Protocol of the Session on June 28, 2000

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Da hält er die ganze Rede noch einmal!)

Die Kernfusion und die Nutzung der Sonnenenergie sind Zukunftsperspektiven. Wer sie für eine nahe Zukunft prognostiziert oder sie bereits heute pauschal in seine Bedarfsdeckungen einplant, weckt aber Hoffnungen, die er nicht erfüllen kann, und handelt deshalb unredlich. Auf lange Sicht wird es Alternativen für die Kernkraft geben, die risikoärmer und umweltfreundlicher sind.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Ich kann aber redlicherweise die Ablösung der Kernkraft nicht für einen konkreten Zeitpunkt propagieren, zu dem ich noch keine realisierbare und ausreichende Alternative habe.

(Ministerpräsident Teufel)

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ma- chen Sie doch ein Buch daraus! Verkauft sich be- stimmt glänzend!)

Meine Damen und Herren, dann sage ich:

Jetzt muss erforscht und entwickelt werden, was später in Serie genutzt werden soll; denn die Zukunft gehört nicht der Kernkraft.

(Demonstrativer Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen: Aha! – Abg. Bebber SPD: Endlich eine klare Aussage!)

Genau danach hat die CDU-Landtagsfraktion gehandelt, genau danach!

(Anhaltende Unruhe)

Es ist geradezu naiv. Sie freuen sich über einen Strohhalm. – Ich sage: Es wird der Tag kommen, an dem es serienreife Alternativen gibt.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ich sage euch: Der Tag wird kommen!)

Wir warten den Tag nicht ab, sondern wir handeln aktiv. Die CDU-Fraktion hat seinerzeit eine Delegation an sämtliche Forschungsstandorte in Baden-Württemberg geschickt. Dann haben wir Folgerungen für den Haushalt gezogen.

(Unruhe)

Nicht ohne Grund geben wir 60 % der gesamten Forschungsausgaben aller 16 deutschen Länder auf diesem Gebiet aus. Nicht ohne Grund, sondern deshalb, weil wir Folgerungen aus dieser Rede und aus den Ereignissen von Tschernobyl gezogen haben.

Meine Damen und Herren, aber unsere Politik war damals und ist heute – diesen Satz zitiere ich noch –:

Das stufenweise Herauskommen aus der Kernspaltung und das Hineinwachsen in gefahrlosere Energiearten

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

für mich ist das der entscheidende Satz, meine Damen und Herren; es war damals der entscheidende Satz, und es ist heute der entscheidende Satz –

ist nur nach vorne und durch neue Alternativen wie etwa Kernfusion und Solarenergie und nicht rückwärts zu... neuen, zusätzlichen Kohlekraftwerken oder Ölkraftwerken möglich.

Das ist unsere Position.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das heißt, so lange Kohle die Alternative ist, so lange der Bezug von Strom aus Kernkraftwerken in der Ukraine, in Kiew und in Russland sowie in Frankreich die Alternative ist und es nicht alternative Energiearten sind, die zur Serienreife entwickelt werden können, solange handelt derje

nige unverantwortlich, der zu einem solchen Zeitpunkt bei uns aus der Kernenergie aussteigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, das war unsere Position, und das ist unsere Position auch heute.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abg. Maurer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind gefragt worden, warum wir die Entscheidung getroffen haben, in einem sehr verantwortbaren, sehr abgewogenen, sehr behutsamen Prozess langfristig aus der Atomenergie auszusteigen. Ich gebe Ihnen die Antwort: Wir steigen langfristig aus dieser Technologie aus, weil wir sie für ökonomisch nicht zukunftsfähig halten und weil wir sie langfristig für ethisch und ökologisch nicht verantwortbar halten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie haben vorhin gesagt – ich fand es nett, dass Sie uns Arroganz der Macht vorgeworfen haben; das war auch eine ganz neue Erfahrung –,

(Heiterkeit bei der SPD – Zuruf der Abg. Heidero- se Berroth FDP/DVP)

Sie fänden es arrogant, dass die Bundesregierung in diesem Zusammenhang von einer unumkehrbaren Entscheidung spreche. Ich sage Ihnen: Es gab keine arrogantere Entscheidung – sie ist nun wahrhaft für Zehntausende von Jahren unumkehrbar –, als in diese Technologie einzusteigen.

(Zuruf von der CDU)

Es gibt gegenüber zukünftigen Generationen nichts Arroganteres, als strahlenden Müll zu produzieren, Müll, der Zehntausende von Jahren auf diesem Planeten verbleiben wird. Das ist unumkehrbar, und das ist arrogant.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das war eine wahrhaft arrogante Entscheidung, mit der viele in Deutschland in diese Technologie eingestiegen sind – damals übrigens mit einer geradezu romantischen Begeisterung.

(Abg. Mappus CDU: Wart ihr nicht dabei? – Ge- genruf des Abg. Drexler SPD: Wir waren auch da- bei!)

Natürlich. Wenn Sie, lieber Kollege Mappus, es tröstet: Es gibt in der Heiligen Schrift den Satz, dass mehr Freude im Himmel herrscht über einen Sünder, der sich bekehrt, denn über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

(Zuruf des Abg. Brechtken SPD – Gegenruf des Abg. Mappus CDU)

Uns unterscheidet heute – das haben Sie doch gerade in der Vorlesestunde des Herrn Ministerpräsidenten zu Ihrem eigenen Erschrecken zur Kenntnis nehmen müssen –, dass wir uns nach den Erfahrungen mit dieser Technologie und nach Tschernobyl dafür entschieden haben, verantwortbar, seriös aus dieser Technologie auszusteigen. Wir machen exakt das – da kann der Herr Ministerpräsident hier tanzen und zitieren, wie er will –, was damals unter dem Eindruck dieser Nuklearkatastrophe seine Meinung war.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie waren bei dieser Vorlesestunde ja nicht ohne Grund so ruhig. Ich wäre da an Ihrer Stelle auch sehr erschrocken. Er hat damals eine Rede gehalten, in der er gegen das kurzfristige Abschalten argumentiert hat, gegen den kurzfristigen Ausstieg. Übrigens haben auch wir das damals nicht für richtig gehalten. Er hat damals eine Rede gegen Forderungen aus den Reihen der Grünen nach dem sofortigen Abschalten gehalten; das waren damals übrigens auch nicht Forderungen aller Grünen. Damals hat er gesagt und dies auch noch wiederholt, er selbst glaube, man müsse diese Technologie verlassen.

Das, was wir jetzt machen, entspricht dieser Auffassung: Wir schalten nicht kurzfristig ab; wir verlassen diese Technologie in einem langsamen, kontinuierlichen Prozess, der sich über mehr als 20 Jahre hinziehen wird. Das heißt, wir halten uns daran, was damals erkannt wurde. Aber der Herr Ministerpräsident folgt seinem strategischen und taktischen Opportunismus; das ist die Realität.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist eine Eigenschaft, die Sie, lieber Herr Teufel, auch sonst haben. Gelegentlich werden wir auch Ihre alten, wertorientierten Reden zum Thema Asyl wieder einmal hier verlesen – und Ihre neueren Erkenntnisse auf diesem Gebiet. Das kann man Ihnen jetzt nicht mehr abnehmen.

Ich glaube in der Tat, dass Sie langfristige wertorientierte Entscheidungen nicht durchhalten, auch in dieser Frage nicht. Ich frage mich, ehrlich gesagt, was Sie sich eigentlich parteitaktisch gesehen von dieser Position versprechen, die Sie einnehmen. Das frage ich mich wirklich.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Völlig rätselhaft! – Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Wahlkampfthema!)

Ich will Ihnen zum Thema „Arroganz der Macht“ noch eines sagen. Es ist ja wohl unumstritten: Die Entscheidung für einen langsamen, ökologisch verantwortbaren, aber vor allem auch ökonomisch nicht riskanten Ausstieg aus dieser Technologie entspricht in der Tat dem Willen der überwiegenden Mehrheit unserer Bevölkerung.

Sie leben schon in einer ganz eigenen Welt; das will ich schon sagen. Das habe ich heute Morgen gelernt. Sie leben in einer sehr eigenen Welt. Sie beschimpfen mit Ihren Angriffen auf uns in Wahrheit den erklärten Mehrheitswillen unseres Volkes in dieser Frage.