Protocol of the Session on November 22, 2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die wesentlichen Punkte, die in diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag geregelt werden, sind genannt; ich will sie nicht wiederholen.

Was auffällt, ist erstens, dass die meisten der Vorschläge zur Änderung des Staatsvertrags in die richtige Richtung gehen und durchaus positiv zu bewerten sind.

Zweitens steht die ganze Diskussion unter einem anderen Vorzeichen, als wir es in den letzten Jahren bei Rundfunkstaatsverträgen erlebt haben. Es ist wesentlich weniger Ideologie im Spiel, es sind wesentlich weniger politische Druckmaßnahmen im Spiel. Das will ich ausdrücklich anerkennen und deshalb auch vorab sagen.

Wir erklären uns mit der Gebührenerhöhung einverstanden. Natürlich ist eine Gebührenerhöhung nie beliebt; das ist ganz logisch. Denn es bedeutet, dass die Rundfunkgebührenzahlerinnen und -gebührenzahler im Monat 3,33 DM mehr zu bezahlen haben. Aber Gebühren sollen den Aufwand decken. So, wie es beim Kindergarten oder beim Abwasser der Fall ist, müssen auch die Gebühren für den Rundfunk von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand gestellt werden, und wenn die Notwendigkeit dafür gegeben ist, müssen sie auch angepasst werden.

Es gibt sicherlich – um damit auf Herrn Oettinger einzugehen – keine Automatik, und es gibt sicherlich auch nicht die Möglichkeit, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einfach sorglos Schulden macht, weil er glaubt, dass die Landtage einige Jahre später bei der nächsten Diskussion über die Rundfunkgebühren den Schuldenbetrag einfach über eine neue Gebührenfestsetzung ausgleichen werden. Das kann sicherlich nicht sein. Aber das alte Argument, das wir immer wieder gebracht haben, gilt nach wie vor: Wenn alles teurer wird, wenn Inflationssteigerungen zu registrieren sind oder wenn tatsächliche Kostensteigerungen nachweisbar sind – Frau Kipfer, Sie haben von den medienrelevanten Kosten gesprochen –, dann muss auch die Gebühr von Zeit zu Zeit steigen. Da hilft alle Ideologie nicht. Ob einem das gefällt oder nicht: Wenn man hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht, dann muss man auch hinter seiner Finanzierung stehen, und dann müssen die Gebühren auch angehoben werden.

Herr Oettinger sagte, seiner Meinung nach sei es das letzte Mal, dass Rundfunkgebühren erhöht oder überhaupt Rundfunkgebühren festgesetzt werden. Er hat sich schon vor einiger Zeit für eine Mediengebühr oder eine einwohnerabhängige Gebühr ausgesprochen. Ich persönlich finde das einen hoch interessanten Vorschlag. Allerdings ist bemerkenswert, dass diese Idee bislang bei den Medienpolitikern, auch bei denen der CDU, kaum Anklang gefunden hat. Ich denke, dass es notwendig ist, über solche neuen Finanzierungsmöglichkeiten – die ich jetzt nicht wiederholen will; Herr Oettinger hat sie genannt – nachzudenken, einfach weil sich die Technik verändert. Es ist aus meiner Sicht zumindest nachdenkenswert, ob man nicht eine so geartete Pro-Kopf-Abgabe – Einwohnergebühr, Mediengebühr, wie auch immer benannt – einführen sollte.

Frau Kipfer, Sie haben davon gesprochen, dass die Ausgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks enorm gestiegen sind. Sie haben beispielsweise die Ausgaben für die Übertragungsrechte für Sportveranstaltungen genannt. Ich denke aber schon, dass man dieses Argument einmal kritisch beleuchten sollte. Vielleicht haben wir bei einer solchen Diskussion einmal Gelegenheit dazu. Aus meiner Sicht ist es unbedingt notwendig, dass Sportereignisse oder Spielfilme nicht ins Pay-TV abgeschoben werden, sondern im Free-TV stattfinden.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Ja!)

Für mich ist allerdings zweitrangig, ob es Free-TV im öffentlichen oder im privaten Bereich ist. Ich glaube, dass es den meisten Fernsehzuschauern auch egal ist, wenn zum Beispiel heute Abend ein Champions-League-Spiel kommt, ob das bei der ARD oder bei RTL übertragen wird. Den

meisten Zuschauern ist es vor allem wichtig, dass es im Free-TV kommt und dass sie nicht noch zehn, zwölf oder wie viel Mark extra zahlen müssen, sich einen Decoder anschaffen müssen und ins Pay-per-View abgedrängt werden.

(Abg. Birgit Kipfer SPD meldet sich zu einer Zwi- schenfrage.)

Ich glaube, dass sich die ARD da schon überlegen muss, ob sie tatsächlich – –

Herr Abg. Jacobi, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Kipfer?

Ich gestatte sie gern. Ich beende nur den Halbsatz, weil ich ihn nachher sonst vergessen würde.

Ich glaube schon, dass sich ARD und ZDF überlegen müssen, ob sie diese Preistreiberei auf alle Ewigkeit mitmachen können –

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

denn sie erreicht ja wirklich astronomische Höhen –, oder ob sie nicht sagen – das wäre eigentlich mein Anliegen –: „Es ist wichtig: Wir sind etwas anderes als das Privatfernsehen, wir bieten ein anderes Programm und andere Inhalte. Wir unterscheiden uns nicht nur durch das Logo und das Emblem, sondern wir unterscheiden uns in der Programmstruktur, in der Qualität und erreichen somit unsere Existenzberechtigung.“

Herr Kollege Jacobi, können Sie sich vorstellen, dass sich Zuschauer, deren bevorzugte Sportereignisse nicht mehr im öffentlich-rechtlichen System übertragen werden, fragen, wozu sie überhaupt noch Gebühren zahlen müssen?

(Zurufe von den Republikanern)

Das ist genau das Argument, das ich mit meinen letzten Sätzen gerade zu benennen versucht habe. Bei ARD und ZDF muss etwas anderes geboten werden.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Tut es doch auch!)

Das tun sie Gott sei Dank auch. Aber wir haben leider – –

(Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Frau Kipfer, meine Redezeit ist fast zu Ende. Ich habe noch zwei Argumente zu anderen Punkten. Ich kann das deswegen jetzt nicht weiter ausführen. Wenn wir einmal mehr Zeit hätten, würde ich darüber mit Ihnen gern in eine nähere Diskussion eintreten.

Ich glaube schon, beobachten zu können, dass es zunehmend Parallelitäten gibt, dass die Verwechselbarkeit zwischen den privaten auf der einen und den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern auf der anderen Seite zunehmend größer wird. Die Preistreiberei – „Hauptsache, die Europameisterschaft wird bei uns, bei ARD und ZDF, übertragen“ – führt letztlich nicht zu einer Differenzierung zwischen den beiden Systemen, also zu einer Eigenständigkeit, son

dern dazu, dass es letztlich egal ist, ob jemand ARD oder RTL einschaltet. In dieser Hinsicht unterscheiden sich ARD und ZDF nicht. Es ist sicher richtig, dass vor allem bezüglich der Nachrichtenqualität, der Seriosität der Meinungsberichterstattung, auch der Information der Bevölkerung große Unterschiede – Gott sei Dank – vorhanden sind. Aber wenn man über den Weg von Sportrechten und Spielfilmen den Konkurrenzkampf mit RTL und SAT.1 – und wie sie alle heißen – sucht, führt das, glaube ich, nicht sehr weit.

Ich kann es nur ganz kurz machen – zweiter Punkt, Finanzausgleich –: Es ist schon bemerkenswert, Herr Palmer – ich habe Ihre Worte noch genau im Ohr –: Letztes Mal hieß es: „Das war der letzte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der einen Finanzausgleich beinhaltet.“ Wenn man diese starken Töne noch im Ohr hat, kann man nur sagen: Da hat sich viel Positives entwickelt. Den Finanzausgleich gibt es weiter. Ich glaube auch, dass es ihn noch auf längere Zeit geben wird und er beim nächsten Mal nicht „gekillt“ wird.

Es ist auch sicher richtig – das haben wir damals eingeräumt –, dass man da ein paar Mark sparen kann. Es ist nicht einzusehen, dass Radio Bremen für diese Stadt vier Hörfunkprogramme vorhält oder der Saarländische Rundfunk vier Programme finanziert. Da kann man sicherlich einiges sparen, ohne die Existenz dieser beiden Sender zu zerstören, die aus meiner Sicht notwendig sind.

Letzter Punkt, meine Damen und Herren: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass ARD und ZDF im Videotext keine Werbung und kein Sponsoring mehr betreiben dürfen. Ich habe mit Interesse gelesen, dass die sächsische CDU jetzt auch für die Werbefreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eintritt. Allmählich wird also die Phalanx größer, allmählich mehren sich die Stimmen – –

Herr Abgeordneter, ich darf Sie auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen.

Herr Präsident, ich bin eigentlich beim letzten Satz.

Ich freue mich, dass die Gruppe derjenigen, die für die Werbefreiheit der Öffentlich-Rechtlichen eintreten, größer wird. Wir fangen in dieser Hinsicht mit dem Videotext an. Das ist ein kleiner Baustein, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Meine Fraktion, meine Damen und Herren, wird dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Birzele SPD: Der Kollege Salomon teilt diese Meinung aber nicht!)

Das Wort hat Herr Abg. Kluck.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf dem Kollegen Jacobi zu seinem Damaskus gratulieren. Sehr vernünftige Ansichten haben Sie heute vertreten.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU – Abg. Ja- cobi Bündnis 90/Die Grünen: Nicht nur heute!)

Unser vieles Reden hat also doch noch genützt. Es ist gut, wenn Sie jetzt sagen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse nicht jeden Unfug mitmachen. Frau Kipfer ist ja immer noch der Meinung,

(Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

dass wir wahrscheinlich auch bei ARD und ZDF einen Big-Brother-Container einführen müssten, damit sie in der Attraktivität mithalten könnten.

(Zuruf des Abg. Schonath REP)

Wir sind da anderer Meinung. Wir meinen schon, dass es zwei verschiedene Dinge sind. Die FDP/DVP-Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen, also nicht nur dem Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag, sondern auch den zwei anderen Sachen, die geregelt werden sollen. Ich brauche das nicht näher auszuführen.

Es ist gut, dass wir hier mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Es gibt da noch asbach-uralte Verordnungen aus Vorsüdweststaatszeiten zum Radiogesetz und Telegrafenwege-Gesetz. Die werden jetzt in den medienpolitischen Orkus gekippt.

Wir werden gleichzeitig versuchen – Herr Minister Palmer hat es ausgeführt –, durch eine Verlängerung mehr Flexibilität bei der Lizenzvergabe zu erzielen. Das ist wirklich sinnvoll; denn sonst haben wir genau zur Zeit der Medienanalyse die Neuvergabe, und das würde zu einer großen Verunsicherung führen.

Als Liberale haben wir auch nichts gegen die Liberalisierung der Werbebestimmungen für lokale und regionale Fernsehprogramme und die von uns schon immer eingeforderte Senkung des Finanzausgleichs. Hier muss ich Herrn Palmer in Schutz nehmen, Herr Jacobi. Er hat nicht gesagt, dass der Finanzausgleich wegfallen würde, sondern er hat gesagt, dass eine Änderung eintreten müsse. Nun tritt eine gewaltige Änderung ein: Bis zum Jahr 2006 wird die Summe fast halbiert. Wenn uns Ähnliches beim Länderfinanzausgleich gelingen würde, dann wären wir, glaube ich, alle miteinander heilfroh.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Auch die Verlängerung der Gebührenbefreiung für internetfähige PCs ist richtig. PCs, mit denen man Rundfunkprogramme und auch Big Brother anschauen kann,

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Haben Sie es schon ein- mal gemacht?)

bleiben jetzt bis zum Ende der neuen Gebührenperiode, also bis Ende des Jahres 2004, gebührenfrei. Wenn es nach uns Liberalen ginge, dann müsste dieser Zeitraum noch verlängert werden;

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

denn wir teilen die Auffassung des Kollegen Oettinger nicht, dass man über eine PC-Gebühr Einnahmen erzielen sollte. Wir sind uns doch wohl einig, dass Internetnutzer gefördert und nicht behindert werden sollten;