Renate Thon
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Jacobi hat im Rahmen der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs unsere
Ablehnungsgründe hier dargelegt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat haben wir vor etwa fünfeinhalb Monaten hier über dieses Thema gesprochen. Damals hatten die Reps die Debatte beantragt. Heute macht es die CDU. Sie macht es deswegen, weil sie mit der überarbeiteten Richtlinie immer noch nicht zufrieden ist.
Dazu sage ich dann schon etwas, Frau Blank.
Immerhin sind wir uns insofern einig, dass wir sagen: Es ist ganz wichtig, die aus den Sechzigerjahren stammenden Regelungen zur Familienzusammenführung aus der so genannten Gastarbeiterära zu überarbeiten. Das ist ja schon einmal ein Fortschritt.
Ich denke, wir können uns auch auf das berufen, was die beiden Kirchen in ihrem gemeinsamen Wort zu Migration und Flucht sagen. Sie fordern das nämlich ein und sagen – ich zitiere –:
Die mit dem Zuzug und dem Aufenthalt von Wanderarbeitnehmern und deren Familienangehörigen zusammenhängenden Fragen müssen zuvörderst unter den Gesichtspunkten von Menschenwürde, Arbeitsrechten, Familienschutz und Verhältnismäßigkeit gesehen und einer Lösung zugeführt werden.
Die Kirchen führen weiter aus:
Der im europäischen Recht garantierte Schutz des Familienlebens sollte auch der Familie von Drittstaatsangehörigen zugute kommen, damit Eheleute und Kinder in Europa einheitliche Grundlagen für die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit vorfinden.
Ich denke, es geht um diese Drittstaaten, und ich möchte im Wesentlichen darauf eingehen, was der CDU daran nicht gefällt. Es gab in Brüssel übrigens Zustimmung von Rot, Grün und Gelb. Deswegen habe ich mich auch etwas über die Ausführungen des Kollegen Heiler gewundert.
Die CDU begründet die von ihr beantragte Debatte vor allem mit dem erweiterten Familienbegriff, der ihr nicht gefällt. Sie verschweigt dabei aber einiges. Zum Beispiel geht es beim Familiennachzug von volljährigen Kindern um solche Kinder, die in ihrem Heimatland nicht unabhängig leben können. Das könnte zum Beispiel ein behindertes Kind sein.
Hören Sie mir erst einmal zu, Sie wissen ja gar nicht, was ich sagen will.
Wenn es um Familienangehörige in aufsteigender Linie geht, betrifft das nur Leute, die ohne familiären Zusammenhang in ihrem Heimatland leben. Jetzt frage ich Sie als Partei, die so gerne für die Familie spricht: Was kann dagegen sprechen, ein Kind, das zwar volljährig, aber nicht in der Lage ist, unabhängig für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, zu den anderen Familienmitgliedern zu holen?
Natürlich ist das strittig, aber sicher!
Was kann dagegen sprechen, die Oma, die vielleicht allein lebt, zur Familie nach Deutschland zu holen?
Wenn Sie da so hart vorgehen wollen, muss ich schon sehr an Ihrer Christlichkeit zweifeln.
Außerdem gibt es Aussagen von Experten, wonach sich die Integrationsbereitschaft sogar verbessert, wenn die Familienangehörigen da sind. Das ist sogar wichtig, weil die Familien dann sagen: Wir haben unseren Lebensmittelpunkt hier gefunden. Wir werden hier bleiben. Unsere Kinder sind hier, und deswegen werden wir auch entsprechende Integrationsbemühungen angehen.
Der Familienbericht über die Lage ausländischer Familien zeigt übrigens, dass die Integration, obwohl es bisher überhaupt keine zielgerichtete Integrationspolitik gegeben hat, überwiegend gelungen ist. Ich denke, das ist eigentlich ein schönes Ergebnis.
Dass Integration Anstrengung und Angebot für beide Seiten sein muss, darüber sind wir uns auch einig. Ich möchte es aber noch einmal sagen.
Noch etwas zu Ihrem Familienbegriff: Entfernen Sie sich doch davon, wie die Reps Familie definieren. Sie waren doch schon einmal weiter. Lesen Sie Ihr Papier „Lust auf Familie“ nach. Da haben Sie einen relativ modernen Familienbegriff. Entsprechend sollten Sie sich auch in solchen Debatten verhalten.
Das Nächste ist: Sie erwarten eine deutliche Zunahme. Da kommt in den Köpfen doch schon wieder die „Masseneinwanderung“ auf.
Herr Haasis, Sie sagen, das könnten Sie nicht belegen. Niemand kann das bis jetzt belegen, und das ist wahrscheinlich auch äußerst schwierig. Ihre Kollegen, die den Antrag im Bundestag zu diesem Thema eingebracht haben, sagen – das würde ich eher unterstützen; ich zitiere jetzt –:
Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Personen, die zur Familienzusammenführung nach Deutschland einreisen, bei Verwirklichung des bisher vorliegenden Textvorschlages steigen würde.
Dagegen ist nichts zu sagen. Weiter sagen sie:
Es lässt sich jedoch kaum mit der erforderlichen Genauigkeit prognostizieren, in welcher Größenordnung dies der Fall ist.
Das wird eben so sein, und damit werden Sie leben müssen. Dann malen Sie doch nicht schon, bevor Sie irgendetwas wissen, ein Schreckensbild an die Wand, als ob da ungeheuer viele kommen würden.
Als Letztes: Was wäre schlimm daran, wenn viele kommen würden? Wir brauchen die Leute doch. Wir waren uns letztes Mal hier im Plenum einig: Wir brauchen Einwanderung, wir sind ein Einwanderungsland, und wir müssen Einwanderung gestalten.
Sie fallen doch hinter Positionen, die ich begrüße, wieder zurück. Das muss ich wirklich außerordentlich bedauern.
Ich möchte noch eines – gestatten Sie mir das – ganz persönlich zum Innenminister sagen, der morgen bei der Innenministerkonferenz sein wird, wo es hauptsächlich um das Schicksal der noch in unserem Land verbliebenen Bosnier gehen wird. Der Bundestag hat einstimmig einen Entschließungsantrag angenommen, der einen humanitären Umgang mit diesen Flüchtlingen und auch sehr großzügige Bleiberechtsregelungen für Traumatisierte unter den noch verbliebenen Bosniern, für Kranke, Alte, Behinderte, für biethnische Ehen und auch Familien mit hier geborenen oder gut integrierten Kindern fordert. Ich hoffe, dass Sie unter den Vorgaben dieses Bundestagsbeschlusses, der, wie gesagt, einstimmig ergangen ist, morgen Ihre Beschlüsse so fassen.
Vielen Dank.
Die Ausführungen von Herrn Haasis haben mich jetzt doch herausgefordert, noch einmal ans Rednerpult zu gehen.
Erstens zum Nebel, Herr Haasis: Der Herr Innenminister war mir ausdrücklich dankbar, dass ich meine Position, auch wenn sie ihm nicht gefällt, so deutlich vorgetragen habe. Sie sprechen von Nebel. Sie haben also mir nicht zugehört und Ihrem Minister auch nicht.
Ach, der war durch mich vernebelt. Das ist eine ganz andere Geschichte.
Zweitens: Ich wehre mich einfach dagegen, dass man Zuwanderung immer als negativ darstellt. Das haben Sie wieder getan, und das lasse ich so nicht stehen.
Ich habe Sie mit dem Beispiel mit den Behinderten getroffen. Natürlich, ich wollte Sie auch ärgern. Das gebe ich offen zu.
Natürlich. Sie haben sich ja geärgert.
Jetzt lese ich Ihnen mal vor, was in den Richtlinien steht. Da steht nämlich unter Ziffer 14 der Gründe:
Bei der Familienzusammenführung müssen auch die volljährigen Kinder sowie Verwandte in aufsteigender Linie berücksichtigt werden, wenn die persönlichen Lebensumstände ein würdevolles und unabhängiges Leben in Trennung von dem Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats aufhält, aus stichhaltigen objektiven Gründen nicht zulassen.
Dagegen wehren Sie sich. Das finde ich schlecht, und deswegen habe ich das gesagt.
Natürlich! Sie sind doch dagegen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnt, wie es unser Ministerpräsident gern sagt, dann sind wir als Politiker alle aufgefordert, diese Realität zu betrachten. Ich denke, wir können dann nur zu dem Ergebnis kommen: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Deutschland ist eine Einwanderungsgesellschaft geworden, ohne dass wir das anfangs zum Teil wollten.
Aber es hat sich so entwickelt, und diesem Einwanderungsland fehlt eines: ein Einwanderungsgesetz.
Wenn wir die Wirklichkeit betrachten, dann sehen wir auch, dass alle Fakten dafür sprechen, dass wir weiterhin Einwanderung brauchen. Wenn wir uns die demographische Entwicklung anschauen, müssen wir feststellen, dass in den Fünfzigerjahren der Anteil der Menschen unter 20 Jahren an der Bevölkerung bei einem Drittel und der über 60 Jahren nur bei einem Sechstel lag. In 15 Jahren wird das genau umgekehrt sein.
Zum einen sprechen also die demographischen Fakten dafür, dass wir weiterhin Einwanderung brauchen, zum anderen müssen unsere sozialen Sicherungssysteme gestützt werden. Auch für den Arbeitsmarkt brauchen wir Einwanderung. Die einzelnen Aspekte dafür wurden schon erörtert: Greencard oder auch Bleiberecht für Bosnier, die hier in Arbeit sind. In diesem Fall müssen wir auf Arbeitsmarktexperten und auch auf die Arbeitgeberverbände hören, die uns sagen, dass wir in einigen Bereichen des Arbeitsmarkts Mangelsituationen haben. Das spricht ebenfalls dafür, weiterhin Leute zu uns kommen zu lassen.
Ich wünsche mir, dass die Landesregierung endlich ihrem Innovationsbeirat folgt, der davon spricht, dass BadenWürttemberg jährlich 25 000 Einwanderer benötigt, und ich wünsche mir, dass die Landesregierung auf ihre Zukunftskommission hört, die sagt, dass Baden-Württemberg ein Vorbild für Integration sein sollte.
Ich fasse zusammen: Deutschland ist ein Einwanderungsland, und diese Einwanderung muss in einem Einwanderungsgesetz geregelt werden, vor dem wir uns überhaupt nicht zu fürchten brauchen.
Ich darf aus der FAZ zitieren:
Die wichtigsten Ziele einer Einwanderungsgesetzgebung sind: Steuerung einer geregelten Zuwanderung, das heißt Zulassung nach voraussehbaren, rechtsstaatlich bestimmten, gesetzlich festgelegten Kriterien, die neben rechtlichen Bindungen demographische, arbeitsmarktpolitische und ökonomische Aspekte berücksichtigen. Es bedeutet die Erleichterung der Voll- und Teilintegration der sich bereits legal im Inland aufhaltenden Ausländer. Es muss beinhalten: die Steigerung der Sozialverträglichkeit und Akzeptanz der Zuwanderung durch flankierende Maßnahmen der Antidiskriminierungs-, Bildungs- und Sozialpolitik.
Ich glaube, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag einen ersten richtigen Schritt in diese Richtung getan hat, indem sie bekannte: „Es hat ein unumkehrbarer Prozess der Zuwanderung stattgefunden.“ Sie hat das Staatsangehörigkeitsrecht reformiert. Das war ein weiterer wichtiger Schritt. Sie hat jetzt, angestoßen durch die Debatte um die Greencard, eine Kommission unter der Leitung von Rita Süssmuth auf den Weg gebracht. Diese Kommission soll sich mit der Frage beschäftigen, wie ein Einwanderungsgesetz aussehen kann. Ich hoffe, dass wir im Frühsommer die ersten Ergebnisse auf dem Tisch haben und dass ein solches Gesetz danach auch zügig in die Wege geleitet wird.
So, meine Damen und Herren, muss dieser Weg aussehen. Dann können wir uns auch trefflich darüber streiten, wie ein Einwanderungsgesetz ausgestaltet sein soll. Dazu ist die Politik da. Diese Diskussion soll auf Bundesebene stattfinden.
Wir brauchen zu diesem Thema aber keine Androhungen von Kampagnen und keine Aussagen, mit denen in einem gewissen Ton gesagt wird: „Wir machen das zum Wahlkampfthema.“ Das kann der Sache nur schaden, und es ist schädlich für die gesamte Gesellschaft, nicht nur für die bei uns lebenden Einwanderer.
Zu einem Einwanderungsgesetz brauchen wir auch einen neuen integrationspolitischen Dialog. Dabei sind beide Seiten gefordert – das ist keine Frage –: die Menschen, die schon hier leben, die Deutschen, und natürlich auch diejenigen, die zu uns kommen. „Integration ist ein Anspruch und eine Anstrengung, aber es gibt dazu keine Alternative“, schreibt die Bundesbeauftragte für Ausländerpolitik.
Sie haben ja gar keine Ahnung. – Sie folgt damit auch ihren Vorgängern und Vorgängerinnen im Amt, Herrn Kühn, Frau Schmalz-Jacobsen und Frau Funcke, die sich in diesem Zusammenhang sehr verdient gemacht haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich natürlich, wenn sich der Innenminister für ein Einwanderungsgesetz ausspricht. Das zeigt immerhin, dass man insofern dazugelernt hat, als man bekennt: Wir sind ein Einwanderungsland und wollen die Einwanderung regeln.
Das Problem ist nur, dass wir das schon längst geregelt haben könnten. In der letzten Legislaturperiode gab es im Bundestag Gesetzentwürfe von SPD, Grünen und FDP für ein Einwanderungsgesetz, die aber alle letztlich an der Mehrheit der CDU/CSU – bei vereinzelter Zustimmung – gescheitert sind.
Da wäre Zeit gewesen, darüber zu streiten, Herr Schmid. Es ist ja gar nicht so weit gekommen. Lesen Sie es einmal genau nach.
Ja, darüber hätte man streiten müssen. Aber Sie haben sich ja gar nicht dazu bekannt. Es wurde grundsätzlich abgelehnt. Das hatte sicherlich auch etwas mit Herrn Kanther zu tun.
Aber ihn sind wir jetzt ja zum Glück los.
Man hat gebetsmühlenhaft wiederholt, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Solange so etwas gesagt wird, kann kein Einwanderungsgesetz verabschiedet werden. Das wäre ja ein Widerspruch in sich. So lange wird auch keine vernünftige, in sich geschlossene Integrationspolitik betrieben. Das wäre der nächste Widerspruch.
Das sind die drei Stufen: Man muss zugeben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, man will die Einwanderung gestalten, und dann wird Integrationspolitik betrieben. So hat es zu laufen. Da ist sehr viel Zeit vertan worden.
Es gab auf allen Seiten sicherlich auch Tabus. Ich will uns da gar nicht ausnehmen. Wir haben hier auch lange von offenen Grenzen für alle gesprochen. Wir haben diese Aussage aber auch schon lange fallen lassen. Das muss man auch sehen. Sie haben wesentlich länger dafür gebraucht, bis Sie gesagt haben: Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz. Das gehört alles mit zu diesem Thema. Man hätte sich sicherlich, wenn ich an die Diskussion über Rechtsextremismus und Gewalt gegen Ausländer denke, auch manche Verwerfungen ersparen können, wenn man mit diesem Thema schon länger vernünftig umgegangen wäre. Das ist nicht geschehen. Daran trägt die CDU einen großen Teil an Schuld. Das ist einfach so.
Ich will noch etwas zu den Zumutbarkeitsregelungen sagen. Wer die Zumutbarkeitsregelungen kennt, weiß, dass sie sehr scharf gefasst sind. Hierbei ist es innerhalb der Landesregierung auch zu widersprüchlichen Aussagen gekommen. Herr Repnik hat Herrn Schäuble widersprochen, als es darum ging, die Zumutbarkeitsregelungen zu verschärfen. Vielleicht sollte man sie sich einmal ansehen, bevor man darüber diskutiert. Ich denke, die Regelungen reichen aus. Sie müssen umgesetzt werden. An der mangelnden Umsetzung kann es manchmal liegen; da bin ich mir sicher.
Zu den Integrationskursen hat Herr Heiler einiges gesagt. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass sie bei uns für die Betroffenen sehr viel Geld kosten. Auch ist meiner Meinung nach etwas Verfassungswidriges dabei, indem es eine Beendigung des Aufenthalts nach sich ziehen kann, wenn man an diesen Kursen nicht teilnimmt. Das ist nicht der richtige Weg. Es ist vielmehr nur ein Teil richtig.
Arbeitsverbot: Ich glaube, dass es sich mit Menschenwürde und Menschenrecht nicht vereinbaren lässt, wenn man Personen, die ohnehin hier sind, nicht arbeiten lässt. Auch sind es nicht so viele, dass große Probleme auf dem Arbeitsmarkt entstehen würden, wenn sie als Arbeitskräfte noch dazukämen. Ich begrüße es sehr, dass die entsprechende Wartezeit herabgesetzt worden ist, weil es nicht gut sein kann, wenn man Menschen zum Nichtstun verurteilt.
Im Familienbericht der zuständigen Bundesministerin steht, dass schon sehr viel an Integration geglückt ist, dass sehr viele Menschen, die zu uns gekommen sind, integriert sind. Das begrüße ich außerordentlich.
Experten sagen aber auch, dass es eine deutsche Leitkultur in dem Sinne nicht geben könne. Die Reps haben uns hier
Gott sei Dank Aussagen darüber erspart, welche Vorstellung sie von einer deutschen Leitkultur haben. Das ist gut für uns.
Nähere Darlegungen zum Frauenbild der Reps haben sie uns Gott sei Dank auch erspart. Das kann uns auch nur recht sein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das „Münchner Manifest“ zum Auftrag der Bundeszentrale und der Landeszentralen für politische Bildung, verfasst von der Kultusministerkonferenz, hat die Überschrift „Demokratie braucht politische Bildung“. Das heißt, politische Bildung ist eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Demokratie überhaupt. Das gerät häufig in Vergessenheit.
Aber nachdem einer politischen Öffentlichkeit das Ausmaß von Rechtsextremismus, Gewalt gegen Menschen wie Ausländer oder Obdachlose und von Antisemitismus seit diesem Sommer wieder deutlich geworden ist,
wird die Frage nach der politischen Bildung erneut gestellt.
Die Antwort der Landesregierung ist in einer Passage sehr optimistisch. Ich zitiere:
So kann intoleranten, menschenverachtenden Tendenzen, wie sie in Gewaltbereitschaft und Ausländerfeindlichkeit zum Ausdruck kommen, durch politische Bildungsarbeit wirksam entgegengetreten werden.
Ich habe Sympathie für diesen Optimismus, aber wir müssen uns in einer Debatte über politische Bildung der Frage ihrer Wirksamkeit stellen.
Politische Bildung ist in der Schule unzureichend. Außerschulische Bildungsarbeit erreicht aber nur 1 bis 3 % der Bevölkerung. Sie schreiben ja in Ihrer Antwort, das besondere Augenmark müsse politisch desinteressierten Menschen gelten, die aber nur auf unkonventionellen Wegen gewonnen werden könnten.
Ich denke, über die Ziele politischer Bildung sind wir uns schnell einig. Wir brauchen aber eine Untersuchung ihrer
Wirkung. Wir brauchen, wie in der Weiterbildung generell, eine Evaluierung der politischen Bildung. Erreicht sie ihre Zielgruppen? Erreicht sie die gewalttätigen, von Rechtsextremismus gefährdeten Menschen? Macht sie die anderen stark und vermittelt die Zivilcourage, die von jedem und jeder Einzelnen gegen Rechtsradikalismus eingefordert wird?
Politische Bildung benötigt aber auch eine ausreichende, verlässliche Finanzierung. Die Entwicklung der Sachmittel für die Landeszentrale für politische Bildung spiegelt eine solche verlässliche Finanzierung über die Jahre hinweg nicht wider.
Politische Bildung benötigt neue, unkonventionelle Wege. Dazu gehören innovative Projekte, wie zum Beispiel „Team Z“. Ich wünsche mir auch noch mehr eine Finanzierung, die Wettbewerbe fördert, Wettbewerbe guter Ideen.
Politische Bildung muss die Multiplikatoren und politisch Interessierte ansprechen, wie zum Beispiel mit der Initiative „Team Z“. Sie muss aber auch Wege finden, um die Menschen zu erreichen, die nie ein Seminar besuchen würden. Eine wichtige Rolle kommt dabei den neuen Medien Internet und Computer zu. Ich denke, die Schwellenangst, sich auf Angebote politischer Bildung einzulassen, ist geringer, wenn diese Angebote gut gemacht sind und neugierig machen. Wir dürfen das Internet nicht den Rechtsextremisten überlassen,
sondern wir müssen es zu einem Forum der Demokraten und zu einem Ort politischer Bildung machen.
Die Entrüstung über den braunen Sumpf und über die ideologische Verführung junger Menschen reicht nicht aus. Wir müssen uns um mehr Nachhaltigkeit der politischen Bildungsarbeit bemühen. Das setzt, wie gesagt, eine ausreichende und gesicherte Finanzierung voraus, die Förderung neuer Ideen, den vermehrten Einsatz neuer Medien und eine Evaluation der Wirkung politischer Bildung.
Abschließend möchte ich mich ausdrücklich dem Dank anschließen, den Herr Rech der Landeszentrale für politische Bildung übermittelt hat.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie können sicher bestätigen, dass das Innenministerium bereits im Jahr 1993 von der Fraktion GRÜNE auf die Unvereinbarkeit der Ausweisungsvorschriften im Ausländergesetz mit dem EG-Recht hingewiesen wurde, wobei diese Vorschriften durch die sehr strengen baden-württembergischen Erlasse noch verschärft werden. Sie haben damals keinen Handlungsbedarf gesehen. Jetzt, nachdem sich das Europaparlament und die Europäische Kommission dieser Problematik angenommen haben, haben Sie sich mit dem Außenministerium Italiens über die Bildung einer Arbeitsgruppe verständigt. Meine Fragen: Gibt es diese Arbeitsgruppe bereits? Wie ist sie besetzt? Welches Konzept und welcher Zeitplan liegen der Arbeit dieses Gremiums zugrunde?
Wie bewertet die Landesregierung die Absicht der Bundesregierung, demnächst eine Verwaltungsvorschrift zu verabschieden, die eine hohe Hürde für die Ausweisung von EU-Bürgern festlegen soll?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt meiner Meinung nach keinen sinnvollen Grund dafür, heute über den Entwurf der EU-Richtlinie zu reden, weil, wie bereits ausgeführt wurde, der Innenausschuss am 24. Mai ohne förmliche Abstimmung beschlossen hat, sich der Haupt- und auch der Hilfsempfehlung des Innenausschusses des Bundesrats anzuschließen, und diese lehnen den EU-Richtlinienentwurf in der vorliegenden Form ab. Die EU-Kommission wird im Herbst einen überarbeiteten Entwurf vorlegen, und es wäre sinnvoll, diesen Entwurf erst einmal abzuwarten.
Aber das passt natürlich den Republikanern nicht, die heute wieder einmal mit einem ihrer Lieblingsthemen Stimmung machen wollen, Schreckgespenster an die Wand malen
und aufzeigen wollen, dass nach Baden-Württemberg eine Masseneinwanderung – so wurde es schon wieder genannt – erfolgen werde, wenn dieser Richtlinienentwurf verabschiedet wird. Wir sollten bei den Tatsachen bleiben und erst einmal ordentlich lesen, was in dem Richtlinienentwurf steht.
Empfohlen wird die Fortschreibung der von der Realität längst überholten und nachbesserungsbedürftigen EURichtlinie aus dem Jahr 1968 zur Familienzusammenführung für so genannte Wanderarbeitnehmer. Es ist höchste Zeit, sie der Realität anzupassen.
In der Hauptsache geht es dabei für mich um drei Punkte. Erstens – das ist das Strittige –: Wie definiere ich Familie? Zweitens: Was wird dies für die sozialen Sicherungssysteme bedeuten? Drittens: Kommen auf die Kommunen wesentlich mehr Kosten zu? Zu diesen drei Punkten möchte ich Stellung nehmen.
Erstens: Der erweiterte Familienbegriff der Richtlinie besagt, dass zur Familie auch Lebenspartner gehören, auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner,
abhängige Verwandte, volljährige Kinder, sofern sie, beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen, nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen.
Dieser erweiterte Familienbegriff wird zwar vom Bundesrat, meiner Meinung nach leider, abgelehnt, ist aber inzwischen in der modernen Definition von Familie sogar im Familienpapier der CDU zu finden
und umfasst eben mehr als die klassische Kernfamilie.
Im Richtlinienentwurf – und das ist das Entscheidende, gerade für die Gegner – findet sich im Übrigen ausdrücklich der Verweis: „nach jeweiliger Regelung des Mitgliedsstaates“. Das heißt, es wird viel Lärm um nichts gemacht.
Das wirklich Entscheidende an dem EU-Vorschlag ist, dass die Familienzusammenführung auch für aus Drittstaaten eingewanderte EU-Staatler gelten soll, die inzwischen hier die Staatsbürgerschaft haben, für „neue Deutsche“ aus der Türkei, aus Polen oder aus Russland. Diese dürfen nach bisherigem Recht ihre Familien nicht nachholen. Der EUVorschlag bezieht diese EU-Bürger ein, was von uns Grünen begrüßt wird, da auch diese Menschen zum Teil lange hier leben und arbeiten und deshalb das Recht auf Familienzusammenführung haben sollten. Voraussetzung dafür ist – und das steht auch drin –, dass sie ein gesichertes Einkommen haben. Dieser Familienzusammenführung sollten wir uns nicht entziehen.
Zum Zweiten geht es um die Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme, sprich Kinder- und Erziehungsgeld, Kranken- und Rentenversicherung.
Dazu komme ich noch, Herr König, warten Sie ab.
Hierzu sollte man sich, bevor Horrorszenarien an die Wand geworfen werden, den dritten Vorschlag aus dem Beschluss des Bundesrats ansehen, den ich vorlese:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, eine quantifizierte Prognose über die mittelfristigen Wirkungen des Richtlinienvorschlages zu erstellen und dabei insbesondere die Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme darzulegen. Danach behält sich der Bundesrat eine weitere Stellungnahme vor.
Das halte ich für vernünftig, bevor man wieder irgendetwas an die Wand malt.
Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang, und nicht nur in diesem, darauf hinweisen, dass wir durch die demographische Entwicklung – und das weiß inzwischen jeder, wenn er es wissen will – auf Einwanderung angewiesen sind, zum Beispiel auch für die sozialen Sicherungssysteme.
Sie könnten ab und zu einmal etwas Gutes lesen, damit Ihr Hirn etwas erweitert wird.
Was für ein Hirn? Berechtigte Frage.
Zum dritten Komplex, nämlich der Befürchtung, die finanziellen Aufwendungen für die Sozialhilfe in den Kommunen würden steigen, wenn es zu einem verstärkten Zugang von Drittstaatsfamilienangehörigen im Rahmen der Familienzusammenführung kommt. Darüber kann man durchaus nachdenken. Ich möchte dazu das Wichtigste sagen, was auch in der Richtlinie aufgeführt ist.
Eine Voraussetzung für den Anspruch auf Familienzusammenführung ist ja, dass die zusammenführende Person – das ist ein merkwürdiger Ausdruck, aber er steht so drin – über feste und ausreichende Einkünfte verfügt. Ich denke, es ist zunächst einmal grundlegend wichtig, dies zu sehen.
Zum anderen – das ist hier schon gesagt worden – sollten wir auch den Einzelaspekt der Familienzusammenführung im Kontext mit einer umfassenden Regelung der Zuwanderungspolitik der EU sehen,
wo ein endgültiges Konzept, das wir alle wollen, noch aussteht.
Ich möchte an den Schluss meiner Ausführungen einen Satz aus den Hilfsempfehlungen stellen, die mir lieber wären als die Empfehlungen des Bundesrats:
Der Bundesrat
gerade noch diesen Satz –
wertet den Vorschlag für eine Richtlinie als dringend erforderliches einwanderungspolitisches Instrument zur Regelung der Zuwanderung und zur Harmonisierung der europäischen Einwanderungspolitik.
Diese Aufgabe sollten wir erfüllen, bevor wir hier Gespensterdebatten führen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schutz der Flüchtlinge
und nicht die Logik der Abschreckung oder die Abschaffung eines Grundrechts steht in dieser Debatte für uns im Vordergrund. Das unterscheidet uns und auch andere grundlegend von den Reps. Während auf europäischer Ebene über die Schaffung einer Grundrechtscharta diskutiert wird, müssen wir hier in diesem Haus zum wiederholten Mal über die Aushöhlung eines Grundrechts reden, nämlich des Individualgrundrechts auf Asyl als subjektives Grundrecht.
Bedauerlicherweise hat sich in Deutschland seit Jahren eine Diskussionskultur entwickelt, die restriktiven Äußerungen zum Asylrecht ungleich mehr Gehör verschafft als sachlich und fachlich haltbaren bzw. besonnenen Beiträgen. Die Reps, aber auch der Innenminister dieses Landes und der CDU-Newcomer Merz sind für die Abschaffung des derzeit geltenden Asylrechts, und das alles angesichts fallender Flüchtlingszahlen, also ohne Not.
Was steht auf europäischer Ebene zur europäischen Harmonisierung des Asylrechts auf der Tagesordnung?
Erstens – es wurde auch schon von Herrn Heiler ausgeführt –: Es werden gemeinsame Anstrengungen hin zu einer kohärenten Flüchtlings- und Migrationspolitik unternommen.
Zweitens: Es sollen so genannte Flüchtlingsfonds geschaffen werden, die die Kosten in der Gemeinschaft solidarisch regeln, eine alte Forderung des Europäischen Parlaments an die Kommission, die auch vom europäischen Flüchtlingsrat ECRE und auch von den Grünen unterstützt wurde und wird. Übrigens ist diesem Vorschlag gestern zugestimmt worden.
Der europäische Gipfel in Tampere hat zur Asylpolitik empfohlen:
Erstens: Es ist eine hochrangige Gruppe „Asyl und Migration“ auf EU-Ebene einzurichten.
Zweitens: Es sollen besondere Sanktionen gegen kriminelle Schleuserbanden formuliert und umgesetzt werden.
Drittens: Bei der Überwachung der Außengrenzen der Mitgliedsstaaten soll kooperiert werden.
Viertens: Das Recht auf Asyl soll gewährleistet werden.
Fünftens: Rechtliche Standards für das Asylrecht sollen formuliert werden.
Das erscheint uns zwar nicht unbedingt als fällige Kehrtwende in der Asyl- und Einwanderungspolitik, aber – das ist jetzt wichtig – die Konferenz von Tampere hat nachdrücklich bestätigt, ihre Asylpolitik auch weiterhin auf die Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention zu stellen. Nach Auslegung des UNHCR – nur die UN haben das Recht, festzulegen, wer als Flüchtling unter die GFK fällt – besteht in Deutschland eine zunehmend restriktivere Asylrechtsprechung. Es besteht sozusagen eine Schutzlücke, wird doch strikt getrennt in staatliche und nicht staatliche Verfolgung, und geschlechtsspezifische Verfolgung wird
nicht als Asylgrund anerkannt. Aber ich frage Sie, was es bedeutet, wenn Frauen in Afghanistan, denen in ihrem Herkunftsland Grundrechte, wie Recht auf Bildung, Recht auf entsprechende Krankenversorgung, verwehrt werden, sogar die Todesstrafe droht, wenn sie unverschleiert aus dem Haus gehen, ob dies Verfolgung ist, egal ob durch den Staat oder durch ein absolut Menschen verachtendes System wie die Taliban, und ich frage Sie, ob diese Frauen schutzbedürftig sind.
Bei uns wurden 1998 1 895 Asylsuchende aus Afghanistan anerkannt und 3 821 abgelehnt. Hohe Ablehnungsquoten sind noch lange kein Beleg dafür, ob jemand schutzbedürftig ist oder nicht. Außerdem liegt die Anerkennungsquote allgemein eben nicht, wie leider auch Bundesinnenminister Schily behauptet, bei 3 %, sondern letztlich um ein Fünf- bis Sechsfaches höher.
Für uns ist das Fazit dieser Diskussion, dass der verbliebene Teil – und Herr Schmid, der jetzt nicht mehr da ist
ich habe Sie doch glatt übersehen, Herr Schmid, so ein Zufall –,
hat ja schon den Kollegen Özdemir erwähnt – des individuell einklagbaren Grundrechts auf Asyl nicht zur Disposition gestellt werden darf. Wer verfolgt wird, muss auch in Zukunft einen einklagbaren Anspruch auf Asyl behalten. Den Vorstoß der Reps lehnen wir ab.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ob man nun ein kritikloser Anhänger der Greencard, des Vorschlags von Bundeskanzler Schröder, ist oder ob man sie total ablehnt,
eines hat die Debatte auf jeden Fall bewirkt: Das Thema Einwanderungsgesetz ist wieder aktuell geworden, und das ist gut so.
Alle demokratischen Parteien haben sich dazu geäußert, natürlich nicht unbedingt in unserem Sinne, Herr Haasis. Herr Merz hat sich zwar geäußert, aber er spricht gleichzeitig von der Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl,
die wir natürlich nicht wollen. Trotzdem finde ich es gut, dass die FDP/DVP heute diese Debatte vor der Debatte der Reps beantragt hat.
Ich denke, dass der Satz der Konservativen, der gebetsmühlenhaft immer wiederholt worden ist: „Deutschland ist kein Einwanderungsland“,
zum einen faktisch längst überholt ist, zum anderen insofern sehr verhängnisvoll war, als er verhinderte, dass in
Deutschland eine rationale Einwanderungspolitik gestaltet werden konnte. Das war meiner Ansicht nach ein schwerer, ein verhängnisvoller Fehler und ein Armutszeugnis für die Politik. Damit hat sie auf das verzichtet, was ihre ureigenste Aufgabe ist, nämlich zu gestalten und Rahmenbedingungen für gesellschaftliche Veränderungen zu setzen.
Ich zitiere in diesem Zusammenhang immer gern Max Frisch, weil ich meine, er hat das damals sehr gut gesagt: „Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und es sind Menschen gekommen.“
Wenn wir zurückblicken, muss man auch sehen, dass die erste Gastarbeitergeneration, sage ich einmal, viele Jahre auch bereit war, in ihr Heimatland zurückzukehren. Es gab diese Rückkehroption. Spätestens dann aber, als der Anwerbestopp – –
Jetzt hören Sie mir einmal zu. Ich sage Ihnen, Herr Wieser, was ich machen will.
Spätestens der Anwerbestopp hat eigentlich dazu geführt, dass diese Menschen ihre Familienangehörigen nachgeholt haben und beschlossen haben, doch hier zu bleiben.
So ist aus dem Anwerbestopp eigentlich etwas ganz anderes geworden als das, wozu er eigentlich dienen sollte. Es war das Verdienst von Heinz Kühn, dem ersten Ausländerbeauftragten der Bundesregierung,
der schon Ende der Siebzigerjahre erkannt hat:
Wir sind ein Einwanderungsland geworden. Das hat auch Frau Funcke während ihrer ganzen Tätigkeit als Ausländerbeauftragte immer wieder betont. Sie hat es übrigens bei ihrem Abschied dem damaligen Bundeskanzler Kohl sehr verübelt, dass er sie während ihrer ganzen Amtszeit nicht ein einziges Mal empfangen hat. Das zeigt natürlich auch, welchen Rang dieses Thema beim damaligen Kanzler hatte.
Was bedeutet eigentlich ein Einwanderungsgesetz? Lassen Sie mich zu diesem Thema einen ganz kurzen Aspekt aus der FAZ zitieren:
Die wichtigsten Ziele einer Einwanderungsgesetzgebung sind: Steuerung einer geregelten Zuwanderung, das heißt Zulassung nach voraussehbaren, rechtsstaatlich bestimmten und gesetzlich festgelegten Kriterien, die neben rechtlichen Bindungen demographische, ar
beitsmarktpolitische und ökonomische Aspekte berücksichtigen. Es bedeutet die Erleichterung der Vollund Teilintegration der sich bereits legal im Inland aufhaltenden Ausländer. Es muss beinhalten die Steigerung der Sozialverträglichkeit und Akzeptanz der Zuwanderung durch flankierende Maßnahmen der Antidiskriminierungs-, Bildungs- und Sozialpolitik.
All das ist in den letzten Jahrzehnten verhindert worden. Ich sage noch einmal: Es war ein ganz großer Fehler, dass man sich gegen eine solche Steuerung ausgesprochen hat. Dies war nicht durchsetzbar, weil es eine konservative Mehrheit dagegen gab. Es gab ja schon einige Vorstellungen zu einem Einwanderungsgesetz.
SPD, FDP und die Grünen haben dazu in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf eingebracht. Aber – Kanther „sei Dank“, sage ich nur – damals konnte man sich nicht durchsetzen.
Ich würde mir wünschen und appelliere da auch an alle demokratischen Kräfte hier – – Im Fernsehen konnten Sie gestern Abend zu diesem Thema zum Beispiel Herrn Hundt, Herrn Stihl und Herrn Philipp als Vertreter des Handwerks hören: Man will ein Einwanderungsgesetz. Ich appelliere wirklich an alle demokratischen Kräfte, gemeinsam mit gesellschaftlichen Gruppierungen – mit den Kirchen, Arbeitgeberverbänden, Arbeitnehmerverbänden – ein humanes, rationales Einwanderungsgesetz zu schaffen.
Ich wünsche mir auch, dass der Ministerpräsident dieses Landes endlich auf seinen Innovationsbeirat hört, der sagt: „Wir brauchen eine Einwanderung; diese muss gesteuert werden“, und dass er auf seine Zukunftskommission hört, die einfordert, dass Baden-Württemberg ein Vorbild für Integration der hier lebenden Ausländer werden soll.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Reps begehren in ihrem Antrag, die Familien verfassungsrechtlich zu schützen.
Da kann ich den Herren von der rechten Seite nur sagen: Die Familie steht längst unter dem staatlichen Schutz der Verfassung. Staatlicher geht es gar nicht. Es empfiehlt sich also, vor dem Stellen solcher Anträge die Verfassung zu lesen.
Artikel 6 des Grundgesetzes besagt, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Artikel 2 der Landesverfassung stellt mit seiner Verweisung auf das Grundgesetz den Bezug der Landesverfassung zum Grundgesetz, also den staatlichen Schutz von Ehe und Familie her. Der hier vorliegende Antrag ist deshalb unnötig wie ein Kropf.
Lassen Sie mich aber noch einige Sätze zum Familienbild sagen, wie es sich inzwischen bei allen Parteien außer den Reps darstellt. Familie ist da, wo Kinder sind, egal, ob diese Kinder von Eltern mit oder ohne Trauschein erzogen werden, egal, ob allein oder zu zweit erzogen wird.
Natürlich sind sie Familie.
Wer Familie anders definiert, schließt seine Augen vor der Realität und versucht, ein spezielles Familienbild unter „Denkmalschutz“ zu stellen, das mit der gesellschaftlichen Entwicklung aber auch gar nichts zu tun hat. Er bleibt ewiggestrig.
Ein Wort noch zu den „bösen Singles“, die ja extra aufgeführt werden. Singles sind in ihrer Mehrheit nicht die egoistischen, Familien und Kinder hassenden jungen Menschen, sondern zum großen Teil ältere allein stehende, oft verwitwete oder kurzzeitig allein lebende junge Menschen. Nach wie vor aber haben fast alle jungen Menschen – das wurde auch schon gesagt – für ihre Zukunft ein Leben in der Familie im Sinn. Oft lassen sie sich aber mehr Zeit bei
ihrer Familienplanung, weil sie zum Beispiel zunächst Berufswünsche verwirklichen wollen.
Jetzt fangen Sie nicht auch noch so an!
Das Leben mit Kindern benötigt entsprechende Rahmenbedingungen. Die Bundesregierung hat solche bereits auf den Weg gebracht. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen – dabei geht es nicht nur um steuerliche Rahmenbedingungen, es geht auch um Arbeitsplätze, um eine vernünftige Umwelt- und Sozialpolitik und vieles andere –, dann wollen Menschen in der großen Mehrheit mit Kindern, also in einer Familie leben, wenn auch etwas anders als früher und in vielfältigeren Formen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zuerst eine Vorbemerkung zu dem CDU-Familienpapier. Wenn Sie mit den darin geäußerten Vorstellungen tatsächlich Ernst machen – die Sie bei uns schon seit vielen Jahren hören –, kann ich Ihnen ein Stück weit gratulieren. Aber damit möchte ich es mit dem Lob auch erst einmal bewenden lassen.
Vor einigen Jahren haben die beiden Kirchen ein gemeinsames Sozialwort herausgegeben und darin auch Erklärungen zum Leben mit Kindern und zum Familienbegriff gegeben: Familie ist da, wo Kinder sind. Ich möchte aus diesem gemeinsamen Sozialwort kurz zitieren. Die Kirchen schreiben:
Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich in den letzten Jahrzehnten so verändert, dass Eltern im Vergleich zu den Kinderlosen immer größere wirtschaftliche und persönliche Verzichte abgefordert werden und auch die Tragfähigkeit der familialen Beziehungen immer häufiger überlastet wird.
Die Kirchen mahnen gleichzeitig auch ein anderes Verhältnis zur Umweltpolitik an. Sie schreiben:
Die gegenwärtige Generation darf nicht auf Kosten der Kinder und Kindeskinder wirtschaften, die Ressourcen verbrauchen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft aushöhlen, Schulden machen und die Umwelt belasten.
Beide Forderungen spiegeln sich wider in Äußerungen von Familienverbänden, engagierten Familienpolitikerinnen und -politikern und gerade, was die wirtschaftliche Situation von Familien angeht, auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Familienleistungsausgleich.
In der Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen heißt es unter der Überschrift „Sichere Zukunft für die Familien“:
Wir wollen Deutschland wieder zu einem kinder- und familienfreundlichen Land machen. Damit leisten wir eine wichtige Investition in die Zukunft unseres Landes. Die Familien gehören zu den wichtigsten Leistungsträgern in unserer Gesellschaft.
Bereits in der Präambel wird das gemeinsame Ziel formuliert, die natürlichen Lebensgrundlagen auch für die nachfolgenden Generationen zu sichern und zu bewahren.
Diese wichtigen Ziele hat die Regierung ernsthaft und erfolgreich angepackt, indem sie erstens begonnen hat, die Staatsfinanzen zu sanieren, zweitens das Existenzminimum und das Kindergeld deutlich erhöht und drittens durch die Ökosteuer Arbeit billiger
hören Sie lieber zu, Herr Schmid – und Umweltverbrauch teurer gemacht hat.
Auch das Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist ein Stück erfolgreiche Familienpolitik.
Alle diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass Familien mit Kindern netto mehr Geld in der Tasche haben,
nach dem Motto: Entscheidend ist, was übrig bleibt. Kanzler Kohl hat einmal gesagt: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“
Auch die Landesregierung stellt in der vorliegenden Drucksache – bitte nachlesen! – entsprechende Zahlenbeispiele dar. Trotz ihrer grundlegenden Kritik an der Ökosteuer sind diese Beispiele im Endergebnis positiv. Sie alle können diese Zahlen nachlesen und werden merken: Familienarmut auf die Ökosteuer zurückzuführen, wie es die Reps tun, ist schlichtweg falsch.
Doch es wird nicht nur diese falsche Behauptung widerlegt, sondern entscheidend und zukunftweisend für Familien- und Kinderfreundlichkeit in unserem Land ist auch, uns endlich den Umweltverbrauch etwas kosten zu lassen, um dazu beizutragen, die natürlichen Ressourcen für unsere Kinder nachhaltig zu schützen.
Herr Schmid, Sie haben es wirklich nicht gelesen. Soll ich es mit Ihnen gemeinsam lesen? Vielleicht hilft das.
So können kommende Generationen auch morgen noch in einer einigermaßen intakten Umwelt aufwachsen.
Nein. – Aber davon, was es für Kinder bedeutet, in einer intakten Umwelt aufzuwachsen, und deswegen Umweltverbrauch sich etwas kosten zu lassen, haben die Reps noch nie etwas gehört.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir den Worten des Sozialministers in der letzten Sozialausschusssitzung glauben wollen – das wollen wir gerne versuchen, Herr Repnik –, dann müsste eigentlich auf die Arbeitsprogramme des Landes ein wahrer Geldregen herabgehen. Also sprachen Sie, Herr Repnik, in der letzten Sozialausschusssitzung und gingen davon aus, dass die entsprechenden Komplementärmittel zu den 64 Millionen DM ESF-Mittel zur Verfügung gestellt werden. Es ist schon mehrfach angesprochen worden, dass im Haushalt allerdings nur Nullen zu sehen sind,
bis auf den Haushalt des Wirtschaftsministeriums. Manches, Herr Haas, muss man immer wieder sagen, damit auch Sie es merken.
Herr Minister, wir versprechen Ihnen: Wir werden in dieser Angelegenheit am Ball bleiben.
Für die Arbeitsmarktpolitik des Landes und die Beschäftigungsprogramme, die der Landesregierung immer sehr wichtig waren und sind – davon gehe ich jedenfalls aus –, wäre dieser Geldregen natürlich auch ein Segen. Wir könnten dann nicht nur die Finanzen der Landesprogramme „Jugend – Arbeit – Zukunft“ und „Arbeit und Zukunft für Langzeitarbeitslose“ entsprechend aufstocken, was auch schon sehr wichtig wäre. Trotz relativ guter Zahlen kann es keine Entwarnung geben, weil Sie auch immer das individuelle Schicksal gerade bei Langzeitarbeitslosen oder bei Jugendlichen sehen müssen. Und es könnten endlich auch wieder neue Träger in die Programme aufgenommen werden, was in der letzten Zeit kaum möglich war – neue Träger und auch kleine Träger, die sich öfter auch durch besondere Fantasie und Kreativität und auch durch sehr viel Engagement auszeichnen.
An dieser Stelle möchte ich aber insgesamt einmal all denjenigen danken, die bei den Trägern, in den Beschäftigungsinitiativen ihre Arbeit tun.
Ich möchte Ihnen noch einen neuen Schwerpunkt ans Herz legen, und zwar geht es mir um die Menschen, die hier ein
gewandert sind, die legal hier leben können und die leider wegen mangelnder Qualfikation oft einen großen Anteil unter den Arbeitslosen stellen. Wir könnten hier wesentlich mehr Mittel einstellen, sozusagen auf Landesebene ein „JUMP“-Programm – Jugend mit Perspektive – für die Migranten entwickeln, um diese Menschen nachzuqualifizieren und ihnen mehr Teilhabe an dieser Gesellschaft zu ermöglichen.
Baden-Württemberg ist in diesem Bereich – ich spreche jetzt von Integrationspolitik – nicht Spitze, was es ja sonst immer sehr gerne ist. Wir können alles außer Integration! Also könnten Sie jetzt durch die wesentlich aufgestockten ESF-Mittel und die entsprechende Komplementierung wirklich die Chance haben, für den Bereich der Einwanderung entsprechende Qualifizierungsprogramme anzubieten, und Sie könnten auch den Vorschlägen, den Empfehlungen des Innovationsbeirats der Landesregierung und der Zukunftskommission nachkommen, die ja schon mehrfach darauf hingewiesen haben, dass Integrationspolitik notwendig ist. Sie sollten sich also auf den Weg begeben, dass BadenWürttemberg im Bereich der Integrationspolitik wenigstens ins Mittelfeld gelangt. Ich wünsche Ihnen dafür viel Mut.