Protocol of the Session on June 28, 2000

ausschließlich auf Kernenergie, sondern auf einen Energiemix, bei dem aber die Kernenergie auf absehbare Zeit einen bedeutenden Anteil hat.

Nun, meine Damen und Herren, noch zu einem Punkt. Zwei- oder dreimal ist meine Rede, die ich 1986 nach Tschernobyl als Fraktionsvorsitzender für die CDU-Fraktion hier gehalten habe, zitiert worden, aber immer nur in zwei Sätzen, die ich gleich zusammen mit den Anschlusssätzen zitiere.

Ich möchte zunächst einmal sagen – das kann man anhand des Protokolls, das ich hier habe, auch heute noch nachweisen –: Bei meiner Rede damals, 1986, haben Sie keineswegs zugestimmt – so, wie Sie heute mit einer Phasenverzögerung von 14 Jahren offenbar zustimmen –,

(Lachen des Abg. Rech CDU – Abg. Wieser CDU: Das ist das Timelag!)

sondern Sie haben sich genauso aufgeführt, wie Sie sich vorhin bei der Rede von Verkehrs- und Umweltminister Müller aufgeführt haben.

(Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Genau so ist es zugegangen. Gegen Ihren erbitterten Widerstand und gegen Dutzende und Aberdutzende von Zwischenrufen habe ich meine Rede gehalten.

(Zurufe von der SPD: Was? – Unruhe)

Jetzt müssen Sie aus dem, was ich jetzt zitiere, einmal sehen, welche Fälschung entsteht und was hier in den Raum gestellt wird, wenn man nur zwei Sätze aus einer solchen Rede zitiert. Wenn ich das Ganze zitiere – und ich zitiere jetzt das Ganze,

(Unruhe)

weil ich mich nicht dem Vorwurf aussetze, ich würde meinerseits etwas weglassen und auch nur mir genehme Sätze zitieren –,

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

dann werden Sie sehen, dass ich nach 14 Jahren noch zu jedem einzelnen Satz stehen kann. Jetzt zitiere ich, was Sie zitiert haben, und direkt danach die Anschlusssätze:

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Zwei Positionen, meine Damen und Herren, erscheinen mir nach Tschernobyl unvertretbar.

Die erste: Wir stellen alle Kernkraftwerke bei uns ab und steigen aus der Kernenergie sofort aus.

(Beifall des Abg. Braun SPD)

Die zweite: Wir machen so weiter wie bisher und bauen jährlich ein neues Kernkraftwerk.

Beide Positionen... halte ich für unvertretbar.

Das haben Sie vorhin zitiert. Und jetzt zitiere ich weiter:

Beide Positionen haben den Vorteil, dass sie sehr klar sind und ihren Anhängern feste Ziele weisen. Wer aber verantwortlich argumentiert, hat keine einfachen Formeln anzubieten, sondern muss differenzieren. Er muss die Chancen und Risiken der Kernenergie gegenüber den Chancen und Risiken der alternativen Energiegewinnung abwägen. Er muss von dem ausgehen, was ist, und darf Realitäten nicht durch Wunschdenken ersetzen. Er muss die Sicherung der Arbeitsplätze bei

uns ebenso im Auge haben wie die Schonung der Ressourcen in den Entwicklungsländern.

(Zuruf von der SPD: Für was sind Sie denn jetzt?)

Ich denke, da ist jeder Satz auch heute noch richtig.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Demonstrativer Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Brechtken SPD: Das ist das Problem!)

Es geht weiter:

Ein sofortiger oder ein kurzfristiger Ausstieg aus der Kernenergie ist nicht möglich ohne größte Risiken und Gefahren.

Sie haben vorhin den Eindruck erweckt, als ob ich für einen Ausstieg wäre. Er ist nicht möglich ohne größte Risiken und Gefahren.

(Abg. Heiler SPD: 1986!)

Es mag eine ökonomische und ökologische Nische geben für einige Tausend Alternative in unserem Land; es gibt sie nicht für 61 Millionen, und es gibt sie nicht für 5 Milliarden Menschen auf der Welt.

(Beifall des Abg. Rech CDU – Zurufe von der SPD)

Wer den baldigen Ausstieg aus der Kernenergie fordert, schlägt als Alternative den Bau einer ganzen Reihe zusätzlicher Kohlekraftwerke vor. Haben diese Politiker die Diskussionen zur Luftreinhaltung vergessen, vergessen die Auseinandersetzungen um das Waldsterben, die Entschwefelung und Entstickung von Kohlekraftwerken, die Diskussionen um den Katalysator und ein Tempolimit? Der Treibhauseffekt des Kohlendioxids, das große ökologische Risiko der Kohleverfeuerung trotz aller Rauchgasreinigung könnten zu einer schleichenden Katastrophe noch schlimmeren Ausmaßes führen als Tschernobyl.

Meine Damen und Herren, wie wollen die Befürworter weiterer Kohlekraftwerke den Verbrauch nicht regenerierbarer Rohstoffe in wenigen Jahrzehnten zulasten kommender Generationen rechtfertigen?...

Wer das Abschalten unserer Kernkraftwerke fordert, muss sich auch fragen lassen,

(Abg. Bebber SPD: Nur nicht ermüden beim Vor- lesen!)

was er für die Sicherheit der Bürger in der Bundesrepublik Deutschland gewinnt. Österreich ist aus der Kernkraft ausgestiegen und lässt eine Investition von 2 Milliarden DM ungenutzt liegen. Ist die österreichische Bevölkerung durch die Strahlenbelastung von Tschernobyl weniger belastet und betroffen gewesen als die deutsche Bevölkerung? Gefährden die Kernkraftwerke in der Tschechoslowakei wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt die österreichischen Bürger weniger, als eigene Kraftwerke sie gefährden würden?

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist aber die Situation auch heute. Das ist doch der Punkt, meine Damen und Herren.

(Anhaltende Unruhe)

Jetzt sieht es ein bisschen anders aus als bei dem, was Sie zitiert haben.

(Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Maurer SPD: Nein, nein! – Weitere Zurufe)

So macht man es in der Hoffnung, dass man nicht mehr an das Protokoll herankommen kann.

(Zurufe von der SPD)

Sie müssen sich das anhören. Sonst sagen Sie, ich hätte auch nur das zitiert, was mir passt.

Entlang der deutschen Grenze stehen Kernkraftwerke in Frankreich, in Belgien, in Holland, in der Tschechoslowakei, in der Schweiz.

(Abg. Dr. Birk CDU: Die Wahrheit ist unbequem! – Gegenruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe Zeit.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ich habe leider auch Zeit!)

Ist das Risiko für unsere Bevölkerung durch diese Kernkraftwerke geringer als durch deutsche Kraftwerke? Ehrlich gesagt: Mir sind Kernkraftwerke in Deutschland, für die unsere Reaktorsicherheitskommission und unsere Genehmigungsbehörden die Sicherheitsstandards festlegen, akzeptabler als Kernkraftwerke sowjetischen Bautyps wenige Kilometer von uns entfernt...

Dieses Beispiel zeigt doch: Für die Sicherheit unserer Bürger wäre nichts gewonnen, wenn das Land aussteigen würde, das die höchsten Sicherheitsstandards hat...

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Da hält er die ganze Rede noch einmal!)