Erwin Teufel

Appearances

12/78 12/88 12/89 12/92 12/98 12/100 12/103 12/104

Last Statements

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die EU-Kommission hat am 7. Februar dieses Jahres den Kaufvertrag zwischen dem Land und der EdF genehmigt. Der Übertragung der Aktien des Landes an der EnBW steht damit nichts mehr im Wege.
Im Gegenzug wird die EdF den vereinbarten Kaufpreis von 4,7 Milliarden DM Ende Februar/Anfang März überweisen. Dies ist für unser Land ein großer Erfolg.
Es ist der Startschuss für ein neues Kapitel in der Erfolgsgeschichte unseres Landes.
Der Energiestandort Baden-Württemberg bleibt und ist gestärkt. Er behält seine technologische Kompetenz, seine Kraftwerke, seine Arbeitsplätze. Er wird auf dem nationalen Energiemarkt und darüber hinaus eine Rolle spielen.
Baden-Württemberg hat auch auf dem Energiesektor seine Kräfte durch Fusionen gebündelt und durch Beteiligung eines starken strategischen Partners gestärkt. In einem Europa offener Grenzen geht das Grenzland Baden-Württemberg seinen europäischen Weg. Das ist, wenn wir uns die Situation unserer noch vor Jahren relativ zersplitterten Energiewirtschaft in Erinnerung rufen, durchaus keine
Selbstverständlichkeit, sondern es ist das Resultat einer mutigen, einer strategisch ausgerichteten Politik, zu der die Anteilseigner des Badenwerks, der EVS, der OEW und der Neckarwerke Stuttgart ihren Beitrag geleistet haben. Ich danke allen Beteiligten dafür.
Durch diese Politik wurde auch der Wert der EnBW wesentlich gesteigert. Wer hat vor den Verhandlungen auf einen Verkaufserlös der Landesanteile von 4,7 Milliarden DM auch nur zu hoffen gewagt? Und einen solchen Preis würden wir gegenwärtig unter den mittlerweile eingetretenen Wettbewerbsbedingungen des deutschen und des europäischen Strommarkts mit Sicherheit nicht mehr erzielen können.
Also nicht nur die Strategie, sondern auch das Timing haben auf den Punkt genau gestimmt.
Entscheidend war, dass sich die aus der Fusion von Badenwerk und EVS hervorgegangene Energie Baden-Württemberg AG nicht nur im Kreis der wirklich großen Energieversorger Deutschlands etablieren, sondern sich auch offensiv mit einer äußerst kreativen und erfolgreichen Geschäftspolitik an die Spitze des energiewirtschaftlichen Wettbewerbs stellen konnte.
Der Verkauf der Landesanteile an die EdF ist unter den gegebenen Voraussetzungen eine optimale Lösung. Sie bringt für unser Land die strukturpolitischen und strategischen Vorteile, die wir von Anfang an als Ziel der energiewirtschaftlichen Neuordnung Baden-Württembergs angestrebt haben:
Durch die Minderheitenbeteiligung der EdF bleibt die Eigenständigkeit der EnBW gesichert. Sämtliche Kraftwerksstandorte, aber auch die anderen Standorte der EnBW werden garantiert. Damit haben wir größtmögliche Sicherheit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht. Ein Blick nach Nordrhein-Westfalen und Bayern zeigt, was dies bei der gegenwärtigen Tendenz zur Schließung ganzer Kraftwerke und zum Abbau Tausender Arbeitsplätze wert ist. Bei jeder anderen Verkaufsoption wäre die EnBW unweigerlich in ähnliche Prozesse des Kapazitäts- und Arbeitsplatzabbaus geraten. Schließlich wird durch die Zusammenarbeit von EnBW und EdF der Wettbewerb auf
dem Strommarkt national und europaweit eindeutig gestärkt. Deshalb ist die gefundene Lösung auch und gerade eine Lösung im Sinne der Verbraucher und der Wirtschaft und im Sinne der eingeleiteten Marktöffnung, die wir als Landesregierung auch weiterhin nachdrücklich unterstützen.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals allen Verantwortlichen, insbesondere Herrn Präsident Roussely und Herrn Vorstandsvorsitzendem Goll, für die stets von partnerschaftlichem Geist getragenen Verhandlungen und für ihren persönlichen Einsatz herzlich danken. Ebenso danke ich Herrn Landrat Dr. Schürle, dem Vorsitzenden der OEW, für die gute Zusammenarbeit. Ich bin auch Herrn Kommissar Monti und der EU-Kommission für die getroffene Entscheidung und das wirklich vertrauensvolle Klima, das unsere Kontakte in jeder Phase dieses Verfahrens geprägt hat, dankbar.
Meine Damen und Herren, wäre es in Anbetracht dieser unbestreitbaren Erfolge vielleicht doch angebracht, von der Opposition dieses Hauses ein Wort der Anerkennung zu hören?
Lob ist in Zeiten des Wahlkampfs sicher zu viel verlangt. Aber vielleicht doch ein schwäbisches Lob nach dem Motto: „Net gschimpft isch globt gnuag!“
Wenn ich mir allerdings die abstrusen Standpunkte anschaue, die Sie in den zurückliegenden Monaten und Tagen zu diesem Themenkomplex vertreten haben, dann sinken meine diesbezüglichen Hoffnungen auf null.
Wären wir dem SPD-Vorschlag zur Verwendung des Verkaufserlöses von 4,7 Milliarden DM gefolgt, dann hätten wir eine massive finanzielle Schlechterstellung für das Land und seine Bürgerinnen und Bürger in Kauf nehmen müssen.
Ich frage deshalb insbesondere Sie, Herr Maurer,
und ich frage Ihre Fraktion: Wie kommen Sie eigentlich dazu, hier in Baden-Württemberg den Steuereintreiber des Bundes zu spielen?
Ist Ihnen bei der ganzen Begeisterung für den Genossen Eichel etwa entfallen, welche Interessen Sie in dieser Frage zu vertreten haben?
Oder denken Sie, wer 4 Milliarden DM Länderfinanzausgleich zahle, der könne ruhig – so nebenbei – auch noch zusätzliche 1,8 Milliarden DM an Steuern nach Berlin überweisen, statt sie im Land für die Zukunftschancen der jungen Generation zu verwenden?
Ich halte dies, um es vorsichtig auszudrücken, für eine sehr merkwürdige Haltung, die Sie in dieser Frage an den Tag legen.
Ich sage Ihnen: Wir brauchen für die Zukunftssicherung unseres Landes und seiner jungen Generation jede einzelne Mark, insbesondere in Zeiten, in denen wir mehr als 1 Milliarde DM dafür ausgeben müssen, dass der Bund seinen Verpflichtungen an Bundesaufgaben in Baden-Württemberg nachkommt.
Deshalb gibt es keine vernünftige Alternative zu einer dritten Zukunftsoffensive Junge Generation, keine vernünftige Alternative zur Landesstiftung Baden-Württemberg. Dass wir bei der Mittelverwendung strikt an das Prinzip der Gemeinnützigkeit gebunden sind, kann doch niemand allen Ernstes als Manko bezeichnen. Schauen Sie sich doch einmal die vielen zulässigen Felder in der Abgabenordnung an! Wir haben Aufgaben in Hülle und Fülle,
welche die Anforderungen der Gemeinnützigkeit erfüllen. Mit der Landesstiftung und der neuen Zukunftsoffensive setzen wir konsequent und zielstrebig auf die Fortsetzung eines Kurses, den wir mit Ihnen von der SPD
1994 mit der Zukunftsoffensive Junge Generation I begonnen haben und den wir 1997 gemeinsam mit der FDP/DVP mit der Zukunftsoffensive Junge Generation II weiter beschritten haben.
In Zeiten europaweiter Liberalisierung und sich ändernder Markt- und Wettbewerbsbedingungen trennen wir uns von unternehmerischem Vermögen des Landes, nicht um konsumtive Ausgaben zu tätigen, sondern ausschließlich für Investitionen in die Zukunftschancen der jungen Generation.
Meine Damen und Herren, der amerikanische Nobelpreisträger Gary Becker sagt: Über 75 % des Kapitals entwickelter Industriegesellschaften sind heute Humankapital. Deshalb unsere klare Priorität für Bildung und Berufsaus
bildung, für Wissenschaft und Forschung. Das ist der Humus, auf dem die Wertschöpfung des 21. Jahrhunderts gedeiht.
Baden-Württemberg ist groß geworden mit dem Rohstoff Wissen, mit der fast einzigartigen Kombination von Fleiß und Leistungsbereitschaft mit sowohl wissenschaftlicher als auch unternehmerischer Fantasie und Kreativität. Mit diesen Tugenden und Begabungen und mit diesem Können und mit Kompetenz werden wir auch wettbewerbsfähig bleiben.
Baden-Württemberg wird seine nationale und internationale Spitzenstellung halten können. Baden-Württemberg wird im 21. Jahrhundert seinen jungen Menschen weiterhin ausgezeichnete Lebenschancen, Bildungschancen, Berufschancen und Arbeitschancen bieten können, wenn wir auch in Zukunft auf diese Karte setzen. Wir bleiben das Land der Talente und der Patente.
Baden-Württemberg ist auf dem Weg zur Vollbeschäftigung. Von 100 neuen Arbeitsplätzen, die im Jahr 2000 in Deutschland neu geschaffen wurden, sind allein 21 in Baden-Württemberg entstanden. Hätten wir bundesweit dieselben Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, dann gäbe es in Deutschland 2 Millionen Arbeitslose weniger. Arbeitslosigkeit in Deutschland im Januar dieses Jahres, im letzten Monat: 10 %. Zweitbester Wert in Deutschland: Bayern 6,2 %. Bester Wert: Baden-Württemberg 5,2 %.
Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, die höchste Zahl von Patentanmeldungen in Deutschland und die meisten Hochtechnologiearbeitsplätze in Europa. Wachstum im Jahr 2000 in Deutschland 3,1 %, Wachstum im Jahr 2000 in Baden-Württemberg 4,2 %.
Das ist die Stärke Baden-Württembergs, die Leistung seiner Wirtschaft und seines Bildungswesens, Lohn für die Anstrengung seiner Menschen.
Aber wir verdanken diese Erfolge auch einer Politik der Landesregierung, die in den Neunzigerjahren, der Zeit der größten Konjunkturkrise und der größten Strukturkrise der Nachkriegszeit, die Voraussetzungen für das Comeback Baden-Württembergs unter die wachstumsstärksten und innovativsten Regionen Europas geschaffen hat.
So ist es gelungen, die Wettbewerbskraft unserer klassischen Kernbranchen – der Automobilindustrie, der Zulieferindustrie, des Maschinenbaus und der Elektrotechnik – wieder eindrucksvoll zurückzuerobern. So wurde das Fundament für viele Existenzgründungen und für neue Branchen gelegt. Wir setzen auch in Zukunft auf diese tragende Säule des Wirtschafts- und Technologiestandorts BadenWürttemberg.
Doch darüber hinaus ist Baden-Württemberg auch in einer ganzen Reihe hochinnovativer Wachstumsbranchen – ich nenne beispielhaft die Bereiche Software, Internet, Medizintechnik, neue Medien, Biotechnologie – in die Spitzengruppe vorgedrungen. Dies ist nur möglich durch ein unternehmerfreundliches, ein mittelstandsfreundliches und vor allem auch ein gründerfreundliches Klima in unserem Land.
Das ist das Gegenteil einer Politik, von der Sie heute in der Zeitung lesen: „Die Bundesregierung bringt den ganzen Mittelstand und die ganze Wirtschaft durch ihre Politik gegen sich auf.“
Meine Damen und Herren, wir nennen unsere Politik eine Politik für die Zukunftschancen der jungen Generation und für qualifizierten Nachwuchs für unsere Wirtschaft.
Deshalb werden wir uns mit der dritten Zukunftsoffensive umgehend daranmachen, den nächsten Innovationsschub in Baden-Württemberg zu starten. Dabei heißen die großen Themen: Massiver Ausbau der Kapazitäten im Informatikund Medienbereich; Einsatz neuer Medien zur Unterstützung des Unterrichts an unseren Schulen und Hochschulen; berufliche Bildung und Existenzgründungen – auch dies ist ein Schwerpunkt der neuen Zukunftsoffensive –; weiterer Ausbau der Hochschulen, dabei insbesondere der Berufsakademien; schließlich neue, nachdrückliche Impulse in anwendungsorientierter Wissenschaft und Forschung – von den hochaktuellen interdisziplinären Entwicklungen im Bereich der Lebenswissenschaften über modernste Photonik und Lasertechnik, Medizintechnik, Nanotechnologie bis hin zur Brennstoffzellentechnologie, um nur einige Beispiele zu nennen.
Unsere Politik ist auf das Jahr 2010 gerichtet.
Wir wollen auch in zehn Jahren die wettbewerbsfähigste Region Europas sein.
Wir wollen dabei die globale Wettbewerbsfähigkeit unserer industriellen Kernbranchen erhalten und auf den innovativen Wachstumsmärkten, auch im Dienstleistungssektor, weiter in die Weltspitze vordringen. Diese Kombination – vorhandene Stärken auszubauen und zugleich den Boden für neue, dynamische Technologiecluster des 21. Jahrhunderts zu bereiten – ist strategisch die beste Voraussetzung für hohe Wertschöpfung und Beschäftigung in Baden-Württemberg.
Alle Menschen unseres Landes haben einen Anspruch auf eine qualifizierte Ausbildung, und sie brauchen bestmögliche Chancen für einen guten und sicheren Arbeitsplatz. Jeder hat ein Recht auf eine Aufgabe. Jeder muss Sinn finden in seinem Leben. Jeder muss mehr aus seinem Leben ma
chen können. Wir lassen niemanden hängen. Wir wollen alle mitnehmen auf dem Weg in die Zukunft.
In der Tat: Für uns beginnt der Mensch nicht beim Abitur.
Wir kümmern uns wie kein anderes Land darum, dass diejenigen, die einen Hauptschulabschluss oder Berufsschulabschluss nicht schaffen, in berufliche Vollzeitklassen aufgenommen werden. Wir haben den Beruf des Jugendberufshelfers neu geschaffen, um all diesen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu bieten.
Deswegen sage ich noch einmal mit allem Nachdruck: Wir lassen keinen hängen; wir nehmen jeden mit.
Wir schleppen sogar die Opposition mit;
meine Damen und Herren, vor allem schleppen wir Sie auch in die nächste Legislaturperiode als Opposition mit.
Meine Damen und Herren, dass Sie opponieren können und Zwischenrufe machen können, habe ich nie bestritten, aber Sie können nicht regieren. Das ist der Unterschied.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist sich der Tragweite dieser Aufgabe sehr wohl bewusst. Deshalb investieren wir in der dritten Zukunftsinitiative Junge Generation 162 Millionen DM im Bereich Schule und Jugend, davon 100 Millionen DM in die Fortsetzung der Initiative „Neue Medien an der Schule“, und 95 Millionen DM in die berufliche Bildung und für Existenzgründungsmaßnahmen.
In der Tat ist das gemeinnützig. Ist es nicht mehr gemeinnützig, wenn man jungen Menschen, die eine qualifizierte Ausbildung und den Mut zur Selbstständigkeit haben und nicht wie Sie die 32-Stunden-Woche anstreben, hilft? Ist das nicht mehr gemeinnützig?
Etwas für die Allgemeinheit Nützlicheres als junge Menschen, die sich selbstständig machen wollen, gibt es in unserem Land überhaupt nicht. Das möchte ich einmal sagen.
Meine Damen und Herren, 170 Millionen DM in den Ausbau der Hochschulen, 55 Millionen DM im Bereich Medienland Baden-Württemberg,
98 Millionen DM für Investitionen in der anwendungsorientierten Forschung. Wir wollen, dass Forschungsergebnisse umgesetzt werden in neue Produkte und neue Produktionsverfahren, damit wir marktfähig bleiben.
126,5 Millionen DM im Bereich der Lebenswissenschaften, 279,5 Millionen DM für Ausbildung und Infrastrukturinvestitionen in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie sehen doch, dass wir in all diesen Zukunftsbereichen nicht kleckern, sondern klotzen
und Baden-Württemberg über die Stammbranchen hinaus damit in neuen Technologiefeldern positionieren und wettbewerbsfähig machen.
85,5 Millionen DM in weitere Forschungsprojekte im Zusammenhang mit dem Automobil und der Zulieferindustrie. In Baden-Württemberg werden die technisch besten Autos der Welt gebaut. Wir wollen, dass in unserem Land die umweltfreundlichsten Autos der Welt gebaut werden – mit der Brennstoffzelle.
Auch in diesem Zusammenhang sehe ich wichtige Aufgaben für die Landesstiftung Baden-Württemberg.
Es handelt sich um eine der größten öffentlich-rechtlichen Stiftungen Deutschlands. Sie wird nun Jahr für Jahr – ohne dass wir den realen Wert des Kapitalstocks schmälern – einen dreistelligen Millionenbetrag für Investitionen und gemeinnützige Projekte einsetzen können.
Ich werde mich in meiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Landesstiftung beispielsweise für folgende Projekte einsetzen:
Die Einrichtung eines „Baden-Württemberg-Stipendiums“.
Qualifizierte Studentinnen und Studenten aus dem Land sollen die Möglichkeit eines Aufenthalts an ausländischen Spitzenuniversitäten bekommen. Zudem sollen im Gegenzug besonders begabte ausländische Hochschüler für ein Studium an baden-württembergischen Hochschulen gewonnen werden.
Auch geeignete Meister- und Technikerschüler sollen die Möglichkeit bekommen, sich mit einem Stipendium im Ausland weiterzubilden.
Zudem sollen qualifizierte Schüler und Auszubildende aus dem Ausland in der hiesigen Wirtschaft, insbesondere in mittelständischen Unternehmen und im Handwerk, die Möglichkeit einer besonderen Förderung bekommen.
Meine Damen und Herren, des Weiteren schlagen wir den „Internet-Führerschein“ als Förderprojekt für die Landesstiftung vor.
Alle Erwachsenenbildungsträger, die Menschen jeden Alters an den PC und an das Internet heranführen, sollen bei uns eine besondere Förderung bekommen.
Mit dieser Stiftung schaffen wir eine Quelle, die laufend Gutes bewirken kann, ohne je an Ergiebigkeit einzubüßen – von Jahr zu Jahr, von Generation zu Generation. Wir erhalten den Wert – –
Ja, wir erhalten den Wert, damit Sie vielleicht in 20, 30 Jahren auch einmal die Chance haben, darüber zu verfügen.
Meine Damen und Herren, wir erhalten den Wert, weil wir jedes Jahr Mittel, die die Inflationsrate ausgleichen, zuerst einmal der Stiftung neu zuführen, sodass wir die Substanz der Stiftung erhalten. Kann man sich denn Politik nachhaltiger vorstellen?
Kann man sich denn Politik zukunftsgerichteter vorstellen?
Was in Generationen angewachsen ist, das verpulvern wir nicht in einer Generation und schon gar nicht in einer Legislaturperiode,
sondern das setzen wir nachhaltig für die Zukunftschancen der jungen Generation ein.
Meine Damen und Herren, ein guter Auftakt für ein starkes Baden-Württemberg im neuen Jahrhundert! Wir wollen Fortschritt, der den Menschen dient. Modernität und Menschlichkeit, Leistung und soziale Verantwortung gehören zusammen.
Lassen Sie uns dafür in Baden-Württemberg ein Beispiel geben!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich nehme ich nur deshalb noch einmal das Wort, um dem Kollegen Maurer noch einen Auftritt zu ermöglichen.
Denn jeder Auftritt von Maurer ist das Beste, was uns passieren kann.
Meine Damen und Herren, Herr Schlierer hat die Frage gestellt: Warum heute eine Regierungserklärung? Man scheint zu übersehen, dass die EU-Kommission am 7. Februar den Vertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und der EdF genehmigt hat.
Man stelle sich einmal eine Minute lang vor, die Europäische Kommission hätte den Vertrag abgelehnt.
Sie hätten die Plenarsitzungen heute und morgen vom Morgen bis zum Abend mit diesem Thema bestritten. Das hätten Sie gemacht.
Sie hätten Hohn und Spott über uns ausgegossen und von einer großen Niederlage der Landesregierung gesprochen.
Heute aber – der Kollege Pfister hat völlig Recht – ist das Gegenteil der Fall. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Auf Antrag der SPD wurde am 26. Oktober des letzten Jahres eine Aktuelle Debatte mit dem Thema „Die großzügige Verteilung nicht vorhandener Gelder aus der Landesstiftung durch die Landesregierung“ durchgeführt.
Herr Maurer hat in jener Debatte ausgeführt:
Ich finde es unglaublich fahrlässig, ungedeckte Wechsel auszustellen in einer Situation, in der kein Mensch weiß, wie Brüssel entscheiden wird, mit welchen Auflagen entschieden wird,... was das für den Unternehmenswert bedeutet, der veräußert worden ist, was das auch für die Strategie der EdF bedeutet.
Herr Maurer, der Ruf der Propheten beruht meistens auf dem schlechten Gedächtnis ihrer Zuhörer.
Ich habe mir das Zitat aufbewahrt, weil Sie mit Ihrer Prophetie wirklich in jedem Halbsatz falsch gelegen sind.
„Kein Mensch weiß, wie Brüssel entscheiden wird.“
Ich kann nur sagen: Wir haben mit Brüssel verhandelt, und ich war keine einzige Minute unsicher. Denn Brüssel hat während der gesamten Verhandlungsphase nichts an dem Vertrag auszusetzen gehabt, sondern Brüssel hat offen gesagt, dass der Vertrag als Hebel benutzt wird,
um auf dem französischen Strommarkt eine größere Liberalisierung zu erreichen.
„Mit welchen Auflagen entschieden wird“ – nicht eine einzige Auflage betrifft den Verhandlungspartner BadenWürttemberg. „Welche weiteren Verhandlungsprozesse... durch diese Auflagen ausgelöst werden“ – keine einzige Verhandlung ist nötig geworden. „Was das für den Unternehmenswert bedeutet“ – keine Mark geht von den 4,7 Milliarden DM weg. „Was das für die Strategie der EdF bedeutet“ – ich kann nur sagen: Der EdF war der Vertrag so viel wert, dass sie auf dem französischen Strommarkt nicht nur verbal, sondern auch tatsächlich eine nennenswerte Liberalisierung ermöglicht hat.
Nun, meine Damen und Herren, versteigt sich Herr Maurer zu der Bemerkung, dass die EnBW früher oder später nichts anderes als ein Satellit der EdF sein werde.
Ich kann nur sagen: Wir haben europaweit ausgeschrieben. Wir haben einen Europäischen Binnenmarkt, eine Europäische Union und einen europäischen Strommarkt. Die EdF hatte überhaupt keinen Vorlauf, aber sie wurde behandelt wie jedes andere deutsche oder europäische Unternehmen. Wir haben uns von der Beratungsgesellschaft der Dresdner Bank sachkundig beraten lassen. Die Empfehlungen waren eindeutig.
Jetzt möchte ich einmal sagen: Sie sprechen in den letzten Tagen von Arbeitsplätzen, die gefährdet seien, obwohl Sie wissen, dass die EnBW die Zahl der Arbeitsplätze um 2 % gesteigert hat. Was wäre denn nach Ihrer Meinung die Alternative gewesen? Ein deutsches Unternehmen wäre Ihrer Meinung nach die Alternative gewesen. Aber – das sage ich Ihnen – die EnBW würde schon heute nicht mehr bestehen,
wenn sie in der Fusion Veba/Viag/Eon oder im RWE/ VEW-Konzern aufgegangen wäre. Wie die VEW wäre sie darin aufgegangen.
Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, was die an Arbeitsplätzen abbauen. Das sind vielleicht Zeitungsausschnitte, die es verdienen, zitiert zu werden.
Ich zitiere aus der „Welt“:
RWE-Konzern baut mit VEW 12 550 Stellen ab.
Nächstes Zitat:
Veba/Viag baut allein in Bayern 1 500 Stellen ab.
Der bayerische Wirtschaftsminister hat eine Regierungserklärung zu diesem Thema abgegeben. Veba/Viag baut insgesamt über 3 000 Stellen ab. Sie kritisieren unseren Vertrag mit der EdF, ohne dass Sie hier den Hauch einer Alternative aufzeigen, was Sie für Baden-Württemberg hätten besser machen wollen.
Wir haben die Standorte und die Arbeitsplätze abgesichert, soweit man das überhaupt konnte. Deswegen haben sämtliche Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der EnBW – sehr viele gehören Ihrer Partei an –
diesem Vertrag zugestimmt,
weil er ein arbeitnehmerfreundlicher Vertrag gewesen ist.
Dann sagte Herr Maurer nach der Genehmigung am 7. Februar in „Südwest 3“:
Ich sage Ihnen voraus, dass das bedeutet, dass das Land Baden-Württemberg zu einer Kolonie des französischen Atomkonzerns EdF wird.
Das wird uns Tausende von Arbeitsplätzen kosten.
Das sagt Herr Maurer wider besseres Wissen. Er spricht 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg,
nachdem Frankreich unser erster Partner ist und seit Mitte der Fünfzigerjahre in der Europäischen Union mit uns verbunden ist,
davon, dass wir zu einer Kolonie Frankreichs würden. Was ist denn das für eine Sprache?
Ja, das ist Ihre Geschichte. – Nehmen Sie sich einmal ein Beispiel an Ihrem Kollegen Linkohr, dem Stuttgarter Abgeordneten im Europäischen Parlament, der von Weitsicht gesprochen hat, weil ein europäisches Unternehmen, ein französisches Unternehmen zum Zug gekommen ist. Auch die deutsche Kartellbehörde hat gesagt, sie hätte einen anderen Vertrag als diesen gar nicht genehmigen können, weil nur dieser zu mehr Wettbewerb in Deutschland und in Europa geführt hat.
Meine Damen und Herren, dann wurde gesagt, das Geld der Zukunftsoffensive III werde für „schöne Dinge“ ausgegeben, statt Schulden abzubauen. Hinterher ist sogar noch von einer Wahlkampfaktion gesprochen worden.
Beliebig zitiere ich jetzt einmal aus dem Katalog, den CDU und FDP/DVP gemeinsam festgelegt haben,
aus der Zukunftsoffensive III. Nachdem Sie, Herr Maurer, sagen, das seien „schöne Dinge“, also Dinge, die überhaupt nicht nötig sind, und das sei Wahlkampfaktion,
schlage ich vor, dass Sie an alle Standorte gehen, die ich jetzt nenne, und sagen, dass Sie, wenn Sie an die Regierung kommen, das alles wieder zurücknehmen.
Sie haben vorhin gesagt: „Wir machen das alles ungeschehen, wenn wir an die Regierung kommen.“ Also: Investitionen im Schulbereich auch bei Privatschulen, 100 Millionen DM für neue Medien an der Schule – das alles machen Sie rückgängig –, Existenzgründungsmaßnahmen, soweit gemeinnützig, mit 25 Millionen DM; die anderen Existenzgründungsmaßnahmen werden im normalen Haushalt finanziert. So gescheit wie Sie sind wir auch.
Die Frage der Gemeinnützigkeit haben wir übrigens nicht nur durch die kompetente Steuerabteilung des Finanzministeriums prüfen lassen, sondern auch noch durch einen externen Wirtschaftsberater.
13 Baumaßnahmen für Berufsakademien, 100 Millionen DM.
„Vorrangige Einzelprojekte“ heißt es da. Sie gehen also nach Lörrach, wo wir durch Betriebsschließungen eine hohe Arbeitslosigkeit haben, und sagen, der Ausbau der Berufsakademie Lörrach sei nicht notwendig.
Nächster Standort: Mosbach. Sie gehen nach Mosbach, wo Ihre Bundesregierung gerade die Bundeswehr im ländlichen Raum abbaut, und sagen: Der Ausbau der Berufsakademie Mosbach ist nicht notwendig.
Ravensburg. Sie gehen nach Ravensburg und sagen, der Ausbau in Ravensburg sei nicht notwendig, und auch ein neuer Standort in Friedrichshafen, den wir gerade schaffen – Baustelle –, sei nicht notwendig.
Sie gehen nach Villingen-Schwenningen, Heidenheim, verehrte Frau Kollegin Gräßle, Horb, Karlsruhe, Mannheim – alles Berufsakademie-Baumaßnahmen – und sagen: „Schöne Dinge, reine Wahlkampfversprechen, sobald wir an der Regierung sind, machen wir das alles rückgängig.“
Sie gehen auch nach Karlsruhe und sagen: Eine 24-Stunden-Bibliothek an der Universität Karlsruhe? Was ist das für eine Idee! Diese 20 Millionen DM kann man glatt sparen und zur Schuldentilgung verwenden.
Und zum Ausbau der Filmakademie in Ludwigsburg sagen Sie: Die ersten zehn Jahre waren schon nichts. Warum soll man dann weiterhin Geld in diese Filmakademie stecken?
Beim Institut für Mikro- und Informationstechnik in Villingen-Schwenningen, beim Institut für Mikroelektronik in Stuttgart, beim Institut für Textilforschung in Denkendorf, wo man übrigens seit Jahrzehnten wartet, beim FraunhoferInstitut für chemische Technologie in Pfinztal, 27 Millionen DM, beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft in Stuttgart, beim Forschungsinstitut für Edelmetall in Schwäbisch Gmünd – überall tritt Herr Maurer auf und sagt: „Schöne Dinge, die aber nicht notwendig sind; wir machen sie rückgängig.“
Das könnte ich fortsetzen, meine Damen und Herren. Wissen Sie, was die Wahrheit ist? Die Wahrheit ist: Wenn die SPD bei einer Zukunftsoffensive dabei ist, wie bei der ersten,
dann geht es natürlich nicht um Wahlgeschenke, sondern dann ist diese
für die Entwicklung des Landes Baden-Württemberg von existenzieller Bedeutung.
Wenn die FDP aber nicht mehr in der Regierung ist – –
Die SPD.
Zur FDP/DVP sage ich gleich etwas ganz Liebes, und zwar aus Überzeugung, sogar etwas, was über Ihre Aussage, Herr Pfister, hinausgeht.
Sie haben gerade gesagt, ohne die FDP/DVP gäbe es die dritte Zukunftsoffensive Junge Generation nicht.
Ich sage: Ohne die FDP/DVP hätte es schon die zweite Zukunftsoffensive Junge Generation nicht gegeben.
So ist es in der Tat, denn die zweite Zukunftsoffensive stammt aus dieser Legislaturperiode und wurde mit der FDP/DVP gemacht.
Aber die erste stammte aus der letzten Legislaturperiode und wurde mit der SPD gemacht, und was mit der SPD gemacht wird, ist gut für die Zukunft des Landes. Was aber ohne die SPD gemacht wird, das sind Kinkerlitzchen, „schöne Dinge“, auf die man auch verzichten kann. So einfach ist das Weltbild des Herrn Maurer.
Jetzt zu den Uraltbehauptungen. Zur Gemeinnützigkeit habe ich ja schon gesagt, dass diese von der Steuerabteilung und auch von einem externen Berater geprüft worden ist. Wir werden aufpassen, weil wir nämlich keine Steuern zahlen wollen. Das ist der Unterschied zwischen uns.
Sie sagen, Sie würden lieber die Verschuldung abbauen. Das ist ja hochinteressant. Jetzt will ich Ihnen einmal über das letzte Jahr, das Jahr 2000, berichten. Wir hatten im Haushaltsplan eine Neuverschuldung von 1,55 Milliarden DM.
Tatsächlich haben wir im Jahr 2000 aber nur 801 Millionen DM Schulden aufgenommen, also etwas mehr als die Hälfte.
Das ist die niedrigste Verschuldung seit dem Jahr 1973,
und damals hatten wir das halbe Haushaltsvolumen. Das ist unsere Politik,
und jetzt wollen Sie uns vormachen, dass wir uns verschulden.
Ich kann nur sagen: Das Institut der deutschen Wirtschaft, in diesen Fragen bekanntlich sehr kritisch denkend, hat uns bestätigt, dass wir in den letzten zehn Jahren von allen Ländern die solideste Haushaltspolitik gemacht haben.
Ich füge noch etwas hinzu: Inzwischen ist die Summe dessen, was das Land seit seinem Bestehen in den Länderfinanzausgleich eingezahlt hat, um 8 Milliarden DM höher als die Gesamtverschuldung des Landes Baden-Württemberg. Wir wären schuldenfrei! Wir haben uns überhaupt nur verschuldet, um in den Länderfinanzausgleich einzahlen zu können. Das sind die Tatsachen in unserem Land.
Jetzt komme ich zur Beteiligung des Landtags. Was habe ich da gerade gehört? Dieses Einmaleins, das, was ich von Ihnen, Herr Salomon, gehört habe, muss man mir einmal erklären: Über die ersten beiden Zukunftsoffensiven Junge Generation sei im Landtag noch ordnungsgemäß verhandelt worden, nicht mehr aber über die dritte. Was haben wir denn bei den ersten beiden gemacht? Wir haben zusammen mit Ihnen das Konzept in der Koalition festgelegt. Dann haben wir einen Haushaltsentwurf in den Landtag eingebracht, den der Landtag schließlich verabschiedet hat.
Was haben wir denn mit der zweiten Zukunftsoffensive gemacht? Wir haben noch in der letzten Legislaturperiode ein Konzept entwickelt. Wir haben es in der Koalitionsvereinbarung zum Gegenstand gemeinsamen Handelns gemacht.
Dann haben wir es in den Haushaltsentwurf aufgenommen und es schließlich im Landtag beraten und verabschiedet.
Was habe ich zur dritten Zukunftsoffensive im Namen der Regierung immer gesagt? Wir haben die vorgesehenen Mittel von 1,1 Milliarden DM eingeplant, damit man die Vorbereitungen treffen kann. Diese sind in vollem Gang. Sie werden aber erst über einen Nachtragshaushaltsplan finanzwirksam, den die neue Landesregierung im Herbst einbringen wird. Dabei wird die dritte Zukunftsoffensive genauso beraten und verabschiedet, wie es bei den ersten beiden Zukunftsoffensiven der Fall war. Welchen Türken bauen Sie hier im Parlament denn eigentlich auf? Was machen Sie denn den Leuten vor?
Anders sieht es in Bezug auf die Landesstiftung aus. Dazu kann ich nur sagen: Wir haben den Landtag an den Organen der Landesstiftung sogar noch stärker beteiligt, als es den Kräfteverhältnissen nach d’Hondt entsprechen würde. Jede Satzung, jede Regelung, jede Einzelheit ist im Finanzausschuss des Landtags beraten worden, hat dort eine Mehrheit gefunden und ist schließlich vom Landtag von Baden-Württemberg verabschiedet worden. Das ist die Tatsache. So gehen wir – auch in Bezug auf die Landesstiftung – mit dem Parlament um.
Jetzt ist von „Tafelsilber“ die Rede – eine tolle Geschichte. Ich freue mich geradezu auf einen solchen Begriff. Der Anteil von 25 % hat dem Land Baden-Württemberg ja überhaupt nicht mehr gehört. Denn dieser Anteil von 25 % ist vom Land vor mindestens 15 Jahren an eine neu gegründete Landesholding verkauft worden. Damals hat man rund 800 Millionen DM Schulden gemacht. Wenn wir heute für den gleichen Anteil 4,7 Milliarden DM bekommen, so erkennt man auch den Wertzuwachs, den wir in den letzten Jahren erzielt haben. Diese 800 Millionen DM tilgen wir als Erstes. Denn sie sind für den angesprochenen Zweck aufgenommen worden. Deswegen werden diese Schulden getilgt.
Den um diese 800 Millionen DM verringerten Betrag von 4,7 Milliarden DM verwenden wir erstens für die dritte Zukunftsoffensive und zweitens für die Landesstiftung mit Werterhaltung für die kommenden Generationen. Kann man verantwortlicher mit Vermögen umgehen?
Aber wir sparen nicht nur. Wir haben in den Neunzigerjahren sehr gespart – mehr als jedes andere Land, wie uns vom Institut der deutschen Wirtschaft bescheinigt wird. Aber wir haben auch investiert. Auch deswegen steht das Land Baden-Württemberg heute anders da als Mitte der Neunzigerjahre. Jetzt müssen wir das Fundament legen, damit Baden-Württemberg auch im Jahr 2010 Spitze in Deutschland ist und zur wettbewerbsfähigsten Region Europas wird. Dafür legen wir jetzt die Grundlagen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beabsichtige, Herrn Professor Dr. Konrad Beyreuther in das Amt eines ehrenamtlichen Staatsrats für Lebens- und Gesundheitsschutz im Staatsministerium zu berufen. Ich bitte das hohe Haus, der Berufung nach Artikel 46 Abs. 4 der Landesverfassung zuzustimmen.
Im Übrigen darf ich auf mein Schreiben an den Herrn Landtagspräsidenten vom 30. Januar 2001 und den dortigen Antrag auf Zulassung einer Ausnahme nach Artikel 53 Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung verweisen.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in aufgeregten Wahlkampfdebatten orientiere ich mich an den sachlichen Erfordernissen dieser BSE-Krise.
Ich habe deshalb Mitte Dezember eine Regierungserklärung abgegeben und dort zwei Maximen aufgestellt, an denen ich mich in den letzten Wochen bei jeder einzelnen Handlung orientiert habe und auch in Zukunft orientieren werde:
Erstens: Gesundheitsschutz geht als Zielsetzung jedem anderen Ziel vor.
Zweitens: Wir müssen das Menschenmögliche tun, das, was nach der jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnis überhaupt möglich ist, wobei ich glaube, dass wir in dieser kritischen Phase eine Holschuld gegenüber der Wissenschaft haben. Deswegen habe ich am letzten Dienstag 15 namhafte Wissenschaftler zwischen Zürich und Düsseldorf, zwischen München und Berlin und natürlich auch aus unserem eigenen Land zu einem Gespräch zusammengeholt und anschließend mit ihnen eine Pressekonferenz abgehalten. Mir haben Journalisten danach gesagt, das sei eine hochinteressante Pressekonferenz gewesen, bei der sie außerordentlich viel Neues erfahren hätten.
So ist es mir bei dem Gespräch auch gegangen. Wir setzen um, was wir erfahren haben. Aber wir haben auch erfahren, dass nichts so notwendig ist, wie Forschungsförderung zu betreiben, weil wir bei dieser Krankheit über viele Dinge noch nicht Bescheid wissen. Ich habe daraus auch die Folgerung gezogen und einen der ersten Wissenschaftler auf diesem Gebiet in unserem Land und darüber hinaus als Berater mit Regierungsrang für die Landesregierung berufen. Und Sie haben wenigstens heute an der Persönlichkeit von Professor Beyreuther keine Kritik geübt.
Nachdem die Grünen in den letzten Tagen die Einsetzung eines Landesbeauftragten gefordert haben und ich einen Staatsrat berufe, weil er einen höheren Rang hat und mit den Ministern auf gleicher Ebene verkehren kann, sollte man, finde ich, ein solches Vorgehen eigentlich loben.
Die SPD sagt, wenn ich einen Staatsrat berufen hätte, der für BSE-Fragen zuständig wäre, dann hätte sie zugestimmt, aber weil er für Lebensschutz und Gesundheitsschutz der Menschen zuständig ist, könne sie nicht zustimmen.
Da kann man sich, gelinde gesagt, wirklich nur wundern.
Ich kann Ihnen sagen: Professor Beyreuther ist nach meiner Erfahrung und den Gesprächen, die ich mit ihm geführt habe, in seiner wissenschaftlichen Reputation und Forschung eben nicht nur auf BSE eingeengt. Er ist beispielsweise ein ausgesprochener Fachmann von Format in Fragen der Alzheimer-Forschung. Er ist ein Fachmann in Fragen der Lebenswissenschaften. Verfolgen Sie denn im Augenblick nicht die Diskussion, die auf Bundesebene zwischen den Regierungsfraktionen über die Frage Embryonenschutzgesetz – Änderungsnotwendigkeit oder nicht –,
Embryonenforschung, pränatale Diagnostik stattfindet, und die ganz und gar unterschiedlichen Äußerungen des Bundeskanzlers und des neuen Staatsministers, der ins Bundeskanzleramt berufen worden ist, meine Damen und Herren?
Ich kann nur sagen: Mittelfristig gesehen werden die Fragen des Lebensschutzes und des Gesundheitsschutzes der Menschen eine größere Bedeutung haben als das Thema BSE.
Deswegen ist natürlich im Augenblick die erste, die vordringliche Frage: Was können wir bezüglich BSE tun? Aber mittelfristig liegen in den anderen Bereichen die zentraleren Fragen, und dort wollen wir uns als Landesregierung von Baden-Württemberg einbringen, weil ich nicht hinnehmen kann, dass ein Staatsminister im Bundeskanzleramt in so fahrlässiger Weise über Menschenrechte und Menschenwürde redet, wie das geschehen ist.
Deswegen habe ich als Aufgabe von Herrn Professor Beyreuther ganz bewusst formuliert und mit ihm abgesprochen: Lebensschutz und Gesundheitsschutz der Menschen – darum geht es.
Natürlich brauchen wir mehr Transparenz für die Verbraucher. Die Sprecher der Opposition haben heute wider besseres Wissen behauptet, wir – die Landesregierung – hätten gesagt, in unserem Land sei in den letzten Jahren in der BSE-Bekämpfung alles gut gewesen und es sei nichts zu ändern. Warum hat die Landesregierung denn nach dem ersten BSE-Fall in einer Kabinettssitzung einen Katalog mit einem Dutzend Sofortmaßnahmen beschlossen
und gesagt, Kosten spielten überhaupt keine Rolle? Die Gesundheit der Menschen geht jeder anderen Frage vor. Warum haben wir im Januar in einer weiteren Kabinettssitzung erneut ein Dutzend von Maßnahmen besprochen? Herr Professor Beyreuther – der damals noch nicht beratend für uns tätig war, aber diese Beschlüsse inzwischen kennen gelernt hat – hält sie für richtig und für notwendig. Nein: Sie behaupten Dinge wider besseres Wissen. Ich habe in meiner Regierungserklärung nur das gesagt, was die beiden Fraktionsvorsitzenden der regierungstragenden Fraktionen zuvor auch gesagt haben.
In der Organisation des Verbraucherschutzes, der Lebensmittelkontrolle und der Ernährungsberatung haben wir exakt das, was die Bundesregierung Hals über Kopf vorgenommen hat, nämlich eine Zusammenfassung von Zuständigkeiten im Landwirtschaftsministerium – die von Herrn Kuhn vor viereinhalb Jahren in diesem Hause kritisiert worden ist und jetzt von ihm in Berlin vorgenommen wird.
Das haben wir vor viereinhalb Jahren gemacht. Aus 14 Untersuchungseinrichtungen haben wir fünf schlagkräftige Institute mit über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemacht.
Ich kann jetzt doch nicht deshalb, weil man in Berlin eine Neuorganisation nach genau dem gleichen Muster wie in Baden-Württemberg vornimmt, meinerseits wieder etwas anderes tun, nur um Aktionismus vorzutäuschen. Das ist nicht meine Politik, meine Damen und Herren.
Transparenz für die Verbraucher: Ich kann Ihnen nur sagen: Als ich vor etwa fünf Jahren Ministerin Staiblin berufen habe, hat sie zu mir gesagt, sie wolle nicht nur Landwirtschaftsministerin sein, sie sehe die Zuständigkeit für Ernährung und Verbraucherschutz in ihrem Haus gleichgewichtig. Das hat sie mir gesagt.
Ich habe sie in dieser Auffassung bestärkt. Ich habe sie auch unterstützt, als sie Ernährungszentren geschaffen und dieser Aufgabe ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat.
Meine Damen und Herren, ein Weiteres möchte ich aus der Erfahrung der letzten Wochen heraus sagen.
Sie bekommen Verbraucherschutz und eine bessere Qualität der Lebensmittel nur mit den Bauern und nicht gegen die Bauern.
Das wurde vorhin von verschiedenen Kollegen und auch von der Ministerin begründet. Selbst wenn man, wie Baden-Württemberg, einen doppelt oder dreimal so hohen Anteil an Ökolandwirtschaft hat wie andere Länder, ist es eine Utopie, dass wir allein darauf setzen können, wenn es um gesunde Lebensmittel geht.
Wir brauchen insgesamt gesunde Lebensmittel aus der landwirtschaftlichen Produktion, für alle Verbraucher.
Dann sage ich noch etwas anderes: Solange Menschen in verfassten Staaten und in Gesellschaften zusammenleben, gab es schon immer das Verhalten, dass in den Fällen, in denen es eine Katastrophe gab oder eine Gruppe von Menschen in eine Katastrophe verwickelt worden ist, alle zusammenstanden und dass man geholfen hat. Man hat aber eine solche Gruppe nicht an den Pranger gestellt, wie es dieser Bundeskanzler gemacht hat.
Deswegen stelle ich mich hinter die Landwirtschaft, was nicht heißt, dass ich jeden Fall, der bekannt wird – es sind wirklich Einzelfälle und mit Sicherheit nicht mehr schwarze Schafe als in jedem anderen Beruf –, rechtfertige oder dafür gar im Voraus Absolution erteile. Wir werden jedem Einzelfall nachgehen. Aber die Bauern insgesamt sind nicht Täter und Verursacher von BSE, sondern sind ihr erstes Opfer.
Nun wird als Zweites wider besseres Wissen gesagt, wir hätten uns in diesem Land in den letzten Jahren hingestellt und Baden-Württemberg für BSE-frei erklärt.
Sie finden von mir nicht eine einzige solche Äußerung, aber wenn ich gefragt worden wäre, hätte ich dies gesagt. Aber das haben nicht wir, das hat nicht die deutsche Bundesregierung und nicht die Landesregierung von BadenWürttemberg festgestellt, sondern ein internationales Institut, das für Europa zuständig ist und in Paris seinen Sitz hat. Das hat im letzten Jahr Deutschland noch für BSE-frei erklärt.
Deswegen kann man doch nicht mit dem Wissen nach dem ersten BSE-Fall, mit dem Wissen aus dem Dezember 2000 oder dem Januar 2001, Vorgänge aus den letzten Jahren beurteilen.
Herr Pfister hat besonders auf diesen Punkt hingewiesen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, niemand hat so gehandelt. Auch von Ihnen gab es zu diesem Zeitpunkt keine Anträge in diese Richtung.
Ja, ich lasse sie gerne zu, möchte aber dann anschließend im Zusammenhang meine Ausführungen machen.
Herr Kollege, erstens kenne ich diesen Vorgang nicht, und zweitens werden Sie nicht bestreiten: Die Vertreter Ihrer Partei und der von ihr mitgetragenen Bundesregierung haben im Dezember vor den Ministerrücktritten die ganze Zeit gesagt, dieses internationale Institut habe BSE-Freiheit für Deutschland angenommen und sie hätten auf dieser Basis gehandelt. Die EU hat uns auf dieser Basis behandelt.
Wir haben eine neue Politik einzuleiten, seit wir wissen, dass es auch in unserem Land BSE-Fälle gibt. Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland unverzüglich gehandelt, und der lag bekanntlich einige Wochen vor dem ersten BSE-Fall in Baden-Württemberg.
Anfang Dezember letzten Jahres haben wir innerhalb weniger Tage auf die neue Situation reagiert und die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz unserer Verbraucher, flächendeckende BSE-Tests und umfangreiche Kontrollen bei Futtermitteln und Lebensmitteln umgesetzt. Darüber hinaus sind wir initiativ geworden und haben Bund und EU aufgefordert, ein EU-weites, umfassendes und unbefristetes Tiermehlverfütterungsverbot zu erlassen. Wir haben auch gefordert, es notfalls im nationalen Alleingang durchzusetzen.
Wir haben uns für eine Verschärfung der bestehenden Aussonderungspflicht für Risikomaterialien eingesetzt. Wir haben uns für die Einführung geänderter Schlachtmethoden eingesetzt. Die Forderung, keine Längsspaltung der Wirbelsäule vorzunehmen, ist eine Erkenntnis aus dem Gespräch mit den Wissenschaftlern vom letzten Dienstag. Wir haben diese Forderung aufgenommen, obwohl uns Fachleute sagen, dass das eine totale Umstellung der Schlachtung in allen Schlachthöfen bedeutet. Aber es muss davon ausgegangen werden, sagen die Wissenschafter, dass Risikomaterial auch in der Wirbelsäule ist, also muss es aus der Schlachtkette entfernt werden.
Wir sind für eine offene Deklaration der Futtermittel, für eine Positivliste der zugelassenen Inhaltsstoffe. Wir sind
für verschärfte Sanktionen bei Verstößen gegen das Futtermittel- und Lebensmittelrecht.
Meine Damen und Herren, die BSE-Krise hat dramatische Auswirkungen auf unsere heimische Landwirtschaft – drastische Preis- und Absatzeinbrüche. Nicht nur Rinderhalter sind inzwischen betroffen, sondern zunehmend auch andere Betriebe. Zur Bewältigung der Krise ist kein aktionistischer Richtungswechsel in der Agrarpolitik erforderlich, sondern sind integrierte Konzepte nötig, um das Vertrauen der Verbraucher in heimische Lebensmittel zurückzugewinnen.
Ich nenne nur eine Überschrift: „Festhalten am Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs“. Wenn Berlin, wie Sie sagen – bisher ist das nur angekündigt, Herr Maurer –, eine völlig neue Agrarpolitik einleiten will, dann sage ich Ihnen: Ich habe nur festgestellt, dass die neue Landwirtschaftsministerin Künast bei allen drei Forderungen, mit denen sie vor drei Tagen nach Brüssel gefahren ist, keine Zustimmung bekommen hat. Sie wird sehen, wie gering der Spielraum nationaler Agrarpolitik in der integrierten Europäischen Union inzwischen geworden ist.
Wenn Sie eine andere Agrarpolitik einleiten: Willkommen in Baden-Württemberg! Sie werden keine Schwierigkeiten mit dieser Landesregierung bekommen. Sie werden Schwierigkeiten bekommen mit der Landesregierung in Schleswig-Holstein, mit der Landesregierung in Niedersachsen und mit sämtlichen Landesregierungen in den ostdeutschen Ländern.
Dort werden Sie Probleme bekommen, nicht mit uns.
Deswegen sage ich: Bei Philippi sehen wir uns wieder.
Reden wir einmal in einem halben Jahr oder in einem Jahr darüber, was Sie von diesen Ankündigungen durchgesetzt haben.
Ich sage Ihnen: Wir werden in diesem Land dabei bleiben: Bäuerliche Familienbetriebe, bodengebundene Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung, flächenbezogene und damit nicht produktionssteigernde Förderung,
Belohnung von umweltgerechter Produktion, das sind die Merkmale unserer Agrarpolitik in Baden-Württemberg.
Ich halte vielerlei für notwendig und möchte das auch wiederum nur in Stichworten hier noch einmal sagen: