Walter Heiler
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Haasis, ich verstehe nicht ganz, weshalb dieses Thema heute in einer Aktuellen Debatte behandelt werden soll.
Natürlich ist es November. – Ich zitiere Ihnen Folgendes:
Wir haben auf der Ebene der Europäischen Union, soweit es um Fragen der Ausländerpolitik geht, bis jetzt noch das Einstimmigkeitsprinzip. Bei der heute noch gegebenen Situation, dass ein Mitglied der Europäischen Union die Beschlussfassung über das Inkrafttreten einer solchen Richtlinie wegen des Einstimmigkeitsprinzips verhindern kann, kann momentan überhaupt nichts anbrennen.
Das sagte Herr Innenminister Dr. Schäuble bei einer Plenardebatte im Landtag Ende Juni dieses Jahres. Das heißt, wir haben schon damals dieses Thema debattiert, übrigens fast alle in der gleichen Richtung. Das Thema eignet sich sicherlich nicht, um heute eine Aktuelle Debatte zu führen.
Meine Damen und Herren, ich will unterstreichen: Vom Ansatz her ist die Intention der EU-Kommission wichtig und richtig, denn es handelt sich um einen ersten wichtigen Schritt zu einer europäischen Harmonisierung des Drittstaatenangehörigkeitsrechts. Mit der geplanten Richtlinie erkennt die EU das Recht von Angehörigen aus Drittstaaten auf Familienzusammenführung auch als Grundlage für ein Familienleben an.
Herr Kollege Mühlbeyer hat vorhin bei einer anderen Debatte ja auch gesagt – ich zitiere –: „Die Ehe und Familie sind Keimzelle unserer staatlichen Gemeinschaft.“
Ja, natürlich. Wenn Sie das aber sagen, dann müssen Sie auch sagen, dass dies vom Prinzip her natürlich auch für Menschen gilt, die aus Drittstaaten zu uns kommen.
Meine Damen, meine Herren, der EU ist außerdem beizupflichten, wenn sie eine energischere Integrationspolitik betreiben will.
Bei all diesen richtigen Ansätzen – das haben wir auch bei der letzten Debatte am 29. Juni hier geäußert – ist der neue Text, der jetzt vorgelegt wurde, für uns allerdings immer noch eine Enttäuschung, weil man auf die Vorstellungen der Mitgliedsstaaten und damit auch auf die Vorstellungen der Bundesrepublik leider nicht eingegangen ist. Ich habe damals bei der Debatte – deshalb ist das Thema überhaupt nicht geeignet, hier aktuell debattiert zu werden, Herr Kollege Haasis – auch schon erwähnt, dass es für uns unverzichtbar ist, bei der Zusammenführung darauf abzuheben, ob der Zusammenführende über einen Aufenthaltstitel verfügt, der ihm eine dauernde Aufenthaltsperspektive bietet, weil nur so verhindert werden kann, dass Personen, die die Mitgliedsstaaten in gewisser Zeit wieder verlassen, eine Familienzusammenführung geltend machen können. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass wir den Vorschlag der
Kommission ablehnen, Verwandten in aufsteigender Linie und volljährigen Kindern einen Anspruch auf Familienzusammenführung zu gewähren, denn es kann kein Anspruch sein, sondern das müsste eine Ermessensentscheidung sein, die eingeräumt wird und die auch Einzelfallentscheidungen, insbesondere im Hinblick auf Härtefälle, erlaubt.
Noch ein Punkt, den ich auch wiederhole – so aktuell ist das Thema, Herr Haasis – und den das letzte Mal Ihr CDUKollege Schmid auch angesprochen hat: Wir haben gefordert, dass, bevor wir zu dieser Richtlinie konkret Stellung nehmen können, verlässliche Prognosen von der Bundesregierung erarbeitet werden, wie die Auswirkungen sein würden, wenn die EU-Richtlinie umgesetzt würde.
Dies alles waren unsere Forderungen. Nochmals: Wir müssen mit Enttäuschung feststellen, dass trotzdem
der neue Text jetzt gekommen ist, der diese Forderungen nicht berücksichtigt hat.
Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, noch ein paar allgemeine Worte zur Migrationspolitik zu sagen. Meine Damen, meine Herren, seit 1993 liegt die Kompetenz für die Migrationspolitik bei der Europäischen Union. Es ist in der Vergangenheit viel zu wenig geschehen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, eine in sich schlüssige Gesamtlösung; denn es wird weiterhin Flucht und Wanderung auf der Welt geben. Deshalb nochmals unser Vorschlag: Wir brauchen eine gemeinsame europäische Entwicklungshilfepolitik, wir brauchen ein europaweit vereinheitlichtes Asylverfahren, wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen bei Bürgerkriegs- und Katastrophenflüchtlingen, und wir brauchen eine europäisch harmonisierte Zuwanderungsgesetzgebung.
Ein letzter Punkt: Wir haben uns in der letzten Plenarwoche hier darauf geeinigt, die demokratischen Parteien zumindest, zunächst einmal die Ergebnisse der von Herrn Schily eingesetzten Zuwanderungskommission abzuwarten, die nächstes Jahr kommen werden, und uns dann über die künftige Migrationspolitik zu unterhalten.
Deshalb nochmals: Diese Aktuelle Debatte ist im Augenblick wirklich überflüssig.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Haasis und Herr Innenminister, noch einmal zur Klarstellung: Wir sind uns doch, glaube ich, darüber einig, dass nicht das Europäische Parlament über die Richtlinie zu entscheiden hat, sondern der Ministerrat auf Vorschlag des Europäischen Parlaments.
Moment! – Das heißt, dass diese Entscheidung, die im Europäischen Parlament gefällt wurde, noch nicht die endgültige Richtlinie ist.
Darüber sollten wir uns einmal einig sein.
Nun haben Sie mich gefragt, Herr Haasis, was die badenwürttembergische SPD im Zusammenhang mit diesem Problem tue. Herr Haasis, Sie hätten vielleicht einmal die Drucksache 12/5215 lesen sollen, denn der Innenausschuss hat sich bereits am 24. Mai 2000 mit dieser Problematik befasst.
Am 29. Juni hat das Plenum über diese Problematik beraten. Jetzt erkläre ich es Ihnen zum wiederholten Male, was wir wollen. Ich kann es Ihnen auch schriftlich geben.
Hören Sie doch einmal zu. – Ich habe bereits am 24. Mai in der Innenausschusssitzung darauf hingewiesen, dass wir mit der Richtlinie nicht einverstanden sind. Ich lasse die Einzelheiten der Beratung einmal weg und zitiere:
Abschließend betonte er,
also der Redner der SPD –
seine Fraktion schließe sich den vorliegenden Empfehlungen des Innenausschusses des Bundesrats an.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass diese Empfehlungen inhaltlich genau deckungsgleich sind
mit dem, was ich heute, was ich am 29. Juni und was ich am 24. Mai gesagt habe. Die Position der SPD-Fraktion im Land Baden-Württemberg ist eindeutig klar. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.
Hier wird nichts vernebelt, Herr Haasis, sondern ich sage Ihnen jetzt zum vierten Mal, wie wir es halten wollen. Ich kann es Ihnen auch ein fünftes Mal sagen. Wenn Sie es nicht glauben wollen, dann lassen Sie es bleiben. Unsere Position ist klar.
Wir können dieser Richtlinie, auch in ihrem neuen Wortlaut, nicht zustimmen. Ich habe es in der ersten Runde ausgeführt und möchte jetzt auf weitere Erklärungen verzichten.
Noch zu einigen Punkten, die hier ebenfalls angeklungen sind. Zum Thema Familiennachzug, Frau Thon: Dabei sind wir – ich sage es ganz offen – vielleicht ein wenig unterschiedlicher Auffassung; das kommt auch einmal vor.
Ich bemängle, dass hier ein Anspruch geschaffen werden soll und dass man davon abgegangen ist, ein Ermessen einzuräumen. Wir fordern natürlich, dass dann, wenn das Ermessen ausgeübt wird, Einzelfallentscheidungen getroffen werden und Härtefälle, wie Sie sie angesprochen haben, berücksichtigt werden. Wir sind aber dagegen, dass dies in Form gesetzlicher Ansprüche festgelegt wird.
Es gab noch einen weiteren Punkt, der mich doch etwas erzürnt hat. Auch wenn man auf die Beiträge der Republikaner nicht unbedingt eingehen sollte, muss hier doch, wenn von Kostenexplosionen im Bereich des Sozialversicherungswesens gesprochen wird, eines klargestellt werden: Unter dem Strich zahlen die Ausländer, die hier in der Bundesrepublik leben, immer noch erheblich mehr in die Sozialversicherungssysteme ein, als sie aus diesen erhalten. Das wollte ich nur einmal klargestellt haben.
Herr König, ich habe Sie nicht verstanden, aber – –
Genau, ja.
Meine Damen und Herren, ein Punkt, den ich nochmals deutlich hervorheben will: Wir sind auch deshalb über die jetzt vorgelegte Richtlinie enttäuscht, weil lediglich ein einziger Aspekt herausgegriffen wurde, nämlich das Thema Familienzusammenführung. Wir fordern schon immer und ewig ein Gesamtkonzept. Was die Europäische Kommission macht, ist eigentlich genau der Fehler, der in Deutschland schon seit Jahrzehnten gemacht wird: Man wurstelt da und dort im Bereich Ausländerrecht. Asyl, Spätaussiedler, Familiennachzug – alles ohne Gesamtkonzeption. Die Europäische Kommission setzt jetzt ebenfalls genau an diesem falschen Punkt an. Deshalb ist die Forderung von uns, dass eine Gesamtkonzeption auf europäischer Ebene kommen muss.
Zum Schluss nochmals, was das Thema Aktuelle Debatte anbelangt: Ich glaube wirklich, wir wären gut beraten – das hat auch der Herr Innenminister angesprochen –, die Ergebnisse der Zuwanderungskommission in Berlin abzuwarten, bevor wir uns hier über das Thema Zuwanderung wieder unterhalten. Denn wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Da nützt es, Herr Haasis, nichts, wenn wir uns über Dinge, die im Augenblick gar nicht anbrennen, in einer Aktuellen Debatte unterhalten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr König von den Republikanern hat in seiner Rede durchweg davon gesprochen, dass wir es hier mit Rechtsbruch und mit Rechtsbrechern zu tun hätten.
Er hat so getan, als seien diejenigen, die für Kirchenasyl verantwortlich sind, allesamt Straftäter oder Verbrecher. Ich halte eine solche Art und Weise für widerwärtig – ich sage Ihnen dies ganz deutlich, Herr Käs –, wie Sie mit diesem Thema umgehen.
Pauschalierungen zu diesem Thema, meine Damen und Herren, sind völlig fehl am Platz. Jeder Einzelfall ist für sich daraufhin zu untersuchen, wie man der Wechselwirkung von staatlichem Rechtsgüterschutz einerseits und Kirchenfreiheit andererseits durch eine Güterabwägung Rechnung trägt.
Die Frage ist, ob das Kirchenasyl unter die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Artikels 4 des Grundgesetzes fällt. Diese Glaubens- und Gewissensfreiheit wird durch die Bekenntnisfreiheit und die Freiheit der Religionsausübung ergänzt. Diese Grundrechte gelten im Übrigen nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für juristische Personen, also auch für Kirchengemeinden.
Zur Glaubensfreiheit gehört, sein Handeln nach seinem Glauben und nach seiner Religion auszurichten. Die Kirchen haben nach ihrem eigenen Selbstverständnis die Pflicht zur fürsorglichen Behandlung Hilfsbedürftiger, sprich Caritas.
Wenn nun eine Kirchengemeinde oder ein dort Verantwortlicher nach sorgsamer Prüfung im Einzelfall zum Ergebnis kommt, dass sie bzw. er aus religiösen Gründen nach ihrer bzw. seiner inneren Überzeugung verpflichtet seien, Kirchenasyl zu gewähren, so fällt dies nach meinem Verständnis unter den Schutz des Artikels 4 des Grundgesetzes.
Es gibt hier, meine Damen und Herren, natürlich Grenzen. Die Verfassungsnorm, religiöses bzw. durch Gewissen motiviertes Handeln zu schützen, kann mit anderen Verfassungsnormen oder den mit Verfassungsrang ausgestatteten Gemeinschaftswerten kollidieren. Bei einer solchen Kollision ist wiederum eine Güterabwägung vorzunehmen. Es gibt hier ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, Band 32 Seite 98:
Der konkrete Konflikt zwischen einer nach allgemeinen Anschauungen bestehenden Rechtspflicht und einem Glaubensgebot kann den Täter in eine seelische Bedrängnis bringen, dergegenüber die kriminelle Bestrafung, die ihn zum Rechtsbrecher stempelt, sich als übermäßige und daher seine Menschenwürde verletzende Reaktion darstellen würde.
Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, dass es in fast ausnahmslos allen Fällen in der Bundesrepublik – seit Mitte der Achtzigerjahre rund 3 000 Fälle von Kirchenasyl – so war, dass das Rechtsgut der Glaubens- und Gewis
sensfreiheit nach Prüfung jeweils im Einzelfall einen höherrangigen Anspruch genießt und dass all diejenigen, die dort Verantwortung getragen haben, es sich alles andere als leicht gemacht haben und nach einer sorgfältigen Abwägung zu dem Ergebnis gekommen sind, man müsse in bestimmten Fällen Kirchenasyl, sprich Hilfe, gewähren.
Jetzt wurde von Maßnahmen gegen Kirchen gesprochen, mit welchen Rechtsmitteln die Landesregierung bisher gegen die Verantwortlichen der Kirchen und gegen die Kirchen vorgegangen ist. Kollege Schmid hat es gesagt: Es ist schon erstaunlich, dass Sie verlangen, die Kirchen sollten quasi gestürmt werden, denn es ist wirklich so, dass Ihre Forderung anders nicht durchzusetzen wäre.
Ja, genau.
Meine Damen und Herren, der wesentliche Punkt ist für mich folgender: Die Kirchen erheben keinen Anspruch auf Gewährung eines Kirchenasyls. Es ist allgemein anerkannt, dass weder aus dem Grundgesetz noch aus anderen Rechtsvorschriften ein solches Recht hergeleitet werden kann. Auch die Kirchen selbst respektieren, dass nur der Staat Asyl gewähren kann. Nur wenn das Kirchenasyl jetzt inflationär gehandhabt würde, hätte es sein moralisches Kapital verspielt und wäre wohl auch in der Bevölkerung oder auch in der Politik kein Verständnis mehr dafür vorhanden. Aber gerade die geringe Anzahl der Kirchenasylfälle zeigt augenscheinlich, dass Kirchengemeinden und deren Verantwortliche offenbar sehr sensibel und sehr verantwortungsbewusst mit diesem Thema umgehen.
Gestatten Sie mir, dass ich aus der letzten Ausgabe von „Chrisma Plus“, dem evangelischen Magazin, zitiere. Dort steht:
Insgesamt suchten seit Mitte der Achtzigerjahre mehr als 3 000 Menschen Schutz im Kirchenasyl in der Bundesrepublik, und rund 70 % von ihnen erhielten mithilfe der Gemeinden doch noch ein vorübergehendes oder auch dauerhaftes Bleiberecht.
Das zeigt: Vielleicht oder wahrscheinlich haben diejenigen, die Kirchenasyl gewähren, so Unrecht doch nicht.
Meine Damen und Herren, solange sich die Kirchen und deren Verantwortliche nicht anmaßen, zu entscheiden, was Recht und Unrecht ist, sondern dies dem Staat überlassen, solange klar ist, dass die Kirchen keine rechtsfreien Räume schaffen wollen und es sich wirklich nur um eine geringe Anzahl von Fällen handelt, tut dieser Rechtsstaat gut daran, Toleranz zu üben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wem es sich bislang noch nicht erschlossen hat, dem muss spätestens nach der Rede von Herrn Deuschle klar geworden sein: Die demokratischen Parteien dürfen nicht zulassen, dass dieses sensible und wichtige Thema im Wahlkampf in den Schmutz gezogen wird, meine Damen und Herren.
Das Thema Zuwanderung ist sicherlich eines der wichtigsten Themen, mit denen sich unsere Gesellschaft befassen muss.
Gerade deswegen hat die Bundesregierung eine Zuwanderungskommission eingesetzt.
Sie ist dazu berufen, Vorschläge zu erarbeiten. Die Tatsache, dass Frau Süssmuth zur Vorsitzenden dieser Kommission ernannt wurde, zeigt, dass es der Bundesregierung um ein ganz wesentliches Element geht: Es geht um eine Lösung im Konsens aller demokratischen Parteien.
Dieser Konsens der demokratischen Parteien, meine Damen und Herren, ist für mich entscheidend, weil er zu einer weiteren wichtigen Erkenntnis führt:
Er führt zu der Erkenntnis, dass wir nur mit diesem Konsens zu einer breiten Akzeptanz in der Gesellschaft kommen können. Nur wenn wir diese breite Akzeptanz in der Gesellschaft haben, können wir dieses Problem auch verträglich lösen.
Das Thema ist viel zu wichtig. Ich halte es daher auch für falsch, wenn Herr Merz fordert, dieses Thema in den
Wahlkampf einzubringen. Ich will mich deshalb auch nicht auf die Diskussion mit den Republikanern einlassen, denen es nämlich nicht um eine Lösung in der Sachfrage geht, sondern nur darum, hier dumpfe Stimmungsmache zu betreiben, meine Damen und Herren.
Ich bin deshalb froh und dankbar, dass sich auch maßgebliche CDU-Politiker eingeschaltet und darauf hingewiesen haben, dass dieses Thema im Wahlkampf nichts zu suchen hat. Ich danke Herrn Oettinger,
der gesagt hat, man sollte vor einer solchen Kampagne zurückstehen. Ich nenne Herrn Peter Müller, und ich nenne Herrn Rühe. Wenn Sie all denen nicht glauben, dann glauben Sie doch wenigstens den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, dann glauben Sie doch den Kirchen und den Gewerkschaften.
All diejenigen, die hier entscheidend mitreden, sagen: Dieses Thema hat im Wahlkampf nichts zu suchen.
Jetzt komme ich zum Herrn Ministerpräsidenten. Ich habe heute Morgen das „Morgenmagazin“ gesehen. Ich wollte mir nochmals den 3:1-Sieg des HSV in Turin vergegenwärtigen, doch statt Roy Prägers Kopfball habe ich dann den Kopf von Herrn Teufel gesehen, der dargelegt hat, dass dieses Thema im Wahlkampf nicht tabuisiert werden solle.
Er hat von einem Diskussionsverbot und von einem Denkund einem Redeverbot geredet.
Meine Damen und Herren, darum geht es allerdings nicht. Es ist nur die Frage, wann, wo und wie ich über dieses Thema rede.
Frau Schavan hat beispielsweise gesagt, hier sei eine sensible Sprache erforderlich. Herr Oettinger fordert eine gute Streitkultur. Deshalb mein Appell an die CDU, Herr Haasis: Aktionen und Kampagnen mit einfachen Schlagworten zu diesem Thema sind völlig ungeeignet.
Wenn ich dieses Thema anspreche, meine Damen und Herren, dann deshalb, weil ich die Befürchtung habe, dass die
CDU sich nicht daran hält und der Verlockung nicht widerstehen kann, im Wahlkampf dieses Thema hochzuzonen.
Ich erinnere an die unsägliche Debatte 1992, als Sie Plakate „Asylmissbrauch bekämpfen – CDU wählen“ aufhängten und damit den Republikanern den Weg in diesen Landtag ebneten, meine Damen und Herren von der CDU.
Wir brauchen eine geregelte und gesteuerte Zuwanderung aus ökonomischen, aus arbeitsmarktpolitischen und aus demographischen Gründen, die die Interessen unseres Landes und die Interessen der Migranten berücksichtigt. Wir brauchen eine erfolgreiche Integrationspolitik für die Zukunft unseres Landes.
Lassen Sie uns deshalb die Ergebnisse der Zuwanderungskommission abwarten und dann gemeinsam nach einer Lösung suchen, die von allen demokratischen Parteien getragen wird.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Dr. Schäuble, ich möchte damit beginnen, dass ich Ihnen für Ihre Ausführungen danke. Ich fand sie sehr beeindruckend. Ich glaube, dass Sie mit Ihrer Rede hier im Plenum einen entscheidenden und wesentlichen Beitrag zu einer politischen Streitkultur geleistet haben, wie ich sie mir öfter wünsche.
Sie haben mit der Bemerkung begonnen, dieses Thema dürfe nicht tabuisiert werden. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Aber noch einmal: Es kommt darauf an, wie man dieses Thema angeht. Wenn zwischen den Demokraten Einverständnis besteht, dass wir offen diskutieren mit der Sensibilität, die dieses Thema erfordert, und davon absehen, beispielsweise Plakataktionen mit einfachen Parolen zu machen oder Unterschriftenaktionen mit einfachen Parolen oder so etwas wie Herr Rüttgers in Nordrhein-Westfalen – „Kinder statt Inder“ –, was im Ausland nicht besonders gut angekommen ist und nicht dazu gedient hat, Deutschland als weltoffenes und tolerantes Land darzustellen –, wenn also Einverständnis besteht, dass wir solche Dinge im Wahlkampf bleiben lassen, dann hat die heutige Debatte meines Erachtens einen entscheidenden Schritt nach vorn gebracht.
Herr Minister, Sie haben, wie ich es auch versucht habe, Ihre Rede unter die Überschrift „Konsens“ gestellt. Ich darf feststellen, dass hier in der Tat sehr viel Übereinstimmung besteht. Sie haben von einer vernünftigen und begrenzten Steuerung der Zuwanderung gesprochen, eine Forderung, die gerade unsere Landtagsfraktion seit vielen Jahren stellt. Sie haben davon gesprochen, dass wir in der Bundesrepublik hoch qualifizierte Fachkräfte benötigen. Auch da haben Sie unsere Zustimmung, auch da besteht Konsens. Sie haben dankenswerterweise auch davon gesprochen, dass sich die Zuwanderungsthematik nicht auf arbeitsmarktpolitische, wirtschaftliche, demographische und ähnliche Aspekte beschränken kann, sondern dass es auch darum gehen muss, dass die Bundesrepublik nach wie vor ein Land sein muss, welches Menschen, die in Not geraten sind, die politisch verfolgt werden, selbstverständlich aufnimmt. Auch dazu unsere Zustimmung, Herr Minister.
Sie haben von dem Integrationsgesetz gesprochen, das Sie über den Bundesrat eingebracht haben. Dabei haben Sie völlig zu Recht bemerkt, dass ein ganz wesentlicher Punkt das Erlernen der deutschen Sprache ist. Insofern ist der Ansatz dieses Gesetzes richtig, dass die Sprachförderung aus
geweitet werden muss. Sie haben, wie Sie selbst gesagt haben, von Holland abgekupfert, allerdings das Entscheidende nicht. Denn dort müssen die Menschen, die einreisen und ein festes Aufenthaltsrecht begehren, zum Beispiel diese Integrationskurse nicht selbst bezahlen, weil sie das auch gar nicht könnten. Das macht der holländische Staat. Ich glaube, da ist noch Diskussionsbedarf.
Sie haben davon gesprochen, Herr Minister – und auch dazu unsere Zustimmung –, dass wir beim Thema Asyl abwarten sollten – da habe ich Sie hoffentlich richtig verstanden –, bis eine europaweite Regelung gefunden ist. Sie haben auch davon gesprochen, Herr Minister, dass hinsichtlich der Bürgerkriegsflüchtlinge einiges getan werden muss, was den Arbeitsmarkt anbelangt.
Wenn ich mir all diese Punkte vergegenwärtige, komme ich zu dem Ergebnis, das ich bereits in meinem ersten Redebeitrag genannt habe. Es gibt die Zuwanderungskommission mit Frau Süssmuth als der Vorsitzenden. Sie wird in den nächsten Monaten Vorschläge bringen. Diese sollten wir abwarten, dann darüber diskutieren und zu einer Lösung kommen. Ich wünsche mir, Herr Innenminister, dass es Ihnen gelingt, den Herrn Ministerpräsidenten dazu zu bringen, so zu denken und zu handeln, wie Sie vorhin gesprochen haben. Dann wären wir auf einem guten Weg.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde diese Debatte ziemlich unnötig, und zwar vor zwei Hintergründen:
Erstens: Herr Dr. Schlierer, Sie haben wohl übersehen, dass sich der Innenausschuss am 24. Mai mit diesem Thema befasst und einen entsprechenden Beschluss gefasst hat.
Zweitens: Der Bundesrat hat am 9. Juni eine Stellungnahme dazu abgegeben
ich werde darauf noch eingehen –, und Sie tun hier so, als ob Rot-Grün diesem Richtlinienvorschlag zugestimmt hätte. Das stimmt schlichtweg nicht.
Deshalb befinden Sie sich auf einem völlig falschen Gleis.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will zu diesem Richtlinienvorschlag inhaltlich zunächst Folgendes sagen: So schlecht, Herr Kollege Schmid, wie Sie es dargestellt haben, ist zumindest der Ansatz nicht, denn der Europäische Rat hat selbstverständlich Recht, wenn er sagt, dass eine gerechte Behandlung von Drittstaatenangehörigen notwendig ist. Selbstverständlich sind auch die Bestrebungen zu unterstützen, eine energischere Integrationspolitik zu betreiben. Wenn die Kommission zwei Ziele definiert, nämlich erstens die Gewährleistung von Rechtssicherheit für die Drittstaatenangehörigen und zweitens eine Vereinheitlichung des EU-Rechts, kann man dem nur folgen.
Leider haben aber diese richtigen Ansätze doch letztlich dazu geführt, dass man über das Ziel hinausgeschossen ist. Deshalb – ich will das Ergebnis vorwegnehmen – unterstützen wir die Stellungnahme, den Beschluss des Bundesrats vom 9. Juni. Wir können diesen Richtlinienvorschlag deshalb inhaltlich in der Form, wie er uns vorgelegt wurde, ebenfalls nicht mittragen.
Es ist in der Tat problematisch, dass Drittstaatenangehörige die gleichen Rechte erhalten sollten wie jeder Unionsbürger, wenn dies nur an einen rechtmäßigen Aufenthalt angeknüpft wird. Wir meinen, dass Integration weiter gehen muss und dass die wichtigste Voraussetzung für Integration das Erlernen der Sprache des Landes ist,
in dem man sich aufhält. Deshalb steht dies auch in dem Beschluss des Bundesrats, den Sie ja offensichtlich gar nicht kennen, deutlich drin. Es soll Voraussetzung der Integration sein, dass sich die Drittstaatenangehörigen bereit erklären, auch die Sprache des Landes zu erlernen, in welchem sie sich aufhalten.
Auch nach unserer Auffassung ist der Begriff der Familienangehörigen, wie er im Vorschlag definiert ist, sicherlich zu hinterfragen. In der jetzigen Form würde das nach unserem ersten Eindruck zu einer Zuwanderung, deren Umfang im Augenblick nicht absehbar ist, führen. Deshalb – ich habe das schon gesagt – befürworten wir den Beschluss des Bundesrats vom 9. Juni. Er weist in die richtige Richtung.
Wir teilen ebenfalls die Auffassung des Bundesrats, dass die Bundesregierung zunächst einmal Prognosen über die Wirkungen des Richtlinienvorschlags erstellen soll, insbesondere auch im Hinblick darauf, wie sich dies, wenn der Vorschlag umgesetzt würde, auf die Kosten für die Kommunen auswirken würde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich generell noch etwas zur Migrationspolitik sagen. Seit dem Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Union im Jahr 1993 liegt die Kompetenz für die Migrationspolitik bei der EU. Nach unserem Dafürhalten ist hier in der Vergangenheit viel zu wenig geschehen. Ich kritisiere an dem Richtlinienvorschlag, der uns vorliegt, auch, dass nur ein einziges Detail herausgegriffen wurde, nämlich das Problem der Familienzusammenführung, anstatt nach einer Gesamtlösung zu suchen.
Ich bin der Auffassung, dass wir ein Gesamtkonzept, eine in sich schlüssige Gesamtlösung brauchen; denn es wird nach wie vor aufgrund vieler Ursachen weltweit Wanderungsbewegungen geben. Wir werden das Problem übrigens nicht in diesem Landtag und auch nicht in der Bundesrepublik allein lösen, sondern es ist notwendig, europaweit zu einer Regelung zu kommen.
Ich will die Eckpunkte einer solchen gesamteuropäischen Lösung nennen, die uns wichtig erscheinen: Das ist eine europäisch abgestimmte und gemeinsame Entwicklungshilfepolitik. Das ist ein europäisches vereinheitlichtes Asylverfahren. Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen bei Bürgerkriegs-, Kriegs- und Katastrophenflüchtlingen, und wir brauchen eine europäische harmonisierte Zuwanderungsgesetzgebung. Wenn uns dies nicht gelingt, dann werden wir mit unserer Politik, meine Damen und Herren, scheitern.
Wir begrüßen nachdrücklich das Vorhaben von Bundesinnenminister Otto Schily, eine Sachverständigenkommission zum Thema Zuwanderung einzuberufen. Wir setzen die große Hoffnung in diese Kommission, dass in einem ersten Schritt auf nationaler Ebene der zweite Schritt für eine gesamteuropäische Lösung vorbereitet wird.
Ich halte es in diesem Zusammenhang übrigens für unerträglich – das ist an die Adresse der CDU gerichtet –, wenn die CDU jetzt nichts anderes zu tun hat, als den vorgesehenen Vorsitz von Frau Süssmuth zu kritisieren, obwohl die Kommission noch gar nicht eingesetzt ist. Für noch unerträglicher halte ich das Vorgehen der CDU, wenn sie sagt: „Wir wollen eine eigene Kommission einsetzen.“ Ich frage mich, was das eigentlich soll.
Wir können, Herr Kollege List, Gesetze und Verordnungen zum Thema Zuwanderung erlassen, so viel wir wollen.
Es wird uns keinen einzigen Schritt nach vorn bringen, wenn uns die wichtigste Voraussetzung fehlt: ein breiter gesellschaftlicher Konsens
bei der Frage, wie wir die künftige Migrationspolitik gestalten. Wir brauchen auch eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung für eine Migrationspolitik.
Da ist Frau Süssmuth, wie wir meinen, genau die richtige Frau, Herr Kollege Rech.
Wir können dies nur erreichen, wenn wir keine falschen Ängste schüren, wenn die Migrationspolitik nicht missbraucht wird, um vermeintlich kurzfristige parteipolitische Erfolge zu erzielen. Wir können dieses Ziel nur dann erreichen, wenn wir auch die positiven Chancen für unsere Gesellschaft in dem begreifen, was Zuwanderung bedeuten kann.
Ich bitte deshalb die demokratischen Kräfte in diesem Hause, in dieser Richtung zusammenzuarbeiten.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns zwischen den Fraktionen darauf verständigt, uns recht kurz zu fassen, weil es eine Angelegenheit ist, die sicherlich eine große Eintracht hier in diesem Haus entstehen lässt.
Das Eingliederungsgesetz hat sich in Baden-Württemberg in der Tat bewährt, und ich möchte nur darauf hinweisen,
dass die Novelle im Februar 1995 hier beraten wurde und es der damalige Innenminister Birzele und auch die SPDFraktion waren, die in diesem Zusammenhang richtungweisende Bundesratsinitiativen auf den Weg gebracht haben. Das führte dazu, dass im Februar 1996 das Bundeswohnungszuweisungsgesetz verabschiedet wurde. Dieses Gesetz – wie vieles Gute aus Berlin –
wurde nunmehr bis zum Jahr 2009 verlängert. Es ist in der Tat notwendig, hier in Baden-Württemberg die landesrechtlichen Vorschriften entsprechend anzupassen. Wir werden deshalb diesem Gesetz zustimmen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Tatsache, dass die Reps in schöner Regelmäßigkeit exakt die gleiche Thematik hier behandeln lassen, wird nicht gerade ein entscheidender Beitrag zur Belebung der Parlamentsdebatten geleistet. Wenn es kein unparlamentarischer Ausdruck wäre, würde ich sagen: Ich kann mir dieses Geseire von rechts zu diesem Thema bald nicht mehr anhören.
Leider gibt es hierfür keinen Schmerzensgeldanspruch nach dem BGB.
Meine Damen und Herren, es gibt augenblicklich überhaupt keine aktuelle Veranlassung zu dieser Debatte, und
wir haben wahrlich wichtigere Probleme, als uns mit der Frage auseinander zu setzen, ob Artikel 16 a des Grundgesetzes abgeschafft und durch eine so genannte Institutsgarantie ersetzt werden soll.
Ich wiederhole es, Herr Schmid: Die Zahl der Asylbewerber ist seit 1993 in der Tat zurückgegangen. Wir hatten damals 438 000 Asylbewerber. In den Jahren 1998 und 1999 waren es jeweils unter 100 000, und in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es gerade einmal knapp 19 000. Hochgerechnet auf das ganze Jahr, kommen wir im Jahr 2000 auf eine Asylbewerberzahl von etwa 80 000. Wir sind deshalb weit, weit weg von den damaligen Zahlen, die uns in der Tat zum Handeln gezwungen haben.
Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Das Ergebnis einer erfolgreichen Asylpolitik lässt sich nicht an reinen Zahlen wie Zugängen, Ausweisungen, freiwilligen Ausreisen, Abschiebungen usw. ablesen, sondern immer noch an der Tatsache, wie wir mit diesen Menschen umgehen und ob wir ihnen ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren gewähren und sie auch menschenwürdig behandeln.
Meine Damen und Herren, völkerrechtlich nüchtern betrachtet muss man feststellen, dass die Bundesrepublik wie 137 andere Staaten auch – übrigens wie auch alle anderen EU-Staaten – die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat. All diese Staaten wenden die Konvention bei der Flüchtlingsanerkennung innerstaatlich an. Wesentliches Element der Genfer Flüchtlingskonvention – Artikel 33 Abs. 1 – ist, dass ein Flüchtling nicht in Gebiete aus- oder zurückgewiesen werden kann, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion oder Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
Dies ist nach herrschender Meinung übrigens auch Völkergewohnheitsrecht, und herrschende Meinung ist ferner, dass jeder Flüchtling in dem Land, welches die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben hat, die Möglichkeit haben muss, seinen Antrag auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch eine unabhängige Instanz überprüfen zu lassen. Insoweit ist zum Beispiel auch Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes – die Rechtsweggarantie – kein bundesrepublikanischer Sonderfall.
Dies heißt, meine Damen und Herren, dass der Kerngehalt des Asylrechts nach Artikel 16 a des Grundgesetzes und des Abschiebeverbots nach der Genfer Flüchtlingskonvention gleich sind.
Wenn man dies einmal kapiert hat, dann kommt man zu einem Schluss, der beängstigend ist, nämlich dem: Wer wie die Reps immer wieder massiv die Abschaffung des Individualgrundrechts einfordert, der hat bereits die aus seiner Sicht logische nächste Forderung im Hinterkopf, nämlich die Genfer Flüchtlingskonvention aufzukündigen und infrage zu stellen.
Dies, meine Damen und Herren, wäre ein Rückschritt, und dies wäre auch eine Schande für unser Land.
Meine Damen und Herren, zur europäischen Harmonisierung: Es ist überhaupt keine Frage, dass das Asylrecht in der EU vereinheitlicht werden muss. Es geht hier um zwei Sachverhalte, nämlich um eine Vergemeinschaftung und um eine gerechte Verteilung der Aufgaben und Quoten innerhalb der Länder Europas.
Damit wir uns aber auch hier nicht falsch verstehen: Ich bin nicht der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland die meisten Asylbewerber aufnimmt. Dies mag zwar in absoluten Zahlen stimmen, nicht aber in der Relation zur Einwohnerzahl. Wenn ich die Zahl in Relation zur Einwohnerzahl nehme, dann stelle ich fest, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in der EU auf einem Mittelplatz befindet.
Deshalb sollten wir ganz nüchtern, unaufgeregt und sachlich die Eckpunkte diskutieren, und die heißen für uns: Angleichung der sozialen Standards, die nicht gegen null gefahren werden dürfen, auf europäischer Ebene. Das ist nicht die Diskussion, sondern es müssen humane und menschenwürdige Mindeststandards gegeben sein. Wir brauchen ein europäisch angeglichenes, schnelles und rechtsstaatliches Asylverfahren. Erst hier stellt sich dann die Frage, wie dieses rechtlich auszugestalten ist, ob in Form eines Individualgrundrechts, einer Institutsgarantie auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention – es wird wohl dahin führen –, oder vielleicht auch in anderer Form und Ausgestaltung. Es kann sich heute kein Land in Europa mehr einbilden, allein innerhalb seiner Staatsgrenzen eine sinnvolle Asylpolitik betreiben zu können.
Hier will ich noch einen Schritt weiter gehen: Vergemeinschaftung und Angleichung dürfen sich nicht nur isoliert auf die Asylpolitik beziehen, sondern umfassen die gesamte Migrationspolitik in Europa unter dem Stichwort einer europäischen Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik. Hierauf, meine Damen und Herren, sollten wir unsere gedanklichen Anstrengungen konzentrieren. Eine solche Diskussion wäre ebenso interessant wie notwendig. Wir haben innerhalb Europas offene Grenzen – das Stichwort Osterweiterung kommt noch hinzu –, und das zeigt uns, dass nur eine einheitliche, gesamteuropäische Migrationspolitik erfolgreich sein kann. Alle anderen Diskussionen, wie von den Reps zum wiederholten Mal hier eingefordert, sind zum Scheitern verurteilt. Lassen Sie uns darüber diskutieren, was notwendig ist. Deshalb werden wir den Antrag der Reps, für den überhaupt kein Bedarf besteht, ablehnen.