Was hat das denn damit zu tun? Das hat etwas damit zu tun, dass wir als Demokraten ein bestimmtes Selbstverständnis haben.
Dazu gehört, dass wir jungen Menschen das an die Hand geben, was sie zur Auseinandersetzung mit solchen Thesen brauchen, und sie nicht verantwortungslos einer Situation überlassen,
Herr Rau, können Sie uns, nachdem Sie das hier vorgetragen haben, erklären, warum das Buch einerseits als Pflichtlektüre nicht mehr zulässig ist, andererseits aber beim mündlichen Abitur zugelassen wird?
Das kann ich Ihnen nur damit erklären, dass das Buch im Kanon enthalten ist und dass eine Entfernung aus dem Kanon nicht erfolgt.
Ich sage Ihnen: Ich halte es nicht für schädlich, wenn es als Angebotslektüre nicht zum Zuge kommt. Das sage ich Ihnen ganz offen.
In diesem Kanon sind eine Reihe von Werken enthalten, die sich hoch qualifiziert mit der Thematik Nazideutschland auseinander setzen. Es werden eine ganze Reihe von Büchern angeboten, die wir auch mit der begleitenden Literatur vernünftig bearbeiten können. Ich denke, in der Auswahl wird auch deutlich, welche Bücher aus dem Kanon dafür tatsächlich in der Schule eingesetzt werden.
Wir brauchen uns hier nicht dem Vorwurf zu unterwerfen, dass ein Buch aus dem Angebot herausgenommen werde. Aber es ist richtig, dass man auch auf inhaltliche Aspekte hinweist, was ich mit diesem Beitrag gerade getan habe.
Ich habe mit Kommissionsmitgliedern gesprochen, zum Beispiel gestern mit Herrn Häring. Ich will darauf hinwei
sen, dass er gesagt hat, die Kommission sei sich dessen nicht bewusst gewesen, welche Diskussionen im Zusammenhang mit diesem Buch ausgelöst werden würden.
An der Diskussion, auf die Herr Reinelt hingewiesen hat, war auch Herr Breinersdorfer, ein Parteigenosse von Ihnen, dabei. Er hat sich voll und ganz mit Herrn Hochhuth identifiziert. Das zeigt eigentlich die wahren Absichten, die Sie nach wie vor mit dieser Debatte verfolgen.
(Beifall bei der CDU – Abg. Carla Bregenzer SPD: Haben Sie ein Brett vor dem Kopf? – Abg. Zeller SPD: Sie haben Feindbilder! – Abg. Maurer SPD meldet sich zu Wort.)
Herr Abg. Maurer, ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Redezeit der SPD-Fraktion abgelaufen und schon überzogen ist.
Sie gestatten, Herr Präsident: Wir haben viel über Debattenkultur gesprochen. Die zusammengezählte Redezeit des Kollegen Rau war auch etwas länger als zehn Minuten, und die Frau Ministerin hat 20 Minuten gesprochen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich finde, Frau Ministerin, dass Herr Kollege Rau Sie gerade eben eindrucksvoll widerlegt hat, indem er uns mitgeteilt hat, dass ganz offensichtlich politische Überlegungen und Erwägungen, die sich mit den politischen Inhalten des Buchs von Rolf Hochhuth befassen, zumindest für seine Meinungsbildung ausschlaggebend waren.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Brechtken SPD: So ist es! Genau das ist der Punkt!)
Genau das macht den Kern dieser Debatte aus: Herr Rau hat uns mitgeteilt, Herr Hochhuth passe Ihnen in seinen politischen Aussagen in diesem Kontext nicht.
Und weil er Ihnen in seinen politischen Aussagen nicht passt, brauchen wir erst recht viel Sekundärliteratur. Das ist doch der Kern Ihrer Argumentation.
Nun sage ich Ihnen eines: Wir haben heute Folgendes erfahren: Sie haben, Frau Ministerin, heute eine politische Entscheidung getroffen.
Sie haben nämlich in Kenntnis der Brisanz dieses Vorgangs und in Kenntnis der Tatsache, dass Sie darauf hingewiesen worden sind, welches Signal Sie damit in die Öffentlichkeit aussenden – ich glaube, auch in der Kenntnis der politischen Meinung des Kollegen Rau –, diese Entscheidung getroffen. Es ist keine fachliche, sondern eine zutiefst politische Entscheidung, die Sie getroffen haben.
(Beifall bei der SPD – Abg. Rech CDU: Aber die stört! – Abg. Krisch REP: Redezeit! – Gegenruf von der SPD: Jetzt seid doch mal ruhig da hinten!)
Sie können hier nicht in eine Attitüde der gnadenlosen Naivität verfallen und sagen: „Egal, wie die politische Landschaft in Deutschland aussieht, egal, wie das wirkt, egal, was ich damit auslöse, egal, wie mein Parteifreund Rau das bewertet, es geht nur um Vergleiche mit dem Mathematikabitur.“ Das ist an Absurdität nicht mehr zu überbieten. Das sage ich Ihnen.
Herr Kollege Maurer, können Sie eigentlich im Zusammenhang zuhören? Dann hätten Sie vielleicht wahrnehmen können, dass ich Gründe dafür genannt habe, warum es zu diesem Buch brauchbare Sekundärliteratur für Schüler geben muss.