Ja, das stimmt auch deshalb, weil vieles, was der Herr Ministerpräsident in der Bundesratsinitiative der Südschienenländer am Freitag vorgeschlagen hat, natürlich längst in der Umsetzungsphase begriffen ist.
Ich will einmal aus der „Frankfurter Allgemeinen“ – die ja wahrscheinlich nicht einmal bei Ihnen als linkes Kampfblatt gesehen wird – vom Samstag zitieren. Die Überschrift des Artikels zur Bundesratsinitiative der Landesregierung lautet: „Im Überschwang“. Der Autor stellt fest, dass die Bevölkerung erkennt – ich zitiere jetzt –,
darf die Reaktion darauf nicht der gleiche kopflose Aktionismus sein, mit dem im vergangenen Jahr die Kampfhundeverordnungen einer plötzlich aufwallen
den Hysteriestimmung angepasst wurden. Die Eilfertigkeit, mit der jetzt der Bundesrat den schon auf Hochtouren arbeitenden Bundesinnenminister beim Schnüren neuer Sicherheitspakete zu übertreffen versucht, lässt genau das befürchten. Was dem Staat jetzt an die Hand gegeben werden muss, damit er Terroristen besser aufspüren kann, muss länger halten als die Hundeverordnungen, die zum Teil schon wieder Makulatur sind.
Und weiter unten – da zitiert er Sie, Herr Ministerpräsident, als Sie Franklin zitiert haben – schreibt er:
„Wer Sicherheit und Freiheit gegeneinander ausspielt, wird am Ende beides verlieren“, hat Ministerpräsident Teufel in die Debatte geworfen. Beides ist nicht uneingeschränkt zu haben. Es geht nicht um ein Entwederoder, sondern immer um eine Abwägung. Die Sicherheit hat ihren Preis. Woran es Schily und andere Innenminister aber bisher fehlen lassen, sind nachvollziehbare Auskünfte darüber, für welches Stückchen Freiheit wir wie viel Sicherheit gewinnen.
Ich denke, damit ist alles gesagt. Das war ja auch der Grund, warum es im Bundesrat nicht verabschiedet wurde: weil die Bundesregierung bereits aktiv geworden ist, weil vieles von dem, was Sie vorschlagen, bereits im ersten Antiterrorpaket drin ist.
Ich will nur erwähnen: Das Ausländerzentralregistergesetz, welches Sie anmahnen, mit dem Datenausgleich ist bereits im ersten Antiterrorpaket drin – da kommen Sie zu spät –, eine Kronzeugenregelung, eine andere als die 1999 abgeschaffte, ist wieder angedacht – auch da kommen Sie zu spät –, die Telefonüberwachung von Handys ist bereits dabei, ins Paket eingearbeitet zu werden.
Was die biometrischen Informationen und die Fingerabdrücke angeht, da will ich nur sagen: Man kann ja über alles diskutieren. Aber welchen Beitrag zur konkreten Terrorismusbekämpfung können Fingerabdrücke in deutschen Pässen leisten? Welchen Schläfer aus islamischen Ländern hätten Sie denn damit kontrollieren können? Das muss man mir einmal sagen. Ansonsten kann man natürlich darüber diskutieren, was biometrische Informationen jenseits vom Fingerabdruck sind.
Von dem, was von Ihnen, Herr Ministerpräsident, auf der EU-Ebene angemahnt worden ist, ist vieles richtig, aber vieles eben auch schon in der Umsetzung begriffen.
Daher kann ich nur sagen – ich will ja die Initiative nicht schlechtreden –: Vieles ist bereits in der Umsetzung begriffen; Sie spielen sich hier etwas als Ersatzbundesregierung auf. Auch ich finde, dass die Länder aktiv werden können, aber in erster Linie dann, wenn die Bundesregierung nicht aktiv ist. Diesen Fall haben wir im Moment aber sicher nicht.
Lassen Sie mich, bevor ich zu Ihrem Antiterrorpaket in Baden-Württemberg komme, noch einen Satz zum Kollegen Oettinger sagen: Herr Kollege Oettinger hat sich meines Erachtens auch ziemlich verlaufen mit dem, was er hier zur äußeren Sicherheit und zur Rolle der Grünen usw. gesagt hat. Wenn ich die Debatte richtig verfolgt habe, dann kann
man doch eines feststellen: dass es nämlich in Deutschland in den letzten sechs Wochen eine unheimliche Geschlossenheit quer durch alle Fraktionen gibt, dass es eine unheimliche Unterstützung gibt für die Politik der Bundesregierung, die darauf beruht, dass sie erstens richtig ist, dass sich zweitens die Opposition richtig informiert fühlt und dass drittens die Politik der Bundesregierung international anerkannt ist, weil sie nämlich viertens genau die Verhältnismäßigkeit der Antwort auf den Terrorismus beinhaltet, wie sie Demokratien und Rechtsstaaten, wie es sie in der westlichen Welt gibt, entspricht. Das ist unbestritten.
Jetzt hier irgendwelche Brüche und Risse und Sonstiges zu skizzieren, die Sie bei uns gern hätten, und zwar nicht erst seit heute, sondern seit Jahren, halte ich – und jetzt muss i c h hier mal den Staatsmann spielen – der Situation, in der wir hier diese ganzen Sachen diskutieren, auch nicht für angemessen. Da haben Sie sich schlichtweg verlaufen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Fleischer CDU: Wie halten Sie es mit Herrn Hermann? Sie sind doch dazu zutiefst uneinig!)
Nun zum dritten Punkt, zu diesem Antiterrorpaket in Baden-Württemberg: Mein Kollege Thomas Oelmayer wurde von Ihnen, Herr Kollege Oettinger, schon erwähnt. Die Fraktion der Grünen hat tatsächlich bereits in der vorletzten Woche ein eigenes Antiterrorpaket vorgelegt. Wir haben es nicht mit finanziellen Hausnummern belegt, wären aber wahrscheinlich zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen, nämlich dazu, dass wir ungefähr 50 Millionen DM brauchen. Wenn Sie Herrn Durchdenwald vorhin dafür gelobt haben, dass er dieses Paket maßvoll und besonnen nennt, können wir uns dieser Bewertung anschließen. Auch wir halten dieses Paket für maßvoll und besonnen.
Selbstkritisch will ich, auch an die Adresse der eigenen Partei gerichtet, sagen: Ich glaube, wir sind uns in diesem Haus einig, dass Herr Schill und seine Truppe auch ohne die Ereignisse des 11. September 2001 in die Hamburger Bürgerschaft gewählt worden wäre – wahrscheinlich nicht mit einem derart hohen Ergebnis, aber er wäre gewählt worden.
Selbstkritisch will ich anmerken, dass das natürlich auch etwas damit zu tun hat, wie die Hansestadt in den letzten Jahren von SPD und Grünen im Bereich innere Sicherheit regiert worden ist.
(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hofer FDP/DVP – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Hört, hört!)
Das will ich selbstkritisch anmerken, auch wenn ich nur für meinen Teil, für die grüne Seite, sprechen kann. Ich glaube nicht, dass es – wenn die Bevölkerung tatsächlich das Gefühl hat, dass die Sicherheit nicht gewährleistet ist, und wenn es ein subjektives Bedrohungsgefühl gibt – reicht, mit Statistiken zu wedeln und den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen: „Ihr habt kein Problem.“ Das geht nicht; da fühlen sich die Bürger hinters Licht geführt. Man muss die Ängste der Bevölkerung schon ernst nehmen. Wenn das so ist, heißt das noch lange nicht, dass man immer zum gleichen Ergebnis kommen muss, wenn man gemeinsam re
giert. Man muss schon über den richtigen Weg streiten. Ich glaube, die Kollegen Sozialdemokraten und die Grünen in Hamburg haben beides unterlassen, und das hat sich gerächt.
Weil das so ist, muss man auch hier in Baden-Württemberg die veränderte Bedrohungssituation ernst nehmen. Wir haben deshalb ein eigenes Antiterrorpaket vorgestellt. Es wurde erwähnt: Wir sind davon abgerückt, die Auflösung des Verfassungsschutzes zu fordern. Ich will hinzufügen: Wir wollten ihn nicht aus ideologischen Gründen auflösen, sondern deshalb, weil wir der Ansicht waren, dass er seiner Aufgabe nicht gerecht wird. Auch heute noch muss man sich die Frage stellen, ob 14 Verfassungsschutzämter in 16 Bundesländern und 3 Verfassungsschutzämter auf Bundesebene die richtige Struktur der Dienste sind. Man muss sich die Frage stellen, ob man terroristische Netzwerke damit bekämpft, dass man Zeitungsausschnitte sammelt. Man muss sich die Frage stellen, ob die Struktur des Verfassungsschutzes, wie er jetzt – auch in Baden-Württemberg – funktioniert, geeignet ist und ob man allein durch die Schaffung zusätzlicher Stellen die Schlagkraft eindeutig erhöht. Ich habe da meine Zweifel. Trotzdem stimmen wir der Stellenerhöhung zu, denn man braucht natürlich Spezialisten, die Arabisch sprechen, man braucht Spezialisten, die sich im Islam auskennen.
Wir glauben auch, dass man bei der Polizei etwas tun muss. Auch bei der Polizei braucht man Spezialisten. Aber, Herr Kollege Drexler, es geht nicht, hier einfach die alte Forderung der Polizeigewerkschaft nachzuplappern und 1 600 Stellen bei der Polizei zu fordern. Ich frage mich: Was hat das mit Terrorismusbekämpfung zu tun? Wie finanziert man das Ganze?
Wenn ich der CDU vorwerfe, sie hole alte Pläne aus den Schubladen, dann kann ich Ihnen, Herr Drexler, sagen: Sie mimen hier staatsmännisch den Obergewerkschafter, sagen aber nicht, wie man ihre Forderungen finanzieren soll. Was das mit Terrorismusbekämpfung zu tun hat, weiß ich erst recht nicht.
Was wir tun müssen, um die Geldwäsche endlich effektiv zu bekämpfen, ist: Wir müssen Stellen bei der Justiz und auch bei den Finanzämtern schaffen und Sondergruppen aufstellen, die sich gemeinsam der Bekämpfung der Geldwäsche annehmen.
Wir müssen den Katastrophenschutz ausbauen. Ich will aber darauf hinweisen: Das Rückgrat des Katastrophenschutzes ist – wie auch anderswo – natürlich die Feuerwehr. Wir müssen die Feuerwehr unterstützen. Ich habe aber massive Bedenken, ob dafür 100 Millionen DM nötig sind. Wenn man das alles aber tut – das fehlt mir in diesem Antiterrorprogramm noch –, wenn man dafür sorgt, dass die Daten besser abgeglichen werden, dann muss man auch aufpassen, dass man die Trennung zwischen Verfassungs
schutz und Polizei nicht verwischt. Darüber müssten wir uns in diesem Hause eigentlich einig sein. Wenn es aber beim Datenabgleich Probleme gibt oder wenn man in den bestehenden Strukturen nicht richtig arbeiten kann, weil man an die Terroristen nicht herankommt, muss man das ändern. Wenn man aber die Kontrollrechte des Staates gegenüber den Bürgern erhöht, muss man auch die Kontrolle der Bürger gegenüber dem Staat erhöhen, und deshalb muss man die Zahl der Stellen beim Landesbeauftragten für den Datenschutz erhöhen.
Zum Thema Rasterfahndung sage ich Ihnen nur – dazu existiert ja in Baden-Württemberg seit Jahren ein Gesetz –: Man muss aufpassen – das haben Sie, Herr Ministerpräsident, in Ihrer Rede ausdrücklich erwähnt –, dass man nicht Stigmatisierungen von ganzen Bevölkerungsteilen vornimmt. Wenn die Kriterien, die an die Rasterfahndung angelegt werden, so global und so allgemein sind, dass, wie der Innensenator in Berlin gesagt hat, als Merkmale ausreichen, muslimischen Glaubens zu sein und unauffällig zu leben, dann, so hat er gesagt, macht Rasterfahndung keinen Sinn, denn dann kommt jede türkische Putzfrau in das Fahndungsraster der Behörden,
und das kann nicht der Sinn sein. Man muss ganz genau hingucken, was man da tut. Dass man etwas tun muss, wird von unserer Seite nicht bestritten; aber man muss ganz genau hingucken, was man tut.
Um es zusammenzufassen: Wir halten Ihr Antiterrorpaket für Baden-Württemberg für maßvoll und besonnen. Wir werden uns die Maßnahmen, wenn sie dann haushaltsrelevant werden, im Einzelnen anschauen. Aber wir glauben nicht, dass Sie zu wenig tun; das will ich deutlich festhalten. Ich halte es für Populismus, jetzt einfach alles zu fordern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Rahmen der noch zur Verfügung stehenden Redezeit muss ich mich leider auf vier Bemerkungen beschränken.
Zunächst, Herr Kollege Oettinger, wer zitiert, sollte den nächsten Absatz aus diesem Kommentar nicht vergessen. Ich lese ihn deshalb vor: