Protocol of the Session on November 22, 2000

denn wir teilen die Auffassung des Kollegen Oettinger nicht, dass man über eine PC-Gebühr Einnahmen erzielen sollte. Wir sind uns doch wohl einig, dass Internetnutzer gefördert und nicht behindert werden sollten;

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen)

denn bekanntlich hinkt Deutschland bei der Internetdichte immer noch hinter Ländern wie Finnland her; wir haben da einen enormen Nachholbedarf. Sachlich ist es also abwegig und wirtschaftspolitisch unsinnig, wenn Rundfunkanstalten ausgerechnet hier abkassieren sollen. Bei uns im Lande sieht man doch überall, wie wirtschaftliche Tätigkeiten auf der Basis von Internettechnologien in vielen Branchen zum Erfolgsfaktor werden, weit über den eigentlichen Multimediabereich hinaus. Die digitale Wertschöpfung spielt doch auch beim produzierenden Gewerbe und beim Handel eine immer größere Rolle bei der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit.

Die Gebührenerhöhung für die normalen Empfangsgeräte müssen wir schlucken. Wer A sagt, indem er die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten einsetzt, der muss auch B sagen, wenn die KEF sagt, soundso viel brauchten die Rundfunkanstalten. Wir können die Schnapszahl von 3,33 DM verkraften. Ob die Erhöhung auf dann insgesamt 31,58 DM pro Monat kommt, ist aber noch nicht ganz sicher. Im Sächsischen Landtag gibt es Irritationen über ein etwas merkwürdiges Finanzgebaren des MDR. Es ist immer so: Wenn solche öffentlichen Einrichtungen zu viel Geld haben, meinen sie, sie könnten damit Unfug machen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Dort will man jetzt einführen, was wir schon haben, nämlich regelmäßige Berichte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wir laden ja die Intendanten von SWR, ZDF und Deutschlandradio regelmäßig zur Berichterstattung in den Ausschuss ein, und bei uns gibt es beim SWR schon die von den Sachsen ebenfalls gewünschte Prüfung durch den Rechnungshof. In Dresden wünscht man sich eine Rundfunkkommission aller Landtage, die sich dann auch mit Fragen der Neuordnung befassen soll.

Wir in Baden-Württemberg haben unsere Hausaufgaben dazu gemacht, teilweise gegen erbitterten Widerstand, Frau Kipfer. Wir sind jetzt gespannt, ob, wann und wie sich die anderen dazu aufraffen. Ob Sachsen zustimmt, werden wir Mitte Dezember wissen. Die dritte Lesung des Staatsvertrags steht dort, glaube ich, für den 14. Dezember an. Das gesamte Verfahren ist ja ziemlich verfahren. Die Regierungschefs werden sich einig; wir müssen dann nach dem Motto „Friss, Vogel, oder stirb“ zustimmen. Schauen wir einmal, ob aus dem sächsischen Unmut eine Revolte wird. Vielleicht geht es denen auch um etwas ganz anderes, nämlich nicht um Veränderungen beim Rundfunk, sondern um Veränderungen an der Staatsspitze, sodass derjenige, der schon paraphiert hat, dann vielleicht wie sein Vorgänger August sagt: Macht euren Dreck alleene!

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Schlierer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte über den Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag und die Novellierung des

Landesmediengesetzes will ich mich auf das wesentliche Anliegen des Rundfunkänderungsstaatsvertrags konzentrieren, nämlich auf die Anhebung der Rundfunkgebühren in der kommenden Gebührenperiode bis 2004 und den Finanzausgleich innerhalb der ARD. Auf die Änderungen zum Thema Werbung, Sponsoring sowie zur Kurzberichterstattung will ich dabei nicht eingehen, denn in der Tat ist die Debatte in diesen Wochen wesentlich durch die vorgesehene Gebührenerhöhung bestimmt.

Die Gebührenerhöhung ist umstritten. Die CDU wird zwar in Sachsen, wie sich das bisher abzeichnet, wohl wieder einknicken,

(Abg. Deuschle REP: Wie immer!)

aber eines müssen wir uns bei dieser Gelegenheit deutlich machen,

(Zuruf des Abg. König REP)

unabhängig davon, ob das innenpolitische Gründe – bezogen auf Sachsen – hat oder nicht: Die Frage, ob diese Gebührenerhöhung wirklich in dieser Form sinnvoll und angemessen ist, ist nicht allein eine Frage der Sozialverträglichkeit, und es ist auch nicht so, dass wir die Entscheidung der KEF einfach widerspruchslos hinnehmen müssen,

(Abg. Rapp REP: Genau so ist es!)

sondern es ist sehr wohl unsere Aufgabe, zu prüfen, ob die Entwicklung, die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genommen haben, auch dem entspricht, was Grundlage der Entscheidungen ist, die das Bundesverfassungsgericht getroffen hat.

Ich will in dem Zusammenhang einmal auf den Zwölften Bericht der KEF eingehen, die sich ja interessanterweise auch mit dem Einfluss von Gremienbeschlüssen und von politischen Entscheidungen auf die Gebührenentwicklung beschäftigt. Ich will aus dem Bericht einen kurzen Passus in der Zusammenfassung zitieren. Da heißt es unter anderem:

Dabei wird häufig nicht gesehen, dass die Gebührenerhöhungen neben rundfunkspezifischen und allgemeinen Preissteigerungen, die teilweise durch Wirtschaftlichkeitsmaßnahmen aufgefangen werden können, ganz wesentlich auf Leistungsausweitungen beruhen, die auf Gremienbeschlüsse, aber auch häufig mittelbar oder unmittelbar auf politische Entscheidungen zurückzuführen sind.

Es gibt Beispiele für diese Leistungsausweitungen. Das gilt beispielsweise für den arte-Kanal, für den Kinderkanal, für Phoenix und vor allem für die Ausdehnung regionaler Fenster. Die KEF bezieht sich dabei auch auf die SWRFernsehregionalprogramme, dann auf andere Kanäle, die andere Sender eingerichtet haben.

Ich glaube, dass wir uns in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, auch noch einmal in Erinnerung rufen müssen, was beispielsweise das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 6. Oktober 1992 zur Frage der Funktionserfüllung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gesagt hat. Damals hat das Bundesverfassungsge

richt deutlich gemacht – und das ist der Hintergrund dieser Debatte –, dass zur Bestimmung dessen, was zur Funktionserfüllung erforderlich ist, nicht allein die Rundfunkanstalten die Entscheidung treffen können.

Rundfunkanstalten

so hat damals das Bundesverfassungsgericht zu Recht gesagt –

haben nämlich wie jede Institution ein Selbstbehauptungs- und Ausweitungsinteresse, das sich gegenüber der ihnen auferlegten Funktion

das hängt mit der Grundversorgung zusammen –

durchaus verselbstständigen kann.

Dann, meine Damen und Herren, will ich noch an einen Satz erinnern, den wir hier in früheren Debatten auch schon erörtert haben, nämlich daran, dass das Bundesverfassungsgericht in dem Zusammenhang sagt:

Bezugsgröße für die Bestimmung des Erforderlichen ist das gesamte Programm einer Rundfunkanstalt. In diesem und nicht in jedem einzelnen Programm oder gar in jeder Sendung muss sie den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in vollem Umfang verwirklichen.

Da sind wir am entscheidenden Punkt. Die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten haben nämlich in den letzten Jahren Folgendes gemacht: Sie haben neben den unbestreitbar vorhandenen Bemühungen um mehr Wirtschaftlichkeit ständig ihr Angebot ausgedehnt mit der Behauptung, dies sei im Sinne der Grundversorgung unverzichtbar, haben dadurch erhebliche Kostensteigerungen erzeugt und dadurch im Beispielfall SWR auch ihre ganzen Synergieeffekte praktisch aufgezehrt und kommen dann anschließend zur KEF und sagen: Jetzt brauchen wir aber mehr Gebühren.

Es ist interessant, dass die KEF ausdrücklich sagt, dass ohne diese Ausweitungen keine Gebührenerhöhung notwendig wäre.

Damit kommen wir natürlich noch zu einem weiteren Punkt: Wenn schon der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer sagt, er habe eine Sonderstellung, die Aufgabe der Grundversorgung, will ich auch darauf hinweisen, dass es natürlich nicht angeht, dass entgegen der Erforderlichkeit der Unterscheidbarkeit die ARD in internen Papieren beispielsweise schon ankündigt, dass sie von vornherein auf Projekte verzichten werde, bei denen absehbar sei, dass sie das Interesse des großen Prime-Time-Publikums nicht finden werden. Also Anpassung an die Quote, nicht mehr die Besonderheit der Grundversorgung – das, meine Damen und Herren, ist eine Entwicklung, die uns Republikaner dazu veranlasst, zu sagen: Unter diesen Umständen können wir einer Gebührenerhöhung nicht zustimmen.

(Beifall bei den Republikanern)

Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen. Ich kann die Sachsen gut verstehen. Denn was sich dort der MDR geleistet hat, ist schon ein starkes Stück: Geld zu

horten, sich regelrecht aus dem Gebührenaufkommen Vermögen in größerem Umfang zurückzulegen und dann noch an der Börse zu spekulieren, irgendwie in Ecuadorianische Sucre zu investieren, die Anleihe geht dann hopps, und anschließend fehlen 2,6 Millionen DM. Da wird sich jeder normale Gebührenzahler fragen: Soll ich dafür aufkommen? Meine Damen und Herren, solange es solche Missstände gibt, kann es auch keine Gebührenerhöhungen geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, mir liegen in der Aussprache keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Sie stimmen ohne förmliche Abstimmung der Überweisung zu. Vielen Dank.

Punkt 5 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes und des Meldegesetzes – Drucksache 12/5706

Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung gestaffelte Redezeiten bei einer Grundredezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Ich darf zur Begründung des Gesetzentwurfs Herrn Innenminister Dr. Schäuble das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Thema ist ja in der 95. Plenarsitzung im Rahmen einer Aktuellen Debatte schon sozusagen im Vorgriff diskutiert worden. Wir haben das auch im Vorgriff im Innenausschuss in der letzten Sitzung schon besprochen. Deshalb werde ich mich mit Blick auf die vorgerückte Zeit bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs auf das Allernotwendigste beschränken, was vielleicht auch im Sinne des hohen Hauses sein könnte.

Wir wollen die Videoüberwachung in Baden-Württemberg. Wir haben im Frühjahr dieses Jahres eine Initiative bei der Innenministerkonferenz in Düsseldorf eingebracht. Auch dort hat sich gezeigt, dass sich fast alle Bundesländer sehr stark für die Videoüberwachung aussprechen. Daraufhin sind wir auch bei uns in Absprache mit dem Koalitionspartner dieses Thema angegangen.

Der wesentliche Inhalt der Videoüberwachung wird sein – ich komme gleich auf den ganz besonders wichtigen Punkt zu sprechen –: Videoüberwachung wird jetzt nicht im ganzen Land an allen möglichen Plätzen, Straßen usw. vorgesehen. Es wird also keine unbeschränkte, unbegrenzte Videoüberwachung geben, wie manchmal in Sorge geäußert wird, sondern wir werden uns bei der Videoüberwachung, Herr Kollege Redling, auf die Kriminalitätsbrennpunkte konzentrieren auch im Sinne einer Beschränkung. Also: Videoüberwachung nur an Brennpunkten der Kriminalität.

Ich bin in der ersten Lesung und rede hier als Erster. Deshalb weiß ich noch nicht, was nachher gesagt werden wird. Aber man konnte schon einiges in der Presse lesen, einiges ist auch schon im Innenausschuss diskutiert worden. Kurzum: Es ist an Kritik sozusagen im Vorgriff gekommen, dieser Begriff Kriminalitätsbrennpunkt sei zu weit gefasst.

Wir meinen, dies ist falsch, und zwar eignet sich der Begriff des Kriminalitätsbrennpunkts nach unserer Auffassung ganz besonders als Anknüpfungspunkt für die Videoüberwachung, da dieser Begriff Kriminalitätsbrennpunkt seit jeher im Polizeigesetz definiert ist. Wir sind auch der Auffassung, es macht keinen Sinn, speziell für die Videoüberwachung einen neuen Begriff zu erfinden, wenn das klassische Polizeirecht dies bereits hergibt.

Bereits nach geltendem Recht, und zwar nach § 26 des Polizeigesetzes, kann die Polizei Maßnahmen zur Feststellung der Identität jeder Person treffen, die sie an einem solchen Kriminalitätsbrennpunkt antrifft. Das heißt, sie kann zum Beispiel das Vorzeigen der Ausweispapiere verlangen. Oder sie kann, wenn die Identität nicht feststellbar ist, die Person zur Dienststelle mitnehmen.