Wer mit Zentralisierung der Wirtschafts- und Verkehrsstruktur am Flughafen auf den Fildern weitere Arbeitsplätze schaffen will, der muss sich im Klaren sein, dass erstens angesichts der 97 % Beschäftigung, also Vollbeschäftigung, in Leinfelden-Echterdingen jeder dort neu eingerichtete Arbeitsplatz entweder einen Pendler mehr oder eine Zusatzbesiedlung vor Ort nach sich zieht, dass damit zweitens weitere Industrieansiedlungen zwangsläufig folgen und dadurch dort die Verkehrsbelastungen bis zur Unerträglichkeit steigen und dass drittens die Voraussetzung für diese Zentralisierung ein bedarfsgerechter Flughafen sein muss. Ein Heuchler ist, wer anderes behauptet,
obwohl ich heute zur Beruhigung der Filderbewohner sagen kann, dass ich mich im Rahmen eines persönlichen Informationsgesprächs mit der Flughafenverwaltung vor Ort davon überzeugen konnte, dass ein paralleler Flugbetrieb auf einer zweiten Start- und Landebahn innerhalb des Flughafengeländes technisch nicht realisierbar ist. Wer aber auf den Fildern weiter zentralisieren und konzentrieren will, der sollte auch so ehrlich sein, die Konsequenzen dieser Wirtschafts-, Verkehrs-, Siedlungs- und Umweltpolitik der Bevölkerung gegenüber zu verantworten oder auf ein „Weiter so!“ seiner kurzsichtigen Standortpolitik verzichten. Diese Konzentrierung wird auch durch umweltfreundlichere Auto- und Flugzeugmotoren nicht kompensiert werden können. Diese Politik hat sowohl der FDP/DVPMinister mit seiner Wirtschaftspolitik wie auch der CDUMinister mit seiner Umwelt- und Verkehrspolitik zu verantworten.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es geht uns allen selbstverständlich darum, eine vernetzte, intakte Verkehrsinfrastruktur zu schaffen. Nur: Was fange ich mit der Aussage „intelligente Mobilität“ an? Wenn ich einen Fahrpool irgendwo in Stuttgart habe, dann ist der ländliche Raum bei weitem noch nicht abgedeckt. Ich muss aber auch immer beachten, dass ich sehr viele Mitbürger und Mitbürgerinnen im ländlichen Raum zu ihren Arbeitsstätten bringen muss, und zwar relativ flexibel. Ich kann nicht alle Mitbürger zu speziellen Zeiten mit einem Bus oder ähnlichen Verkehrsmitteln abholen. Dies ist einfach nicht machbar. Wir sollten uns, wenn es darum geht, wirklich intelligente neue Verkehrstechniken zu überlegen, einmal Gedanken darüber machen, ob wir vielleicht auch neue Antriebsmittel verwenden und damit langfristig Umweltfreundlichkeit schaffen können. Wir sollten nicht nur Steuerungsmechanismen einführen, was nichts anderes heißt, als die Leute zur Kasse zu bitten.
Herr Maurer hat vor Jahren bei einer Podiumsdiskussion gesagt, sein Nachbar sei jetzt auch der Meinung, dass für
den Liter Benzin 5 DM bezahlt werden müssten, weil er dann endlich freie Autobahnen hätte. So kann es nicht sein. Meine Damen und Herren, wir stehen für alle Mitbürgerinnen und Mitbürger und haben auch irgendwo deren Bedürfnisse zu respektieren.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen, meine Herren Kollegen! Die Große Anfrage der FDP/DVP-Fraktion bietet natürlich die Möglichkeit, auf alle Rätsel und Fragen der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik einzugehen. Ich meine das jetzt nicht ironisch, sondern das ist ein berechtigtes Anliegen, das in der Großen Anfrage zum Ausdruck gekommen ist. Das Problem ist nur, was man in dieser Debatte davon aufgreifen soll. Ich will mich auf ein paar Gesichtspunkte beschränken, die teils aktuell sind und teils auch wirklich Strukturfragen im Fadenkreuz zwischen Wirtschaft und Verkehr berühren.
Zunächst einmal: Falls in diesem Haus bezweifelt werden sollte – Frau Kollegin Günther, Sie haben es gerade bezweifelt –, dass es einen Zusammenhang zwischen der Verkehrsentwicklung und der Wirtschaftsentwicklung gibt, möchte ich sagen: Es ist eine offenkundige Tatsache seit Tausenden von Jahren, möchte ich einmal sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsentwicklung auf der einen und der Verkehrsentwicklung auf der anderen Seite gibt.
Das hat vor Tausenden von Jahren schon in den Flussgebieten angefangen, und es ist bis heute so. Wer glaubt, dass beispielsweise durch Electronic Commerce, durch die Elektronisierung unserer Wirtschaft vielleicht Verkehr vermieden werden kann, täuscht sich.
Der Mobilitätsbedarf ist gewaltig, und er wird weltweit zunehmen. Er wird auch in diesem Land zunehmen. Er hat natürlich auch etwas mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun.
Damit bete ich nicht die Mobilität an, sondern ich stelle fest, dass sie einen hohen Stellenwert hat, übrigens auch – in einem politischen Gremium wie dem Landtag darf man das dazusagen – in der Einschätzung der Öffentlichkeit, in der Demoskopie. Das findet seinen Niederschlag. Verkehrsangelegenheiten werden deswegen immer wichtiger, weil die ungelösten Probleme immer bedeutender werden.
Es ist ja immer so: Wenn etwas nicht funktioniert, wird es politisch prominent, und wir alle, die wir uns darüber unterhalten, sollten uns darüber im Klaren sein, dass Verkehrsfragen keine Kleinigkeit sind, wie gesagt, nicht nur wegen der wirtschaftlichen Dimension, sondern auch wegen der Einschätzung der Bürger. Der Mobilitätsbedarf
steigt. Der Zustand unserer Verkehrswege wird schlechter, wenn wir nichts dagegen tun. Und die Belästigung durch den Verkehr ist natürlich auch erheblich.
Warum habe ich diesen allgemeinen Einstieg gewählt? Um ganz einfach Folgendes zu sagen: Verkehrspolitik ist eine zentrale Staatsaufgabe. Darin steckt eine ganz bestimmte Aussage, und zwar nicht nur, dass sie wichtig ist, sondern auch, dass sie eine Aufgabe des Staates ist.
Damit will ich etwas zur Verkehrsfinanzierung sagen. Wenn man davon ausgeht, dass die Verkehrspolitik eine zentrale Staatsaufgabe ist, dann ist es im Prinzip auch richtig, dass Verkehrsinfrastruktur steuerfinanziert ist. Damit spiele ich auf das an, was in Berlin diskutiert wird – Stichwort Pällmann-Kommission –, inwieweit man zu einer Privatisierung der Verkehrsfinanzierung kommen soll. Ich halte das im Prinzip nicht für richtig; denn erstens zahlt der Bürger schon ohnehin genug,
zweitens bekommen wir mit einer Privatfinanzierung natürlich keine systematische Verkehrspolitik, sondern eine Verkehrspolitik in der Weise, dass dort investiert wird, wo Mauteinnahmen zu erzielen sind. Und das ist an der einen Stelle der Fall und an der anderen Stelle nicht.
Zum Dritten halte ich es auch für problematisch, ganz bestimmte Verkehrsleistungen als Anknüpfungspunkt für die Verkehrsfinanzierung zu nehmen.
Was meine ich konkret? Der Lkw auf der Autobahn ist allgemein unbeliebt. Wir können aber nicht davon ausgehen, dass wir in Zukunft die Probleme der Verkehrspolitik dadurch lösen, dass wir ausschließlich den Lkw auf der Autobahn sozusagen zur Kasse bitten und das Geld, das dadurch hereinkommt, für die Verkehrsfinanzierung nehmen. Das ist ein Teil des Verkehrs. Herr Klimmt hat ja gesagt, an den Pkw traue er sich nicht heran. Wenn wir schon von einer nachfrageorientierten Verkehrsfinanzierung sprechen würden – Verkehr finanziert Verkehr, jeder, der fährt, soll zur Verkehrsfinanzierung beitragen –, müsste ich natürlich den Pkw mit heranziehen. Da dürfte ich auch nicht nur an der Autobahn ansetzen, sondern müsste eigentlich am gesamten Verkehrsnetz ansetzen. Dann würden sich aber Schnittstellenprobleme einstellen. Wenn ich nämlich irgendeinen Verkehr verteuere, indem ich eine Maut einführe, werde ich den Verkehr verlagern. Dieses Problem besteht zwischen Autobahn und Bundesstraße und natürlich auch zwischen den Bundesstraßen und den Landesstraßen sowie den Straßen in den Orten. Wenn ich also Verkehrspolitik wirklich aus einem Guss machen will, dann sollte ich an der Grundregel, die seit Jahrzehnten gilt, nämlich dass die Infrastruktur eine öffentliche Aufgabe darstellt und kostenlos von jedermann zu benutzen ist, nichts ändern.
Herr Minister, darf ich Sie im Zusammenhang mit der Finanzierung von Verkehrswegen fragen, ob der Ministerpräsident immer noch der Meinung ist, dass auch eine Vignette zur Verkehrsfinanzierung herangezogen werden sollte, oder wurde dieser Plan inzwischen zu den Akten gelegt?
Ich wäre auf das Stichwort Vignette im systematischen Zusammenhang noch gekommen. Ich habe das nicht vergessen; ich habe dieses Stichwort auf meinem Zettel stehen. In der Tat ist die Vignette auch eine Möglichkeit, etwas zu unternehmen, aber eben in einem ganz bestimmten Kontext.
Der erste Punkt für mich ist: Wenn es eine zentrale Staatsaufgabe ist, dann muss der Verkehr auch zukünftig aus dem Staatshaushalt finanziert werden, das heißt steuerfinanziert werden und nicht benutzungsorientiert finanziert werden. Im Übrigen ist festzustellen: Der Staat hat relativ viel Geld. Die Frage ist nur, wofür er es einsetzt.
Wir könnten alle Varianten der echten Privatfinanzierung, der unechten Privatfinanzierung und des Mautflickenteppichs durchbuchstabieren. Es kann aber doch nicht im Interesse einer modernen Entwicklung sein, dass wir sozusagen zu früheren Zeiten zurückkehren, wo hier ein Mauthäuschen stand und es dort eine Stelle gab, wo etwas bezahlt werden musste; denn dann gäbe es unterschiedliche Verkehrssysteme und Verkehrsqualitäten, je nachdem, ob privat finanziert werden kann oder der Staat finanzieren muss. Ich glaube, dies ist nicht richtig.
Ich möchte einen zweiten Eckpunkt nennen: Für uns alle muss es doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass jeder auf seiner Ebene finanziert, das heißt der Bund die Bundesstraßen und die Schiene, soweit er dafür zuständig ist, sowie die Autobahnen, das Land seine Straßen und die Kommunen die ihren. Versuche, die jetzt vom Bund aus seiner Not heraus, in die er sich selber gebracht hat, unternommen werden, zu einer Mischfinanzierung zu kommen, wie beispielsweise in Niedersachsen, lehnen wir ab. Es kann nicht sein, dass wir Bundesaufgaben aus kommunalen oder aus Landeskassen bezahlen. Ich befinde mich darin übrigens in Übereinstimmung mit den kommunalen Landesverbänden, die übereinstimmend mit uns gesagt haben: Zu Mischfinanzierungen besteht kein Anlass. Der Bund hat seine Aufgaben zu lösen, das Land hat seine Aufgaben zu lösen, und dies gilt natürlich auch für die Kommunen. Einen Mischmasch, der dann dazu führt, dass sich beispielsweise reiche Länder oder reiche Kommunen einkaufen können, eine Mischfinanzierung, die dazu führt, dass der Bund alsbald nur noch dann, wenn überhaupt mitfinanziert würde, seinen Aufgaben gerecht wird, eine solche Mit- und Mischfinanzierung halte ich für falsch.
Für mich gibt es eine einzige Ausnahme: Die Vorfinanzierung der Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm. Mit
Blick auf die zentrale landespolitische Bedeutung und mit Blick darauf, dass es daraus keine Anschluss- und Berufungsfälle in anderen Situationen geben kann, ist sie gerechtfertigt. Dies ist aber die klare Ausnahme von einer ebenso klaren Regel.
Zum Dritten will ich etwas sagen, was das Land BadenWürttemberg anbelangt. Wo stehen wir? Sind wir benachteiligt, werden wir bevorzugt, werden wir gerecht behandelt? Wir werden natürlich nicht gerecht behandelt.
Jetzt komme ich zur Vignette. Wir haben in dieser Legislaturperiode des Landtags und noch unter der alten Bundesregierung hier im Landtag schon eine Debatte darüber geführt. CDU und FDP/DVP haben übereinstimmend gesagt, dass zu wenig Geld für die Verkehrsfinanzierung vorhanden ist. Deswegen haben wir in der damaligen Situation vorgeschlagen, eine Vignette einzuführen. Das ist von dieser Regierungskoalition beschlossen worden – Sie waren damals bekanntermaßen dagegen. Wir haben das damals in einem anderen Umfeld beschlossen. Heute haben wir die Situation, dass sich im Laufe weniger Jahre die Mineralölsteuer und die anteilige Mehrwertsteuer um 35 Pfennig pro Liter erhöhen. In der jetzigen Situation sage ich: Der Staat, nämlich der Bund, hat mittlerweile sein Geld auf andere Weise im Verhältnis zur Vignette mehrfach hereingeholt. Jetzt machen wir diesen Vorschlag nicht mehr, weil die Situation eine andere ist.
Das ist die schlichte Antwort auf die Frage, die Sie vorhin gestellt haben. Man kann sehr wohl über die Vignette sprechen, aber nicht als zusätzliche Belastung zu dem, wie der Autofahrer ohnehin schon abkassiert worden ist.