Protocol of the Session on October 4, 2000

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Schlierer.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es macht richtig Freude, eine solche Debatte zu führen. Nachdem Sie mir alle so schön ins sprichwörtliche Messer gelaufen sind, will ich Sie mir auch alle einzeln vornehmen.

Herr Rech, Sie sprechen von etwas, was Sie nicht kennen. Sie sprechen von einem Angriff auf Staatsorgane, den wir nicht führen. Wir prangern hier als Teil des Parlaments ein Fehlverhalten der Exekutive an. Welches Verständnis von Parlamentarismus haben Sie, wenn Sie das in irgendeiner Weise anprangern?

(Beifall bei den Republikanern)

Herr Redling, von dem selten etwas Vernünftiges kommt, versteigt sich auch noch zu der Bemerkung, wir hätten gute Beziehungen zu Extremisten, weil wir das alles wüssten.

(Zuruf des Abg. Kluck FDP/DVP)

Herr Redling, Sie haben nicht einmal die Drucksache gelesen, Sie haben keine Ahnung. Wir bringen jetzt etwas, was die Staatsanwaltschaft Karlsruhe nach jahrelangen Ermittlungen herausgebracht hat, und nichts anderes. Wir hatten nur einen Anhaltspunkt. Wir haben in der letzten Legislaturperiode hier Anfragen eingebracht, die aller Voraussicht nach falsch beantwortet wurden. Wir haben uns danach bemüht, einen Vorfall aufzuklären, der uns betrifft, weil man gezielt versucht hat, uns mit der Neonazi-Szene in Verbindung zu bringen. Das ist unser gutes Recht. Wenn Sie uns das absprechen wollen, demaskieren Sie sich; nichts anderes.

(Beifall bei den Republikanern)

Wir haben keine guten Beziehungen. Deswegen hat es auch so lange gedauert, bis sich das Ganze in seinem vollen Umfang dargestellt hat.

Ich kann Ihnen nur eines sagen, Herr Oelmayer: Wir instrumentalisieren weder das Parlament, noch sind wir rechtsstaatsfeindlich. Aber wenn Sie die Aufklärung eines solchen Vorganges nicht haben wollen, müssen Sie sich fragen, ob Sie noch auf dem Boden des Rechtsstaats stehen.

(Beifall bei den Republikanern)

Zu Ihnen, Herr Kluck: Wer wie Sie die Sprache der Nazis benutzt und von „vaterlandslosen Gesellen“ spricht, richtet sich selbst. Sie sind der Brandstifter, nicht wir.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Deuschle REP: Bravo!)

Nun noch etwas zur Bewertung. Der eigentliche Skandal, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist, dass sich die Medien dafür bis heute nicht interessieren, weil sonst wohl lieb gewonnene Vorurteile beschädigt werden könnten, dass der ganze Skandal bisher weitgehend verschwiegen und von Ihnen auch heute wieder heruntergespielt wird und dass ausgerechnet jene über Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus philosophieren, die selbst für die Verbreitung von neonationalsozialistischem Gedankengut verantwortlich sind. Das ist das Problem.

Mit anderen Worten: Die Methode „Tarnen, Täuschen und Vertuschen“ greift hier nicht. Wir werden den Vorgang weiterverfolgen, und wir werden dafür sorgen, meine Damen und Herren, dass die Verantwortlichen beim Namen genannt werden. Wir werden auch nicht nachlassen, den Vorgang weiterzuverfolgen, wenn die Staatsanwaltschaft Karlsruhe auf Antrag unserer Fraktion ein bis heute noch nicht abgeschlossenes Ermittlungsverfahren zu Ende gebracht haben wird.

Wir halten auch fest, meine Damen und Herren, dass die Gutmenschen und die selbst ernannten Großinquisitoren gegen den Rechtsextremismus mit Steinen werfen, obwohl sie selbst bisweilen im Glashaus sitzen.

(Beifall bei den Republikanern)

Zum Schluss, Herr Kollege Rech, möchte ich noch auf eines hinweisen. Sie erhalten den Redetext von uns. Ich sage Ihnen noch einmal: Das ist noch nicht einmal der authentische Text; das ist eine geschönte Fassung, die das Landeskriminalamt – vom Verfassungsschutz war gar nicht die Rede – erarbeitet hat. Aber, Herr Kluck, Sie ersparen sich ja bei Ihren Wortbeiträgen inzwischen schon, einmal in die Drucksache hineinzuschauen, um die es sich handelt.

Die besagte Rede ist nicht authentisch. Die echte Rede wird derzeit im Rahmen der Ermittlungen geprüft, und was in ihr steht, ist so ungeheuerlich, dass niemand sagen kann: Wer diesen Vorgang angreift, ist gegen unsere Staatsorgane.

Ich sage hier noch einmal: Wir sind nicht gegen die gesamte Polizei und am allerwenigsten gegen die Justiz. Das schon allein deshalb nicht, weil die Justiz heute – Gott sei Dank! – bei der strafrechtlichen Bewertung solcher Vorgänge wenigstens noch ein klares Urteil fällt.

Deswegen will ich Ihnen zum Schluss aus einem Urteil des Landgerichts Karlsruhe zitieren, in dem es heißt – dann wissen Sie auch, was zulässig ist und was nicht –:

Ein dem Schutz dieser Verfassung verpflichteter Beamter, der, gleichgültig, aus welchen Beweggründen auch immer, andere in nationalsozialistischem Geist schult, handelt verfassungsfeindlich; die Personen, die ihm den dienstlichen Auftrag hierzu erteilt haben, nicht minder.

Die Entscheidung ist angefochten worden. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat diese Entscheidung in vollem Umfang bestätigt. Das sollten Sie sich merken, wenn Sie diesen Vorgang beurteilen.

(Lebhafter Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erhält Herr Innenminister Dr. Schäuble.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landesregierung bekämpft jede Art von Extremismus mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Vor diesem Hintergrund war es auch völlig richtig und berechtigt, Anfang der Neunzigerjahre Verdeckte Ermittler gegen rechtsextremistische Bestrebungen und Gewalttaten einzusetzen.

Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: Wir hatten eine Ausgangslage von ganz besonders schwieriger Art, die dem Einsatz des Verdeckten Ermittlers Axel Reichert zugrunde lag. Jeder von uns hat noch die schrecklichen Bilder vor Augen, die 1992 um die Welt gingen und die Opfern und ihren Angehörigen furchtbares Leid bescherten und das Ansehen der Bundesrepublik nachhaltig und schwer geschädigt haben. Ich sage nur: Mölln, Hoyerswerda, Solingen, brennende Asylbewerberheime, Menschen, die in den Flammen zu Tode kamen. Hier in Baden-Württemberg wurde etwa in Ostfildern ein 55-Jähriger aus dem Kosovo in seiner Unterkunft aus blindem Ausländerhass von einer Horde Skinheads brutal erschlagen. 1992 hatte der dramatische Anstieg von rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Gewalt seinen Höhepunkt erreicht. Bundesweit kamen 17 Menschen durch einschlägige Gewalttaten ums Leben.

In diesem Zeitraum, Anfang der Neunzigerjahre, wurden auch im Raum Karlsruhe 151 rechtsextremistische und fremdenfeindlich motivierte Straftaten registriert. Es lagen klare Anhaltspunkte dafür vor, dass dort ein gewaltbereites und unberechenbares Personenpotenzial vorhanden war, das jederzeit entsprechende Fanaltaten begehen könnte.

Vor diesem Hintergrund war es die Schutzpflicht des Staates, möglichen schwerwiegenden Straftaten im Vorfeld zu begegnen – konsequent und unter Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel, zu denen in Baden-Württemberg auch der für die jeweiligen Beamten gefährliche Einsatz von Verdeckten Ermittlern gehört. Dies war deshalb besonders geboten, weil auf andere Weise diese Aufgabe nicht hätte wahrgenommen werden können.

Insofern verstehe ich nicht, wie man gegen diesen Ausgangspunkt und die grundlegende Entscheidung in dieser Situation etwas haben kann. Ich will ausdrücklich auch für heute betonen: Wir setzen seit Jahren diesen konsequenten Kurs fort. Ich lege aber genauso auch Wert darauf, dass jede Art von Extremismus, nicht nur Rechtsextremismus, sondern auch Linksextremismus, in der gleichen konsequenten Weise bekämpft wird.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kiel FDP/ DVP)

(Minister Dr. Schäuble)

Ich will auch darauf hinweisen, dass sich dieser Einsatz nicht gegen die Republikaner richtete. Vor diesem Hintergrund kann ich im Übrigen nicht verstehen, Herr Kollege Schlierer

(Abg. Dr. Schlierer REP: Das ist die Aussage des Ermittlers selbst!)

warten Sie es ab, warten Sie es ab –, warum Sie seit Jahren versuchen, auf dieser Geschichte herumzureiten. Schon gar nicht kann ich verstehen, dass Sie das unerträgliche Wort „Beschaffungsextremismus“ sozusagen in die Diskussion einführen und uns aufzwingen wollen. Es ist die Pflicht der Polizei, mit allen zur Verfügung stehenden gesetzlich zulässigen Mitteln hier auch im Rahmen der Vorbeugung alles zu tun, was schwere Straftaten im extremistischen Bereich verhindert. Daran kann kein Zweifel bestehen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Schlierer REP: Das ist ja gar nicht der Punkt!)

Sie kommen nicht aus dem Verdacht heraus, deshalb etwas gegen diese konsequente Vorgehensweise zu haben, weil Sie als Republikaner fürchten müssen, dass man, wenn man genauer hinschaut, auch Zusammenhänge, die Sie berühren, entdecken könnte.

(Lachen des Abg. Krisch REP)

Mit dem, was Sie seit Jahren zu diesem Thema sagen und tun, nähren Sie diesen Verdacht sogar.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Sie lenken ab, Herr In- nenminister!)

Deshalb will ich noch einen Satz zu dem sagen, was Sie, Herr Kollege Schlierer, vorhin zu der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe geäußert haben. Ich muss das kurz ausführen, damit der Zusammenhang deutlich wird. Der wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen Angeklagte hatte sein Handeln, nämlich die Weitergabe von Dienstgeheimnissen an einen Landtagsabgeordneten der Republikaner, mit der Behauptung gerechtfertigt, der Verdeckte Ermittler habe rechtsextremistisch geschulte Personen in die Partei Die Republikaner einschleusen wollen.

Nun kommt – und es ist interessant, dass Sie das vorhin auch nicht richtig dargestellt haben – die Ausführung des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat nämlich ausdrücklich offen gelassen, ob diese „subjektive Betrachtungsweise des Angeklagten“ – so wörtlich – „auch den objektiven Tatsachen entspricht“. Das ist der springende Punkt, sodass auch diese Behauptung von Ihnen haltlos in sich zusammenfällt.

(Abg. Deuschle REP: Na? – Abg. Dr. Schlierer REP: Von wegen! Warum ermittelt die Staatsan- waltschaft jetzt erneut, Herr Minister, wenn das so haltlos ist?)

Ach, machen Sie es mir doch nicht so einfach. Die Staatsanwaltschaft hat schon mehrfach das Verfahren eingestellt. Dann schreibt ein Anwalt namens Schlierer, den Sie ja kennen, denn Sie sind es selber, und dann wird halt das Verfahren wieder aufgenommen.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Übrigens, auch das ist falsch!)

Ein Abschluss ist noch nicht erfolgt. Wo es Abschlüsse gab, hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren jeweils eingestellt. Das wissen Sie ganz genau.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Nein!)

Zum Schluss will ich einfach festhalten:

(Abg. Dr. Schlierer REP: Dass Sie hier die Un- wahrheit verbreiten!)

Wir werden damit leben müssen – Sie haben es ja angekündigt –, dass Sie diesen Fall immer wieder hochziehen. Ich sage demgegenüber: Es war richtig, dass damals so gehandelt worden ist. Wir setzen diesen Kurs auch heute konsequent fort. Ich lege allerdings Wert darauf, dass nicht nur Rechtsextremismus, sondern jede Art von Extremismus energisch bekämpft wird. Sie als Republikaner sollten sich, damit man Schlimmeres als Verdacht nicht weiter nährt, schleunigst von Begriffen wie „organisierter Beschaffungsextremismus in Baden-Württemberg“ verabschieden.

Vielen Dank.