere –
Meine Damen und Herren, eine solche Beweiswürdigung ist Sache der Richter und soll auch Sache der Richter bleiben.
Wer aber als Wächter der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats angetreten ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte dessen elementare Grundsätze auch selbst beachten, der sollte die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte ebenso respektieren wie die verfassungsrechtlich verankerte Unschuldsvermutung.
Ich halte also fest: Es hat bei der Bearbeitung des Falles FlowTex eine schlechte Koordination sowie individuelle Fehleinschätzungen gegeben. Allerdings mussten die zuständigen Beamten und Staatsanwälte in den Jahren 1996 und 1997 noch Prognosen anstellen. Dass die Beamten einen Betrug in dieser Dimension damals schlicht für unvor
stellbar hielten, zu dieser Überzeugung gelangte nicht zuletzt auch das Landgericht Karlsruhe nach der bislang einzigen Vernehmung der betroffenen Beamten.
Zieht man das Fazit, meine Damen und Herren, so kann FlowTex jedenfalls als eines nicht bezeichnet werden, nämlich als Skandal der gesamten Finanzverwaltung und der Justizbehörden. Es ist keine Frage, dass individuelle Fehler gemacht wurden. Aber individuelle Fehler einzelner Beamter rechtfertigen kein grundsätzliches Misstrauen gegenüber unserer Verwaltung und gegenüber unserer Justiz.
Ich glaube, das hat die Arbeit des Untersuchungsausschusses auch ergeben: Verwaltung und Justiz müssen aus dem Fall FlowTex lernen. Künftige Fälle müssen besser abgewickelt werden, wobei ich da an den Sprecher der SPD auch noch einmal eine unernste Frage stellen muss.
Sie haben vorhin gesagt: Das ist nicht in Bremen, nicht in Nordrhein-Westfalen, nicht in Rheinland-Pfalz passiert, sondern bei uns. Heißt das, dass Sie das in diesen Ländern für normal gehalten hätten?
Nur so ergibt es doch einen Sinn. Das hat mich schon etwas beunruhigt, dass Sie gesagt haben, in den anderen Ländern sei das nicht passiert.
Das haben Sie so gesagt. Sie haben sich gewundert, dass das bei uns passiert ist und nicht bei den anderen. Wenn ich Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz wäre, hätte ich eine schlechte Meinung von Ihrer Aussage.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Wintruff SPD – Abg. Oelmayer GRÜNE: Das werden Sie auch nicht mehr!)
So wurden die Steuerfahndungsstellen sowie die Straf- und Bußgeldsachenstellen des Landes bereits angewiesen – ich will in ganz wenigen Sätzen noch vortragen, meine Damen und Herren, was wir daraus gelernt haben –, bei der Abgabe eines Falles an die Staatsanwaltschaft stets die kompletten Akten weiterzuleiten. Auf diese Weise soll der Informationsaustausch künftig verbessert werden.
Maßnahmen zur Verbesserung der strafrechtlichen Sachkunde innerhalb der Finanzbehörden werden erfolgen. Wir werden aber auch Verbesserungsmöglichkeiten bei der Zu
sammenarbeit der Strafverfolgungsorgane prüfen. So gibt es bereits Überlegungen zu wechselseitigen Besuchen – Hospitationen nennen wir das – von Steuerfahndern und Staatsanwälten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der umfangreiche Bericht des Untersuchungsausschusses hat es ganz klar gemacht und objektiv belegt: Es hat zu keinem Zeitpunkt gegenüber den Finanz- und Justizbehörden Einflussnahmen von oben gegeben, die zu einem besonders schonenden Umgang mit Herrn Schmider und seinem Umfeld geführt hätten.
Das hätte ich Ihnen allerdings schon vorher sagen können. Wenn einer den Justizbetrieb oder den Behördenbetrieb – ich habe hier ressortmäßig ausschließlich für den Justizbereich zu sprechen – von innen kennt, dann kann er nur mit Kopfschütteln verfolgen, wie monatelang nach einer „Stuttgarter Vereinbarung“ gefahndet wird – aufgrund eines Hinweises eines Verfahrensbeteiligten. Da muss man sagen: Das war irgendwie schon jenseits von gut und böse, gerade aus Sicht der Experten.
Aber da fällt mir eben, wenn ich meine Bemerkung ergänzen darf, auch Folgendes auf: Bis heute ist es eigentlich so, dass dann, wenn ein Verfahren oder der Betroffene in der Öffentlichkeit eine gewisse Rolle spielt, gleichzeitig und mittlerweile fast automatisch – achten Sie einmal darauf – der Vorwurf kommt – da darf ich auch ein bisschen in diese Richtung sprechen –,
dass es in diesem Verfahren „schützende Hände“ gegeben habe. Ich habe ein klein bisschen Hoffnung, dass dieser Untersuchungsausschuss, der so lange getagt hat, wenigstens ein Stück weit klarer machen kann, meine Damen und Herren: In der baden-württembergischen Justiz gibt es keine „schützenden Hände“. Punkt.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Fischer SPD: Na ja! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Nur schützende Handys!)
Auf der anderen Seite räume ich unumwunden ein: Die Arbeit des parlamentarischen Gremiums hat auch bestätigt, dass sich die Justiz teils berechtigte Kritik gefallen lassen muss. Das betrifft das Steuerstrafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Baden-Baden im Jahr 1994 und die Verfahren in Mannheim und Karlsruhe in den Jahren 1996 und 1997. Es ist unbestreitbar, meine Damen und Herren, dass da nicht alles optimal gelaufen ist. Denn natürlich konnte und kann es nicht als vertretbar angesehen werden, dass das BadenBadener Verfahren damals nach § 153 a StPO eingestellt wurde – auch noch ohne Einbindung des zuständigen Amtsgerichts. Natürlich wäre es aus heutiger Sicht sinnvoll ge
wesen, wenn sich die Staatsanwaltschaften Karlsruhe und Mannheim 1996/97 bei den anhängigen Verfahren um einen besseren Informationsfluss bemüht hätten. Aber, meine Damen und Herren, in einem bin ich mir ganz sicher, und das hat eben auch der Bericht gezeigt: Hier handelte es sich um Nachlässigkeiten oder Fehler im Einzelfall. Sie sind nicht Belege für grundlegende strukturelle Mängel in der Organisation und Arbeit unserer Staatsanwaltschaften. Man muss einfach festhalten: Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht. Das ist so.
Aber wir haben diese Vorfälle natürlich ernst genommen. Wir haben die Frage gestellt: Was können wir besser machen, damit solche Fehler nicht wieder auftauchen? Wir haben diese Thematik allerdings schon im Jahr 2002 – sprich: sofort – in einer großen Dienstbesprechung in Ulm mit den Generalstaatsanwaltschaften und den Staatsanwaltschaften aufgegriffen. Wir haben dort alle Fragen aufgearbeitet, die in diesem Verfahren eine Rolle gespielt haben, und über künftige Verbesserungen nachgedacht, ob es beispielsweise um die Behandlung anonymer Anzeigen geht, die bei Wirtschaftsdelikten eine andere Bedeutung haben als bei den übrigen Delikten, ob es um die Frage der richtigen Aktenführung geht oder andere Fragen.
Wir haben natürlich dafür gesorgt, dass diese Erkenntnisse in den Dienststellen ankommen. Heute haben wir beispielsweise das zentrale staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister, das uns hilft, die notwendigen Querinformationen herzustellen. Wir haben die Fortbildung auf diesem Gebiet intensiviert und verbessert. Ich möchte von all diesen Anstrengungen nur hervorheben, dass wir in Zusammenarbeit mit der Bundesfinanzakademie in Brühl dort jährlich Dezernenten aus den Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Mannheim und Stuttgart im Wirtschafts- und Steuerrecht in mehrwöchigen Veranstaltungen weiterbilden.
Noch einmal: Wir nehmen die aufgedeckten Fehler und die aus der Aufdeckung resultierenden Beschlussempfehlungen der Ausschussmehrheit ernst. Ich bin aber auch der Ansicht, dass unter Berücksichtigung dessen, was wir in den zurückliegenden Jahren veranlasst haben, das Maßgebliche schon getan ist. Wir haben auch – das möchte ich noch hervorheben – durch die Einrichtung der beiden Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftsstrafsachen in Mannheim und Stuttgart gewährleistet, dass umfangreiche Wirtschaftsstrafverfahren koordiniert in einer Hand von besonders geschulten Dezernenten bearbeitet werden. So ist zum Beispiel für alle Staatsanwaltschaften des Landes vorgeschrieben, dass sie in besonderer Weise berichten, wenn ihnen Fälle unterkommen, die voraussichtlich zum Zuständigkeitsbereich einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft gehören. In diesem Fall wird unverzüglich der Generalstaatsanwaltschaft Bericht erstattet. Die Kanäle sind also ordentlich geputzt, damit die Information künftig richtig fließen kann. Das war die wichtigste Konsequenz, nämlich nicht irgendeine Sache zu versäumen und auch daran zu denken, dass woanders auch noch ein Verfahren laufen könnte.
Ich darf aber auf der anderen Seite und zum Schluss betonen, dass große Wirtschaftsstrafsachen bei den Schwerpunktstaatsanwaltschaften regelmäßig in guten Händen sind. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit, in denen alles richtig und fehlerfrei gelaufen ist. Man
kann übrigens gerade auch die Aufarbeitung des FlowTexKomplexes ab 2000 nennen. Das war ja ein Riesenverfahren, und es ist, glaube ich, schon ein besonderes Gütesiegel, in welch kurzer Zeit es der Staatsanwaltschaft Mannheim gelungen ist, die Hauptbeschuldigten vor Gericht zu stellen und die Verhängung beeindruckender Freiheitsstrafen gegen sie zu erwirken.
Zwar war gerade auch die Staatsanwaltschaft Mannheim früher in Verfahren eingeschaltet, in denen Fehler passiert sind. Aber Sie müssen doch zur Kenntnis nehmen: Auch durch alle noch so fürsorglich getroffenen organisatorischen Maßnahmen dieser Welt werden wir Fehler im Einzelfall nie ausschließen können.
Aber bleiben wir auf der anderen Seite doch bei allem bitte auch fair, meine Damen und Herren! Unsere Staatsanwaltschaften leisten im Interesse unserer aller Sicherheit täglich eine ausgezeichnete Arbeit,
wenn es erforderlich ist, auch am Wochenende und außerhalb der üblichen Dienstzeiten. Ich will deshalb den heutigen Tag und das heutige Thema auch dazu nutzen, allen unseren Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in BadenWürttemberg für ihre gute Arbeit zu danken.