Dann stellen Sie sich hier hin und erwecken den Eindruck, wir wären dagegen, wenn im Ausnahmefall ein behindertes erwachsenes Kind zu den Eltern will.
(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Das habe ich nicht gemacht! Ich habe nur als Beispiel etwas aufgeführt; das hat Ihnen nicht gepasst!)
Natürlich! Entschuldigung, Sie wissen offenbar selbst nicht mehr, was Sie vor einer halben Stunde hier gesagt haben.
Sie haben hier den Eindruck erweckt, als wäre die CDU dagegen, dass behinderte erwachsene Kinder zu ihren Eltern ziehen können. Das ist jetzt möglich, und das wird zukünftig möglich sein. Wir wehren uns dagegen, dass unser Familienbegriff aufgegeben wird. Was ist denn das für eine Familie, bei der ein Elternteil in Deutschland ist, die Kleinkinder, die Kinder im Schulalter, im jungen Erwachsenenalter, im Alter von 15 oder 16 Jahren im fernen Land sein können, die Kinder aber dann, wenn sie 18, 20 oder 21 Jahre sind, zur Familienzusammenführung nach Deutschland kommen sollen? Erklären Sie mir mal, wie da Familienzusammenführung dahinter stehen soll.
Zweiter Punkt: Hier ist ja von den Schätzungen der Bundesregierung berichtet worden – auch der Herr Innenminister hat sie wiederholt –: etwa 500 000 pro Jahr. Das hat doch gar nichts mit dem zu tun, was wir im Augenblick über ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz diskutieren. Dort geht es doch darum, dass bestimmte Leute mit einer bestimmten Qualifikation in die Bundesrepublik kommen können oder auch geholt werden, siehe Greencard-Diskussion. Das soll geregelt werden. Aber hier reden wir doch davon, dass zu den etwa 100 000 Personen, die seither ungeregelt kommen, etwa 500 000 weitere dazukommen. Hinzu kommen jene, die nach Deutschland kommen, um Asyl zu suchen. Dazu kommt der Teil, der durch die Zuwanderungsbegrenzungsgesetze nach Deutschland kommen soll, diejenigen, die wir holen und deren Zuzug wir wollen. Das müssen Sie im Gesamtzusammenhang sehen. Deshalb habe ich zumindest bei den Grünen den Eindruck, hier soll die Gesellschaft umgebaut werden und dazu nutzt man diesen Weg.
(Abg. Wintruff SPD: Das hat er Ihnen gesagt! – Abg. Bebber SPD: Das hat er gesagt! Da müssen Sie zuhören!)
Was Sie hier gesagt haben, sollten Sie auch zum Durchbruch bringen, damit Ihre Regierung in Berlin nicht dasselbe tut, was die deutschen SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament getan haben, nämlich zustimmt. Darauf hätte ich gerne eine klare Antwort. Am 30. November werden Sie daran gemessen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Heiler SPD begibt sich auf den Weg zum Rednerpult.)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Haasis und Herr Innenminister, noch einmal zur Klarstellung: Wir sind uns doch, glaube ich, darüber einig, dass nicht das Europäische Parlament über die Richtlinie zu entscheiden hat, sondern der Ministerrat auf Vorschlag des Europäischen Parlaments.
Moment! – Das heißt, dass diese Entscheidung, die im Europäischen Parlament gefällt wurde, noch nicht die endgültige Richtlinie ist.
(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Hoffen wir es! – Zurufe der Abg. Herrmann und Wacker CDU so- wie Drautz FDP/DVP)
Nun haben Sie mich gefragt, Herr Haasis, was die badenwürttembergische SPD im Zusammenhang mit diesem Problem tue. Herr Haasis, Sie hätten vielleicht einmal die Drucksache 12/5215 lesen sollen, denn der Innenausschuss hat sich bereits am 24. Mai 2000 mit dieser Problematik befasst.
Am 29. Juni hat das Plenum über diese Problematik beraten. Jetzt erkläre ich es Ihnen zum wiederholten Male, was wir wollen. Ich kann es Ihnen auch schriftlich geben.
Hören Sie doch einmal zu. – Ich habe bereits am 24. Mai in der Innenausschusssitzung darauf hingewiesen, dass wir mit der Richtlinie nicht einverstanden sind. Ich lasse die Einzelheiten der Beratung einmal weg und zitiere:
mit dem, was ich heute, was ich am 29. Juni und was ich am 24. Mai gesagt habe. Die Position der SPD-Fraktion im Land Baden-Württemberg ist eindeutig klar. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.
Hier wird nichts vernebelt, Herr Haasis, sondern ich sage Ihnen jetzt zum vierten Mal, wie wir es halten wollen. Ich kann es Ihnen auch ein fünftes Mal sagen. Wenn Sie es nicht glauben wollen, dann lassen Sie es bleiben. Unsere Position ist klar.
Wir können dieser Richtlinie, auch in ihrem neuen Wortlaut, nicht zustimmen. Ich habe es in der ersten Runde ausgeführt und möchte jetzt auf weitere Erklärungen verzichten.
Noch zu einigen Punkten, die hier ebenfalls angeklungen sind. Zum Thema Familiennachzug, Frau Thon: Dabei sind wir – ich sage es ganz offen – vielleicht ein wenig unterschiedlicher Auffassung; das kommt auch einmal vor.
Ich bemängle, dass hier ein Anspruch geschaffen werden soll und dass man davon abgegangen ist, ein Ermessen einzuräumen. Wir fordern natürlich, dass dann, wenn das Ermessen ausgeübt wird, Einzelfallentscheidungen getroffen werden und Härtefälle, wie Sie sie angesprochen haben, berücksichtigt werden. Wir sind aber dagegen, dass dies in Form gesetzlicher Ansprüche festgelegt wird.
Es gab noch einen weiteren Punkt, der mich doch etwas erzürnt hat. Auch wenn man auf die Beiträge der Republikaner nicht unbedingt eingehen sollte, muss hier doch, wenn von Kostenexplosionen im Bereich des Sozialversicherungswesens gesprochen wird, eines klargestellt werden: Unter dem Strich zahlen die Ausländer, die hier in der Bundesrepublik leben, immer noch erheblich mehr in die Sozialversicherungssysteme ein, als sie aus diesen erhalten. Das wollte ich nur einmal klargestellt haben.
(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Gott sei Dank! – Abg. Dr. Schlierer REP: Wir Sie auch nicht!)
Meine Damen und Herren, ein Punkt, den ich nochmals deutlich hervorheben will: Wir sind auch deshalb über die jetzt vorgelegte Richtlinie enttäuscht, weil lediglich ein einziger Aspekt herausgegriffen wurde, nämlich das Thema Familienzusammenführung. Wir fordern schon immer und ewig ein Gesamtkonzept. Was die Europäische Kommission macht, ist eigentlich genau der Fehler, der in Deutschland schon seit Jahrzehnten gemacht wird: Man wurstelt da und dort im Bereich Ausländerrecht. Asyl, Spätaussiedler, Familiennachzug – alles ohne Gesamtkonzeption. Die Europäische Kommission setzt jetzt ebenfalls genau an diesem falschen Punkt an. Deshalb ist die Forderung von uns, dass eine Gesamtkonzeption auf europäischer Ebene kommen muss.
Zum Schluss nochmals, was das Thema Aktuelle Debatte anbelangt: Ich glaube wirklich, wir wären gut beraten – das hat auch der Herr Innenminister angesprochen –, die Ergebnisse der Zuwanderungskommission in Berlin abzuwarten, bevor wir uns hier über das Thema Zuwanderung wieder unterhalten. Denn wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Da nützt es, Herr Haasis, nichts, wenn wir uns über Dinge, die im Augenblick gar nicht anbrennen, in einer Aktuellen Debatte unterhalten.
Die Ausführungen von Herrn Haasis haben mich jetzt doch herausgefordert, noch einmal ans Rednerpult zu gehen.