Protocol of the Session on June 28, 2000

Wir brauchen Versorgungssicherheit; aber wir brauchen auch eine Energieversorgung, die den Umstieg auf einen erneuerbaren, mit Spitzentechnologie gesteuerten Energieeinsatz ermöglicht,

(Zuruf des Abg. Krisch REP)

ohne dass wir mehr als nötig die weltweit zur Neige gehenden Rohstoffe aufkaufen müssen. Mehr als diese eine Erde können wir unseren Kindern und Enkeln nicht hinterlassen. Dieses Ziel können wir aus eigener Kraft erreichen mit verbesserten Wirkungsgraden, mit einer Effizienz-Revolution im Energiesektor. Die KraftWärme-Kopplung wird auch mittel- und langfristig entscheidende Beiträge zum Klimaschutz leisten.

Das ist das, was Sie weggelassen haben. Ich bin Ihnen übrigens dankbar, dass Sie Ihre ganze Rede noch einmal vorgelesen haben.

Wir geben das Signal, dass die Zukunft nicht der Atomenergie gehört. Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energiequellen, die Zukunft gehört der Kraft-Wärme-Kopplung, die Zukunft gehört dem Energiesparen und dem rationellen Energieeinsatz, die Zukunft gehört einer Politik, die Wachstum und Energieeinsatz entkoppelt – und das wird uns mit Hochtechnologie gelingen –, und die Zukunft wird eine Zukunft der Brennstoffzelle und der solaren Wasserstoffwirtschaft sein. Das ist eine Zukunftsentscheidung, und auch Sie werden irgendwann hoffentlich noch auf den Zug aufspringen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Herr Abg. Dr. Salomon, das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann leider nicht damit dienen, hier noch einmal eine 14 Jahre alte Rede fast in Gänze vorzulesen und mich hinterher auch noch hinzustellen und zu behaupten: Das war unsere Politik, das ist unsere Politik, das wird unsere Politik bleiben, und daran wird sich nichts ändern, in Ewigkeit, amen.

Herr Ministerpräsident Teufel, das war eher ein Armutszeugnis, was Sie hier vorgelesen haben. Es war damals eine nachdenkliche Rede, in der Sie gegen den kurzfristigen Ausstieg aus der Kernenergie plädiert haben. Was wir jetzt machen, ist schlichtweg, dass wir bislang unbefristeten Kernkraftwerken eine Befristung geben. Und wir machen das im Konsens mit der Industrie.

Jetzt sagen Sie: Das Ganze ist kein Konsens, sondern das Ganze ist ein Diktat.

(Abg. Krisch REP: Richtig!)

Da kann ich Sie nur fragen: Was glauben Sie eigentlich? Natürlich ist es wirtschaftlicher, ein abgeschriebenes Kernkraftwerk laufen zu lassen, bis es auseinander fällt. Damit verdient man am meisten Geld. Das ist logisch und unbestritten.

Trotzdem: Herr Pfister sagt: „Wenn es logisch wäre und diese Dinger unsicher sind, dann müsste man sie sofort abschalten.“ Ich behaupte: Die ethische Frage, ob die sicher sind oder nicht, ist 1986 diskutiert worden. Es ist einfach eine große ethische Diskussion in dieser Gesellschaft, eine Diskussion, die nicht ideologisch ist, sondern die eine Wertediskussion ist und die man entscheiden muss.

Ob es ethisch gerechtfertigt ist, eine Technologie zu installieren, die auf Zehntausende von Jahren Müll produziert, der zukünftige Generationen schädigt, genetisch schädigt,

(Abg. Hauk CDU: Könnte! – Abg. Haas CDU: Die Grünen sind ein Kernkraftrisiko an sich!)

Tod bringend ist, ob man das sicher machen kann, das ist eine Entscheidung, die die heutige Generation meines Erachtens so nicht treffen kann. Das ist die ethische Dimension.

Wenn Sie das für Hightech halten, ein Sicherheitsrisiko einzugehen, bei dem, wenn ein Kernkraftwerk hochgeht, Hunderttausende, ja Millionen von Toten einkalkuliert werden müssen, dann ist die ethische Entscheidung – – Und die Gesellschaft hat in der Mehrheit in den letzten 25 Jahren entschieden, dass sie das nicht will. Das können Sie nicht einfach als Ideologie abtun. Das ist eine ganz klare Wertedebatte in der Gesellschaft, die in den letzten 25 Jahren stattgefunden hat, die die Gesellschaft beantwortet hat und die die Vorgängerbundesregierung nicht umgesetzt hat. Was wir tun, ist, dass wir genau das jetzt tun.

Wir befinden uns aber in einem Rechtsstaat mit einem Verfassungsgericht, einem Staat, in dem die ethische Entscheidung, sofort auszusteigen, natürlich nicht umsetzbar ist. Deshalb haben wir diese Laufzeiten befristet.

Jetzt ist es natürlich nach wie vor so, dass morgen trotzdem etwas passieren kann. Das kann niemand ausschließen. Aber das, was die Regierung gemacht hat, ist, zwischen der ethischen Entscheidung, aussteigen zu wollen, und den rechtlichen Gegebenheiten eben diesen Konsens herzustellen. Und das haben die Kernkraftwerksbetreiber getan.

Was Sie jetzt haben, Herr Ministerpräsident, ist ein Dissens mit den Stromkonzernen, von denen Sie sich verraten fühlen: „Wir haben doch so viel für euch getan, ihr seid so undankbar und macht mit Rot-Grün einen Pakt. Ja spinnt ihr denn?“ Und jetzt überlegen wir uns, ob wir das beklagen können.

Ich habe vorhin in einem Zwischenruf gesagt: Ihr seid ja überhaupt nicht betroffen als Land. Wenn jemand klagen könnte, dann wären es die Stromkonzerne. Und genau deshalb, damit sie das nicht tun, haben wir diesen Konsens gemacht.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Doch nicht mit den Bun- desländern!)

Also: Wo ist denn eigentlich der Kläger?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Aber doch nicht mit den Bundesländern!)

Die Bundesländer sind überhaupt nicht betroffen. Im ganzen Atomrecht –

(Abg. Pfister FDP/DVP: Wie wollen Sie Ihre Zwi- schenlager bauen? Wasserrechtliche Verfahren! Wie wollen Sie denn das machen?)

das wissen aus leidvoller Erfahrung viele rote und grüne Umweltminister der Bundesländer – sind sie Weisungsempfänger gegenüber dem Bund und haben eigentlich gar keine eigene rechtliche Handhabe.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Aber doch nicht bei den wasserrechtlichen Verfahren bei den Zwischenla- gern, die Sie wollen!)

Bei den wasserrechtlichen Verfahren und bei den baurechtlichen Verfahren bei den Zwischenlagern gilt:

Erstens: Genehmigungsbehörde für diese Zwischenlager ist eine Behörde des Bundes, das Bundesamt für Strahlenschutz, keine andere Behörde. Die baurechtlichen und die wasserrechtlichen Verfahren – –

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja, ja!)

Jetzt bin ich einmal gespannt.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ich auch!)

Jetzt müssen Sie in einen Konflikt eintreten mit der Bundesregierung und müssen einen Konflikt eingehen mit den Stromkonzernen, die Sie händeringend bitten, Sie mögen diese Dinger genehmigen, weil sonst die Vereinbarung mit der Bundesregierung nicht klappt und weil Sie genau das dann vollenden, was die Stromkonzerne noch vor einem Jahr Minister Trittin vorgeworfen haben, nämlich eine Verstopfungsstrategie zu vollenden, die dazu führt, dass man wieder Atomtransporte machen muss. Ich bin gespannt, wie lange Sie das politisch durchhalten. Sie werden es nicht durchhalten. Das kann ich Ihnen gleich prophezeien.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie wollten Antworten zu Obrigheim.

Ich kann Ihnen nur sagen: In diesem Konsenspapier steht dreierlei. Es steht drin: Die Laufzeiten werden begrenzt. Damit die Konzerne die Möglichkeit haben, sich wirtschaftlich zu verhalten, können Stromkontingente übertragen werden, und zwar von alten auf neue und von kleinen auf große Kraftwerke.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das haben wir gehört!)

Obrigheim ist ein altes und kleines Kraftwerk.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Und was sagt der Bundes- kanzler?)

Es steht weiter drin: In Ausnahmefällen kann im Einvernehmen zwischen der Bundesregierung und den Stromkonzernen auf Antrag auch anders genehmigt werden. Das heißt, das können sie nicht selbstständig machen, sondern das muss genehmigt werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Birk CDU)

Und jetzt stellen Sie die Frage, was Herr Goll mit Herrn Schröder in der Nacht unter vier Augen ganz geheim

(Abg. Drexler SPD: Gemacht hat!)

ausgehandelt hat. Ich kann nur sagen: Ich weiß es nicht.

(Abg. Drexler SPD: Und warum wissen Sie das nicht?)

Das ist aber ziemlich unerheblich, weil man sich dann, wenn Stromkontingente auf Obrigheim – von einem großen und neuen auf ein altes und kleines Kernkraftwerk – übertragen werden sollten, fragen muss, was das wirtschaftlich für einen Sinn macht.

(Zuruf des Abg. Mappus CDU)

Das sind ja kommunizierende Röhren. Das heißt, wenn Sie bei Obrigheim noch zwei Jahre zugeben, müssen Sie ein anderes Kraftwerk zwei Jahre früher abschalten.

(Zuruf des Abg. Krisch REP)

Dann haben Sie den Konflikt doch nur verlagert. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich an Obrigheim so aufhängen. Obrigheim ist für Sie ein ideologisches Symbol,